Begründung der Notwendigkeit des Einsatzes von offenen Unterrichtsformen aus der Sicht eines allgemeinbildenden didaktischen Unterrichtskonzepts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Zielsetzung und Beschränkungen der Arbeit

2. Über die Zielsetzungen schulischen Unterrichts
2.1. Der Bildungsauftrag der Schule: Lebensvorbereitung als Leitziel
2.2. Kennzeichnung des Allgemeinbildungsbegriffs
2.2.1. Der Allgemeinbildungsbegriff nach KLAFKI
2.2.2. Die Entwicklungsaufgaben im Jugendalter aus entwicklungspsychologischer Sicht
2.3. Die doppelte Verbindlichkeit der Didaktik nach KLINGBERG
2.4. Der Begriff der Kompetenz – Realisierung der Allgemeinbildungsforderung in ausgewählten deutschen Schullehrplänen
2.4.1. Der Bildungsauftrag im Lehrplan des Bundeslandes Nordrhein - Westfalen
2.4.2. Das Kompetenzmodell im Lehrplan des Bundeslandes Thüringen

3. Die konkrete Umsetzung der Ziele von Schule
3.1. Betrachtung zieladäquater Formen des Unterrichts
3.2. Betrachtung offener Unterrichtsformen im Einzelnen
3.2.1. Wochenplanunterricht
3.2.2. Freie Arbeit
3.2.3. Projektunterricht
3.2.4. Stationslernen
3.2.5. Offener Unterricht

4. Schlussfazit

5. Literaturangabe

1. Zielsetzung und Beschränkungen der Arbeit

Diese Arbeit hat zum Ziel, die Notwendigkeit des Einsatzes von Formen offenen Unterrichts in der Schule didaktisch zu begründen. Dazu soll es zunächst Aufgabe sein, die Ziele schulischer Bildung klar und verbindlich zu formulieren. Anschließend soll untersucht werden, inwiefern sich diese Ziele in den direkten Arbeitsanweisungen von Lehrerinnen und Lehrern, den Lehrplänen, niederschlagen. Nun soll versucht werden, nach adäquaten Unterrichtsformen zu suchen, die der Realisierung schulischer Bildungziele möglichst effektiv gerecht werden. Dabei geht diese Arbeit speziell auf die Möglichkeiten offener Unterrichtsformen ein.

Da die Arbeit nur einen sehr geringen Umfang haben soll, ist es speziell im Bereich der Findung der Zielsetzungen schulischen Unterrichts und der Untersuchung der Lehrpläne unmöglich, eine umfassende Erarbeitung anzubieten. Deshalb beschränke ich mich hier auf wenige Konzepte und untersuche lediglich die Lehrpläne zweier Bundesländer (Nordrhein - Westfalen und Thüringen). Auch die Auseinandersetzung mit den Formen offenen Unterrichts kann nicht erschöpfend sein.

2. Über die Zielsetzungen schulischen Unterrichts

2.1. Der Bildungsauftrag der Schule: Lebensvorbereitung als Leitziel

Über vielen Stunden- und Lehrplandiskussionen, Beratungen über Standards und fachliche Inhalte der Unterrichtsfächer wird sowohl von Seiten der Unterrichtstheoretiker als auch von Seiten der Lehrer viel zu selten die Besinnung auf die Grundzüge schulischen Lernens vollzogen. Vielen Lehrern fällt es schwer, auf die Frage, warum sie in gerade dieser Unterrichtsstunde gerade diesen Unterrichtsstoff auf genau diese Art und Weise vermitteln, klar zu beantworten. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass im schulischen Alltag kaum ein Lehrer über die Grundziele und –aufgaben der Institution Schule nachdenkt.

