Umgang mit Armut im ländlichen Uganda. Strategien zur Diversifikation von Lebenshaltungsmustern


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Lebenshaltungs-Ansatz
1.1 Haushalte
1.2 Lebenshaltung
1.3 Diversifikation von Lebenshaltung
1.4 Motive für Diversifikation

2. Empirische Beispiele aus Uganda
2.1 Ansätze und Methoden der Studien
2.2 Wohlstandsgruppen und Tätigkeiten
2.3 Kapital und Ressourcen
2.4 Informelle Gruppen
2.5 Umgang mit Schocks
2.6 Steuern und Kredite
2.7 Geschlecht und Ethnizität

3. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die überragende Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors in Subsahara-Afrika[1] täuscht leicht über die große Vielfalt an Lebenshaltungsstrategien hinweg. Auch wer sich mit dem ländlichen Uganda beschäftigt, denkt oft zuerst an Bauern, die mit Subsistenzproduktion um ihr Überleben kämpfen. Diese Bauern als homogene Gruppe zu betrachten ist ebenso ein Irrtum, wie von vorne herein von einer einzigen Hauptbeschäftigung auszugehen! „Diversification is the norm“ stellen Barett et al. (2001: 315) kurz und bündig fest, und betonen damit, wie selbstverständlich und weit verbreitet es im ländlichen Afrika ist, seinen Lebensunterhalt mit mehreren unterschiedlichen Tätigkeiten zu verdienen. Welche Art von Tätigkeiten das sind, und welche Lebenshaltungsmuster sich daraus ergeben, wird entscheidend davon geprägt, in welcher Ausgangslage sich eine Person befindet und welche Möglichkeiten ihre Umgebung bietet. Diversifikation von zwei Menschen mit vergleichbarem Wohlstand, die aber in unterschiedlichen Regionen leben, kann sehr unterschiedlich aussehen. Andererseits trifft man auch am gleichen Ort unterschiedliche Muster des Lebensunterhalts an, weil nicht alle in gleichem Maße Zugang zu Verdienstmöglichkeiten haben. Die Auswirkungen von maßgeblichen Faktoren wie Zugang zu Kapital und Krediten, soziale Beziehungen und äußere Einflüsse herauszustellen ist das Hauptanliegen dieser Arbeit.

Gerade weil es in Afrika südlich der Sahara die Norm ist, mehrere Lebenshaltungsstrategien zu verfolgen, ist die Beschäftigung mit diesem Thema relevant für wirksame Maßnahmen zur Armutsminderung. Diversifikation muss nicht grundsätzlich positiv sein, gewisse Diversifikations-Varianten können aber zu Wohlstand führen indem sie lukrative Chancen zu nutzen und gleichzeitig Absicherung bieten. Die Kategorie Hauptbeschäftigung hilft hier nicht weiter, da sie eher verhindert, diese Möglichkeiten zu sehen. Genauso wichtig ist es, nicht nur die ökonomischen Aspekte zu beachten, sondern auch die soziale Dimension der Diversifikation mit einzubeziehen. Der Lebenshaltungs[2] -Ansatz beinhaltet diese Prinzipien und ist deshalb meiner Meinung nach gut geeignet, um sich mit dem Thema Armut zu beschäftigen.

Der erste Teil dieser Arbeit soll einen Einstieg in das Thema geben, indem er den Lebenshaltungs-Ansatz vorstellt. Außerdem wird erläutert, was Diversifikation ist und warum diversifiziert wird. Der zweite Teil stützt sich auf zwei Feldstudien über Lebenshaltungsmuster im ländlichen Uganda und zielt darauf ab, folgende Fragen zu beantworten: Welche Varianten von Diversifikation gibt es bzw. welche Tätigkeiten werden von wem ergriffen? Welche Faktoren sind dafür entscheidend? Und mit welchen Hindernissen sind die Armen in Uganda konfrontiert?

