Grenzen und Potenziale der gemeinnützigen GmbH (gGmbH)

Gemeinwohlorientiertes und solidarisches Wirtschaften für eine gestärkte Zivilgesellschaft


Bachelorarbeit, 2015

91 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract (deutsch)

Abstract (englisch)

1. Einleitung

2. Theoretische Paradigmen – Versuch einer Begriffsklärung
2.1 Zivilgesellschaft
2.2 Organisationsverständnis
2.3 Prosperität

3. Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel
3.1 Der dritte Sektor: Zivilgesellschaft in Beziehung zu Staat und Markt
3.2 Zur Ökonomisierung des zivilgesellschaftlichen Sektors: Kulturfinanzierung im Verhältnis 90/10
3.3 Die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH): Vereinbarkeit von ideeller Zielsetzung und ökonomischem Wirtschaften

4. Gemeinwohlorientiertes und solidarisches Wirtschaften: Der Peißnitzhaus e.V. als Praxisbeispiel
4.1 Das Selbstverständnis des Peißnitzhaus e.V.
4.2 Die praktischen Vor- und Nachteile des Konglomerats

5. Ausblick für eine prosperierende Gesellschaft
5.1 Potenziale einer von Staat und Wirtschaft gestärkten Zivilgesellschaft
5.2 Grenzen des gemeinwohlorientierten Wirtschaftens

5. Fazit

Literatur

Anhang
Anhang I: Potenzielle Tätigkeitsbereiche steuerbegünstigter Organisationen
Anhang II: Vorstellung des Peißnitzhaus-Projektes

Abstract (deutsch)

Was wir unter Gesellschaft verstehen und nach welchen Vergesellschaftungsmodi wir zusammenleben ist veränderlich. Gesellschaftsformen differenzieren sich je nach Zeitalter, Kulturkreis und Territorium, dabei können auch verschiedene Gesellschaftsformen nebeneinander bestehen. Das 21. Jahrhundert ist geprägt von Krisen und Umbrüchen, die auf einen gesellschaftlichen Wandel in europäischen Gesellschaften hinweisen. Als treibende Kraft von gesellschaftlichen Veränderungen und zugleich Dämpfer von Staats- und Marktversagen, wird die Zivilgesellschaft verstanden – im Besonderen zivilgesellschaftliche Vereinigungen und Organisationen, die gemeinwohlorientiert wirtschaften. Doch in einer Zeit rasanter gesellschaftlicher Veränderungen, nie dagewesenen technologischen Fortschritts und zunehmendem Wettbewerb, selbst gemeinnütziger Unternehmungen, sind auch zivilgesellschaftliche Organisationen im Zugzwang sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen und ihre Arbeitsprozesse daran anzupassen. Hybridorganisationen sichern durch eine wirtschaftlich tragfähige Konstruktion eine gemeinwohl- und bedürfnisorientierte Versorgung. Sie haben sich einer ideellen gemeinnützigen Zielsetzung verschrieben, sind jedoch nach ökonomischen Grundsätzen aufgebaut und strukturiert und schaffen somit die ideale Voraussetzung, um öffentliche Zuschüsse sowie private und wirtschaftliche Spenden und Sponsoringmittel einzuwerben. Als spezifisches Beispiel für eine hybride gemeinnützige Organisation betrachtet diese Arbeit die Rechtsform der gGmbH, welche sich in den vergangenen Jahren bereits im Gesundheitswesen sowie für Kultur- und Bildungsangebote in der Praxis bewährt hat. Darüber hinaus unterstellt die Arbeit der durch die Hybridorganisationen gestärkten Zivilgesellschaft das Potenzial zum Gedeihen des Gesamtgesellschaftssystems beizutragen und die Zukunftsfähigkeit unserer modernen Gesellschaft zu sichern. Zukunftsfähigkeit verbindet diese Arbeit mit gelebter Demokratie und einer aktiven partizipativen Bürgerschaft, die selbstbestimmt für soziale und ökologische Gerechtigkeit einsteht. Die vorliegende hermeneutisch interpretative Analyse bestätigt die Potenz der gGmbH gemeinwohlorientierte Aufgaben zu erfüllen, die nicht von Staat oder Markt geleistet werden können oder wollen. Gleichzeitig stößt die organisierte Zivilgesellschaft auch an Grenzen und sieht sich Misstrauen gegenüber möglicher steuerrechtlicher Bereicherung ausgesetzt.

Abstract (englisch)

How we define society and how we are being socialized is changeable. Forms of society vary in different eras and cultural as well as territorial areas and can coexist within these. Various crises and changes had and have tremendous impact on the 21. Century and indicate a societal change in European societies. Civil society and especially civil society initiated organisations and associations with focus on public welfare function as driving forces in societal change and work against state and market failure. However, in times of a rapidly changing way of life, technological developments and increasing competition even among NGO`s and non-profit organisations also these civil society initiated associations are forced to adapt their working processes to the new conditions. Hybrid organisations and their economically stable structure ensure the accommodation concerning public welfare and societal needs. They are committed to a charitable goal but are constructed and structured based on economic principles. Therefore, they create the ideal preconditions in order to get subsidies and donations from private persons and businesses or to get sponsors. As a specific example of a hybrid charitable organisation this thesis focusses on the charitable limited company (gGmbH) which has proved itself in the public health, the culture and education sectors over the last years. In addition, the thesis examines to what extend hybrid-organizations strengthen the civil society and its potential to support the modern society as a whole and its sustainability. The thesis connects sustainability with lived democracy and active participatory citizenship which espouse social and ecological justice. The present hermeneutically interpretive analysis confirms the potency of the gGmbH to fulfil public welfare-oriented tasks which cannot to be carried out by state or market or wanted. At the same time the organized civil society pushes also at borders and sees themselves to distrust in relation to possible according to tax law enrichment suspended.

1. Einleitung

Der Wohlstand unserer Gesellschaft ist maßgeblich von einer wachsenden Marktwirtschaft und einem regulierenden Wohlfahrtsstaat abhängig – so die allgemeingültige Annahme. Dennoch besteht für die Zivilgesellschaft und deren gemeinnützige Organisationen, des so genannten Dritten Sektors[1], eine Existenzberechtigung. Dieser ergibt sich als Folge von Markt- und Staatsversagen[2], wodurch real der Bedarf entsteht eine Lücke zum Gedeihen der Gesellschaft zu schließen. Gemäß dem Soziologen Peter Frumkin, dient der Dritte Sektor weiterhin zur Förderung des sozialen Unternehmertums, zur Unterstützung von zivilgesellschaftlichem und politischem Engagement, sowie als Ausdrucksmöglichkeit von Werten durch hauptamtliche und ehrenamtliche Mitglieder oder Spender.[3]

Im Zuge des gestiegenen Lebensstandards in Europa, durch neue Technologien und die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, stehen Organisationen des Dritten Sektors vor der Herausforderung, die anspruchsvoller werdenden Aufgaben adäquat zu erfüllen. Problemfelder werden vor allem in der Effizienz struktureller Organisation sowie in der genügenden Finanzierung der Arbeit deutlich.

Es scheint mittlerweile unbestritten, dass Veränderungen nahezu überall erforderlich sind, in der Wirtschaft, in Verwaltungen, in so genannten Non-Profit-Organisationen, in Vereinen und Verbänden. Unbestritten scheint auch, dass sich Veränderungen immer häufiger, immer schneller und insgesamt immer radikaler vollziehen.[4]

Laut dem Ökonom Peter Drucker, „[…] besteht eine der fundamentalsten Veränderungen [tatsächlich] darin, daß es so etwas wie die Geschichte der ‚westlichen Welt‘ oder eine ‚westliche‘ Zivilisation nicht mehr gibt. Es gibt nur Weltgeschichte und Weltzivilisation.“[5] Deutlich wird die wachsende globale wechselseitige Abhängigkeit in den weltweiten Auswirkungen von lokalen Krisen. Im Zuge dessen finden seit den 1990er Jahren beispielsweise in den Unternehmen massive Veränderungen statt, die einen Paradigmenwechsel in der Unternehmensführung andeuten.[6] Diese Entwicklungen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Situation der Beschäftigten. Darüber hinaus befinden sich auch die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit generell in einem erheblichen Wandel. Der soziale Bedeutungsgehalt von Erwerbstätigkeit wird massiv in Zweifel gezogen und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben nimmt an Bedeutung zu.[7] Hinzu kommt, dass sich unternehmerischer Erfolg zunehmend auch an ethischen und im Besonderen an ökologischen Kriterien messen lassen muss. Das Bewusstsein darüber, dass unternehmerische Betätigung nicht nur Werte schafft sondern auch Risiken mit sich bringt, hat mittlerweile einen breiten Diskurs in der Gesellschaft eröffnet. Unternehmen agieren demnach in einem Spannungsfeld zwischen Marktmechanismen und sozialer Bedürfniserfüllung, welches laut der Journalistin Hildegard Matthies nur durch die Etablierung diskursiver oder dialogorientierter Gestaltung betrieblicher Entscheidungsprozesse zu lösen zu sein scheint.[8] Dies schließt einen Paradigmenwechsel in der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung, hin zu einer zivilen Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse, ein. Angetrieben werden müsse dieser von einer souveränen Zivilgesellschaft – als Kontrollorgan sozialer und ökologischer Gerechtigkeit und Treiber gesellschaftlichen Wandels, so Matthies.

