Vom Luftschloss zum Millionengrab - Die Chipfabrik in Frankfurt/Oder als Fallbeispiel gescheiterter brandenburgischer Wirtschaftsförderung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Projekt Chipfabrik in Frankfurt/Oder

3. Die Akteure
3.1 Communicant Semiconductor Technologies AG (CST)
3.2 Das Institut für Halbleiterphysik Frankfurt/Oder (IHP)
3.3 Das Emirat Dubai
3.4 Intel Corporation
3.5 Das Land Brandenburg
3.6 Die Banken
3.7 M+W Zander/Jenoptik AG

4. Warum ist das Projekt gescheitert?
4.1 Unübersichtliche finanzielle Verflechtungen
4.2 Kritik am brandenburgischen Wirtschaftsministerium

5. Nach dem Scheitern der Chipfabrik
5.1 Communicant Semiconductor Technologies AG
5.2 Der Untersuchungsausschuss
5.3 Folgen für das Land Brandenburg
5.4 Die Stadt Frankfurt/Oder nach der „Fabrikpleite“
5.5 Folgen für das Emirat Dubai?
5.6 Folgen für Intel Corporation?
5.7 Die Zukunft des Instituts für Halbleiterphysik

6. Schlussfolgerungen

Quellen

1. Einleitung

Thema der Arbeit ist die gescheiterte Chipfabrik in Frankfurt/Oder, als ein Fallbeispiel für regionale Wirtschaftsförderungspolitik. Ziel der Arbeit ist es die Beteiligten und ihre Ziele vorzustellen und Kritikpunkte am Projektverlauf aufzuzeigen. Den Abschluss der Arbeit bildet die Zusammenfassung der Folgen für die Beteiligten und Schlussfolgerungen bezüglich der brandenburgischen Wirtschaftsförderungspolitik.

Die regelmäßigen Schlagzeilen zur Chipfabrik und die unklaren Informationen seit Projektstart waren Anlass, den Fall zu recherchieren. Gerade das Beispiel eines gescheiterten Wirtschaftsförderungsprojektes kann allgemeine Schwierigkeiten der regionalen brandenburgischen Wirtschaftsförderung aufzeigen.

Die Informationen sind der Fachpresse, Regionalpresse, Presseinformationen und Materialien, die das Büro von Dr. Esther Schröder (MdL) zur Verfügung gestellt hat, zusammen getragen. Das Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg, die Stadt Frankfurt/Oder und die Deutsche Bank haben die Möglichkeit einer Stellungnahme abgelehnt.

Die Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in der Darstellung des Falls, da längst nicht alle Informationen öffentlich zugänglich sind und der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses noch aussteht. Insbesondere unternehmensinterne Informationen und nicht-öffentliche Informationen der Landesregierung könnten bei späterer Veröffentlichung zu anderen Schlussfolgerungen führen.

2. Das Projekt Chipfabrik in Frankfurt/Oder

Die Betreiberfirma Communicant Semiconductor Technologies (CST) plante hochleistungsfähige Halbleiterchips, vor allem für mobile Anwendungen herzustellen. Die patentierten Chip-Technologien und das eigene Know-how sollten es Communicant ermöglichen, sich als weltweit führende Foundry[1] für große Halbleiterhersteller zu profilieren. In der Zusammenarbeit mit dem Institut für Halbleiterphysik in Frankfurt/Oder (IHP) und der Firma Intel sah sie entscheidende Wettbewerbsvorteile.

Das Projekt sollte mit einer 3-Säulen-Finanzierung aus I. Eigenkapital, II. Fördermitteln, III. Krediten realisiert werden. Die 1,3-Milliarden-Euro-Investition sollten unterschiedliche Anteilseigner tragen. Das Emirat Dubai sollte sich mit 250 Mio. Dollar beteiligen, das Land Brandenburg mit 38 Mio. Euro und Intel mit 40 Mio. Euro. Das Fremdkapital in Höhe von 650 Mio. Dollar sollte von einem Bankenkonsortium aufgebracht werden und zu 80 Prozent durch eine Bund-Land-Bürgschaft abgesichert werden. Weitere rund 300 Mio. Dollar sollten Bund und Land in Form von Fördermitteln einbringen. Ein Betrag von 31 Mio. Euro sollte durch weitere Eigenmittel, wie Lieferantenkredite, in die Kasse kommen. Potenzielle Geldgeber wurden mit der Aussicht gelockt, an einem mindestens zehn Jahre wettbewerbsfähigen Chip-Projekt verdienen zu können. Die Chipfabrik sollte nach den ersten Plänen bis Ende 2001 stehen. Es sollten ca. 1300 neue Arbeitsplätze direkt in der Chipfabrik und ca. 700 Arbeitsplätze im Umfeld entstehen.