1. Der Lebenshaltungs-Ansatz

1.1 Haushalte

Die analytische Basis des Lebenshaltungs-Ansatzes ist die soziale Einheit Haushalt (Ellis 2000: 18). Dies ist auf den ersten Blick problematisch, da die Kategorie Haushalt in fremd-kulturellen Kontexten nicht immer Sinn macht. Ellis begründet ihre Verwendung jedoch damit, dass hier die sozialen und ökonomischen Abhängigkeiten zwischen Individuen am stärksten sind und ihre Handlungen nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können (ebd.). Darüber hinaus hält er ein erweitertes Verständnis von Haushalt für notwendig, dass über die gängigen Definitionen hinausgeht (ebd. 19). Haushalte als Residenz-Einheiten zu betrachten ist zum Beispiel nicht sinnvoll, wegen der weit verbreiteten Arbeitsmigration (ebd.), die bei der Untersuchung von Lebenshaltungs-Diversifikation unbedingt berücksichtigt werden muss. Auch die wirtschaftliche Definition von Haushalten als geschlossene Entscheidungseinheiten entspricht nicht der soziale Realität: Die internen Machtbeziehungen sind entscheidend (ebd.)! Haushalte als Basis der Analyse von Lebenshaltungsmustern sind also durchaus geeignet, wenn sie flexibel betrachtet werden.

1.2 Lebenshaltung

Lebenshaltung selbst wird von Ellis folgendermaßen definiert: „ A livelihood comprises the assets (natural, physical, human, financial and social capital), the activities, and the access to these (mediated by institutions and social relations) that together determine the living gained by individual or household. “ (Ellis 2000: 10). Eine Lebenshaltung setzt sich also zusammen aus verfügbaren Mitteln, möglichen Tätigkeiten und Zugang zu diesen. Auf diese drei grundlegenden Komponenten werde ich nun kurz eingehen.

Mittel oder Ressourcen sind die Grundlage von Lebenshaltungen (ebd. 7). Ellis entscheidet sich hier, diese in den fünf Hauptkategorien für Kapital zu beschreiben, die er von Scoones übernimmt[3]: Naturkapital bezeichnet Land, Wasser und biologische Ressourcen, die von Menschen zum Überleben genutzt werden (Ellis 2000: 32). Physisches Kapital entsteht durch ökonomische Produktionsprozesse und generiert zukünftige Einnahmen. Infrastruktur ist im Bezug auf Lebensunterhaltungen ein besonders wichtiges physisches Kapital (ebd. 33). Humankapital beschreibt die verfügbare Arbeitskraft, die Bildung, Fähigkeiten und Gesundheit beinhaltet (ebd.). Die Zusammensetzung des Humankapitals von Haushalten verändert sich ständig. Mit Finanzkapital ist erspartes Geld und Kredite gemeint, zu denen ein Haushalt Zugang hat (ebd. 34). Dieses Kapital erfüllt eine wichtige Funktion, da es sich leicht in andere Formen von Kapital umwandeln lässt. In Subsahara-Afrika existieren solche Rücklagen oft in Form von Vieh, da die Finanzmärkte häufig unsicher oder nicht vorhanden sind (ebd.). Sozialkapital schließlich ist am schwierigsten zu messen. Es bezeichnet die Ansprüche und Rechte, die Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Gemeinschaften haben (ebd. 36). Die Pflege von sozialen Netzwerken kann als Investition in die Zukunft betrachtet werden und auch die erweiterte Familie spielt eine entscheidende Rolle.

Aus Tätigkeiten oder Aktivitäten, die das Überleben sichern, setzten sich Lebenshaltungsstrategien zusammen (ebd. 40). Diese Strategien werden dynamisch an sich verändernde Lebenssituationen angepasst, wobei vor allem die Austauschbarkeit von Aktivitäten wichtig ist (ebd. 41). Aktivitäten lassen sich einteilen in solche, die auf natürlichen Ressourcen basieren (wie z.B. Feuerholz-sammeln, Viehzucht, Anbau von Nahrungsmitteln und Marktfrüchten) und solche die nicht auf natürlichen Ressourcen basieren (z.B. Weben, ländlicher Handel, Dienstleistungen und Überweisungen). Daneben kann man auch einteilen in Aktivitäten auf eigenem Landbesitz („farm“), Aktivitäten auf fremdem Landbesitz bzw. Lohnarbeit („off-farm“) und Aktivitäten außerhalb der Landwirtschaft („non-farm“) (ebd. 11, 12). Bei diesen Begriffen ist jedoch Vorsicht geboten, da sie von anderen Autoren (z.B. Barett et al. 2001: 318, 319) anders definiert werden.