Der gegenwärtige gesellschaftliche Transformationsprozess prägt auch den organisationalen Wandel. Für Unternehmen respektive Organisationen gleich welcher Ausrichtung ergibt sich daraus das Erfordernis eines Change Managements, d.h. der Überprüfung und Optimierung ihres Wirtschaftens in allen Organisationsbereichen. Hybridorganisationen bedienen sich dafür der Vorteile verschiedener „Welten“ – erwerbswirtschaftlicher sowie gemeinnütziger Gesetzmäßigkeiten. Interessant dabei ist, ob die Frage nach der für die stetigen Veränderungen bestens gewappneten Organisationsform überhaupt angemessen beantwortet werden kann.

Seit einigen Jahren erlebt die Organisationsform der gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) einen regelrechten Boom. Die Neugründungen und Umfirmierungen sind zwischen 2011 und 2013 allein in Berlin um 29% und in Hamburg um 17% gestiegen. Beinahe ein Drittel der 2,6 Millionen Angestellten im gemeinnützigen Sektor sind bei einer gGmbH beschäftigt.[9] Diese Ergebnisse einer Organisationsbefragung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung im Dritten Sektor, erweckt den Anschein, dass die Rechtsform der gGmbH die idealen Voraussetzungen bietet, um öffentliche Zuschüsse sowie private und wirtschaftliche Spenden und Sponsoringmittel einzuwerben und durch die Organisationsstruktur befähigt ist, diese Mittel effizient zur Erfüllung ihrer Aufgaben einzusetzen.

Die vorliegende Arbeit untersucht diese Hypothese und fragt, ob die gGmbH – eine hybride Organisationsform, welche eine ideelle Zielsetzung mit dem ökonomischen Gedanken verbindet – als Werkzeug zur Schaffung gesellschaftlicher Selbstbestimmung verstanden werden kann und dadurch zum Gedeihen der Zivilgesellschaft beiträgt.

Auf Basis einer breiten Literaturrecherche wurden verschiedene theoretische und praktische Perspektiven des Diskurses zur Zivilgesellschaft, gemeinnützigen Organisationen und alternativen Konzepten der Vergesellschaftung untersucht. Den erreichten Erkenntnisstand zur Beantwortung dieser Fragestellung möchte diese Arbeit wiedergeben.

Zu Beginn soll mit Hilfe einer Abgrenzung der theoretischen Paradigmen der Thematik (Zivilgesellschaft, Organisationsverständnis und Prosperität), ein einheitliches Verständnis für den kontextualen Hintergrund der Arbeit geschaffen werden. Besonderer Fokus liegt hierbei auf dem wechselseitigen Verhältnis von organisierter Zivilgesellschaft und einem prosperierenden Gesellschaftssystem.

In der Zuspitzung auf das Anwendungsbeispiel der gGmbH im dritten Kapitel wird vom historischen Abriss der Gemeinwohlarbeit, über die Beziehung des gemeinnützigen Sektors zu Staat und Markt auch die angenommene von der gGmbH ausgehende Gefahr der Ökonomisierung des Dritten Sektors, betrachtet.

Thema des vierten Kapitels ist im Besonderen gemeinwohlorientiertes und solidarisches Wirtschaften. Ziel ist es die praktischen Vor- und Nachteile des unternehmerischen Konglomerats einer Hybridorganisation zusammenzufassen. Als Praxisbeispiel soll hierfür der Peißnitzhaus e.V. in Halle (Saale) dienen.

Bevor ein Fazit aus den Ausführungen für die Fragestellung gezogen wird, soll das fünfte Kapitel einen Ausblick zu Potenzialen und Grenzen gemeinnütziger Organisationen und allgemein für eine prosperierende Gesellschaft, geben.

Als ein Vorbild einer Organisationsform des Wandels und als Brückenschlag und Vermittlungsinstanz zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft, besteht eine deutliche Nähe der gGmbH zum Konzept der lernenden Organisation von Peter Senge. Dies wird in dieser Arbeit nicht unmittelbar erörtert, jedoch entlang der Ausführungen akzentuiert dargestellt.

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Gedankt sei an dieser Stelle für die ideelle Unterstützung bei der Fertigstellung dieser Arbeit, Hagen Ohlendorf, Evelyn Fischer und Uwe Selke, meiner mich bedingungslos liebenden Mutter, sowie Karl-Ludwig Lies.

2. Theoretische Paradigmen – Versuch einer Begriffsklärung

Zu Beginn sollen für das Verständnis der Arbeit grundlegende Begriffe geklärt werden. Hierfür wird zunächst der Begriff Zivilgesellschaft näher betrachtet. Begonnen mit einer knappen statistischen Darstellung unserer gegenwärtigen Zivilgesellschaft in Deutschland, bilden die Basis der Betrachtung philosophische, soziologische und polittheoretische Ansätze von u.a. Norbert Elias und Hannah Arendt. Darüber hinaus wird ein historischer Abriss zur Zivilgesellschaftsdebatte gegeben, welcher auch kritische Stimmen zur Betrachtung heranzieht. Eine weitere wichtige Perspektive auf die Zivilgesellschaft bildet die systemtheoretische Differenzbetrachtung des Soziologen Niklas Luhmann, welche Zivilgesellschaft als vollwertiges Funktionssystem des Gesellschaftssystems begreift.

Anschließend wird ein für die Arbeit relevantes Organisationsverständnis konstatiert, welches die zu verwendenden Bezeichnungen festlegt und zielorientierte Organisationen der Zivilgesellschaft von gewinnorientierten Organisationen der Marktwirtschaft abgegrenzt.

Letztlich soll der Begriff der Prosperität – insbesondere in Bezug auf die Gesellschaft – in Beziehung zu den vorangegangenen theoretischen Paradigmen der Zivilgesellschaft und den darin organisierten Vereinigungen erörtert werden.

2.1 Zivilgesellschaft

In Deutschland engagieren sich 17,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger in mehr als 600.000 Organisationen. Das sind 50.000 Organisationen mehr als noch vor 20 Jahren, so das Ergebnis des Projekts "Zivilgesellschaft in Zahlen"[10], mit dem eine breite Datenbasis zur Thematik in Deutschland erarbeitet wurde. Der zivilgesellschaftliche Bereich besitzt auch eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung: Sein jährlicher Umsatz beläuft sich auf 90 Milliarden Euro, was ca. 4,1 Prozent der gesamten wirtschaftlichen Wertschöpfung in Deutschland entspricht. Zudem schafft der zivilgesellschaftliche Bereich 2,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und darüber hinaus Arbeit für 300.000 geringfügig Beschäftigte.

