Die narrative Struktur von Fernsehnachrichten. Medienanalyse am Beispiel der "Tagesschau"


Hausarbeit, 2010

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Fernsehnachrichten
2.1 Fernsehen als Programmmedium
2.2. Überblick der historischen Entwicklung deutscher Fernsehnachrichten
2.3 Fernsehnachrichten als eine zentrale Vermittlungsinstanz von Politik

3. Dramaturgie & Präsentationsstrategie am Beispiel der „Tagesschau“
3.1 Die Erzählstruktur der Nachrichten
3.2 Der Präsentations- und Erzählrahmen
3.2.1 Das Studio
3.2.2 Der Sendeablauf als Abgrenzungs- und Orientierungshilfe
3.2.3 Die Rolle des Nachrichtensprechers
3.3 Nachrichten als Teil & Strukturabbild des ‚Programmflusses‘

4. Fazit

5. Modulabschluss

6.Verzeichnis der Information
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Quellen-Verzeichnis

1. Einleitung

Der Stellenwert von Fernsehnachrichten in der deutschen Fernsehkultur als das zentrale Informationsangebot des ‚Leitmediums‘ Fernsehen ist unbestritten hoch.

Bei der Produktion und Rezeption von Nachrichtensendungen spielt die wohlüberlegte Präsentations- und Darstellungsform eine entscheidende Rolle.

Das Thema „Die narrative Struktur von Fernsehnachrichten“ soll einen, dem ersten Anschein nach unkonventionell wirkenden Zugang zu der Präsentationsstrategie von Fernsehnachrichten aufzeigen, indem Fernsehnachrichten als audiovisuelle Erzählungen definiert werden. Diese Betrachtungsweise zielt darauf ab, die Struktur und die Rolle von Fernsehnachrichten insbesondere im Kontext des Programmzusammenhangs genauer bestimmen zu können. Die Analyse soll am Beispiel der ältesten und erfolgreichsten deutschen Nachrichtensendung,[1] der Hauptausgabe der „Tagesschau“, erfolgen, wobei die Sendungen im Zeitraum vom 30.06.2010 bis zum 14.07.2010 auf Basis einer hermeneutischen Herangehensweise die Grundlage hierfür darstellen. Zunächst einmal werden die spezifischen Merkmale des Programmmediums Fernsehen als Plattform der Fernsehnachrichten herausgearbeitet.

Anschließend folgen ein Abriss über die wichtigsten historischen Eckdaten deutscher Fernsehnachrichten sowie ein weiterer über dessen zentrale Funktion als Vermittlungsinstanz von Politik.

Schließlich wird die Präsentationsform der Fernsehnachrichten anhand ihrer Erzählstruktur und des Präsentations- und Erzählrahmens genauer beleuchtet, um sie als Teil und Strukturabbild des ‚Programmflusses‘ identifizieren zu können. Den Abschluss meiner Hausarbeit bildet ein kurzes Fazit.

2. Fernsehnachrichten

2.1 Fernsehen als Programmmedium

Das Fernsehen lässt sich als ein Programmmedium verstehen, welches ein zeitliches Kontinuum permanenter Angebote darstellt.[2]

Die Thematik der Programmstrukturen hat in den 1980er Jahren im Verlauf der Ausweitung der deutschen Fernsehprogramme an Bedeutung gewonnen. In Folge dessen haben sich neue Rezeptionsformen wie das ‚Zapping und Switching‘ herausgebildet und seit dem werden die Einschaltquoten maßgeblich von dem zeitlichen Programmplatz der jeweiligen Sendung beeinflusst.

