Die oft sehr komplexe Bedeutung eines Tieres im Verständnis des mittelalterlichen Menschen ist für den modernen Rezipienten nicht immer ohne weiteres nachzuvollziehen. Hinzu kommt die Beobachtung, dass sich die Deutung eines Tieres nicht auf eine einzige Aussage festlegen lässt, sondern voller Ambiguität ist. Das vielfältigste Auftreten von Tieren in der mittelhoch-deutschen Literatur lässt sich in Wolframs von Eschenbach Parzival nachweisen, doch auch in den Epen Hartmanns von Aue und Gottfrieds von Straßburg Tristan wird das Tier keineswegs vernachlässigt. Iweins Löwe nimmt in dieser Tradition eine Sonderstellung ein.
Dies bringt mich nun zur Fragestellung der vorliegenden Seminararbeit. Welche Bedeutung hat der Löwe für Iwein? Da das Tier erst im zweiten Handlungszyklus, in dem Iwein seine Verfehlungen, die zur Krise führten, zu sühnen versucht, in Erscheinung tritt, konnte ich die Frage noch spezifizieren und werde im Folgenden nachzuvollziehen versuchen, welche Bedeutung der Löwe für die Rückerlangung Iweins ritterlicher Tugenden hat. Diese ritterlichen Tugenden lassen sich unter dem Oberbegriff der êre zusammenfassen, was für die höfischen Dichter alles bezeichnete, was den Ritter in der Welt auszeichnete. Dies beinhaltete die Forderung, dass höfische Vollkommenheit sowohl den Geboten der christlichen Religion als auch den Erwartungen der Gesellschaft entsprechen müsse, und führte zu gesellschaftlichem Ansehen.
Nach kurzen Vorinformationen über Werk, Autor und Inhalt des Werks wird das spezifische Thema der Seminararbeit in zwei Hauptabschnitten behandelt. Zuerst wird ein Versuch angestellt, die Rolle des Löwen anhand der vorher erarbeiteten Her-ausforderungen, die Iwein im zweiten Handlungszyklus des Romans zu bewältigen hat, zu deuten. Anschließend werden ganz konkret die Auswirkungen, welche das Eintreten des Lö-wen in die Handlung auf Iwein hat, erarbeitet, wobei sich die Arbeit anhand der zurückzuerlangenden Tugenden aufbaut. Dies sind güete, Tapferkeit, der Kampf aus edlen Motiven, Demut und truiwe, wobei letztere als die komplexeste dieser Tugenden in einem eigenen Unterpunkt bearbeitet wird. Auch der Identitätenwechsel Iweins zwischen seinem Dasein als Artusritter und ihm als dem Löwenritter wird behandelt. Im Schlussteil wird die Fragestellung durch eine Zusammenfassung und ein Fazit abschließend beantwortet.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1 Einleitung
- 2 Iwein und der Löwe
- 2.1 Der höfische Roman Iwein
- 2.1.1 Der Autor Hartmann von Aue
- 2.1.2 Inhalt des Romans
- 2.2 Die Bedeutung des Löwen für die Rückerlangung Iweins ritterlicher Tugenden
- 2.2.1 Deutung der Rolle des Löwen
- 2.2.2 Auswirkungen auf Iwein
- 2.2.2.1 Äußerlichkeit und Innerlichkeit
- 2.2.2.2 truiwe als oberste Tugend
- 2.2.2.3 Der Ritter mit dem Löwen
- 2.2.2.4 Höhere Ritterlichkeit
- 3 Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Bedeutung des Löwen für die Figur des Iwein im gleichnamigen höfischen Roman Hartmanns von Aue. Sie untersucht, wie das Tier im zweiten Handlungszyklus des Romans zur Wiedererlangung Iweins ritterlicher Tugenden beiträgt. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse der Rolle des Löwen und seinen Auswirkungen auf Iweins Entwicklung im Hinblick auf die Tugenden Ehre, Güte, Tapferkeit, Demut und Treue.
- Die Bedeutung des Löwen als Symbol und seine Rolle im Kontext der höfischen Literatur
- Die Auswirkungen des Löwen auf Iweins Charakterentwicklung und die Wiederherstellung seiner ritterlichen Tugenden
- Der Identitätenwechsel Iweins zwischen dem Dasein als Artusritter und dem Löwenritter
- Der Begriff der „truiwe“ als oberste Tugend und seine Bedeutung im Kontext des Romans
- Die gesellschaftlichen und moralischen Erwartungen an einen Ritter im Mittelalter
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die Fragestellung der Seminararbeit vor und erläutert die Bedeutung des Löwen im Kontext der mittelhochdeutschen Literatur. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit, die vielschichtige Bedeutung des Tieres zu analysieren und seine Rolle für die Wiederherstellung von Iweins ritterlichen Tugenden im zweiten Handlungszyklus des Romans zu untersuchen.
- Iwein und der Löwe: Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über den höfischen Roman „Iwein“ und dessen Autor, Hartmann von Aue. Es beleuchtet die Entstehungsgeschichte, den Aufbau und die Bedeutung des Werks in der mittelhochdeutschen Literatur. Der Abschnitt beleuchtet auch den Inhalt des Romans, die Figur des Iwein und die Herausforderungen, denen er im ersten Handlungszyklus begegnet.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Seminararbeit konzentriert sich auf die Themen des höfischen Romans „Iwein“, die Bedeutung des Löwen als Symbol, die Entwicklung der ritterlichen Tugenden, der Begriff der „truiwe“ und die gesellschaftlichen Erwartungen an einen Ritter im Mittelalter.
- Arbeit zitieren
- Selina Winkler (Autor:in), 2014, Die Bedeutung des Löwen für die Rückerlangung Iweins ritterlicher Tugenden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311856