Damit entfallen 9,2 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen und 7,3 Prozent aller geringfügigen Arbeitsverhältnisse auf den sogenannten Dritten Sektor. [11]

Diese Daten überzeugten auch den Deutschen Bundestag, besonders die Fraktion der FDP um Dr. Guido Westerwelle (16. Wahlperiode). Diese stellte 2005 an den Bundestag einen Antrag unter dem Titel: Mehr Freiheit wagen – Zivilgesellschaft stärken, welcher daraufhin feststellte, dass unserer Zivilgesellschaft respektive dem bürgerschaftlichen Engagement, mit rund einer Million Organisationen und mehr als 20 Millionen freiwillig engagierten Bürgerinnen und Bürgern, eine überragende Bedeutung für das Gemeinwesen zukommt.[12] Laut Bundestag spiegeln diese Daten den „sozialen Kern unserer Gesellschaft jenseits materieller Erwägungen“ wider.[13]

Das Zivile, Bürgerliche, Nichtmilitärische resp. die Zivilisation leitet sich vom lateinischen civilis ab und beschreibt die Summe der Auswirkungen von Fortschritt durch Technik und Wissenschaft.[14] Die societas civilis, die Zivilgesellschaft, geht wiederum zurück auf das griechische politiké koinonia ( πολιτικὴ κοινωνία ), was wörtlich „politische/öffentliche Gemeinschaft“ bedeutet – ein gedachter Korrespondenz- und (Gegen-) Begriff zum Staat.[15] Aristoteles bezeichnete damit eine Gemeinschaft von Bürgern, die zusammen das „Gute“ tugendhaft verwirklicht.

Neben dem sprachwissenschaftlichen und philosophischen Zugang zum Begriff Zivilgesellschaft eröffnet der Soziologe Norbert Elias ein anthropologisches Begriffsverständnis. So begreift Elias Zivilgesellschaft als einen „Prozeß der Zivilisation“[16], im Sinne eines „Vorrücken[s] der Peinlichkeitsschwelle“[17] in den bürgerlichen Gesellschaften Europas. Ausgehend von der Antike, beschreibt Elias zivile Gesellschaft als durch ein gemeinwohlverträgliches Handeln geprägt, welches tief im gesellschaftlichen Wesen des Menschen [18] verwurzelt ist. Dieses Handeln bezeichnet Hannah Arendt, in ihrer Theorie des Politischen [19] , als politisches Handeln und Sprechen, welches sie als „Ort der höchsten Freiheit“ beschreibt, welcher in der Moderne jedoch äußerst bedroht ist.[20] Weiter kann politische Macht im Arendtschen Verständnis als gemeinschaftliches Handeln verstanden werden, das über Zustimmung funktioniert. Aus der gemeinsamen Befürwortung einer Sache können sich dann wiederum politische Verträge und Bündnisse ableiten.[21] Ähnlich äußerte sich schon im 16. Jahrhundert der englische Philosoph John Locke zu diesen gesellschaftlichen Agreements:

Individuen als von Natur aus freie Eigentümer treffen zum Schutz ihres Eigentums eine Übereinkunft. Sie schließen einen Vertrag, der sie als Bürger zusammenführt sowie eine politische Zentralgewalt konstituiert und bindet. Aus dieser Sicht ist die Gesellschaft (…) selbst ‚politisch‘, weil sie die gemeinsamen Angelegenheiten bestimmt und die Regierung (government) zur Ausführung mittels legislativer und exekutiver Funktion überträgt. (…) (Die) Regierung (gilt) als Treuhändler, dem das Vertrauen (trust) auch entzogen werden kann, und der Staat als ‚Instrument zur Wahrung von Recht und Sicherheit‘.[22]

Kongruent zu Locke, beschreibt später Arendt das regulative Prinzip der Demokratie basierend auf der Idee einer autonomen Öffentlichkeit, als einen „Prozess, in dem vermittels der kollektiven Deliberation die Selbstverwaltung erfolgen kann“[23] – worauf wiederum Habermas‘ Projekt zur Theorie des kommunikativen Handelns aufbaut, welches Zivilgesellschaft im Sinne einer politischen respektive diskursiven Öffentlichkeit versteht.[24]

Im modernen Sprachgebrauch, vor allem im soziologischen und politischen Zivilgesellschaftsdiskurs, wird der Begriff Zivilgesellschaft als ein Teil der Gesellschaft betrachtet, welcher sich in einem Spannungsfeld zwischen Erwartungshorizont und Status quo bewegt. Ersteres bezieht sich auf „ein normatives Konzept einer konkreten politischen Utopie der Vertiefung und Weiterentwicklung der Demokratie“[25]. Status quo beschreibt hierbei die Aktivitäten der Zivilgesellschaft, welche durch soziales Handeln, zivilen Umgang und ein Miteinander geprägt sind, das freiwillige Vereinigungen der gesellschaftlichen Selbstorganisation zwischen Staat, Markt und Privatsphäre hervorbringt.[26] Darüber hinaus scheint der Zivilgesellschaft die herausragende Aufgabe zu obliegen, „sozialen und ökologischen Belangen gegenüber wirtschaftlichen Argumenten eine Stimme zu geben und die Kluft zwischen den eher abstrakten Systemen der modernen Gesellschaft und der ‚Lebenswelt‘ der Bürger zu überbrücken“[27].

Die Politikwissenschaftlerin Annette Zimmer kritisiert, dass die Debatte um die Zivilgesellschaft die Differenzierung sowohl zwischen einzelnen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, als auch zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Zivilität des betreffenden gesellschaftlichen Kontextes vernachlässigt.[28] Dabei kann hier von drei verschiedenen Analyseebenen[29] gesprochen werden, die gleichfalls mit einander verkoppelt sind und daher nur schwer voneinander getrennt betrachtet werden können.

In Anbetracht der vorangestellten Ausführungen wird deutlich, dass eine eindeutige Definition des Begriffs Zivilgesellschaft, vor dem Hintergrund der Verbindung von Zustandsbeschreibungen, normativen Wertungen und Zukunftsentwürfen, nicht möglich ist. Folglich wohnt der Begrifflichkeit eine Ambiguität inne, welche Wissenschaftlichkeit und politische Ideale zu verbinden scheint. Unbestritten ist jedoch, dass zivilgesellschaftliche Bestrebungen weltweit auf den Aufbau staatsunabhängiger Vereinigungen sowie auf die Einforderung grundlegender Bürger- und Menschenrechte zielen.[30]

Zur Erweiterung der soziologischen und politikwissenschaftlichen Ausführungen, um ein ganzheitliches Bild des Begriffs Zivilgesellschaft zu erlangen, soll die Differenzbetrachtung der Systemtheorie nach Niklas Luhmann Hilfe leisten. Herangezogen wird hierfür die ausführliche Analyse von André Reichel, welcher Zivilgesellschaft in der systemtheoretischen Großstruktur moderner Gesellschaften untersucht.[31]

Wenn es tatsächlich möglich sein sollte, Zivilgesellschaft als ein Funktionssystem der Gesellschaft zu beobachten, dann müsste sie zwingend eine Rolle spielen, die kein anderer Teil der Gesellschaft an ihrer Stelle übernehmen kann.[32]

Laut dem gängigen politikökonomischen Ansatz wird der Begriff Zivilgesellschaft, civil society [33], als ein konzeptioneller gesellschaftlicher Raum verstanden[34] – oder anders gesagt, als die plurale Gesamtheit der öffentlichen Vereinigungen und Zusammenkünfte, die auf dem freiwilligen Zusammenhandeln der Bürgerinnen und Bürger beruht, sprich: ein soziales System, dessen basale Operation auf Kommunikation basiert. Im Luhmannschen Verständnis von Kommunikation, kann diese mit Wissen gleichgesetzt werden.[35] Des Weiteren birgt Kommunikation, wie auch monetäres Kapital, eine potenzielle Energie, also eine Handlungsoption. Folglich kann Kommunikation ebenso als Kapital der Zivilgesellschaft angesehen werden, dessen wichtigste Ressource, und zugleich ihr fruchtvollstes Produkt, Wissen darstellt.

