Porträts sind immer Porträts von Porträts: Francis Bacon: „Papst II“


Seminararbeit, 2003

13 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. „Papst II“
a) Bildanalyse
b) Bildinterpretation mit Hilfe des kunsthistorischen Zusammenhangs

2. Biographischer Zusammenhang

3. Frage nach der Bildgattung

4. Nachwort

5. Literaturverzeichnis

1. „Papst II“

a) Bildanalyse

Das Bild „Papst II“ malte der britische Maler Francis Bacon 1951. Es handelt sich um ein mit Öl auf Leinwand gemaltes Bild, das 1,98 x 1,37 m groß ist und in der Städtischen Kunsthalle Mannheim zu sehen ist.

Der erste Eindruck ist, dass es sich hier um ein gemaltes Bild handelt, das in dunklen und monotonen Farben gehalten wurde.

Bacon stellt eine männliche Person dar, die rechts von der Mittelachse auf einem Thron sitzt. Der Thron ist nur durch helle weiß-graue Umrisslinien dargestellt. Er hat an der Rückenlehne dunkelgelbe Ornamente und wurde vom Maler schräg nach rechts gerichtet.

Die Person wendet sich en face dem Betrachter zu. Der Oberkörper und der Kopf sind relativ klar gemalt worden, allerdings sind der Unterkörper und die Beine nicht ausgearbeitet worden und nur schemenhaft zu erkennen. Auch die Arme wirken wie deformierte Stümpfe.

Die Person trägt eine Mütze und einen Schultermantel, die in dunklen lila und violetten Tönen gehalten sind. Der hellste Punkt im Bild ist der Kragen des Umhangs, den Bacon in fast reinem Weiß darstellt. Dadurch wird der Blick des Betrachters auf das Gesicht der abgebildeten Person gelenkt. Die Person trägt eine Art Brille oder Zwicker, was aber nur durch schwache schwarze Linien angedeutet und daher schwer zu erkennen ist.

Das Auffälligste am Gesicht ist sicherlich der weit aufgerissene, zu einem Schrei geformte Mund. Da Bacon den Mund genau auf der waagerechten Mittelachse arrangiert hat, fällt er zusätzlich noch mehr auf.

Die Person auf dem Thron befindet sich in einer Art transparentem „Käfig aus Linien, der losgelöst in einem dunklen Raum zu schweben scheint“[1], also in einer Kombination von verschieden Linien, die eine Rahmung ergeben.

Oben im Bild sind sehr schwache Linien zu erkennen, die ein Deckengewölbe darstellen. Sie erinnern an ein nicht alltägliches Gewölbe, etwa wie eines in einer Kirche.

Die Farbgebung im Bild ist sehr monoton und dunkel. Auch benutzt Bacon eher kalte Farben. Es handelt sich dabei ausschließlich um Ausdrucksfarben, da man hier sicherlich nicht von Lokalfarben sprechen kann. Man betrachte nur einmal die violette Färbung des Gesichts.

Die dargestellte Person hebt sich kaum vom Hintergrund ab. Es findet auch keine Lichtführung statt. Die Konstruktion des Raumes ergibt sich nur durch Hell-Dunkel-Kontraste und die geometrisch geformten Linien.

Die Farbe scheint senkrecht und streifig herunter zu laufen. Unterhalb des Käfigs wirkt sie, als würde sie strahlenförmig von der Person ausgehen, und verwischt zum Teil die Umrisslinien des Käfigs.

Es findet ein einziger, aber sehr schwacher Komplementärkontrast statt. Das Gelb der Ornamente geht dabei eher im Lila unter, als dass es einen Kontrast schaffen würde.

b) Bildinterpretation mit Hilfe des kunsthistorischen Zusammenhangs

Bacon benutzte drei verschiedene Motive, die er in seinem Bild „Papst II“ einzigartig zu verschmelzen wusste.

Das wichtigste Vorbild ist sicherlich das Porträt „Innozenz X.“ von Velázquez. (Bildanalyse[2] ;[3] ;[4] ;[5])

Diego Rodriguez Velázquez war ein spanischer Maler, der 1599 in Sevilla geboren wurde und 1660 in Madrid starb, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte, nachdem er 1623 dorthin berufen wurde. Er war auch Hofmaler und Kammerherr bei König Philipp IV..

Bei seiner zweiten Reise nach Rom entstand 1650 das 1,40 x 1,20 m große Bildnis von Papst Innozenz X. mit Öl auf Leinwand. Heute hängt es in der Galleria Doria-Pamphili in Rom. Der Papst genehmigte Velázquez für seine Skizzen nur wenige Stunden, bei denen er selbst Modell saß. (Biographie[6])

Es handelt sich um ein in Rottönen gehaltenes Einzelporträt und ist eine naturalistische Darstellung des 75jährigen Papstes, der als Giovanni Battista Pamphili geboren und 1644 zum Papst ernannt wurde. Es zeichnet sich außerdem, ganz im Gegenteil zu Bacons Werk, durch eine hohe Stofflichkeit und Detailgenauigkeit aus. Bei Bacon findet man nur „schemenhafte Unschärfe und Deformierung“ 1 der Person.

