Gründe gegen eine frühe Fremdbetreuung von Kindern. Analyse eines Interviews


Forschungsarbeit, 2015

19 Seiten, Note: 1,3

Christina Stein (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
3. Methodisches Vorgehen
3.1 Was ist qualitative Forschung?
3.2 Selbstreflexion
3.3 Erhebungsinstrumente
3.4 Fallauswahl, Zugang zum Feld und Durchführung
3.5 Auswertungsverfahren
3.5.1 Grounded Theory
3.5.2 Das integrative Basisverfahren

4. Empirieteil: Darstellung der Ergebnisse anhand zentraler Motive
1. Zentrales Motiv: Ungenügender Betreuungsschlüssel
2. Zentrales Motiv: Kinder gehören zu ihren Müttern
3. Zentrales Motiv: Familiäre Beeinflussung
4. Zentrales Motiv: Überforderung für das Kind
5. Zentrales Motiv: Alter des Kindes
6. Zentrales Motiv: Emotionale Bindung

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die „frühe Fremdbetreuung“ ist in Deutschland schon immer ein kritisches Thema gewesen. Während ein Kindergartenaufenthalt als erforderlich und wertvoll geachtet wird, gelten Krippen oder Horte für Kinder unter drei Jahre, als umstritten. (vgl. Textor, 1995) Ob eine außerhäusliche Betreuung der Entwicklung des Kindes schadet, wird auch heute noch kontrovers diskutiert. „Einmal wird es als wissenschaftlich erwiesen hingestellt, dass Kinder unter drei Jahren die ausschließliche und ganztätige Erziehung durch die Mutter brauchen, zum anderen gilt es als entwicklungspsychologisch unproblematisch, Kinder ab der Geburt fremdbetreuen zu lassen“ (Bayerl & Mack, 2007). Da sich auch die Wissenschaftler und Experten nicht immer einig sind, fällt es werdenden Eltern und denen, die es schon sind, umso schwerer eine Entscheidung für oder gegen eine frühe Fremdbetreuung zu treffen.

Bereits im Jahr 2010 gab es einen deutlichen Anstieg bei der Nutzung der Fremdbetreuung von unter Dreijährigen. Laut dem Statistischen Bundesamt befanden sich vor fünf Jahren schon rund 64 % der Kleinkinder in institutionellen Einrichtungen –Tendenz steigend. (vgl. o. Autor, 2010) Demzufolge gibt es aber auch Eltern und Alleinerziehende, die ihre jungen Söhne und Töchter nicht in fremde Hände abgeben. Die Frage, ob die Entwicklung und Gesundheit des Kindes Motive dafür sind, dieses nicht fremdbetreuen zu lassen, ist nur eine von vielen, welche die vorliegende Forschungsarbeit beantworten soll.

Da es im persönlichen Umfeld viele Eltern gibt, die ihr Kleinkind auf keinen Fall in eine Krippe oder in eine Kindertagesstätte abgeben würden, ist die Motivation groß, die Beweggründe dafür in Erfahrung zu bringen. Die empirische Arbeit macht es sich daher zum Ziel – mit Hilfe eines teilstandardisierten narrativen Interviews mit einer Mutter von einer einjährigen Tochter – vor allem die Beweggründe und zentralen Motive gegen eine frühe Fremdbetreuung zu erfahren. Die Forschungsfrage für die vorliegende Arbeit lautet somit:

Aus welchen Gründen gibt eine Mutter ihre Tochter nicht in die frühe Fremdbetreuung ab?

Im Folgenden soll zunächst der aktuelle Forschungsstand zur Nutzung der Fremdbetreuung dargestellt und auf die erwiesenen Einflüsse der Krippe auf das Kind, eingegangen werden. Der Hauptteil befasst sich einerseits mit dem methodischen Vorgehen des Interviews –der Erhebungsinstrumente, des Fallauswahls und des Auswertungsverfahrens und andererseits mit dem Empirie-Teil. Dieser zeigt, anhand von zentraler Motive, die wichtigsten Ergebnisse unter Einbezug der Theorie auf und nimmt den größten Part dieser Arbeit ein. Abschließend soll der Schlussteil die Forschungsfrage beantworten und einen kurzen Ausblick auf weitere Studien geben.

