Interkulturelle Erziehung


Hausarbeit, 2003

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Begriff „Interkulturelle Erziehung“
1.1. Allgemeine Begrifflichkeit
1.2. Begrifflichkeit nach Auernheimer und Nieke

2. Zielstellung
2.1. Allgemeine Zielsetzung
2.2. Zehn Ziele Interkultureller Erziehung und Bildung (nach Nieke)
2.3. Fünf Ansätze der Interkulturellen Erzeinung (nach Auernheimer)

3. Interkulturelle Erziehung in der Schule
3.1. Diskussion in den Erziehungswissenschaften
3.2. Institutionalisierungsmöglichkeiten in der Schule
3.3. Konkretisierung: Gestaltung der Schulpraxis

4. Montessori – Pädagogik und Grundlegung interkultureller Erziehung
4.1. Pädagogische und didaktische Prinzipien und Formen 23 der Montessori – Pädagogik in der Perspektive interkultureller Erziehung

5. Quellen

1. Begriff „Interkulturelle Erziehung“

1.1. Allgemeine Begrifflichkeit

„Interkulturelle Erziehung soll Umgang mit Differenzen zwischen unterschiedlichen Orientierungssystemen einüben, um so dem Missverstehen fremder Verhaltensweisen und den daraus resultierenden Konfliktsituationen vorzubeugen. Deshalb muss unter der Perspektive einer antirassistischen Erziehung auch gefragt werden, inwieweit neben einer Sensibilisierung für das Fremdbild eine notwendige Selbstbetrachtung und kritische Relativierung der eigenen Position stattfindet.“ (www.waxmann.com/kat/444.html)

Interkulturelle Erziehung geht nicht nur von einem Kulturbegriff aus und meint nicht nur die geistige Kultur einer Gesellschaft, sondern auch die Alltagskultur, also den tagtäglichen Umgang der Menschen miteinander. Dabei orientiert sie sich an den universellen Menschenrechten, versucht die Gleichheit aller Menschen und Kulturen anzuerkennen. Verschiedenste Fachtermini werden mit dem Begriff in Beziehung gesetzt. So zum Beispiel Rassismus, Verfolgung, Asyl, Fremdenfeindlichkeit, Migration, Sitten, Brauchtum, Kunst, Musik, Tradition, multikulturelle Gesellschaft, Sprachförderung, Erziehung, Akzeptanz und Integration. Aber auch aufklärerischer Begriffe wie Mündigkeit, Vernunft, gleiche Bildung für alle, Toleranz, Chancengleichheit und Emanzipation steht im Zentrum interkultureller Erziehung.

Der Terminus entwickelte sich aus der Ausländerpädagogik. Einsicht und Erfahrung zeigten, dass ehrenamtliche Bemühungen in „Hausaufgabenhilfen“ keine angemessene Hilfe zur Förderung und Integration ausländischer Kinder darstellte und führte zu Veränderungen in diesem Bereich. Zum einen kam es zu einer Erweiterung des Arbeitsfeldes sowohl im Kindergartensektor als auch im Umgang mit ausländischen Erwachsenen. Zum anderen kam man zu der Erkenntnis, dass Ausländerpädagogik keine Sonderpädagogik für Ausländer sein könne. Vielmehr müsse man sich auch an die „Inländer“, also die Deutschen wenden, da viele Aufgaben nur im dialogischen Miteinander zu bewältigen wären. Da der Terminus „Ausländerpädagogik“ diese Inhalte nur ungenügend und missverständlich widerspiegelt, werden heute zunehmend die synonymen Begriffe „interkulturelle Erziehung“ und „interkulturelle Pädagogik“ verwendet (Sayler, 1997, Seite155).

Ausgehend vom Alltag und dem Leben in dieser multikulturellen Gesellschaft, orientiert sich interkulturelle Erziehung der derzeitigen Lebenswelt und thematisiert das Verhältnis zum „Fremden“. Dabei sind alle Menschen nicht Vertreter einer vermeintlichen Herkunftskultur, sondern Menschen mit persönlichen, spezifischen, familiären und kulturellen Prägung. Mit dem Begriff wird gezeigt, dass jeder die Achtung, Toleranz und Gleichwertigkeit zwischen mir und dem „Fremden“ erbringen muss. Es verschweigt, bagatellisiert oder verbreitet Rassismus nicht, sondern vermittelt durch tägliches Handeln, dass Rassismus menschenverachtend und zerstörerisch ist.

