Beitrag über Hannah Arendts Begriffsbildung der "Banalität des Bösen"


Hausarbeit, 2015

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Das Böse

2. Hannah Arendts Wortschöpfung: Banalität des Bösen

3.Winnicotts Konzept vom wahren und falschen Selbst
3.1 Die institutionelle Gewalt
3.2 Die Sprache

4. Schlussbemerkung

Literaturliste

Abstract

Es geht um eine Auseinandersetzung mit Hannah Arendts Begriff des Banalen im Bösen. Ihre Annahme ist, dass die Banalität des Bösen sich dadurch ereignet, indem der Mensch als Person in seiner Verantwortung sich weigert, über die Konsequenzen seiner Handlungen zu denken. Mit der Banalität des Bösen weist Hannah Arendt auf einen neuen Typus des Bösen hin.

Die Zusammenhänge zwischen institutioneller Gewalt, Sprache und Denken werden näher beleuchtet. Um das Denken in seiner Entstehung besser erfassen und erklären zu können, wurde Winnicotts psychoanalytisches Konzept herangezogen. Sein Konzept erklärt Hannah Arendts Annahme, wieso Menschen, die sich entpersonalisieren, sich vom Denken abkehren bzw. sich dem Denken verweigern.

1. Das Böse

"Es gibt nicht zweierlei Menschen; aber

es gibt die zwei Pole des Menschentums."

(Buber,1983, S. 63)

Über das Phänomen des Bösen wird in öffentlichen Diskussionen fortwährend gesprochen. Der Einbruch der Gewalt wird bei der Koexistenz der friedlich nebeneinander lebenden Menschen als störend erlebt. Die verschiedenen Facetten des Bösen und die vielfältigen Ausprägungen der Gewalt hat der Ethologe Lorenz in seinem Buch "Das so genannte Böse" anschaulich aufgeführt. Aus den Untersuchungen der Tiere, die er in seinen intensiven und langjährigen Beobachtungen machte, kam er zu der Erkenntnis, dass dem aggressiven Verhaltenspotential der Tiere eine wichtige Überlebensfunktion zukommt, dabei stellte er fest, dass die Kämpfe untereinander bis zur Vernichtung der fremden oder der eigenen Gattung, ja sogar bis zur eigenen Selbstvernichtung führten. Dieses Verhalten übertrug Lorenz auf den Menschen. Er sah das aggressive Verhalten untereinander als eine wichtige Lebensstruktur des Menschen im Dasein seiner Mitwelt. Gewalt als Bestandteil menschlichen Verhaltens hat eine wichtige Rolle und Funktion bei der Konstituierung menschlichen Seins und Zivilisation. Neid, Eifersucht, Rivalität und Streitigkeiten lassen Gewalt zwischen den Beteiligten walten. Eine gewalttätige Stimmung breitet sich aus, Aggressionen werden angestaut. Die gewalttätige Stimmung hält eine bestimmte Zeit an und kann in Kampf übergehen. Kann die Gewalt nicht gestillt werden, wird die angestaute und losgelöste Aggression bis zur Vernichtung der eigenen oder fremden Familie, Gruppe, Nation oder gegen sich selbst gerichtet. In seinem Buch "Das Heilige und die Gewalt" hebt Girard die Bedeutung des religiösen Charakters der Gewalt hervor. Er sieht die Gewalt in der Religion verwurzelt, die sich in ritualisierte und habitualisierte Form vollzieht. Im säkularen modernen Staat sieht Girard in der institutionalisierten Zuteilung der Gewalt die Ursprünge des religiösen Charakters. Indem Gut und Böse, Recht und Unrecht gesprochen wird, band der Staat durch seine Institutionen die Gewalt seiner Bürger. Er schützt sie vor Überspringen und Ansteckung der Gewalt. Die Gefahr der destruktiven Energie wird damit von Anfang an in ihrer Entstehung gebannt und damit verhindert, dass es in exzessives Zerstörungsverhalten ausartet.