Reichel verweist darauf, dass Zivilgesellschaft häufig ex negativo (aus der Verneinung) definiert wird, also stets erörtert wird, was sie nicht ist.[36] Das was übrig bleibt, sei der klassische Protest [37] – als Ausdruck der Empörung in Form sozialer Bewegungen oder – institutionalisiert – in Form von Bürgerinitiativen (welche eher regional operieren) und (eher international operierenden) Nonprofit-Organisationen, welche Dienstleistungen für die Gesellschaft bieten, die nicht vom Staat oder der Marktwirtschaft bereitgestellt werden.[38]

Doch ob der konzeptionelle Raum der Zivilgesellschaft – als ein Funktionssystem – neben „Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft, Bildung, Religion, Kunst und so fort“[39] unserer Gesellschaft betrachtet werden kann, untersucht Reichel an fünf Punkten. Diese erlauben eine systemtheoretische Grenzziehung, um Zivilgesellschaft zu operationalisieren und beobachtbar zu machen.[40] Betrachtet wird zum einen das Problem, das von der Zivilgesellschaft gelöst wird, zum anderen das „spezifische Medium, in dem sie operiert“, weiter der Code, welcher „Zivilgesellschaft erst in die Lage versetzt, Kommunikation anschlussfähig zu erzeugen“, dann Programme, „die Antworten auf die Frage geben, was Zivilgesellschaft auf welche Weise angehen soll“, und zuletzt „die Form der Organisationen der Zivilgesellschaft und wie diese operieren und sich entwickeln können.“[41]

Reichel kommt zu dem Schluss, dass Zivilgesellschaft sehr wohl eine spezifische Funktion erfüllt und folglich als (wenn auch instabiles)[42] Funktionssystem unserer modernen Gesellschaft betrachtet werden kann.[43] Die zu bearbeitende Problematik besteht in der Lösung des menschlichen Bedürfnisses „nach sozialen Kontakten und Zusammenarbeit mit anderen für andere.“[44] Wichtig hierbei ist die Abgrenzung zur Privatsphäre, sprich der Familie, da zur Zivilgesellschaft Öffentlichkeit gehört, welche die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten, ebenso wie den staatlichen Schutz der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit voraussetzt, Werte zu denen auch bestimmte zivile Verhaltensstandards, wie Toleranz, Verständigung, Gewaltfreiheit und Gemeinsinn gehören.[45] Durch Kommunikation werden diese Werte und gesellschaftlichen Dispositive geschaffen und vermittelt. Mit der enormen Weiterentwicklung der Telekommunikation in den letzten Dekaden und die damit verbundene weltweite Vernetzung, wurden neue Kommunikationsmöglichkeiten erzeugt, aber auch neue Probleme.[46] Das soziale System der Zivilgesellschaft hat die Funktion und auch die Fähigkeit mit diesen neuen Problemen umzugehen. Es ermächtigt die Menschen vor Ort, die verfügbaren Technologien und die globale Kommunikationsvernetzung zu ihrem Vorteil zu nutzen, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der Städte und der lokalen Wirtschaft zu sichern.

Zivilgesellschaftliche Werte sind Ausdruck des Mediums der Zivilgesellschaft. Diese weisen intra- und intersystemische Relevanz auf, da sie in gewisser Weise Lücken zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssystemen füllen.[47] Es ist die Auseinandersetzung mit Konflikten durch Irritation und die Vermittlung einer ganzheitlichen Wahrnehmungsfähigkeit durch Ästhetik, welche Demokratiebildung fördert.[48] Reichel hält fest, dass in zivilgesellschaftlicher Kommunikation „immer eine mehr oder weniger scharfe Form von Dogmatismus“ mitschwingt und dies „kein ‚Unfall‘, sondern konstitutiv für Zivilgesellschaft als System“ ist.[49]

Daher zieht sich der Code, zur Orientierung von Kommunikation in der Zivilgesellschaft, entlang einer harten Grenze zwischen Inklusion und Exklusion.[50]

Programme in sozialen Systemen liefern allgemein Antworten auf die Frage, wie die bevorzugte Seite des jeweiligen Codes zu erreichen ist. Speziell für die Zivilgesellschaft stellt Reichel zwei vorherrschende Entscheidungsprogramme heraus:

die „In-Macht-Setzung“ von lokalen Gemeinschaften zur Abwehr äußerer Eingriffe und eigenständiger Wahrung und Sicherung ihrer Autonomie und Identität. Zusammengefasst ist der „ermächtigende Konservatismus“ das klassische Programm der Emanzipation unter konservativen Vorzeichen: die Menschen zu befreien und zu ermächtigen, ihr wahres Selbst zu finden und das dann auch zu bleiben.[51]

Die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Akteure können daher auf das gemeinschaftliche Wohl der Mitglieder von Initiativen und Organisationen ausgerichtet sein, oder sich auf solidarische Arbeit mit Dritten, also den Anschluss an andere Funktionssysteme beziehen. Klaus Schmals und Herbert Heinelt verstehen hierunter: „die aktuelle Reproduktion gesellschaftlicher Strukturen, der Bewältigung von Subjektivität, Pluralität, Differenz und Heterogenität“[52].

In Referenz zu Luhmann sind Reichel zufolge, Organisationen in modernen Gesellschaften der neue Ort für Entscheidungen „und sie erscheinen dabei als Entscheidungsdurchführungssysteme mit Entscheidungen als ihrer ureigenen Form der Kommunikation“.[53] Im Funktionssystem Zivilgesellschaft sind die Organisationen formal unabhängig vom Staat und damit in ihren Entscheidungen autonom. Sie schütten etwaige Überschüsse aus ihrer Tätigkeit (gemäß des dem System zugrundeliegenden Programms) nicht an Mitglieder oder Eigentümer aus, sondern reinvestieren diese in die eigene gemeinnützige Tätigkeit[54] oder die anderer gemeinnütziger Organisationen (Non-profit Constraint).[55] Reichelt kommt zu dem Schluss, dass zivilgesellschaftliche Organisationen dazu neigen, ihren „tatsächlichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft zu überschätzen.“[56] Die Problematik der zivilgesellschaftlichen Organisationen liegt Reichelt zufolge darin, dass sie bei der Kopplung an die anderen Funktionssysteme eine „Täuschungsoperation“ durchführen müssen, da sie „ihre eigene Wertekommunikation als Nicht-nur-Wertekommunikation tarnen“ und somit stets einer positiven und einer normativen Relation folgen.[57] Demnach besteht für zivilgesellschaftliche Organisationen die Möglichkeit „ihre Systemreferenz [zu] wechseln, nicht nur vorrübergehend, sondern durchaus dauerhaft und damit aus dem Zusammenhang der Zivilgesellschaft herausfallen.“[58] Ferner werden Werte und zivilgesellschaftliche Wertekommunikation in die anderen Funktionssysteme „einsickern“ und können so die Sensibilität für Systemfremdes erhöhen.[59]

Die Funktion des Dolmetschens durch generationsübergreifende Wertevermittlung zwischen den Funktionssystemen unserer Gesellschaft, verweist auf die wichtige Rolle, die Zivilgesellschaft beim Übergang zur nächsten Gesellschaft spielen kann. Daher findet der Begriff heute überwiegend in der politikwissenschaftlichen Transformationsforschung Verwendung. Hier werden entstehende soziale Bewegungen, als Teil der organisierten Zivilgesellschaft, mit radikal-demokratischer Reformpolitik in Verbindung gebracht und ihr Wirkungsgrad auf gesellschaftlichen Wandel untersucht. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Frage nach dem sozialen und politischen Zusammenhalt moderner Gesellschaften. In diesem Zusammenhang wird u.a. von Kommunitarismus gesprochen, der „mehr Gemeinschaft, weniger Gesellschaft“ verlangt[60]. Angesichts dieser Forderung bedarf es einer starken gemeinschaftlichen Bindung, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Aktive Zivilgesellschaft wird hiernach im Sinne einer Partizipationsgesellschaft verstanden, die als Vermittlungsinstanz fungiert und eine Öffentlichkeit für politische Themen schafft. Folglich zielt Zivilgesellschaft auf die Förderung von Qualität sowie Quantität politischer Partizipationschancen aller Gesellschaftsmitglieder und fungiert als institutionelles Gegenstück zur staatlichen Organisation.[61] Laut dem Politikwissenschaftler Berthold Kuhn, bildet dies die Basis einer funktionierenden Demokratie.[62]

Als der Begriff entdeckt wurde, meinte er Freiheit einer Gesellschaft, die zum ersten Mal in der geschichtlichen Entwicklung zur Lösung der Probleme wirtschaftlichen Wachstums und gesellschaftlichen Fortschritts ohne oder wenigstens mit sehr geringer staatlicher Intervention in der Lage war. Nicht nur die Bevormundung durch den Staat, sondern jede Form von Monopolen wurde abgelehnt, weil nur so die Dominanz von Profit unter Wettbewerbsbedingungen und letztlich politische Freiheit gesichert werden konnte.[63]