Kinder wachsen heute immer selbstverständlicher in der Vielfalt der multikulturellen Gesellschaft auf. Ob im Kindergarten, auf dem Spielplatz, im Sportverein, in öffentlicher Einrichtung, die multikulturelle Gesellschaft findet überall statt. Kinder deutscher Eltern, binationaler Kinder, Kinder aus Migrantenfamilien, Kinder, die mit ihren Eltern aus dem Heimatland fliehen mussten und viele andere treffen überall zusammen. Als Kleinkinder sind sie allen und allem gegenüber aufgeschlossen und unvoreingenommen. Und dennoch übernehmen sie im Laufe der Zeit die Vorurteile und Wertigkeiten der Erwachsenen und erleben Rassismus und Diskriminierung als etwas Alltägliches. Sie spüren schnell, was Beachtung findet, was wertvoll und wichtig betrachtet wird und was unwichtig ist. Die Vielfalt ihrer Umgebung finden sie weder in ihren Kinderzimmern noch in ihren Bilderbüchern oder Spielsachen, da diese leider nicht die gesellschaftliche Realität widerspiegeln, sie lernen höchstens, wie Kinder in anderen Ländern leben aber nichts über ihre eigene multikulturelle Gesellschaft. Hier gilt es anzusetzen. Interkulturelle Erziehung richtet sich daher gleichermaßen an deutsche, nichtdeutsche und binationale Kinder. Sie geht von der Parität der Kinder aus und erkennt sie als eigenständige Persönlichkeiten mit individuellen Merkmalen an. Die Kinder erfahren Vielfalt als etwas Selbstverständliches und Positives, das oft spannende, manchmal schwierige, aber auch überraschende Anregung für das Miteinander und für die eigene Entwicklung bieten kann.

1.2. Nach Auernheimer und Nieke

In dem Buch „Einführung in die Interkulturelle Erziehung“ versucht Auernheimer die Begriffe „Multikulturell“ und „Interkulturell“ zu erläutern, um die Diskussionen in den Erziehungswissenschaften näher zu deuten. Der Begriff „multikulturelle Erziehung“ wurde in den frühen 70 er Jahren in den Vereinigten Staaten gebraucht. Während der Terminus „Interkulturelle Erziehung“ in den späten 70 er Jahren in der Bundesrepublik verwendet wurde. In Deutschland sind beide Begrifflichkeiten in die pädagogische Fachterminologie eingegangen. Auch wenn verschiedene Autoren eine Differenzierung der Begriffe bevorzugen, ist Auernheimer der Ansicht: „Unabhängig von dem scholastisch anmutenden Disput über die normative oder deskriptive Bedeutung ist die Einsicht wichtig, dass die Anwesenheit ethnischer Minderheiten noch nicht mit einer multikulturellen Gesellschaft gleichbedeutend ist, die diesen Namen verdient. Vielmehr kommt es auf das Selbstverständnis der Gesellschaft an, auf ihr Wertesystem, auf den multikulturellen Charakter der Institution. [...] Festzuhalten bleibt zur Begriffsverwendung, dass im angelsächsischen Bereich ausschließlich der Begriff ‚multicultural education’ üblich ist, während im frankophonen Bereich von der ‚education interculturelle’ die Rede ist. In die deutsche pädagogische Fachsprache haben beide Bezeichnungen Eingang gefunden. Daneben ist für ein Alternativkonzept zur interkulturellen Erziehung der Begriff der ´bikulturellen Bildung´ oder auch ‚bikulturellen Erziehung’ in die Diskussion eingeführt worden.“ (Auernheimer, 1990, Seite 2)