Die Idee, eine Chipfabrik in Brandenburg zu bauen ist nicht so abwegig wie es manchmal in der Presse dargestellt wird. In der Tat hat die Region ein Potential[2] für den Ausbau des Halbleiterbereichs. Die Vorzüge, mit denen Investoren geworben werden sind: qualifiziertes Personal (Frankfurt/Oder ist seit 1958 Standort der Mikroelektronik), moderate Arbeitskosten (wesentlich niedriger als in den USA, vergleichbar mit Irland), hervorragende Förderbedingungen mit Zuschüssen bis zu 50 Prozent für Investitionsausgaben, finanzielle Unterstützung für Forschungs- und Entwicklungsprojekte, moderate Steuern und ein flexibles Steuermodell.

3. Die Akteure

Die unterschiedlichen Akteure, die am Projekt der Chipfabrik beteiligt waren – private Finanziers, Banken, Mitarbeiter des Bereichs Wirtschaftsförderung aus dem Brandenburger Wirtschaftsministerium etc. – sind bei anderen Förderprojekten ähnlicher Größe vergleichbar anzutreffen.

3.1 Communicant Semiconductor Technologies AG (CST)

Für die Betreiberfirma Communicant Semiconductor Technologies AG, agierten insbesondere die Vorstandsmitglieder. Der erste Vorstandsvorsitzende Klaus Wiemer verließ im Mai 2002 die Firma, angeblich in beiderseitigem Einvernehmen.[3] In einem Interview sagte er jedoch: "Wenn man Ihnen gesagt haben sollte, der Schritt sei aus persönlichen Gründen erfolgt, stimmt das […] nicht".[4] Er wisse noch nicht einmal, ob er noch Vorstandsmitglied geblieben sei, denn eigentlich wurde er im Januar 2001 für fünf Jahre als Mitglied des Vorstandes bestellt. Doch dazu habe man ihm "nichts gesagt". Überdies stecke "in der ganzen Geschichte mehr drin, als bis jetzt bekannt geworden ist".[5]

Dirk Obermann, der nach dem Ausscheiden von Wiemer ab September 2002 den Vorstandsvorsitz übernahm, kam nicht aus der Mikroelektronik-Branche.[6] Er war bis August 2001 Büroleiter des brandenburgischen Wirtschaftsministers Wolfgang Fürniß. Vorstandsmitglied Helmut Brunner, gebürtiger Österreicher, hatte zuvor schon den Aufbau mehrerer Chipfabriken koordiniert. Als Finanzvorstand wurde der Amerikaner Jean Jaques Morin gewonnen. Im September 2002 wurde Prof. Abbas Ourmazd, bis dahin Leiter des IHP und Aufsichtsratsvorsitzender der CST, zum Interims-Vorstandsvorsitzenden ernannt und leitete fortan die Geschäfte von Communicant. Seine Nachfolge als Aufsichtsratsvorsitzender übernahm der US-Amerikaner Handel Jones. Jones war damals CEO einer führenden Beratungsfirma der Halbleiterindustrie und besaß mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Branche.[7]

3.2 Das Institut für Halbleiterphysik Frankfurt/Oder (IHP)

Das Institut für Halbleiterphysik gehört zur Leibniz-Gemeinschaft und beschäftigt rund 200 Mitarbeiter aus 16 Ländern. Es wird je zur Hälfte von Bund und Land finanziert. Das IHP wollte unter anderem seine Patente einer neuen Technologie mit Silizium-Germanium-Kohlenstoff (SiGe:C) nutzen, der als Trägerstoff für Chips eine dichtere Anordnung der Schaltelemente ermöglicht. Das bedeutet kleinere, schnellere und im Energieverbrauch sparsamere Chips.[8]