Kuhn konstatiert jedoch gleichermaßen, dass sich aus der Begriffsgeschichte per se keine demokratietheoretische Verwendung von Zivilgesellschaft rechtfertigen lässt. Zivilgesellschaftliche Aktivitäten gehen zwar „über die Regelung persönlicher bzw. familiärer Tätigkeiten hinaus und [lassen sich] auf lokaler, regionaler, nationaler oder transnationaler Ebene im sozialen, kulturellen, geistigen, religiösen, wirtschaftlichen und sportlichen Bereich [verorten]“[64], können jedoch nicht gleichgesetzt werden mit demokratiefordernden, gewaltfreien und zivilen Akteuren. So folgert auch Kuhn, dass die in die Potenz der Zivilgesellschaft gelegten Erwartungen an mancher Stelle (teilweise) zu ambitioniert erscheinen.[65]

Des Weiteren spielt der Begriff auch im Rahmen der Entwicklung der EU-Verfassung, im globalisierungskritischen Diskurs über die Gestaltung der internationalen Beziehungen wie auch in entwicklungspolitischen Debatten eine wichtige Rolle. Annette Zimmer konstatiert im Zuge der internationalen Zivilgesellschaftsdebatte, dass kritisch zu hinterfragen ist, ob bei der Utopie einer transnationalen Zivilgesellschaft, nicht übersehen wird, „dass deren Praxis von Voraussetzungen lebt, die vielerorts nicht gegeben sind, und [der doch beachtliche Abstand und die Divergenz zwischen akkreditierten NGOs und tatsächlicher zivilgesellschaftlicher Basis, bei der] Einbindung der Zivilgesellschaft in die Politikgestaltung der Europäischen Union[…], allzu leicht aus dem Blickfeld [gerät].“[66] Zivilgesellschaft, als positiv besetzter Begriff, dient dann „häufig nur noch als gut vermarktbarer Slogan im politischen Alltagsgeschäft und damit als Deckmantel zur Legitimation von Regierungspraxis, die aber keineswegs den Anspruch einer weitergehenden Demokratisierung erhebt […]“[67].

Im Anschluss an diesen umfangreichen Überblick (welcher jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt) der verschiedenen wissenschaftlichen Theorien zur Zivilgesellschaft, sollen nun die einzelnen Elemente des Systems im Speziellen betrachtet werden: zivilgesellschaftliche Akteure und ihre Organisationen. Folgende Fragen sollen geklärt werden: Was bezeichnet der Begriff Organisation in dieser Arbeit? Was wird unter zivilgesellschaftlichen gemeinnützigen Organisationen verstanden? Wie operieren und unterscheiden sie sich darin von gewinnorientierten Organisationen der Marktwirtschaft?

2.2 Organisationsverständnis

Non-profit -, Non-governmental -Organisation, oder eben auf Deutsch nicht-gewinnorientierte oder Nicht-Regierungs-Organisationen sind Begriffsverwendungen, die schlicht eine negative Abgrenzung darstellen. Es ist eine Zusammenfassung aller Organisationen, die nicht in erster Linie for-profit arbeiten, also erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen.[68] Sie werden zum Non-Profit oder Dritten Sektor und Public Sektor (also der öffentlichen Verwaltung) gezählt. Einige Autoren schlagen eine positivere Bezeichnung vor, welche zugleich ein entsprechendes Selbstverständnis der Organisationen fördert: S ocial Business Organisationen des Sozialen Sektors.[69] Um diesen Einwand aufzunehmen, wird in dieser Arbeit voranging von zivilgesellschaftlichen Organisationen des Dritten Sektors oder der organisierten Zivilgesellschaft gesprochen. Hierbei wird die Bezeichnung gemeinnützig oder zielorientiert synonym zu zivilgesellschaftlich verwendet.

Der Begriff Organisation bezieht sich hier auf „ein institutionalisiertes Sozialsystem als Ganzes“[70] – die Organisationen der Zivilgesellschaft. Herauszustellen ist dabei, dass sich die Organisationen im Spannungsfeld mit der Gesellschaft befinden:[71] Innovationskraft der Organisationen versus Stabilitätsstreben der Gesellschaft. Das Streben nach Weiterentwicklung durch Veränderungen der Organisationen antizipiert gesellschaftliche und politische Entwicklungen und kann somit destabilisierend auf die Gesellschaft wirken. Die Gesellschaft hingegen trachtet nach Sicherheit und Geborgenheit und ist eher bemüht durch Entschleunigung Veränderungen auszubremsen. Dies verweist auf ein weiteres Spannungsfeld, in dem sich Gemeinschaftssinn der Gesellschaft und Autonomiestreben der Organisationen entgegenstehen. Der Gemeinschaftssinn wird geprägt von spezialisierten Individuen, die in einer modernen Gesellschaft selbstständig und eigenverantwortlich handeln müssen, und steht somit den durch Teamarbeit geprägten Organisationen, die ein kollektives lebenslanges Lernen fördern, konträr gegenüber.[72] Folglich werden Organisationen als „soziale Gebilde [verstanden], die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf das Ziel [den Zweck der Organisation] ausgerichtet werden sollen.“[73]

Die Mitgliedschaft in zivilgesellschaftlichen Organisationen wird zwar auch, ebenso wie in gewinnorientierten Organisationen, durch Verträge geschlossen, ist aber eher vergleichbar mit der Mitgliedschaft in einer Zunft, welche durch ein „Treueverhältnis“ gebunden ist.[74] Zünfte , als Gesellschaften in der Gesellschaft [75] , sind im weitesten Sinne – so auch die Zivilgesellschaft, ihre Akteure und Aktivitäten – in der Gesellschaft zu fassen: zielorientierte Organisationen pflegen zumeist Arbeitsverhältnisse in denen sich nicht einfach zwei abstrakte Rechtsobjekte gegenübertreten, sondern vielmehr Menschen beiderlei Geschlechts, verschiedenen Alters, unterschiedlicher familiärer und extra-familiärer Lebenslagen, verschiedener Nationalitäten und Rasse, verschiedener Glaubens- und Überzeugungsrichtungen mit unterschiedlichen Hobbys, Freizeitoptionen, Nachbarschafts-, Infrastruktur-, Ehrenamtsaktivitäten im Betrieb, am Ort, in der Region usw. Die Vielfalt dieser im Betrieb zusammentreffenden Eigenschaften und Tätigkeiten ist dabei kein notwendiges Übel, das es zurückzudrängen gilt, sondern geradezu die Bedingung spannender, innovativer Kooperationen, die im Interesse aller Beteiligten der Ermutigung verdient. Eine so verstandene ‚Zivilisierung‘ des Arbeitsverhältnisses würde versuchen, diese ‚Vielfalt zu garantieren und zugleich über kommunikative Prozeduren sicherzustellen, daß sie nicht zu zerbröselnder Eigenbrötelei, zum kollektiven Autismus führt, sondern zu bewußt und kommunikativ hergestellter Wechselbezüglichkeit, zu Gesellschaftlichkeit, zu Solidarität‘.[76]

Diese Entwicklung kann auch in den Organisationen der Marktwirtschaft beobachtet werden, denn mit „der Bedeutungszunahme von Kooperationen zur Herstellung von ökonomischen Transaktionen“[77] treten die beteiligten Akteure als soziale Wesen in den Mittelpunkt und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben fließt in die betrieblichen Zielsetzungen mit ein. Laut Matthies sind Mitarbeitende nur zur Produktivität zu motivieren, „wenn sie in ihrer individuellen, geschlechtlichen oder sonstigen Eigenart ernst genommen werden und wenn ihren Bedürfnissen nach persönlicher Entfaltung in gleicher Weise Rechnung getragen wird“[78].