Der Zugang zu Möglichkeiten, Dienstleistungen und den verschiedenen Arten von Kapital wird von Ellis als besonders entscheidend für die Ausprägung von Lebenshaltungen betont (ebd. 9). Der Punkt Dienstleistungen schließt hier auch die staatliche Grundversorgung mit ein. Zugang wird bestimmt von Institutionen und sozialen Beziehungen: Mit Institutionen sind hier formelle Regeln, Konventionen und informelle Verhaltenscodes gemeint und soziale Beziehungen bedeutet in diesem Kontext die soziale Stellung von Individuen oder Haushalten in der Gesellschaft (ebd. 38). Die soziale Stellung wiederum wird bestimmt von Geschlecht, Familie, Klasse, Ethnizität etc. (ebd. 9). Hier besteht ein Zusammenhang zum Sozialkapital, da Ansprüche und Rechte eng mit der sozialen Stellung bzw. dem Status innerhalb der Gesellschaft verknüpft sind.

Ellis übernimmt in seiner Arbeit den Rahmen für die mikro-politische Analyse von ländlichen Lebenshaltungen von Scoones und Carney, da sie einen guten Überblick über die wichtigen Komponenten von Lebenshaltungsstrategien gibt. Einen großen Teil der Elemente verwendet Ellis in seiner Definition von Lebenshaltungen und diese wurden bereits erläutert. Hinzu kommt, dass Zugang auch von Organisationen bestimmt wird, sowie dass die Bildung von Lebenshaltungsstrategien im Kontext von exogenen Faktoren wie Trends und Schocks stattfindet. Trends können positiv und negativ sein und lassen sich teilweise durch Wirtschaftspolitik beeinflussen. Je nach Ort haben Trends einen extrem unterschiedlich starken Einfluss (z.B. Bevölkerungswachstum und -Dichte) (ebd. 39). Schocks zerstören Kapital (auch indirekt z.B. durch Zwang zum Verkauf) (ebd. 40) und sind daher immer negativ. Weiterhin beinhaltet die Grafik Indikatoren um Lebenshaltungsstrategien zu bewerten: Die Sicherheit der Lebenshaltungen und ihre ökologische Nachhaltigkeit (ebd. 42). Die Sicherheit ist umso höher, je größer die Fähigkeit ist, Trends zu nutzen und Schocks zu bewältigen (ebd.). Mit ökologischer Nachhaltigkeit ist hier der Einfluss der Strategien auf die Widerstandskraft und Stabilität von Ressourcen gemeint (ebd.).

1.3 Diversifikation von Lebenshaltung

Ausgehend von seiner Definition von Lebenshaltung definiert Ellis Diversifikation von ländlicher Lebenshaltung folgendermaßen: „Rural livelihood diversification is defined as the process by which rural households construct an increasingly diverse portfolio of activities and assets in order to survive and to improve their standards of living“ (2000: 15). Diversifikation von ländlicher Lebenshaltung bedeutet an dieser Stelle nicht, dass alle Aktivitäten sich auf den landwirtschaftlichen Sektor beschränken, sondern ganz im Gegenteil, dass viele ländliche Haushalte auch von Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft leben (ebd. 14). Ein hohes Maß an Diversifikation wird oft gleichgesetzt mit einem geringen Anteil an Anbau auf dem eigenen Landbesitz (ebd.).

Diversifikation bezeichnet hier den sozialen und ökonomischen Prozess der Herstellung von Diversität, während mit Diversität die Existenz vieler verschiedener Einkommensquellen zu einem Zeitpunkt gemeint ist (ebd.). Der Prozess-Charakter von Diversifikation betont, dass es sich hier nicht um einen statischen Plan, sondern vielmehr um ein Konzept handelt, das flexibel an sich verändernde Lebenssituationen angepasst wird. Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Definition sind die Motive für Diversifikation: Überleben und Verbesserung des Lebensstandards. Hier wird bereits angedeutet, welche unterschiedliche Bedeutung Diversifikation für arme und wohlhabendere Haushalte haben kann, sowie dass je nach Motiv unterschiedliche Strategien verfolgt werden.

1.4 Motive für Diversifikation

Welche Gründe und Motive es für Diversifikation gibt, wird oft in Push- und Pull-Faktoren ausgedrückt: Push Faktoren sind Krisen, Einbrüche bei den Einnahmen und wachsende Risiken, während Pull Faktoren Chancen sind, die genutzt werden können (Barrett et al. 2001: 315, 316). Die Unterscheidung zwischen Notwendigkeit und freier Wahl bedeutet im Grunde genommen das Gleiche. Diversifikation aus Notwendigkeit (oder auf Grund von Push Faktoren) ist in der Regel negativ und bedeutet, dass Notlösungen ergriffen werden, die dem Überleben dienen und weniger nachhaltig sind (Ellis 2000: 56). Ellis relativiert dies jedoch, indem er sagt, dass die Einteilung in Notwendigkeit und freie Wahl in der Praxis schwierig ist, da Diversifikation immer das Ergebnis einer Vielzahl von Ursachen, Motivationen und Einschränkungen ist (ebd.).