Ihr Einsatz war unter anderem in UMTS-Handys geplant. Der Marktwert dieser Spitzentechnologie wurde bei Projektbeginn mit weit über 100 Mio. Dollar beziffert. Die Technologie wurde unter strengster Geheimhaltung unter dem Decknamen "Forest Lab" entwickelt.[9]

Ohne Prof. Abbas Ourmazd würde es Communicant nicht geben. Ourmazd, ein im Iran geborener US-Amerikaner, war zu Projektbeginn als Geschäftsführer des IHP tätig. Bereits seit 1999 beriet er das Land Brandenburg in technologischen Fragestellungen. Vom 1. Januar 2001 bis 15. September 2002 war er „Technologiebeauftragter des Landes Brandenburg“.[10] Bereits zu diesem Zeitpunkt verkündete er, dass die Investoren für eine Chipfabrik Schlange stünden.[11] Ourmazd war neben seiner australischen Kollegin Dr. Judith Marquardt (IHP) ab 2001 im Aufsichtsrat der CST. Ab Mitte September 2002 ließ sich Ourmazd zunächst für ein halbes Jahr vom IHP beurlauben, um eine Tätigkeit als Interims-Vorstandsvorsitzender bei Communicant aufzunehmen. Seit dem 17. Oktober 2002 ist Wolfgang Mehr Geschäftsführer des IHP.

3.3 Dubai

Das Emirat Dubai war Hauptinvestor von Communicant. Es wurde vertreten durch die Dubai Airport Freezone Area (DAFZA), den DAFZA Direktor: Mohammed Ahmed Al Zarouni und den DAFZA Präsidenten Seine Hoheit Sheikh Ahmed Bin Saeed Al Maktoum. Dubai bekam Zusagen für einen umfassenden Technologietransfer im Falle einer Insolvenz von Communicant. Von Anfang an war ein eigenes Werk in Dubai, parallel zur Chipfabrik in Frankfurt/Oder mit der gleichen Technologie geplant. Das Werk soll Herzstück der "Dubai Silicon Oase" (DSO) werden. Um diese Chipfabrik sollten weitere Halbleiterforschungs- und Produktionsstätten entstehen.

3.4 Intel Corporation

Intel sollte sich neben der Investition in die Ausrüstung mit eigener 0,18-µm-Prozesstechnik an der Fabrik beteiligen. Im Rahmen gegenseitiger Technologienutzung hat der weltgrößte Chiphersteller seit März 2001 lizenziert Zugriff auf Neuentwicklungen aus Frankfurt/Oder und seinerseits einen Teil der Innovationen bereits in einen marktfähig entwickelten Prozessor einfließen lassen.

Seit dem Projektstart verlängerte Intel wiederholt seine Ausstiegs-Option, weil die Finanzierung nicht gesichert war.

Communicant-Vorstand Ourmazd bestätigte, dass CST insgesamt 40 Mio. Dollar an Intel für Technologie zahlen muss. Dabei handele es sich um übliche Lizenzgebühren und Tantiemen, die nur einen Teil des Technologie-Werts darstellten.[12]. Ob Communicant die Intel-Lizenzen jemals nutzen kann, ist unsicher. Für die superkleinen Chips taugt die bislang an sehr viel größeren Chipstrukturen ausgerichtete Intel-Prozesstechnik nichts. Sie müssten erst angepasst werden.[13]

3.5 Das Land Brandenburg

Für das Land Brandenburg verhandelte Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU), der seit seiner Amtsübernahme die Kontakte zu den VAE, z.B. durch die Gründung einer brandenburgischen Wirtschaftsrepräsentanz in Dubai, zielstrebig vorantrieb. Brandenburg bemühte sich angeblich seit mehreren Jahren um den Bau einer Chipfabrik in Frankfurt/Oder.[14] Einer kleinen Arbeitsgruppe um Fürniß gelang es, das Projekt zu realisieren. Nach dem Rücktritt von Wolfgang Fürniß am 11. November 2002, wegen einem privatem Millionen-Kredit aus Dubai[15], wird Ulrich Junghanns (CDU) neuer Wirtschaftsminister.