Diese Arbeit geht von einem modernen Organisationsverständnis aus, welches nach Dirk Baecker jeden Menschen zum Unternehmer erklärt[79]:

Unternehmertum kann es überall geben, nicht nur in der Wirtschaft. Jeder, der kreativ und wohlüberlegt an sein Leben, seine berufliche Laufbahn und seine sozialen Beziehungen herangeht, ist ein Unternehmer.[80]

Zur Differenzierung der in der Zivilgesellschaft vorhandenen Organisationskulturen kann die Organisationstypisierung nach Henry Mintzberg herangezogen werden, wonach zivilgesellschaftliche Organisationen in erster Linie den „missionarischen Organisationen“ zuzuordnen sind, welche typisch sind „für soziale Systeme mit einer stark ausgeprägten Kultur.“[81] Charakteristisch ist auch, dass „die Ideologie eine konventionelle Konfiguration“ überlagert.[82] Jedoch findet man ebenfalls „innovative Organisationen“ (vor allem mit dem vermehrten Aufkommen gemeinnütziger Kapitalgesellschaften, wie der gemeinnützigen GmbH oder der gemeinnützigen AG), welche sich durch „fließende, organische und teilweise dezentralisierte Strukturen, Experten, die in multidisziplinären Teams eingesetzt werden, [und] komplexe und dynamische Umwelten“[83] auszeichnen. Die Organisationskultur lässt sich daher nur schwer auf einen Typ klassifizieren, es finden sich, nach der Typologie des amerikanischen Wissenschaftlers William Ralph Brody, von „bürokratisch“ bis „unternehmerisch“ alle Kulturtypen, je nach Zielsetzung, im zivilgesellschaftlichen Bereich wieder.[84]

Die Komplexität der Wissensgesellschaft können Organisationen nur noch mit Netzwerken und Kooperationen handhaben. Organisationsgrenzen werden durchlässiger, Mitarbeitende haben mehrfach interne und externe ‚Mitgliedschaften‘. Wissensnetzwerke werden charakterisiert durch Kriterien wie Autonomie resp. Abhängigkeit, Koexistenz von Kooperationen und Wettbewerb, Dynamik resp. Stabilität und Selbststeuerung resp. Gelenktheit. Erfolgreiche Kooperationen und Communities basieren auf intrinsischer Motivation und folgenden Zusammenarbeitsprinzipien: Reziprozität[85], Spaß am Lernen, Reputationsgewinn, Selbstbestimmung, Zweckfreiheit und Freiwilligkeit.[86]

Organisationen außerhalb der Marktwirtschaft stürzen sich, laut Baecker, „in ein hoch professionelles Abenteuer“[87], welches sie durch ein gut ausgebautes Netzwerk meistern können. Zivilgesellschaftliche Akteure haben, mit dem gezielten Einsatz des sogenannten Vitamin B [88] – dem Nutzen von Kooperationsmöglichkeiten – erfolgreich aus der Not eine Tugend gemacht. Mit dem Zusammenschluss zu Organisationen wird ein besseres gemeinsam Zuarbeiten, eine individuelle Freiheit und ein Instrument der Herrschaftssicherung geschaffen, um der Macht der Wirtschaft und des Staates aus Bürgerperspektive etwas entgegnen zu können.[89]

Organisationen definieren sich über ihre Aufgabe, daher ist zwischen Organisationen der Marktwirtschaft und der Zivilgesellschaft respektive des Dritten Sektors zu unterscheiden. Das hauptsächliche Tätigkeitsfeld der zivilgesellschaftlichen Organisationen ist Wissensarbeit – begleitet durch die Fertigkeit, Netzwerke zu organisieren, sich darin „richtig“ zu verhalten und sie zu ihrem Vorteil zu nutzen.[90]

[…] spezialisiertes Wissen allein [ist] jedoch vollkommen nutzlos. Es erhält seinen Nutzen erst dadurch, daß es in eine Aufgabe integriert wird. Und aus diesem Grund ist eine wissensorientierte Gesellschaft gleichzeitig eine Gesellschaft der Organisationen: Ziel und Funktion einer jeden Organisation, ob im geschäftlichen oder im privaten Bereich, ist die Integration spezialisierten Wissens in eine gemeinsame Aufgabe.[91]

Seit den siebziger Jahren ist eine neue betriebliche Anpassungsstrategie zu beobachten, die versucht „neue Handlungsoptionen zu erschließen, mit denen eine schnellere Anpassung an die sich verändernden Markt- und Wettbewerbsbedingungen vollzogen werden soll. […] Die neue Qualität der gegenwärtigen Modernisierung besteht […] darin […], die gegensinnigen Strategien Markt, Hierarchie und Kooperation miteinander zu verbinden.“[92] Es geht um die Verbesserung der Beziehungen von Organisationen zur äußeren, aber vor allem auch zur inneren Umwelt: die „Beschäftigtenbeziehung“, welche den unternehmerischen Erfolg beeinflusst. Die Organisation begriffen als ein komplexes System mit Elementen und Bedingungen, die in Wechselwirkung stehen, verlangt ein systematisches Wissensmanagement[93] und speziell im Dritten Sektor die Erkenntnis, dass die Ressource Wissen die Basis aller Dienstleistungen darstellt.[94] Im Gegensatz zu „utilitarischen“ Organisationen der Wirtschaft und Verwaltung – in denen monetäre Anreize dominieren und die Tätigkeiten der Mitglieder sich auf ein berechnendes Engagement stützen – ist in „normativen“ zivilgesellschaftlichen Organisationen die moralische Einstellungen der Mitglieder zentral.[95] Diese Organisationen leben häufiger das Konzept der lernenden Organisation [96] , nach Peter Senge, indem der Grundsatz des „wahren Engagements“ (und nicht bloßer Einwilligung) verfolgt wird – so ist auch, ohne Verdacht auf unlautere Bereicherung, eine gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Organisationen möglich. Im Konzept der lernenden oder intelligenten Organisation sind Kernkompetenzen der entscheidende Wertschöpfungsfaktor:

Kernkompetenzen sind nicht feste Wissensbestände, sondern eine Fähigkeit der Organisation, die Kompetenzen der Mitarbeitenden durch kollektives Lernen zu entwickeln, sie durch Kommunikation in der Organisation breit zu vernetzen und sie durch Reflexionsprozesse auf neue Probleme und Dienstleistungen transferierbar zu machen.[97]

Fraglich ist bei diesem Konzept nur, wie es ermöglicht, dieses „wahre“ Engagement zu fördern, um langfristig effizient und kostenschonend wirtschaften zu können.[98]

Je stärker wettbewerbsorientiertes Verhalten und Konkurrenzdenken im öffentlichen Bereich gefördert wird, desto mehr gleicht sich der Umgang mit Wissen (als Besitztum) der gewinnorientierten Privatwirtschaft an – aus Sicht des Wissensmanagements nicht unbedingt ein Vorteil. Profitcenter-Denken, besonders innerhalb einer großen Organisation oder Verwaltung, verhindert systemoffene gemeinsame Wissensentwicklung und effizienten Wissenstransfer, was die Grundlagen für eine lernende Organisation sind.[99]

Die Modernisierungsdynamik des Arbeitsmarktes geht mit einem gesteigerten Willen der Organisationsmitglieder nach Gestaltungsoptionen und sozialer Anerkennung, sowie nach Kommunikations- und Partizipationsmöglichkeiten bei grundlegenden Unternehmensentscheidungen einher. Dies hat zur Folge, dass auch „gesellschaftliche Sinnkriterien“ Unternehmungen unter Druck setzen und zur Verflüssigung der Grenzen zwischen der Innen- und Außenwelt der Organisationen führen.[100]

Betriebe sind keine Inseln in einem Meer von Beziehungslosigkeiten. Vielmehr tritt ein Unternehmen über Märkte in eine permanente Interaktion mit seiner Umwelt. Ob es im ökonomischen Sinn erfolgreich ist, hängt wesentlich davon ab, wie es gelingt, sich den Bedingungen seiner Umwelt anzupassen.[101]

Hier wird ein deduktiver Schluss deutlich, da sich das Engagement für das Gemeinwohl, Partizipations- und Mitspracheverlangen der Zivilgesellschaft als Ganzes auch auf die Kultur in den Organisationen der Zivilgesellschaft übertragen lässt und selbst auf andere Funktionssysteme, wie die Marktwirtschaft, übergreift.