Ein weit verbreitetes Modell von Fernsehen ist das des ‚Programmflusses‘, welches vor allem durch Raymond Williams vertreten wird. Williams ist überzeugt davon, dass das entscheidende Merkmal des Fernsehens „das Phänomen eines geplanten flow“[3] als Ausdruck einer Technologie sowie kulturellen Form sei. Die Entwicklung des ‚Programmflusses‘ beschreibt Williams folgendermaßen:

„[…]das Ersetzen der Programmreihung in Form zeitlich abgestimmter und aufeinander folgender Einheiten [erfolgt, M.G.] durch eine flow-Reihung unterschiedlich verbundener Einheiten, in der die zeitliche Struktur […] unbestimmt bleibt und deren tatsächliche interne Organisation sich von der behaupteten Organisation unterscheidet.“[4]

Williams sieht die bedeutsame Veränderung des Fernsehens im Vergleich zu vorherigen Kommunikationssystemen darin verankert, dass die vorher noch voneinander getrennten ‚diskreten Einheiten‘ im Zuge der Ausdehnung der Rundfunk- und Fernsehdienste zu Programmen zusammengefügt worden seien.[5]

Das zentrale Merkmal an dem Modell des ‚Programmflusses‘ ist seine Doppelstruktur, das Programm einerseits als Kontinuum, als Fluss des Gesendeten und andererseits als eine Folge von Sequenzen von Einheiten anzusehen.[6]

Anknüpfend an die Thesen von Williams und John Fiske, der in seinem Modell das Programm als einen aus mehreren Teilen bestehenden Text beschreibt, führt Knut Hickethier diese beiden Thesen weiter, indem er das Programm als einen großen Erzählzusammenhang begreift.[7]

Ferner lässt sich die Metapher des Fließens innerhalb des ‚Programmflusses‘ mit der Vorstellung von der strukturellen Ordnung und Darstellung von Ereignissen verbinden.

Das Bemühen um die Aufrechterhaltung des ‚Programmflusses‘ wird auf der Senderseite in Form von Trailern und Programmhinweisen zur Zuschauerbindung ausgedrückt und manifestiert sich auf Zuschauerseite durch die Planung eines Fernsehabends ‚im Ganzen‘.[8]

2.2. Überblick der historischen Entwicklung deutscher Fernsehnachrichten

Als erste Nachrichtensendung im westdeutschen Fernsehen wurde die durch die Fernsehversuchsanstalt des NordWestdeutschen Rundfunks produzierte „Tagesschau“ bekannt. Die erste Ausstrahlung der „Tagesschau“ erfolgte am 26.12.1952 und erreichte in der Anfangszeit aufgrund der begrenzten Empfangsmöglichkeiten in ausgewählten Einzugsgebieten nur einige Tausend Zuschauer.[9]

Die „Tagesschau“ orientierte sich bezüglich des Einsatzes von Filmberichten bis zum Ende der 1950er Jahre an der filmisch-erzählerischen Tradition der Wochenschauen, welche zuvor Filmberichte über ausgewählte Ereignisse wöchentlich als Vorprogramm im Kino präsentierten.[10]

Ab 1959 erhielt die „Tagesschau“ in Person von Karl-Heinz Köpcke ihren ersten Nachrichtensprecher, der die neu eingeführten Wortmeldungen verlas. Im Verlauf der Jahre entwickelte sich eine Nachrichtendramaturgie gekennzeichnet durch wechselnde Wortmeldungen, längeren Beiträgen sowie kurze Nachrichten im Film.[11]

Die Monopolstellung der „Tagesschau“ wurde mit dem Start der Nachrichtensendung des neu gegründeten Zweiten Deutschen Fernsehens „heute“ im Jahre 1963 aufgelöst. Darüber hinaus entwickelten ARD und ZDF im Jahre 1978 die Nachrichtenjournale „Tagesthemen“ sowie das „heute-journal“, welche über eine ausgedehnte Sendezeit von 30 Minuten und damit über mehr Zeit für die Vermittlung von Hintergrundinformationen verfügten.[12]

Eine neue Phase wurde durch das Aufkommen kommerzieller Nachrichtenanbieter mit der Einführung des dualen Rundfunksystems Mitte der 1980er Jahre ablesbar.

Die kommerziellen Anbieter, welche sich an amerikanischen Nachrichtensendungen orientierten, unterschieden sich deutlich von den öffentlichen-rechtlichen Nachrichtenanbietern vor allem durch den Einsatz unterhaltender Elemente, die Einführung des ‚Anchormanprinzips‘ sowie kürzere Berichterstattungseinheiten.[13]

Aktuell bieten die Fernsehsender durch unterschiedliche Formen wie Morgen-, Mittags-, Abend-, und Nachtsendungen sowie den Nachrichtenspartenkanälen n-tv und n24 geprägtes[14], heterogenes Nachrichtenspektrum an.