In Kabinettsbeschlüssen vom 5. und 26. März 2002 entschied die Landesregierung, über die ILB Beteiligungsgesellschaft mbH eine Beteiligung an der Communicant Semiconductors Technologie AG in Höhe von 38 Mio. Euro zu erwerben. Zusätzlich trägt das Land auch die dem Treuhänder entstandenen Kosten aus Erwerb und Haltung der Beteiligung, sowie die aus der Finanzierung entstehenden Zinsen, Personal- und Reisekosten, Rechtsanwalts- und Notarkosten übernehmen. Allein die Zinsen beliefen sich auf 1,464 Mio. Euro.[16] Das Land ist selbst nicht im Aufsichtsrat von Communicant vertreten, hat also wenig Einflussmöglichkeiten.

[...]


[1] Eine Foundry ist eine Art Auftragsfertigung, da das Design der Schaltkreise durch den Kunden vorgegebenen ist. Da der Foundry keine Kosten für Chip-Design, Vertrieb und Marketing entstehen, können sie ihre F&E-Ressourcen vollständig auf die Prozesstechnologie konzentrieren. Die führenden Foundries sind in Taiwan und Singapur beheimatet. vgl.Glossar www.jenoptik.de

[2] Investor Center Ostbrandenburg, Mikroelektronik: „Potential der Region“, www.icob.de

[3] manager-magazin, Artikel vom 17.12.02, Henrik Müller: „Chipfabrik in Frankfurt/Oder droht an Geldmangel zu scheitern“

[4] Spiegel-Online, Artikel vom 22.06.02, Holger Kulick: „Das Brandenburg-Debakel“

[5] ebd.

[6] Märkische Allgemeine, Artikel vom 12.10.02: "Stühlerücken in der Chipfabrik. Neue Chefs bei Communicant und beim IHP / Verträge vor der Unterzeichnung“

[7] „Grundstein für Chipfabrik, Bauarbeiten am IHP und auf der Baustelle in Frankfurt/O. beginnen. Prof. Abbas Ourmazd wird neuer Vorstandsvorsitzender“ Manfred Ronzheimer,

[8] heise online, Artikel vom 07.02.01, Götz Konrad/prak3/c't: „Intel beteiligt sich an Bau von Brandenburger Chip-Fabrik“

[9] Berliner Zeitung vom 14.08.02, Peter Kirnich: "CHIP-FABRIK" - Wagnis an der Oder

[10] Drucksache 3/5004, Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage 1868 der Abgeordneten Esther Schröder, DS 3/4862, ausgegeben am 30.10.02

[11] ORB, Sendung Klartext vom 10.02.04, Sascha Adamek: „Azubis bei Communicant“

[12] BerliNews, Artikel vom 16.12.02, Manfred Ronzheimer:„Der Fall Communicant. "Der Spiegel" recherchierte zur Chip-Fabrik in Frankfurt/O. - mit Folgen“

[13] ZDNet, Artikel vom 20.12.02, Dietmar Müller: „Frankfurts Chip-Desaster: Hintergründe und Details“

[14] Zukunftsagentur Brandenburg ZAB, Presseinformation vom 7.02.01, „Wirtschaftsminister Fürniß: “Startschuß für 3 Milliarden-Mark-Chipfabrik (Foundry) - bis zu 1.500 Arbeitsplätze in Frankfurt (O.) - der weltgrößte Halbleiterhersteller Intel kommt nach Brandenburg - Emirat Dubai will erheblich investieren“

[15] ZDF, heute-Sendung vom 11.11.02, „Minister Fürniß legt wegen Millionen-Kredit Amt nieder“ Fürniß lernte Sultan Muhammed El Kasimi 2000 auf einer Unternehmerreise kennen. Das Geld habe er zur Begleichung einer Steuerschuld gebraucht. Einen Zusammenhang mit der Chipfabrik gebe es nicht. Juristisch war ihm nichts vorzuwerfen.

[16] Drucksache 3/5476, Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage 2061 der Abgeordneten Esther Schröder, DS 3/5340, ausgegeben am 17.02.03

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Vom Luftschloss zum Millionengrab - Die Chipfabrik in Frankfurt/Oder als Fallbeispiel gescheiterter brandenburgischer Wirtschaftsförderung
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V31309
ISBN (eBook)
9783638323567
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Luftschloss, Millionengrab, Chipfabrik, Frankfurt/Oder, Fallbeispiel, Wirtschaftsförderung
Arbeit zitieren
Antje Matten (Autor:in), 2004, Vom Luftschloss zum Millionengrab - Die Chipfabrik in Frankfurt/Oder als Fallbeispiel gescheiterter brandenburgischer Wirtschaftsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31309

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