Das Königtum der Merowinger - Legitimation, Herrschaftspraxis und Thronfolge


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte des Merowingerreiches
2.1. Ursprung des Herrschergeschlechtes und erster Höhepunkt unter Chlodwig
2.2. Das Reich nach Chlodwigs Tod bis zum Verlust der Königswürde 751

3. Herrschaftslegitimation und Herrschaftsgrundlagen der Merowingerkönige
3.1. Germanische Ursprünge
3.2. Die römischen Einflüsse auf die Herrschaft
3.3. Die realen Machtgrundlagen und die Praxis der Herrschaft

4. Thron- und Erbfolgeregelungen
4.1. Der Ursprung – Das germanische Wahlkönigtum
4.2. Die Veränderung der Thronfolge unter Chlodwig
4.3. Periode des Erbkönigtums 511 – 613 und Akt der Königserhebung
4.4. Die Thronfolge 613 – 751

5. Schlussbemerkungen

6. Quellen und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„ [...] besser sei es, dass der König genannt würde, welcher Königsmacht

habe, als jener, welcher derselben gänzlich entbehre [...]“[1]

Mit diesem auf Anfrage von Pippin ausgestellten Bescheid beendete Papst Zacharias im Jahre 751 das fast 300jährige Königtum der Merowinger im Regnum Francorum, eine Herrschaft die mit Chlodwigs Herrschaftsübernahme 481/482 begann. Dem letzten Merowingerkönig Childerich III. wurden die Haare geschoren und er wurde mitsamt seinem Sohn Theoderich in ein Kloster gebracht. Der Hausmeier Pippin ließ sich von den Großen des Reiches huldigen und von einem Erzbischof salben. Diese Salbung wurde einige Jahre später von Papst Stephan unter Einschluss der Gemahlin und der Söhne Pippins wiederholt. Dies war ein Vorgang, dem sich bis dahin kein fränkischer König unterzogen hatte. Kraft dieser Salbung ging das Königtum von den Merowingern auf die Arnulfinger, später Karolinger genannt, über und erhielt neue Akzente.[2]

Wie aber gestaltete sich die Herrschaft zur Blütezeit der Merowinger? Welche Akzente ihrer Herrschaft lassen sich bestimmen und warum wurde gerade dieses Geschlecht dazu auserwählt über die Franken zu regieren?

Als Quellen über die Blütezeit der Merowingerkönige lassen sich neben einigen Viten und vereinzelt Urkunden nur die Historien Gregors von Tours sowie die Chroniken des sogenannten Fredegar nennen. Letztere wurde aber erst im 7. Jahrhundert verfasst und hatte somit schon einigen Abstand zu den Ursprüngen und dem Beginn der Herrschaft der Merowinger. Somit muss diese Quelle mit Vorbehalten behandelt werden. Als einzige relativ zuverlässige Quelle bleibt dann nur noch Gregor von Tours übrig, auf die ich mich in dieser Arbeit hauptsächlich stützen werde.

Gregor von Tours wurde 538 oder 539 in Clermont geboren und starb wahrscheinlich 594. Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde er von seinem Onkel Bischof Gallus v. Clermont erzogen und erhielt nach Ablegen des Gelübdes eine geistliche Ausbildung. Den Posten des Bischofs von Tours erhielt er 573 als Nachfolger seines eigenen Vetters. In diese Zeit fällt auch die Entstehung seines großen historiographischen Werkes, den „Decem libri historiarum“. Während das erste Buch sein persönliches Glaubensbekenntnis enthält, konzentriert er sich in den folgenden drei Büchern auf die Geschichte der Franken, besonders der Merowinger, um ab dem fünften Buch seine eigene Zeit darzustellen. Mit dem Jahr 593 enden dann die Erzählungen Gregors.[3]

In dieser Hausarbeit möchte ich mich den Eingangs erwähnten Schwerpunktfragen konkret widmen. Zunächst gebe ich einen Überblick über die Reichsgeschichte der Merowinger von den mythischen Ursprüngen bis hin zur Absetzung des letzten Merowingerkönigs. Danach möchte ich mich mit den Wurzeln der merowingischen Königsherrschaft, der Herrschaftslegitimation und der Praxis des Regierens auseinandersetzen. In einem letzten Punkt gehe ich auf die Thronfolgeregelungen und deren Veränderung im Laufe der Merowingerzeit ein. Diese Vorgehensweise gestattet es mir einen näheren Einblick in die Mechanismen und die Legitimation einer frühmittelalterlichen Königsherrschaft zu bekommen.