Will man sich mit Unterrichtsdidaktik und geeigneten Formen des Unterrichts befassen, muss man sich also zunächst vergegenwärtigen, dass die Schule als „Erfindung“ der Aufklärung eine Einrichtung zur Lebensvorbereitung sein soll. Schule soll dem Lernenden bei seinem Versuch „sich aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit zu befreien“ (KANT) helfend zur Seite stehen. Zwischen 1770 und 1830 hat sich durch große Denker wie Lessing, Herder und Kant, Goethe und Schiller, Pestalozzi, Diesterweg und Fröbel, Schleiermacher, Herbart und Humboldt, Fichte und Hegel der Begriff „Bildung“ zu einem Zentralbegriff pädagogischen Denkens entwickelt und meint, wenn auch die unterschiedlichen Auslegungen und Schwerpunktsetzungen sehr stark differieren, immer die Vorbereitung der Schüler auf das Leben. Man muss sich also die Frage stellen, was Lebensvorbereitung für die Schüler, die heute unsere Schulen besuchen, meint. Pestalozzi und Humboldt sprechen in Zusammenhang mit dem Begriff „Bildung“ von der Entwicklung aller „Kräfte“ des Menschen. Will man also einen der Zielsetzung von Schule entsprechenden lebensvorbereitenden Unterrichtsentwurf konzepieren, muss man sich zunächst überlegen, welche „Kräfte“ der Schüler entwickelt werden müssen, um sie auf das Leben vorzubereiten.

Schnell erkennt man, dass die Vermittlung von Fachwissen nur einen kleinen Anteil des Spektrums der Lebensvorbereitung einnimmt. Schon die Aufklärung zeigt uns mit ihren Maximen wie „Lerne, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ auf, dass Lebensvorbereitung als Erziehung des mündigen Menschen in großem Maße auch Ausprägung von Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit (Grundfähigkeiten nach KLAFKI S.52) einschließen muss. Die individuelle Persönlichkeitsentwicklung steht demnach im Vordergrund aller didaktischer Bemühungen in der Schule. Um die Ziele schulischer Didaktik klarer formlieren zu können, möchte ich mich des Begriffs der Allgemeinbildung bedienen. Allgemeinbildung soll als die Zusammenfassung aller Fähigkeiten und Kenntnisse definiert sein, die der Mensch benötigt, um auf die Bewältigung seines Lebens ausreichend vorbereitet zu sein.

2.2. Kennzeichnung des Allgemeinbildungsbegriffs

2.2.1. Der Allgemeinbildungsbegriff nach KLAFKI

Bei der Definition von Allgemeinbildung, die ich meinen Überlegungen zugrunde legen möchte, halte ich mich vornehmlich an den Allgemeinbildungsbegriff nach KLAFKI. KLAFKI beschreibt drei Bedeutungsmomente oder Dimensionen der Allgemeinbildung, die ich im Folgenden kurz erläutern möchte:

1. Gegenstände und Methoden der Allgemeinbildung müssen für alle Lerner zugänglich und erfassbar sein und somit allen Lernern gleiche Chancen des Bildungserwerbs eingeräumt werden. „Bildung muss, wenn sie tatsächlich als demokratisches Bürgerrecht und als eine Bedingung der Selbstbestimmung angesehen wird, Bildung für alle sein.“ (KLAFKI S.53). KLAFKI nennt diese Forderung Demokratisierung der Bildung.

2. Allgemeinbildung muss, „ […] sofern das Mitbestimmungs- und Solidaritätsprinzip konkret eingelöst werden soll, einen verbindlichen Kern des Gemeinsamen haben und insofern Bildung im Medium des Allgemeinen sein […].“ (KLAFKI S.53). Zu vermittelnde Unterrichtsinhalte müssen also Themen umfassen, die für alle Menschen von Relevanz sind („Schlüsselprobleme“). „Allgemeinbildung muss verstanden werden als Aneignung der die Menschen gemeinsam angehenden Frage- und Problemstellungen ihrer geschichtlich gewordenen Gegenwart und der sich abzeichnenden Zukunft […].“ (KLAFKI S.53). Unweigerlich folgt aus dieser Forderung das Problem, diese Inhalte verbindlich festlegen zu können. Zweifellos können jedoch einige zentrale gesellschaftliche Fragen sofort aufgezählt werden: Friedenserziehung, Umwelterziehung, Medienkunde, soziale Beziehungskunde und Gesellschaftskunde (nach KLAFKI S.56ff) müssen als Grundfragen unserer Gesellschaft verbindliche Inhalte eines allgemeinbildenden Unterrichts sein. Derartige Problemstellungen können unmöglich in ihrer Gesamtheit von den Lernern erfasst und keinesfalls umfassend im Unterricht behandelt werden. Vielmehr sollte die Auseinandersetzung mit diesen Schlüsselproblemen an exemplarischen Beispielen angestrebt werden, die auf die Aneignung von Einstellungen und Fähigkeiten abzielt, deren Bedeutung über den Bereich des jeweiligen Schlüsselproblems hinausreicht. KLAFKI hebt vier grundlegende Einstellungen und Fähigkeiten heraus:

