„Wenn das Wort «Flamenco» fällt, schießen dem deutschen Spanientouristen vor allem solche Bilder in den Kopf: sich drehende Frauen mit weiten schwarz-roten Röcken, streng zurückgekämmten Haaren und harten Lederschuhen, die im Takt auf dem Parkett klacken, als hämmerten sie Nägel in den Boden. Dazu lockende, kreisende Handbewegungen und Blicke, die von Liebe und Eifersucht, Besitz und Freiheit künden. (…) Mit einem Wort: Carmen.”
Diese Arbeit wird keinen empirischen Beweis für die Anschauungen der „deutschen Spanientouristen“ liefern, erörtert indes, wie sich das Stereotyp der spanischen 'Gitana' bzw. der spanischen Flamencotänzerin, verkörpert durch das Bild der Carmen, Protagonistin in der gleichanmigen Oper Georges Bizet, konstituiert hat.
Die Frage nach Carmens Entwicklung zu einem zentralen Symbol der Flamencokultur, muss - so die zentrale These dieser Arbeit - in engem Zusammenhang mit dem Spanienbild gestellt werden, dass die europäische Romantik hervorgebracht hat. In diesem Zusammenhang werden nicht nur Reiseberichte und Zitate aus Briefwechseln aus der Zeit der europäischen Romantik und des späten 20. Jahrhunderts eine Rolle spielen, sondern auch Ansätze aus den Post-Colonial, Gender-, wie neueren Performance-Studies eine Rolle spielen.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 2. Stand und Problematiken der Flamencoforschung
- 3. Die Musikkultur Flamenco - Diskurse, Mythen und Geschlechterrollen
- 3.1 Zur Etymologie des Begriffs Flamenco
- 3.2 Flamencomythen und Ursprungslegenden
- 3.3 Zum soziohistorischen Entstehungskontext des Flamenco
- 3.4 Geschlechterrollen in der frühen Flamencokultur
- 3.5 Die Etablierung einer standardisierten Bühnenkleidung
- 3.6 Der Einzug des Flamenco auf europäischen Bühnen
- 3.7 Instrumentalisierung des Flamenco unter Franco
- 3.8 Nuevo und Fusion- Flamenco – Neue Wege in der Post-Franco Ära
- 4. Exkurs: Begriffsdefinitionen und Mechanismen zur Entstehung von Stereotypen
- 5. Romantische Fremdbilder, Autoexotismus und politische Doktrin Die Genese des Flamenco-Stereotyps
- 5.1 Spanien als Sehnsuchtsort der europäischen Romantik
- 5.2 Bohémians und Bon-Sauvages - Die 'Gitanos' als Projektionsfläche von Exotik und Freiheit
- 5.3 Die schöne 'Zigeunerin' zwischen Faszination und Disjunktion
- 5.4 Die Flamencotänzerin in den Reiseberichten der europäischen Romantiker
- 5.5 Carmen als Trope der spanischen Flamencokultur
- 5.6 Der Flamenco im Kontext des Autoexotismus Spaniens
- 5.7 Die Aneignung von Fremdbildern zur Schaffung einer kollektiven Identität
- 5.8 Carmen überwinden – Zum Umgang mit Stereotypen in zeitgenössischen Flamencoperformances
- 6. Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Masterarbeit befasst sich mit der Genese des stereotypen Bildes der Flamencotänzerin und untersucht, wie die Gestalt Carmens zum zentralen Symbol der spanischen Flamencokultur geworden ist. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die europäische Romantik mit ihren idealisierten Darstellungen Spaniens und der „Zigeunerin“ zur Konstruktion dieses Stereotyps beigetragen hat.
- Die historische Entwicklung des Flamenco
- Die Rolle von Geschlechterrollen in der Flamencokultur
- Die Entstehung und Perpetuierung von Stereotypen im Kontext der europäischen Romantik
- Der Einfluss von Orientalismus und Exotismus auf die Wahrnehmung Spaniens
- Die Bedeutung der Figur Carmens für die Konstruktion des Flamenco-Stereotyps
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Forschungsgegenstand und die Fragestellung einführt. Kapitel 2 beleuchtet den Stand der Forschung zum Flamenco und zeigt die Problematiken auf, die bei der Analyse dieser komplexen Musikkultur zu beachten sind. In Kapitel 3 wird die Entwicklung des Flamenco im historischen Kontext betrachtet, wobei insbesondere die Geschlechterrollen und die Entstehung von Mythen und Stereotypen im Fokus stehen.
Kapitel 4 bietet einen Exkurs zu Begriffsdefinitionen und Mechanismen zur Entstehung von Stereotypen. Kapitel 5 untersucht die romantisierten Fremdbilder Spaniens und die Rolle der „Zigeunerin“ als Projektionsfläche exotischer Sehnsüchte. In diesem Kontext wird insbesondere die Bedeutung der Oper Carmen für die Konstruktion des Flamenco-Stereotyps analysiert.
Schlüsselwörter (Keywords)
Flamenco, Stereotype, Weiblichkeit, Spanische Romantik, Orientalismus, Exotismus, Carmen, 'Gitana', Autoexotismus, Identität, Alterität, Repräsentation, Gender.
- Arbeit zitieren
- Claudia Scheibe (Autor:in), 2015, ¿VIVA CARMEN? Stereotypen und Weiblichkeitsimaginationen im spanischen Flamenco, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312310