Die erste Auffälligkeit beim Vergleich der beiden Bilder ist, dass Bacon eine ganz andere Farbauswahl traf als im Original von Velázquez. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Bacon niemals das Original gesehen hat, auch nicht, als er sich 1954 mehrere Wochen in Rom aufgehalten hatte. Er malte ausschließlich nach mehreren Reproduktionen, unter anderen nach einer Schwarz-Weiß-Fotografie des Bildes.

Velázquez’ Bild ist ein Kniestück, und der dargestellte Papst füllt dabei das ganze Bild aus. Bacon hat diese Komposition nicht übernommen. Er stellt seinen Papst, wie schon gesagt, in einem Käfig dar, den man auch als einen Glaskäfig bezeichnet. Dort scheint „die Figur [...] ihren räumlichen Halt und ihren Bezug zur Umwelt“ zu verlieren.1 Das „Phänomen Glaskäfig“[7] war das „typische Raumgerüst seiner Bilder“.[8] Bacon selbst sagte zur Funktion des Glaskäfigs: „Ich benutze diese Rahmung, um die Figur hervorzuheben – aus keinem anderen Grund. Ich weiß, man hat sie als allerlei anderes interpretiert […] Ich verkleinere die Maße der Leinwand, indem ich diese Rechtecke einzeichne, die die Figur verdichten. Einfach um sie besser zu sehen.“[9]

Bei der Betrachtung des Bildes anhand dieser Informationen muss man sich aber im Klaren sein, dass es diesen Glaskäfig den man sich vorstellt, in Wirklichkeit nicht gibt. Es ist nur eine Zusammenstellung von Linien verschiedener Dicke und Länge. Es entsteht nicht mal eine schlüssige Perspektive, die auf einen Käfig hinweisen würde.

Velázquez hat seinen Papst in volles, hoch rechts einfallendes Licht gesetzt. Der Vorhang und der samtene Sesselbezug zeigen keine Reflexe, aber der glatte Stoff der Mütze und des Schultermantels, der Mozzetta, zeigen Reflexe auf wie auch die Haut, die goldenen Teile des Sessels und der Ring.

Die Tiefenwirkung entsteht durch die Vielfalt der ineinander fließenden Rottöne.

[...]


[1] Internetseite der Kunsthalle Mannheim: http://www.kunsthalle-mannheim.de/sammlung/view.php3?ref=12 (02.01.2003) bzw. in: Fath, Herold, Köllhofer (Hrsg.): Menschenbilder – Figur in Zeiten der Abstraktion (1945-55). Städtische Kunsthalle Mannheim: Verlag Gerd Hatje 1998, S.139. (Kurztitel: Menschenbilder – Figur in Zeiten der Abstraktion, Mannheim 1998.)

[2] Lopez-Rey: Velázquez - Maler der Maler. Bd. I, Köln: Benedikt Taschen Verlag GmbH 1996.

[3] Lopez-Rey: Velázquez – Catalogue Raisonné – Werkverzeichnis. Volume II, Köln: Benedikt Taschen Verlag GmbH 1996.

[4] Gerstenberg: Diego Velázquez. München, Berlin: Deutscher Kunstverlag GmbH 1957.

[5] Muñoz: Velázquez, Leipzig: Wilhelm Goldmann Verlag 1941.

[6] Brockhaus – Die Enzyklopädie. Bd.23 Vall-Welh, Leipzig, Mannheim: 201999.

[7] Fabrice Hergott: Der Raum aus Glas. in: Francis Bacon – Katalog zur Ausstellung Francis Bacon 1909-1992 Retrospektive, Haus der Kunst München, 1. November 1996 bis 26. Januar 1997, Paris: Verlag Gerd Hatje 1996. (Kurztitel: Francis Bacon – Retrospektive, Paris 1996.)

[8] Allgemeines Künstler-Lexikon – Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Bd. 6 Avogaro – Barbieri, München, Leipzig: Saur 1992.

[9] Zitat nach David Sylvester in: Menschenbilder – Figur in Zeiten der Abstraktion, Mannheim 1998, S.139.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Porträts sind immer Porträts von Porträts: Francis Bacon: „Papst II“
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Kunstgeschichtliches Seminar)
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
13
Katalognummer
V31165
ISBN (eBook)
9783638322485
ISBN (Buch)
9783638831369
Dateigröße
664 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Porträts, Francis, Bacon
Arbeit zitieren
Nicole Giese (Autor:in), 2003, Porträts sind immer Porträts von Porträts: Francis Bacon: „Papst II“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31165

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