2. Theoretischer Hintergrund

In Deutschland befanden sich, im Jahr 2009, rund 20 Prozent aller Kleinkinder unter drei Jahren in der Fremdbetreuung. Die Tendenz steigt, denn seit 2013 wurden etwa 500 000 neue Plätze in Kindertagesstätten für die U3-Kinder eingerichtet. (vgl. Stamm, 2011) Experten und Entwicklungspsychologen verweisen darauf, dass vor allem ganz junge Kinder feinfühlige Erwachsene bedürfen, die sich mit viel Liebe um sie kümmern. Gleichzeitig sind sie auf eine anregende Umgebung angewiesen, in der ihre intellektuelle Entwicklung gefördert werden kann. (vgl. Schonhöft, 2013)

Viele Mütter befürchten, dass eine frühe Fremdbetreuung die Bindung zu ihrem Kind beeinträchtigen könnte. Eine aktuelle „NICHD Studie of Early Child Care“ besagt jedoch das Gegenteil: Es konnten keine Unterschiede „in der Eltern-Kind-Beziehung zwischen eigenen und fremdbetreuten Kindern festgestellt werden“ (Bayerl & Mack, 2007). So sind, laut der Krippenforscherin Lieselotte Ahnert, die Gründe gegen eine außerhäusliche Betreuung mittlerweile veraltet, da diese sich noch auf die Bindungsforschung der 60er-Jahre beziehen. Wissenschaftler fanden keine Defizite in der kognitiven und sprachlichen Entwicklung, sofern sich die Kinder nur einige Stunden am Tag in der Krippe aufhielten (vgl. Bayerl & Mack, 2007). Die Dauer einer außerhäuslichen Betreuung scheint demnach den Unterschied zu machen. Eine weitere NICHD-Studie fand heraus, dass Teenager in einem höheren Maße Verhaltensauffälligkeiten zeigen, wenn sie als Säugling mehr als 30 Stunden in der Woche fremdbetreut wurden. Als Grund wird hier, unter anderem, vor allem die Trennung von den Eltern während des Krippenaufenthaltes genannt, welche das Kleinkind sehr belastet. Für Mütter, die sich dieser Tatsache bewusst sind, kommt eine außerhäusliche Betreuung von Anfang an nicht in Frage. (vgl. Ahne, 2013)

Die Entscheidung und die Motive sich für oder gegen eine frühe Fremdbetreuung zu entscheiden, treffen am Ende die Eltern selber. Eine außerhäusliche Betreuung soll jedoch nie als Ersatz gesehen werden, sondern lediglich als eine Ergänzung zur eigenen Familie sein (vgl. Stamm, 2011). Trotz allem werden Krippen aufgrund ihrer unzureichenden Qualität oft kritisiert. Die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert spricht genau diese Qualität an und gibt zu verstehen, wie wichtig ein ausreichender Betreuungsschlüssel in der pädagogischen Einrichtung ist. Sie weist darauf hin, dass eine Erzieherin, welche für mehr als drei Kleinkinder verantwortlich ist, niemals auf alle deren Bedürfnisse eingehen kann. Der perfekte Betreuungsschlüssel liegt, laut Ahnert, bei 1:3, wenn möglich sogar bei 1:2. (vgl. Ahnert, 2004) Die Realität sieht jedoch anders aus. Ein Betreuungsschlüssel von 1:6 bis hin zu 1:8 ist in vielen Krippen üblich. (vgl. Brisch, 2009). Ein Fakt, der viele Eltern von der frühen Fremdbetreuung abschrecken könnte.