2.3 Fernsehnachrichten als eine zentrale Vermittlungsinstanz von Politik

Die Fernsehnachrichten gelten als ein fester Bestandteil unserer „alltäglichen Kommunikationskultur“[15]. Sie gehören nach wie vor zu den beliebtesten und erfolgreichsten Programmangeboten im deutschen Fernsehen, was sich vor allem in der täglichen Zuschaueranzahl von fast dreiunddreißig Millionen Menschen (Stand 2008) in einer der Nachrichtensendungen des deutschen Fernsehens widerspiegelt.[16] Insbesondere die abendlichen Hauptnachrichten lassen sich als „Visitenkarte der Kategorie Information“[17] verstehen und prägen das Senderimage maßgebend.

Darüber hinaus sind Fernsehnachrichten nicht nur für den Sender von großer Bedeutung, sondern auch für die Zuschauer als Quelle politischer Informationen. Denn Nachrichtensendungen weisen das höchste Niveau an politischen Themen und Akteuren auf.[18]

Aus politikwissenschaftlicher Sicht stehen die Fernsehnachrichten also zumindest im Verdacht, eine zentrale Vermittlungsinstanz von politischer Kommunikation zu sein.[19] Dieser Verdacht wird durch die Tatsache gestützt, dass die Fernsehnachrichten neben der größten Reichweite zusätzlich einen hohen Grad an Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit genießen. Dies ist vor allem durch die visuelle Präsentationweise, welche Aktualität und Authentizität suggeriert, begründet. Nach demokratietheoretischen Grundsätzen sollen Fernsehnachrichten die Bürger umfassend und objektiv informieren, um ihnen damit die Partizipation am politischen Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozess zu ermöglichen. Der Auszug aus Paragraph fünf des ZDF-Staatvertrages (1991) verdeutlicht dieses Anliegen:

„(1) In den Sendungen des ZDF soll den Fernsehteilnehmern in Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. Die Sendungen sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern.“[20]

Wenn man Nachrichtensendungen die Funktion eines Informationsfilters zuschreibt, spielt die Selektion eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang beschreibt Niklas Luhmann in dem Kapitel „Nachrichten und Berichte“ seiner Monographie „Die Realität der Massenmedien“ zehn typische Selektoren für Nachrichten.[21]

Des Weiteren zeichnet sich die politische Berichterstattung in den Fernsehnachrichten durch eine Tendenz zur Personalisierung aus[22], welche als ein Reduktionsmechanismus von Komplexität dient und sich entscheidend auf die visuelle Präsentation von Politikern stützt. Diese „Zurechnung auf Handelnde“[23] bewirkt nicht nur, dass der Raum für die Thematisierung von komplexen Hintergründen fehlt, sondern auch, dass Politiker zu greifbaren Personen für eine unbekannte Zukunft gemacht werden.[24] Schließlich hat das Format der Fernsehnachrichten nur eine begrenzte Sendedauer zur Verfügung, was dazu führt, dass sich politische Ereignisse nicht in aller Ausführlichkeit darstellen lassen können. Zudem stellt die „mediale Darstellungspolitik“[25] der Fernsehnachrichten nur einen spezifischen Ausschnitt politischer Wirklichkeit dar. Aufgrund dessen spielt bei der Rezeption der Fernsehnachrichten die politische Bildung und das politische Vorwissen der Rezipienten eine große Rolle.

[...]


[1] Vgl. Geese, Stefan; Zubayr, Camille: Die Informationsqualität der Fernsehnachrichten aus Zuschauersicht. http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/04-2009_Zubayr.pdf, abgefragt am 01.08.2010.

[2] Vgl. Hickethier, Knut: Fernsehnachrichten I: Geschichten aus 1001 Nachricht. In: message, Nr. 2, 2000, S. 73.

[3] Williams, Raymond: Programmstruktur als Sequenz oder flow. In: Adelmann, Hesse et al. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie - Geschichte – Analyse. München 2002, S.33.