Für Wolfgang Nieke ist „Interkulturelle Erziehung und Bildung“ die „Antwort auf die Anforderungen der multikulturellen Gesellschaft“. Die Entwicklungen in der Gesellschaft erfordern eine Antwort in Bildung und Erziehung. Nieke verweist auf die Entwicklung in anderen Ländern Europas und den USA und unterscheidet dabei „fünf Phasen der Entwicklung in der Konzeptualisierung von ‚Ausländerpädagogik’ und ‚interkultureller Erziehung’ in der Bundesrepublik Deutschland“. In diesem Zusammenhang siedelt Nieke den Begriff „Interkulturelles Lernen“ ganz nahe beim Begriff „Interkulturelle Erziehung“ an. Der Terminus „Interkulturelles Lernen“ hat den Vorteil in freier und neutraler Weise den Verlauf des Lernens über die Schranken von Kulturen und Lebenswelten hinweg zu benennen. Dagegen kann der Begriff „Interkulturelle Erziehung“ auf die methodische Anordnung und Zusammenstellung begrenzt und betont werden, mit dem „Interkulturelles Lernen“ ermöglicht und gefördert werden soll. „Interkulturelles Lernen“ ist Lernen in einer multikulturellen Gesellschaft und will allen Teilen in dieser Gesellschaft Platz einräumen.

2. Ziele

2.1. Allgemeine Zielsetzung

Die allgemeine Zielsetzung der interkulturellen Erziehung fasst Wilhelmine Sayler wie folgt zusammen: „auf dem Weg über Begegnung und Dialog, Konfliktbearbeitung und Vorurteilsabbau, über die kritische Beschäftigung mit eigener wie fremder Kultur und Tradition und die Überwindung ethnozentrischer Fixierungen hin zu mehr Chancengerechtigkeit, zu Toleranz, zu verantwortungsbewusstem solidarischem Handeln - und damit zu einer Bereicherung aller Beteiligten wie der Gesellschaft insgesamt“ (Sayler, 1997, S.154).

Spezifische Aufgaben und deren methodische Umsetzung:

a) Interkulturelle Erziehung soll die Integration der Kinder anderer Kulturen ermöglichen, wobei Integration hier als selbstverständliches Dazugehören verstanden wird. Einerseits sollen hierzu die Deutschkenntnisse der Schüler gefördert werden, wenn erforderlich und schulorganisatorisch möglich in Vorbereitungs- bzw. Förderklassen, da eine uneingeschränkte Teilnahme am Unterricht der Regelklasse angestrebt wird. Andererseits sollen die Kinder, wiederum wenn schulorganisatorisch möglich, in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, da dieses für die Aufrechterhaltung der Verbindung zur Herkunftskultur und für Gespräche in der Familie von Bedeutung ist (Sayler, 1997, S.155-156). Sandfuchs fordert in diesem Zusammenhang, dass interkulturelle Erziehung sowohl die Herkunftskultur der ausländischen Menschen als auch die im Aufnahmeland sich entwickelnden Migrantenkultur einzubeziehen hat, da „die Stärkung des kulturellen Selbstbewusstseins der Migranten (z.B. durch Pflege der eigenen Sprache und Religion) [die] Voraussetzung ist für eine bruchlose Persönlichkeitsentwicklung, für Schulerfolg und für andere Integrationsprozesse“ (Sandfuchs, 1993, S.106). Zusätzlich wird hier eine Chance für deutsche Schüler gesehen, durch die Teilnahme an jenem Sprachunterricht in eine Begegnungssprache hineinzuwachsen. Wie wichtig Mehrsprachigkeit in der heutigen Gesellschaft besonders in Hinblick auf das spätere Berufsleben ist, scheint allgemein bekannt zu sein. Dennoch weist Wilhelmine Sayler an dieser Stelle auf ein Problem hin. Der muttersprachliche Unterricht wird häufig von aus den Herkunftsländern abgeordneten Lehrern gehalten, deren Erziehungs- und Unterrichtsstil vom deutschen abweichen. Zudem folgt das Lehrmaterial nicht immer demokratischen Prinzipien und oftmals „finden sich in ihm nicht selten nationalistische, letztendlich den schulischen Integrationsbemühungen entgegenlaufende Tendenzen“ (Sayler, 1997, S.156). Was den Unterricht in islamischer Religion angeht, ist es noch zu keiner für das deutsche Schulsystem und die Betroffenen befriedigenden Lösung gekommen. In fünf Bundesländern findet dieser Religionsunterricht im Rahmen des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts statt, in den übrigen Bundesländern sind die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Türkei hierfür verantwortlich. Ein weiterer wichtiger Punkt für die Integration der Kinder ist die Schullaufbahnberatung ausländischer Eltern. Da sich diese dem deutschen Schulsystem oftmals orientierungslos gegenübergestellt fühlen, soll die Schullaufbahnberatung ihnen helfen, „die Leistungsfähigkeit ihres Kindes in Relation zu den Anforderungen von Haupt-, Real- und Gesamtschule sowie von Gymnasien“ einzuschätzen (Sayler, 1997, S.156).
b) Die interkulturelle Erziehung soll deutsche Schüler dazu befähigen, die Integration ihrer Mitschüler zu ermöglichen. Auch wenn keine ausländischen Schüler in der Klasse anwesend sind, sollte dieser Aspekt thematisiert werden und sollte interkulturelle Erziehung im Unterricht stattfinden. Es geht darum, auf beiden Seiten Empathie zu fördern und „soziale Neugier“ zu wecken (Sayler, 1997, S.156). Hierzu gibt es im Unterricht der Grundschule viele kindgerechten Möglichkeiten. Das Rollenspiel, in dessen Mittelpunkt die entscheidende Interaktion steht, bietet sich z.B. an, um das Thema „soziale Vorurteile“ auf kindlicher Ebene zu bearbeiten. Häufiges Arbeiten in gemischten Gruppen fördert die Kommunikation zwischen den Kulturen, was sich auch auf den Freizeitbereich ausweiten kann, wenn z.B. im Unterricht Aufgaben gestellt werden, die ausserunterrichtlich in Gruppen gelöst werden sollen.
c) Im Erleben der Klassengemeinschaft, die für Erstklässler eine neue Erfahrung ist, ist es Aufgabe, „ein soziales Klima zu schaffen, das nicht vom Neben- und Gegen-, sondern vom Miteinander geprägt wird und das es jedem Kind ermöglicht sich zu integrieren.“. „In vielen Klassen ist es angebracht, den Schulanfang interkulturell zu gestalten, wobei (sprachliche) Verständnisschwierigkeiten eher überwunden werden, wenn durch symbolorientierte Formensprache sowie Sozialintegrierende Rituale das gemeinsame Leben und Lernen deutscher und ausländischer Kinder unterstützt und Geborgenheit in der großen Gruppe genossen wird“ (Schorch, 1998, S.101).
d) Die Elternarbeit und der Hausbesuch sind wichtige Bestandteile interkultureller Erziehung. Den ausländischen Eltern soll somit die „Angst“ vor dem deutschen Lehrer genommen werden. Außerdem soll der Lehrer so Einblicke in die häusliche Lebenswelt des Kindes gewinnen, von den Eltern erfahren, welche Ansichten sie über Erziehung haben und was die Migrantensituation für sie bedeutet.
e) Die interkulturelle Erziehung soll das Kind befähigen, die Welt als „Eine Welt“ zu sehen, in der die Menschen und Länder in wechselseitiger Abhängigkeit zu einander stehen. Hierzu bietet sich z.B. das Thema „Dritte Welt - Eine Welt“ an, durch welches das Kind einen ersten Schritt in Richtung sozialen und ökologischen Verantwortungsbewusstseins machen kann. Zu diesem Zweck gibt es diverse kindgerechte Unterrichtsmaterialien in Form von Spielen, Filmen, Diareihen, Hörspielen und Bilderbüchern (Sayler, 1997, S.157).

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Erziehung
Hochschule
Universität Erfurt
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V31141
ISBN (eBook)
9783638322294
ISBN (Buch)
9783638651172
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelle, Erziehung
Arbeit zitieren
Silvana Lehmann (Autor:in), 2003, Interkulturelle Erziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31141

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