Die Philosophie setzt sich in ihrer zeitgeschichtlichen Entwicklung immer wieder mit dem Phänomen des Bösen auseinander. Die existentielle Seinsweise des Menschen in seinem So- Sein im Dasein seiner Mit-Welt sind Anlässe ihrer Untersuchungen. Begrifflichkeit, Gewohnheiten, Werte und Normen sind in der Provenienz der Ethik verortet. Dabei wird die Philosophie immer wieder aufgefordert sich mit Themen, wie Gerechtigkeit, Verantwortung, ein gutes Leben und die Sorge für das Wohlbefinden des Einzelnen, von Minderheiten oder aller ihrer Bürger um ihrer selbst willen, sich auseinander zu setzen. Die ethische Verantwortung für den Schutz gegenüber dem einzelnen Bürgers oder von Minderheiten in der Gesellschaft im privaten oder öffentlichen Raum rücken bei ihrer Verpflichtung für das politische Gemeinwesen in ihrem Blickfeld. Die ethische Verantwortung des Mit- Menschen in seiner Mit-Welt stellt sie bei ihren Reflektionen immer wieder aufs Neue. Dabei verrät uns das Mit-, dass es sich hier nicht um einzelne allein lebende Menschenwesen handelt, sondern dass die Welt zu einer Mit-Welt wird, in der der Einzelne in seinem Mit-Da-Sein lebt und in einem intersubjektiven Dialog sich auf sich und den Anderen bezieht.

Um in diesem Rahmen der Frage nach dem Bösen in der Philosophie nachzugehen und dabei weder Raum noch Zeit zu sprengen, werde ich mich mit der Begriffsbildung Hannah Arendts "Banalität des Bösen" befassen und damit das Thema eingrenzen. Ich hoffe, dem Leser mit meiner Auseinandersetzung eine Perspektive zu eröffnen, die Arendts philosophisches Verständnis über das Banale im Bösen verständlicher macht. Im ersten Teil dieser Arbeit wird der Begriff in seiner Entstehung sowie Hannah Arendts ethische Haltung bei ihrem philosophischen Verständnis vom Begriff des Bösen dargestellt. In meiner Arbeit wird nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Es geht mehr darum aufzuzeigen, dass Arendt in der Person von Eichmann einen neuen Typus von Aggressor erkannt zu haben dachte und auf der Suche nach einem Begriff, der den neuen Typus vom Bösen erfassen sollte, war. Denn anders als mit dem Begriff des radikalen Bösen (Kant), der das Böse in seinen direkten mörderischen Handlungen erfasst, fand sie, dass diese Form von aggressiven Menschen begrifflich nicht fassbar sind. Um ihren Begriff des Banalen zu erhellen, werde ich im zweiten Teil meiner Arbeit das Konzept von Winnicott über das wahre und falsche Selbst heranziehen. Das psychoanalytische Konzept Winnicotts als Verstehens- und Erklärungsmodell bietet einen Ansatz, wie es dazu kommen kann, dass Menschen aus den Erfahrungen ihrer Sozialisation in ihrem täglichen Überlebenskampf nicht anders, als nur so in ihrem So-Sein funktionieren und handeln können. Winnicotts Konzept zeigt auf, wie sich das werdende Selbst von Anfang an in der Interaktion Kind-Mutter-Umwelt bei seiner Entwicklung konstituiert und formt. Damit soll verständlicher werden, warum Arendts Suche in ihren Bemühungen, die Person Eichmanns in seinem destruktiven Charakter begrifflich zu erfassen, zu einer Wortschöpfung führte. Hannah Arendt glaubte, dass der Begriff des radikalen Bösen (Kant, Jaspers) Personen wie Eichmann in ihrer Seins- und Handlungsweise nicht erfasst. Dabei soll es hier weder um ein Verständnis für diesen Typ von Personen geschweige um eine Entschuldigung von Eichmanns Verhalten noch um eine Relativierung seiner abscheulichen mörderischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehen.