[4] Ebd., S.40.

[5] Vgl. ebd., S.35.

[6] Vgl. Hickethier, Knut: Simulation oder Programmfluß - Theorieaspekte des Programmfernsehens. http://www.mediaculture-nline.de/fileadmin/bibliothek/hickethier_simulation/hickethier_simulation.html, abgefragt am 1.08.2010.

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. Williams, Raymond: Programmstruktur als Sequenz oder flow. In: Adelmann, Hesse et al. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie - Geschichte – Analyse. a.a.O., S.38ff.

[9] Vgl. Trost, Gabriele: Geschichte der Fernsehnachrichten. http://www.planet-wissen.de/kultur_medien/radio_und_fernsehen/fernsehnachrichten/fernsehnachrichten_geschichte.jsp, abgefragt am 01.08.2010.

[10] Vgl. Meckel, Miriam; Kamps, Klaus: Fernsehnachrichten. Entwicklungen in Forschung und Praxis. In: Kamps; Meckel (Hg.): Fernsehnachrichten. Prozesse, Strukturen, Funktionen. Opladen 1998, S.12-13.

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Vgl. Wix, Volker: Abgrenzung oder Angleichung von TV-Präsentationsformen? Eine Untersuchung der Haupt-Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1. Bochum 1996, S. 98.

[14] Vgl. Meckel, Miriam; Kamps, Klaus: Fernsehnachrichten .Entwicklungen in Forschung und Praxis. In: a.a.O., S.14.

[15] Meckel, Miriam; Kamps, Klaus: Fernsehnachrichten. Entwicklungen in Forschung und Praxis. In: a.a.O., S.12.

[16] Vgl. Geese, Stefan; Zubayr, Camille: Die Informationsqualität der Fernsehnachrichten aus Zuschauersicht. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung zur Bewertung der Fernsehnachrichten. In:a.a.O.

[17] Meckel, Miriam; Kamps, Klaus: Fernsehnachrichten. Entwicklungen in Forschung und Praxis. In: a.a.O., S.12.

[18] [18] Vgl. Tenscher, Jens: Politik für das Fernsehen-. Politik im Fernsehen. Theorien, Trends und Perspektiven. In: Sarcinelli, Ulrich (Hg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur. Opladen 1998. S. 195.

[19] Vgl. Kamps, Klaus: „Zur Politik, nach Bonn…“.Politische Kommunikation in Fernsehnachrichten. In: Kamps; Meckel (Hg.): Fernsehnachrichten. Prozesse, Strukturen, Funktionen. Opladen 1998, S.33.

[20] ZDF-Staatsvertrag vom 31. August 1991, http://www.unternehmen.zdf.de/uploads/media/zdf-staatsvertrag_neu.pdf., abgefragt am 01.08.2010.

[21] Vgl. Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien.2., erweiterte Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag 1996, S. 58-75.

[22] Laut Pöhls findet die Personalisierung überwiegend im Bereich der politischen Berichterstattung statt. („Politik im Fernsehen. Zur Personalisierung in den Fernsehnachrichten der USA, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland“ 1989, S.93.)

[23] Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien., a.a.O., S. 65.

[24] Vgl. ebd.

[25] Sarcinelli, Ulrich: Politikvermittlung und Demokratie: Sarcinelli (Hg.) 1998 – Politikvermittlung und Demokratie. In: Sarcinelli (Hg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur. Opladen 1998, S.13.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die narrative Struktur von Fernsehnachrichten. Medienanalyse am Beispiel der "Tagesschau"
Hochschule
Universität Paderborn  (Instisut für Medienwissenschaften)
Veranstaltung
Fernsehen und Politik
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
19
Katalognummer
V311273
ISBN (eBook)
9783668099272
ISBN (Buch)
9783668099289
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medienwissenschaft, Fernsehwissenschaft, Medienanalyse, Tagesschau
Arbeit zitieren
Ann-Christin Westphal (Autor:in), 2010, Die narrative Struktur von Fernsehnachrichten. Medienanalyse am Beispiel der "Tagesschau", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311273

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