2. Die Geschichte des Merowingerreiches

2.1. Ursprung des Herrschergeschlechtes und erster Höhepunkt unter Chlodwig

Über die Frühzeit der Merowinger und die der Franken ist nur Ungenaues bekannt. Weder für die Herleitung des Namens „Franken“ noch über den Ursprung des späteren Herrschergeschlechtes existieren geschichtliche Aufzeichnungen und alle Geschichtsschreiber im frühen Mittelalter, die sich mit dieser Thematik befassten, mussten selbst auf Sagen oder alte Überlieferungen zurückgreifen. So berichtet die Fredegarchronik aus dem 7. Jahrhundert, dass der Stammvater der Merowinger, Merowech, von einem Meeresungeheuer, halb Stier, halb Mensch gezeugt wurde.[4] Gregor von Tours lässt das Herrschergeschlecht ebenso mit Chlodio und dessen Sohn Merowech seinen Anfang nehmen, berichtet aber nichts von dieser Sage.[5] Der sagenhafte Ursprung der Merowinger, die Zeugung durch einen gottähnlichen Stier, begründete die in germanischer Tradition stehende Vormachtsstellung des Geschlechts. Laut germanischem Verständnis war die Sippe der Merowinger durch den göttlichen Ursprung dazu berufen, über den gesamten Stamm zu herrschen. Erst mit der Taufe Chlodwigs geriet die Bedeutung der göttlichen Abstammung ins Hintertreffen und mehr und mehr christliches Gedankengut nahm seinen Platz ein.[6] Auf die Bedeutung des Abstammungsmythos gehe ich aber in einem späteren Kapitel noch einmal näher ein.

Seit dem zweiten Jahrhundert n.Chr. entstanden die Franken als Stamm durch Akkumulation verschiedener rechtsrheinisch angesiedelter germanischsprachiger Völker, vornehmlich die Bataver, Chauken und Sugambrer. Dieser entstandene Großverband wurde von den römischen Autoren als „Franci“ bezeichnet. Im Zuge der Völkerwanderungsbewegung traten die Franken über den Rhein und drangen in Nordgallien ein, wo sie sich zunächst als Föderaten des Römischen Reiches ansiedelten.[7]

Als erster in den Quellen belegter König der Merowinger trat Childerich I. auf. Dieser galt nach Gregor von Tours[8] als Sohn Merowechs und war Kleinkönig der salischen Franken, verbündet mit dem gallischen Heermeister Aegidius und dessen Sohn Syagrius. Mit Entdeckung seines Grabes 1653 wurde die Überlieferung der Quellen bestätigt. Childerich I. starb 481 oder 482. Sein Sohn Chlodwig übernahm daraufhin 16jährig die Herrschaft.

In den ersten Jahren seiner Regentschaft herrschte zunächst Frieden. Doch schon Mitte der 480er Jahre zog Chlodwig gegen den Heermeister Syagrius, welcher seine Residenz in Soissons hatte, in den Krieg und besiegte ihn. Der Geschlagene konnte zwar fliehen, wurde aber an den Frankenkönig ausgeliefert und heimlich getötet. Mit diesem Krieg gewann Chlodwig das Gebiet bis zur Seine für das Frankenreich hinzu, dem er in den Folgejahren noch das Land zwischen Seine und Loire hinzufügte. Die hier ansässigen Romanen verschmolzen auch bald mit den Germanen, wohl aufgrund der toleranten Regierungsweise Chlodwigs. Die Ermordung des Syagrius hingegen stellt den Anfangspunkt einer langen Reihe von Mordaktionen des Frankenherrschers an anderen Merowingern und Franken dar. Diese führten letztlich dazu, dass nur Chlodwigs Söhne und zwei andere Mitglieder der Familie ihn überlebten.[9] Die Ermordungen sind uns größtenteils durch Gregor von Tour überliefert. In seinen Büchern berichtet er uns zum Beispiel die Ermordungen Chararichs[10], eines Verbündeten Chlodwigs, Ragnachars und Rigomers[11], anderen fränkischen Kleinkönigen und die Tötung Sigeberts und dessen Sohn[12], ebenfalls König über ein fränkisches Teilreich. Durch solcherlei Methoden und die immer wieder im Anschluss stattfindende feierliche Thronerhebung in den nun führerlosen Teilreichen dehnte Chlodwig sein Reich, welches ursprünglich nur die ehemals römische Provinz Belgica Secunda umfasste, innerhalb weniger Jahre auf ganz Gallien aus.[13][14]