Begreift man Zivilgesellschaft beispielsweise als ‚Konfliktgesellschaft‘ (Frankenberg 1992, S. 27), in der ‚politische Macht ihre Legitimitätsgrundlage nur noch im Zusammenhandeln der Aktivbürger und in deren, eben zur Zivilgesellschaft, horizontal verknüpften sozialen Netzen und Beziehungen findet‘, könnte man den Betrieb als ‚Zivilgesellschaft im Kleinen‘ bezeichnen, als eine Art politischen Mikrokosmos, in dem jedes interaktive Handeln gleichsam seine Legitimation durch diskursive Verständigung erfährt.[102]

Der Einzug gesellschaftlicher Sinnkriterien in die Unternehmensentscheidungen resp. die Entwicklung des Umweltbewusstseins, führt zu einer „Politisierung des Betriebes“ und einem öffentlichen Diskurs über ökologische Effekte des unternehmerischen Handelns – Organisationen sind neben den Marktanforderungen auch mit einer „ökologischen Erwartungshaltung“ konfrontiert:[103]

Entscheidungsoptimierung bedeutet unter diesen Bedingungen nicht bloß, die beste aller Optionen zu identifizieren, sondern das Unsicherheitsproblem zu lösen bzw. zu minimieren.

[...]


[1] Zur Erläuterung des Begriffs Dritter Sektor siehe Punkt 3.1 dieser Arbeit.

[2] Dieses Versagen äußert sich beispielsweise in den Weltwirtschaftskrisen von 1857, 1929 und 2008.

[3] Vgl. Frumkin 2002, S. 25, zitiert in Klus 2009, S. 156.

[4] Doppler et al 2011, S. 11.

[5] Drucker 1996, S. 80.

[6] Vgl. Matthies 1997, S. 341.

[7] Vgl. Dahrendorf 1980; Offe 1983; Habermas 1985; sowie Hörning u. a. 1991.

[8] Vgl. Matthies 1997, S. 347.

[9] Droß 2013.

[10] Fritsch et al 2011.

[11] Vgl. Fritsch et al 2011, S. 6.

[12] Vgl. Westerwelle: BT-Drucksache 16/5410, S. 1.

[13] Ebd.

[14] Vgl. Harenberg 1996, S. 3263.

[15] Vgl. Fuchs-Heinritz 1994. S. 757.

[16] Elias 1976, gleichnamiges Werk:

[17] Fuchs-Heinritz 1994, S. 757.

[18] Mit dem 1776 erschienen Werk des sogenannten Vaters der Ökonomie, Adam Smith , Wealth of Nations, wurde in den nachfolgenden Generationen ein Vorurteil über den Frühmenschen und seine Begierde nach Tausch und Handel – das Streben nach Gewinn und Profit beim Gütertausch in der menschlichen Wirtschaftstätigkeit – implementiert, das lange nicht hinterfragt und als gesetzt angesehen wurde und in der Titulierung des Homo oeconomicus gipfelte.([Hervorgehoben im Original] vgl. Polanyi 1978, S. 71ff). Erst Max Weber war unter den neuen Wirtschaftshistorikern der erste, der gegen die Thesen Adam Smith protestierte und die späteren Ergebnisse der Sozialanthropologie gaben ihm völlig recht – „[d]enn eine Erkenntnis, die aus den neueren Untersuchungen der frühen Gesellschaften besonders deutlich hervorgeht, ist das Unveränderliche des Menschen als gesellschaftliches Wesen.“ (Polanyi 1978, S. 74; Arendt 1981, S. 34).

[19] Vgl. Arendt 1981 [1958]: Vita activa oder Vom tätigen Leben.

[20] Vgl. Arendt 1981, S. 32ff: Bedroht sieht Arendt das Politische, das kommunikative Handeln durch den „Aufstieg des Sozialen“ in der Moderne. Unter dem Sozialen versteht Arendt, das Ökonomische und das Monetäre, dass „was zu Zeiten der griechischen Polis noch dem privaten Haushalt, dem oikos, angehört, […] [und im Laufe der Jahrhunderte] aus dem Dunkel des Hauses in das volle Licht des öffentlichen politischen Bereichs tat.“(Arendt 1981, S. 38). Es ist die kapitalistische Warenwirtschaft, welche entfesselt wird und den Warentausch zur dominanten Sozialbeziehung erhebt (vgl. Adloff 2005, S. 59) – eine Form der Interaktion, eine Art der Vergesellschaftung und der Sitten, die wiederum auf die Thesen Adam Smith‘ zurückzuführen sind. Der Wirtschaftswissenschaftler Stephan A. Jansen bemerkt dazu, dass es erstaunlich sei, wenn „im antiken Athen der Marktplatz […] der Raum des Öffentlichen war, […] dass mit der Aufklärung – als antik inspirierte Aufklärung – der Raum des Öffentlichen nicht mehr der Markt, sondern der Staat wurde. Folglich verlagerte sich die Öffentlichkeit funktional auf den Staat, der die gesellschaftliche Funktion der Bestimmung dessen, was allgemein gelten sollte, übernahm.“ (Jansen 2012, S. 21).

[21] Vgl. Arendt 1981, S. 56.

[22] John Locke (1689) zitiert in Schmals/ Heinelt 1997, S. 11.

[23] Seyla Benhabib 1998, S. 319, zitiert in Adloff 2005, S. 58.

[24] Vgl. Adloff 2005, S. 58.

[25] Zimmer 2007a, S.205.

[26] Vgl. Zimmer 2007a, S. 205.

[27] Reichelt 2012, S. 53

[28] Vgl. Zimmer 2007a, S. 209.

[29] Vgl. Zimmer 2007a, S. 209f. Analyse Ebenen der Zivilgesellschaftsdebatte nach Zimmer:
(1) Die Meso-Ebene, die Organisationen betreffend, wobei sich zivilgesellschaftliches Engagement in spontaner, kurzfristiger oder dauerhaft organisierter Form der Interessenvertretung, dem solidarischen Engagement für Dritte und/oder dem Gemeinwohl widmet.
(2) Die Mikro-Ebene, den Einzelnen betreffend, welche Zivilgesellschaft als „eine solidarische Gesellschaft intellektuell und emotional befähigter, ethisch und moralisch kompetenter, emanzipierter und engagierter Individuen“ (Dürr 2000, S. 216f) beschreibt.
(3) Die Makro-Ebene, die Gesellschaft betreffend, sprich: „Ausprägung, Entwicklung, soziale Träger, Ziele und Reichweite der Zivilgesellschaft wie der ihr zugeordneten Organisationen und Praktiken [welche historisch außerordentlich variabel sind] und von den durch die Institutionen moderner Gesellschaften gesetzten ‚Umweltbedingungen‘ sowie von der politischen Kultur dieser Gesellschaften [abhängen] […]“ (Jessen/ Reichardt 2004, S. 8); eine Projektionsfläche kulturspezifischer Visionen von „guter Ordnung“ (vgl. Jessen/Reichardt 2004, S. 10). Hierbei muss stets hinterfragt werden, unter welchen konkreten Bedingungen und in welchen gesellschaftlichen Kontexten zivilgesellschaftliche Organisationen die Demokratie stützen oder gefährden.

[30] Vgl. Adloff 2005, S. 8.

[31] Vgl. Reichel 2012, S. 55.

[32] Reichel 2012, S. 55.

[33] Die Gesellschaft der citoyens, welche auf den britischen Soziologen Adam Ferguson zurück geht und wiederum von Hegel in seiner Rechtsphilosophie mit bürgerliche Gesellschaft übersetzt wurde. (Vgl. Dürr 2000, S. 204f).

[34] vergleichbar mit dem institutionellen Kern der zivilen Gesellschaft bei Habermas, welcher ebenfalls nicht-staatliche und nicht-ökonomische Zusammenschlüsse und Assoziationen auf freiwilliger Basis fasst. (vgl. Habermas 1994, S. 443, zitiert in Adloff 2005, S. 59. Dieses Assoziationswesen, so Habermas, bildet „das organisatorische Substrat jenes allgemeinen, aus der Privatsphäre gleichsam hervortretenden Publikums von Bürgern, die für ihre gesellschaftlichen Interessen und Erfahrungen öffentliche Interpretationen suchen und auf die institutionalisierte Meinungs- und Willensbildung Einfluß nehmen“ (Habermas 1994, S. 444, zitiert in Adloff 2005, S. 59).

[35] Vgl. Reichel 2012, S. 54, referiert auf Luhmann 2002; Foerster 2003.