Im dritten Teil der Arbeit wird die Rolle der Institution bei der Erlangung der Macht, um in ihrem Interesse, Gewalt auszuüben sowie die Bedeutung der Sprache und des Denkens bei der Konstituierung der ethischen Haltung nach Arendts Verständnis aufgezeigt.

2. Hannah Arendts Wortschöpfung: Banalität des Bösen

"Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte. Allerdings ist man dem näher als anderen. Obwohl es die Vergangenheit, als sie Gegenwart war, nicht gegeben hat, drängt sie sich jetzt auf, als habe es sie so gegeben, wie sie sich jetzt aufdrängt. Aber solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte."

(Walser, 2014, S.9 )

Auf den ersten Blick könnte der Begriff Banalität des Bösen den Leser befremden. Vielleicht empfindet er ihn als widersprüchlich oder er scheint ihm sogar als Oxymoron. Lässt man sich jedoch auf eine Begegnung mit dem Begriff, um zu ihn zu verstehen ein, so enthüllt er sich in seiner verbergenden Dynamik und Potentialität. In einem existentiellen Ringen begegnet Arendt als politische Philosophin dem empörenden Verhalten der "Funktionäre" in ihrer "erschreckenden Durchschnittlichkeit", die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Eine in ihrem Wesen nach denkende, intellektuelle Philosophin mit hohem ethischen Bewusstsein in einem Ausnahmezustand suchte dem Grauen sprachlich ein Gesicht zu geben, um es zu begegnen und zu verstehen. Es zu erfassen, begegnen und verstehen, war ihr Vorhaben, das sie veranlasst hatte, von New York nach Jerusalem zu fahren. Denn das wirklich Böse verursachte in ihr ein sprachloses Entsetzen, angesichts dessen sie sagte "...,das niemals hätte geschehen dürfen;..." (Arendt, 2014,S.17) Als Philosophin glaubte sie, dass es eine unzureichende Theorie über diese Art des Bösen in Zusammenhang mit Denken, Handeln und mit der Fähigkeit zu urteilen gibt. Das radikale Böse (Kant, Jaspers) als Begriff schien ihr hier nicht zutreffend, denn das Böse war hier weder dämonisch noch hatte es Tiefe. Es war die Unfähigkeit und /oder Weigerung zu denken, eingebettet in einer Institution mit dem Wunsch und dem Anspruch des Funktionärs zur Gehorsamkeit.

Arendt musste das NS- Deutschland aufgrund ihres jüdischen Glaubens verlassen. Sie flüchtete über Frankreich weiter in die USA. Dort lebte und arbeitete sie bis zu ihrem Tod in New York. Geprägt durch die Erlebnisse ihrer Vergangenheit hat sie mit ihren Reflexionen die politische Philosophie beeinflusst. In allen ihren Büchern zieht sich, wie ein roter Faden, ihre Auseinandersetzung mit dem Bösen durch. Immer wieder wird es für sie unumgänglich, ja fast unmöglich sich auf diese Zeit des staatlich erlaubten Terrors, nicht zu beziehen. Mit ihrem Buch "Elemente des Totalitarismus" wird sie berühmt und als Denkerin anerkannt. Als sie von der Verhaftung Eichmanns und dem bevorstehenden Prozess gegen ihn erfährt, ergreift sie die Gelegenheit als Reporterin an den Prozess teilzunehmen. An diesem Prozess teilzunehmen, sah sie als eine Verpflichtung, die sie ihrer Vergangenheit gegenüber hatte. Als Berichterstatterin für die Zeitschrift "The New Yorker" fährt sie von New York nach Jerusalem.

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Beitrag über Hannah Arendts Begriffsbildung der "Banalität des Bösen"
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V313051
ISBN (eBook)
9783668117532
ISBN (Buch)
9783668117549
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beitrag, hannah, arendts, begriffsbildung, banalität, bösen
Arbeit zitieren
Dimitrios Kalaitzidis (Autor:in), 2015, Beitrag über Hannah Arendts Begriffsbildung der "Banalität des Bösen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313051

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