„Auf dem Boden einer sich entwickelnden sicheren Bindungsbeziehung zu einer Hauptbindungsperson - etwa der Mutter oder dem Vater – kann das Kind im Laufe des ersten Lebensjahres – und im zweiten Lebensjahr noch leichter – auch eine Bindungsbeziehung zu einer weiteren sekundären Bindungsperson, etwa der Krippenerzieherin, aufbauen“ (Brisch, 2009). Dieses Zitat würde bedeuten, dass es einem Kleinkind an der emotionalen Bindung nicht fehlt und es könnte, auch ohne des Beiseins der Mutter, sich gut in der Krippe zurechtfinden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich solch eine feste Bindungsbeziehung zwischen dem Kind und der pädagogischen Fachkraft, in Anbetracht des unzureichenden Betreuungsschlüssels, überhaupt entwickeln kann. Auch weitere NICHD-Studien verweisen darauf hin, dass einem Kleinkind die wichtige tiefe Bindung zu der Mutter entscheidend fehlt (vgl. Herman & Steuer, 2010).

Die bereits erwähnten Literaturangaben zeigen ersichtlich, dass Forscher und Wissenschaftler oft unstimmig darüber sind, ob eine außerhäusliche Betreuung für ein Kleinkind zu früh kommt oder nicht. Mit Rücksicht darauf, ist es nachvollziehbar, dass es Eltern schwer fällt, beim Thema „frühe Fremdbetreuung“, die richtige Entscheidung zu treffen. Zudem gibt es vielleicht Mütter, die es nicht gerne sehen, wenn ihr kleines Kind eine bessere Beziehung zur Krippenerzieherin aufbaut als zu ihnen selber.

Der Empirieteil soll im weiteren Verlauf Aufschluss darüber geben, was die hauptsächlichen Beweggründe von Eltern, bzw. von Müttern gegen die frühe Fremdbetreuung sind. Doch zunächst wird der Methodenteil näher betrachtet, in dem die Erhebung und Durchführung des Interviews ausführlicher beschrieben wird.

3. Methodisches Vorgehen

Die vorliegende qualitative Forschungsarbeit analysiert die Ansichten einer Mutter zur Fremdbetreuung im Allgemeinen und zeigt die Gründe gegen pädagogische Einrichtungen im Speziellen auf. Die hierfür benutzten Methoden stammen aus der qualitativen Sozialforschung und richten sich nach der ´Checkliste´ für ein ausführliches Methodenkapitel von Kruse (vgl. Kruse, 2014). Die Erhebung erfolgte anhand eines teilstandardisierten narrativen Interviews.

3.1 Was ist qualitative Forschung?

„Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten >>von innen heraus<< aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen.“ (Flick et al., 2005) Merkmale qualitativer Forschung beziehen sich einerseits auf die Offenheit bei einer Erhebung und andererseits auf die Interpretativität bei einer Auswertung. Die qualitative Forschung gehört zu den empirischen Forschungsmethoden, versucht das „Innenleben“ einer Person oder eines Sachverhalts zu erfassen und so viele Informationen wie möglich über deren Strukturen zu verstehen (vgl. Flick et al., 2005).

3.2 Selbstreflexion

Im Verlauf des Interviews gab es Stärken und Schwächen bei der Gesprächsführung. Als Interviewer fällt es einem recht schwer, sich selbst komplett zurück zu nehmen, nur zuzuhören und die eigene Meinung nicht zu äußern. Es war jedoch eine Stärke, der Gesprächspartnerin für den Großteil der Zeit das Wort zu überlassen und sie durch kurze Fragen zum Weitererzählen zu ermutigen. Genauere Nachfragen haben an manchen Stellen gefehlt, wie z.B. auf die Aussage „ich bin gern in den Kindergarten gegangen.“ (vgl. 185-186) In dieser Sequenz wäre eine Nachfrage bezüglich der Gründe für die Freude am Kindergarten sinnvoll gewesen und hätte mehr inhaltliches Wissen erbringen können. Eine Schwäche war es, der Gesprächspartnerin in einzelnen Fällen nicht genug Denkzeit zu geben und das Thema zu wechseln, obwohl diese noch am Überlegen war. (vgl. 225-228) Gleichzeitig war es eine Stärke, die Interviewte immer wieder freundlich zum Nachzudenken zu motivieren, wenn diese nicht wusste, wie sie etwas richtig erklären sollte. (vgl. 381)