Eine weitere ähnliche Unterscheidung wird getroffen zwischen Risiko- und Bewältigungsstrategien. Unvollständige Finanz- und Versicherungsmärkte führen dazu, dass Risiken hauptsächlich durch Diversifikation reduziert werden (Barrett et al. 2001: 233). Ein ausgedehntes Familiennetzwerk und starke Verbindungen zwischen Stadt und Land dienen ebenfalls dazu, Risiken zu vermindern (Ellis 2000: 61). Diversifizierte Lebenshaltungsmuster bieten viel Sicherheit, wenn die einzelnen Strategien möglichst wenig von gleichen Risiken beeinflusst werden (ebd. 60). Bei Armen in ländlichen Gegenden ist jedoch oft das Gegenteil der Fall: Sie können meistens nur innerhalb des landwirtschaftlichen Sektors diversifizieren (ebd.). Von Naturkatastrophen wie Dürren sind dann jedoch sowohl der eigene Anbau, als auch die Lohnarbeit auf anderen Farmen und der ländliche Handel betroffen. Die Armen haben folglich den größeren Bedarf nach breit gefächerter Diversifikation, dennoch wird diese vor allem von wohlhabenderen Haushalten praktiziert (Barrett et al. 2001: 322). Der Grund dafür ist, dass Arme mit Eintrittsbarrieren (wie z.B. ein bestimmtes Bildungsniveau) konfrontiert sind, die es ihnen unmöglich machen, lukrative Chancen außerhalb der Landwirtschaft zu ergreifen (ebd. 325). Es besteht eindeutig ein Zusammenhang zwischen Zugang zu nicht-landwirtschaftlichem Einkommen und Wohlstand insgesamt (ebd. 324).

Im Gegensatz zu Risikostrategien werden Bewältigungsstrategien nach Schocks, also aus einer Notwendigkeit heraus, ergriffen. Sie werden vor allem von armen Haushalten angewendet, weil diese schlechter gegen Risiken abgesichert sind (ebd. 322) und daher härter von Schocks getroffen werden. Der Zweck von Bewältigungsstrategien ist es, die Subsistenzbasis zu erhalten und Armut zu vermeiden (Corbett 1988: 1105). Corbett unterscheidet hier zwischen zwei Kategorien von Kapital: Solches, das zur Absicherung dient und solches, das die Einkommensbasis darstellt und für den zukünftigen Lebensunterhalt grundlegend ist (ebd. 1106). Das Kapital, das die Einkommensbasis bildet, wird so lang wie möglich erhalten, auch wenn dafür Unterernährung in Kauf genommen werden muss (ebd. 1104). Arme Haushalte kommen jedoch schneller zu dem Punkt, an dem sie dieses Basiskapital trotzdem aufgeben müssen (ebd. 1103). Das Kapitalmanagement von Haushalten ist ebenso entscheidend wie die Art und Qualität des Kapitals (ebd. 1106). Laut Ellis beinhalten Bewältigungsstrategien auch auf Erspartes und Nahrungsreserven zurückzugreifen, Unterstützung von Verwandten einzufordern, Ausgleiche innerhalb der Gemeinschaft und Verkauf von Vieh (Ellis 2000. 62).

[...]


[1] Siehe BMZ Materialien 163 im Literaturverzeichnis

[2] Englisch: livelihood

[3] Siehe Scoones I. 1998 im Literaturverzeichnis

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Umgang mit Armut im ländlichen Uganda. Strategien zur Diversifikation von Lebenshaltungsmustern
Hochschule
Universität Bayreuth  (Fachbereich Entwicklungssoziologie)
Veranstaltung
Länderseminar Uganda
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V311423
ISBN (eBook)
9783668106116
ISBN (Buch)
9783668106123
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Armut, Subsistenz, Lebensunterhalt, Livelihood, Kapital, Ressourcen, Entwicklungszusammenarbeit, coping, Absicherung, Uganda, Landwirtschaft
Arbeit zitieren
Anna Carina Speitkamp (Autor:in), 2009, Umgang mit Armut im ländlichen Uganda. Strategien zur Diversifikation von Lebenshaltungsmustern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311423

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