[36] Vgl. Reichel 2012, S. 56.

[37] Der klassische Protest, wie ihn auch Luhmann (1996) versteht, verweist auf keine spezifische wirtschaftliche, politische, wissenschaftliche oder rechtliche Rationalität und operiert in einem Dagegen-Modus, der oft von Angst begleitet wird. (vgl. Reichel 2012, S. 56).

[38] Ebd.

[39] Reichel 2012, S. 55: „wobei jedes [Funktionssystem] genau eine spezifische Funktion für den Rest der Gesellschaft erfüllt, die von keinem anderen Teil erfüllt werden kann.“

[40] Vgl. Reichel 2012, S. 57.

[41] [Hervorhebungen durch die Verfasserin]vgl. Reichel 2012, S. 56f.

[42] …weil Bestandteile des Systems jederzeit das Referenzsystem wechseln können und somit keine stabile normative Struktur herrscht.

[43] Vgl. Reichel 2012, S. 71.

[44] Reichel 2012, S. 58.

[45] Vgl. Adloff 2005, S. 8f.

[46] Vgl. Reichel 2012, S. 68.

[47] Vgl. Reichel 2012, S. 61: „Sie haben intrasystemische Relevanz – den Wert der Freiheit als Freiheit der wirtschaftlichen Transaktion oder die Freiheit, politisch zu wählen – sowie intersystemische Relevanz, indem sie eine beruhigende Einheit der funktional differenzierten Gesellschaft vortäuschen.“

[48] Vgl. Dettmer-Finke 2015.

[49] [Herv. i. O.] vgl. Reichel 2012, S. 62.

[50] Im Vergleich zu dem Code der Wirtschaft (zahlen/nichtzahlen) und dem der Regierung (Mehrheit/Minderheit) – vgl. Reichel 2012, S. 61f.

[51] [Herv. i. O.] Reichel 2012, S. 64.

[52] Schmals/ Heinelt 1997, S. 16.

[53] Vgl. Reichel 2012, S. 65, referiert Luhmann 1999; Seidl/Becker 2006.

[54] Gemeinnützigkeit bezieht sich auf Tätigkeiten, die darauf ausgerichtet sind, „das Wohl der Allgemeinheit auf materiellen, geistigen oder sittlichem Gebiet zu fördern.“ (Lewinski-Reuter 2011, S. 73).

[55] Vgl. Kuhn 2005, S. 77f.

[56] Reichel 2012, S. 66.

[57] Vgl. Reichel 2012, S. 67.

[58] Reichel 2012, S. 67.

[59] Vgl. Reichel 2012, S. 72.

[60] Vgl. Nullmeier 1997, S. 167f.

[61] Vgl. dazu auch die Theorien der bürgerlichen Gesellschaft (società civile) von Antonio Gramsci, als marxistischen Philosophen Anfang der 1900er Jahre.

[62] Vgl. Kuhn 2005, S. 97.

[63] Elsenhans 2001, S. 31 zitiert in Kuhn 2005, S. 80.

[64] Kuhn 2005, S. 78.

[65] So auch Reichel 2012, S.66; S. 12 in dieser Arbeit.

[66] Zimmer 2007a, S. 211.

[67] Ebd.

[68] Die gemeinwohlorientierte Zweckausrichtung und deren selbstlose, ausschließliche und unmittelbare Erfüllung, müssen in der Satzung gemeinnütziger Organisationen ausgewiesen sein. (vgl. Lewinski-Reuter 2011, S. 73).

[69] Vgl. Schmals/Heinelt 1997; Jansen 2012.

[70] Schreyögg o.J., S. 1.

[71] Vgl. Drucker 1996, S. 82ff.

[72] Vgl. Drucker 1996, S. 85.

[73] Kieser/Walgenbach 2010, S. 6.

[74] Vgl. Kieser/Walgenbach 2010, S. 14.

[75] Kieser/Walgenbach 2010, S. 4.

[76] [Herv. i. O.] Matthies et al. 1994, S. 263 zitiert in Matthies 1997, S. 362.

[77] Matthies 1997, S. 354f.

[78] Matthies 1997, S. 354.

[79] Drucker 1996, S. 81.

[80] Begim 2010.

[81] Vgl. Schreyögg o.J., S. 4.

[82] Vgl. Schreyögg o.J., S. 4.

[83] Ebd.

[84] Typologie der Organisationskultur sozialer Dienstleistungssysteme nach Brody (1993): (1) bürokratisch, (2) sozialorientiert, (3) leistungsorientiert und (4) unternehmerisch. (Vgl. Schreyögg o.J., S. 5.)

[85] Die Tendenz zum Tauschhandel folgt dem Prinzip der Reziprozität, der gegenseitigen Begünstigung, sprich dem Streben, danach für alle Parteien des Handels eine Win-Win-Situation, einen Konsens und nicht nur einen Kompromiss zu erwirken. (vgl. Kapitel 3.3).

[86] Hasler Roumois 2010, S. 239f.

[87] Baecker 1999, S. 342.

[88] Das B steht hierbei für Beziehung.

[89] Vgl. Schreyögg o.J., S. 6.

[90] Vgl. Baecker 1999, S. 346.

[91] Kieser/Walgenbach 2010, S. 11.

[92] Matthies 1997, S. 348.

[93] Vgl. Hasler Roumois 2010, S. 71ff.

[94] Vgl. Hasler Roumois 2010, S. 15.

[95] Einstufung der Organisationstypen nach Amitai Etzioni (1961): vgl. Schreyögg o.J., S. 2.

[96] Vgl. Senge 1998, S. 267ff.

[97] Hasler Roumois 2010, S. 211.

[98] Der Trend des New Public Management konstatiert die Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden zur Leistungs- und Effizienssteigerung in der Verwaltung, wobei der Nutzen für die Bevölkerung im Vordergrund steht – „Geschäftsziele [resp. die ideelle Zielsetzung] werden durch Wissensziele ergänzt, die definieren, welche Fähigkeiten, Kompetenzen und welches Know-how notwendig sind, um die Geschäftsziele zu erreichen.“ (Hasler Roumois 2010, S. 31f.). Diese Ziele können für alle Organisationen als Kunden-, Wirkungs-, Qualitäts- und Wettbewerbsorientiert festgesetzt werden, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung je nach Tätigkeitsbereich – somit steht für den Dritten Sektors und die öffentliche Verwaltung die Zielsetzung stets „im Interesse der leistungsfinanzierenden Öffentlichkeit“ (vgl. Hasler Roumois 2010, S. 31; Klus 2009, S. 142f.). Geleitet durch die inhaltliche Motivation stehen kundenorientierte Qualität und Wirkung der Aktivitäten im Vordergrund. Herauszustellen ist jedoch, dass für nicht-gewinnorientierte Organisationen gilt, dass die Ressource Wissen sich stets vermehrt wenn man sie teilt, und daher ein adäquater Umgang mit Wissen im Dritten Sektors und der öffentlichen Verwaltung lauten sollte: „[…] für die Öffentlichkeit wertvolles Wissen aufbereiten, zielgruppengerecht zur Verfügung stellen und möglichst breit transferieren.“ (Hasler Roumois 2010, S. 37).

[99] Hasler Roumois 2010, S. 37.

[100] Vgl. Matthies 1997, S. 342, 354; vgl. auch Hörning et al. 1991 „Zeitpioniere“.

[101] Matthies 1997, S. 342.

[102] Matthies 1997, S. 362.

[103] Vgl. Matthies 1997, S. 344.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Grenzen und Potenziale der gemeinnützigen GmbH (gGmbH)
Untertitel
Gemeinwohlorientiertes und solidarisches Wirtschaften für eine gestärkte Zivilgesellschaft
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
91
Katalognummer
V313423
ISBN (eBook)
9783668124639
ISBN (Buch)
9783946458050
Dateigröße
852 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kulturwissenschaft, Wissensmanagement, gGmbH, Gemeinwohl, Zivilgesellschaft, lernende Organisation, solidarisches Wirtschaften, gesellschaftlicher Wohlstand, Hybridorganisationen
Arbeit zitieren
Dörte Jacobi (Autor:in), 2015, Grenzen und Potenziale der gemeinnützigen GmbH (gGmbH), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313423

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