Einige Ja/Nein Fragen hätten vermieden werden sollen und durch offene Fragen ersetzt werden müssen. „Maximale Offenheit bedeutet, dass die Frage so wenig Einfluss wie möglich auf den Inhalt der Antwort ausübt. Offene Fragen überlassen dem Gesprächspartner die Entscheidung über den Inhalt der Antwort.“ (Gläser & Laudel, 2009) Durch bestimmte Ja/Nein-Fragen wurden der Gesprächspartnerin gewisse Antworten schon in den Mund gelegt. (vgl. 409-411) Dies ist von Nachteil, da das Interview in eine andere Richtung gelenkt werden könnte, ohne das es die Initiative der Gesprächspartnerin war.

Durch das sehr freundschaftliche Verhältnis zur Interviewten wurde über viel Hintergrundwissen verfügt und bei bestimmten Themen und Aussagen nicht weiter nachgefragt. Ein Verbesserungsvorschlag hierbei wäre es, bei zukünftigen Gesprächen, nur Personen zu interviewen, die nicht mehr als flüchtige Bekannte sind. Bei Freunden und Familienangehörigen kommt ein Interviewer schnell in die Versuchung, bestimmte Fragen auszulassen, weil er oder sie die Antworten bereits kennt. Bedauerlicherweise darf das Vorwissen, was über den Interviewpartner vorhanden ist, nicht miteinbezogen werden und somit fehlen der interviewenden Person wichtige Fakten bei der späteren Analyse des Gesprächs.

3.3 Erhebungsinstrumente

Zur Erfassung der Ansichten und Beweggründe wurde als Erhebungsinstrument ein teilstandardisiertes narratives Interview gewählt. Für dieses gibt es zwar einen Frageleitbogen, jedoch wird sich nicht persistent daran gehalten und die Gesprächspartnerin darf auch eigene ungeplante Themen miteinbringen. Der Leitfaden im Interview bezieht sich auf das Thema Fremdbetreuung im Allgemeinen und zielt darauf ab, die Beweggründe und Motive gegen eine außerhäusliche Betreuung in Erfahrung zu bringen.

Bei dieser Art von Forschungsmethode beginnt das Gespräch mit einer Einstiegsfrage, und die Interviewer sind dabei im weiteren Verlauf „verpflichtet, sich vollkommen zurückzunehmen“ (Kruse, Jan, 2014). Die Fragen sollen kurz und offen gestellt sein. Es ist wichtig, sich Begriffe oder Situationen stets näher erklären zu lassen. Der Interviewer muss auf eine naive Art versuchen, sich den Sachverhalt auslegen zu lassen. „Versuchen Sie durch das Interview, die Lebenswelt ihres Gegenübers so gut zu verstehen, dass Sie ein Drehbuch für Szenen aus dieser Welt schreiben und bei der Inszenierung Regie führen können. Fragen Sie so lange nach, bis Ihnen klar ist, was dort passiert ist.“ (Hermanns, 2000)

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Gründe gegen eine frühe Fremdbetreuung von Kindern. Analyse eines Interviews
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten
Veranstaltung
Qualitative Methoden
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V312436
ISBN (eBook)
9783668113770
ISBN (Buch)
9783668113787
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Forschungsarbeit, Fremdbetreuung, u3, Außerhäusliche Betreuung, Qualitative Methoden, Empirie, Leitfadengestütztes Interview, Grounded Theory, Integrative Basisverfahren, Kindergarten, Krippe, Mutter, Qualitative Forschung, Betreuungsschlüssel, Master, frühkindliche Pädagogik, Frühe Bildung, Kleinkind, Einjährige, Betreuungsarten, Zentrale Motive
Arbeit zitieren
Christina Stein (Autor:in), 2015, Gründe gegen eine frühe Fremdbetreuung von Kindern. Analyse eines Interviews, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312436

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