- Kritikbereitschaft und –fähigkeit einschließlich der Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstkritik
- Argumentationsbereitschaft und –fähigkeit
- Empathie im Sinne der Fähigkeit, eine Situation, ein Problem, eine Handlung aus der Lage des jeweils anderen, von der Sache Betroffenen aus sehen zu können
- „vernetztes Denken“ oder „Zusammenhangsdenken“, das dem Lerner den Zugang zum Verständnis komplexer Zusammenhänge innerhalb und zwischen den Schlüsselproblemen ermöglicht

(nach KLAFKI S.63f)

3. Schulische Allgemeinbildung darf nicht einseitig sein. Sie muss, „sofern das Grundrecht auf die ‚freie Entfaltung der Persönlichkeit’ gewährleistet werden soll, als Bildung in allen Grunddimensionen menschlicher Interessen und Fähigkeiten verstanden werden […].“ (KLAFKI S.54). Da die Lerner nicht alle die selben Interessen und Fähigkeiten aufweisen, ergibt sich somit der Schluss, dass es nicht Aufgabe der Schule sein darf, im Sinne einer gleiche Standards schaffenden „Wissensvermittlungsinstitution“ Schüler zu normieren, sondern vielmehr ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechend selbstbestimmte und individuelle Menschen zu entwickeln. KLAFKI nennt folgende Kategorien dieser allseitigen Bildung:

- lustvoller und verantwortlicher Umgang mit dem eigenen Leib
- Bildung der kognitiven Möglichkeiten
- Bildung der handwerklich – technischen und der hauswirtschaftlichen Produktion
- Ausbildung zwischenmenschlicher Beziehungen (Sozialität)
- Bildung der ästhetischen Wahrnehmungs-, Gestaltungs- und Urteilsfähigkeit
- Bildung der ethischen und politischen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit.

(nach KLAFKI S.54)

Aus der Vielseitigkeit dieser Kategorien ergibt sich ein erforderliches Repertoire an instrumentellen Grundarbeitstechniken, die die Auseinandersetzung mit Inhalten innerhalb dieser Kategorien erst ermöglichen, aber von Schülern erst gelernt werden müssen. „Sinnvolles und ertragreiches Lehren und Lernen […] schließen immer ein erhebliches Maß sehr schlichter, sozusagen handfester Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten ein – Lesen und Schreiben, sachlich treffendes und kommunikativ verständliches Sprechen, grundlegendes Rechnen, Genauigkeit des Beobachtens, handwerklich – technische Grundfertigkeiten, Informationstechniken, [Einfügung JUNEK: motorische Grundfertigkeiten,] usw., zugleich aber Tugenden wie Selbstdisziplin, Konzentrationsfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Rücksichtsnahme usf..“ (KLAFKI S.74). Diese Arbeitstechniken sind von größter und grundlegendster Bedeutung und sollten daher während der gesamten Schulzeit geübt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Begründung der Notwendigkeit des Einsatzes von offenen Unterrichtsformen aus der Sicht eines allgemeinbildenden didaktischen Unterrichtskonzepts
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Seminar zu Konzepten des Offenen Unterrichts, gehalten von Frau Bärbel Ritscher an der Uni Jena, SS 2004
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V31097
ISBN (eBook)
9783638322072
ISBN (Buch)
9783638775014
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
'Offener Unterricht' ist als Schlagwort Urheber zahlreicher Diskussionen. Aber wie kommt das? Aus der Frage heraus, was Bildung eigentlich sein soll und sein kann, bietet diese Arbeit eine fundierte Begründung des Offenen Unterrichts. Bewertung der Dozentin: 'Eine Arbeit, die in besonderem Maße den inhaltl. und formalen Anforderungen gerecht wird. Überzeugend in der Struktur und in der sprachl. Gestaltung! Es war eine Freude, die Arbeit zu lesen.' Für Rückfragen zum Thema bin ich gern bereit.
Schlagworte
Begründung, Notwendigkeit, Einsatzes, Unterrichtsformen, Sicht, Unterrichtskonzepts, Seminar, Konzepten, Offenen, Unterrichts, Frau, Bärbel, Ritscher, Jena
Arbeit zitieren
Jens Junek (Autor:in), 2004, Begründung der Notwendigkeit des Einsatzes von offenen Unterrichtsformen aus der Sicht eines allgemeinbildenden didaktischen Unterrichtskonzepts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31097

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