Aber auch Heirat war ein wichtiges Mittel seiner Politik. So verheiratete der Frankenherrscher seine Schwester Audofleda mit dem Ostgotenkönig Theoderich und machte auch den Herrscher der Westgoten und den Sohn des Burgunderkönigs zu seinen Schwiegersöhnen. Des weiteren heiratete er selbst auch eine Königstochter um sein Reich zu stabilisieren und durch Bündnisse mit anderen starken Mächten zu sichern.[15]

Aber nicht nur diese taktischen Mittel nutzte Chlodwig zum Erhalt und Ausbau seiner Macht. Auch führte er Kriege, die allerdings in den Quellen nur notdürftig wiedergegeben sind. Hauptgegner seiner Expansionsbemühungen waren die Alemannen, gegen die er siegreich war, die Burgunder, welche er nicht bezwingen konnte und das Westgotenreich. Seinen Höhepunkt der Macht hatte er 508 als ihm durch eine Gesandtschaft aus Konstantinopel der Titel des Ehrenkonsuls verliehen und verschiedene äußere Erkennungszeichen (Purpurtunika, Chlamys, Diadem) überreicht wurden. Durch diesen zeremoniellen Akt erkannte der oströmische Kaiser Anastasius die Gründung des Frankenreiches auf dem Boden des ehemaligen weströmischen Reiches an.[16]

[...]


[1] Zitiert nach: Eduard Hubrich: Wahl- und Erbkönigtum zur Merowingerzeit, in: Eduard Hlawitschka (Hrsg.): Königswahl und Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, Darmstadt 1975, S. 57.

[2] Vgl.: Ebd.: S. 57f.

[3] Vgl.: H.H. Anton: Gregor v. Tours, in: LMA, Band 4, München/Zürich 1989, S. 1679ff.

[4] Vgl.: Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, S. 78.

[5] Vgl.: Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003, S. 41.

[6] Vgl.: Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, S. 77.

[7] Vgl.: H.H. Anton: Die Franken. Teil B – Allgemeine und politische Geschichte. Verfassungs- und

Institutionsgeschichte – fränkische Frühzeit, in: LMA, Band 4, München/Zürich 1989, S. 693 – 698.

[8] Gregor von Tours: Historiarum II, 9, in: Gregor v. Tours, Zehn Bücher Geschichten. Erster Band:
Buch 1-5, Auf Grund der Übersetzung W. Giesebrechts neubearbeitet von Rudolf Buchner,
Darmstadt 1972, S.90, Z. 8-10 : „De huius stirpe quidam Merovechum regem fuisse adserunt, cuius
fuit filius Childericus.“

[9] Vgl.: Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003, S. 46.

[10] Vgl.: Gregor von Tours: Historiarum II, 41, S. 138, Z. 5-6 : „At ille iussit eos pariter capite plecti. Quibus mortius, regnum eorum cum thesauris et populis adquesivit.“.

[11] Vgl.: Gregor von Tours: Historiarum II, 42, S. 138, Z. 7-36 : «Erat autem tunc Ragnacharius rex

apud Camaracum tam effrenis in luxoria, ut vix vel propinquis quidem parentibus indulgeret.» (Z.7-9) «[…] Et elevatam securem capite eius defixit, […]» (Z.24-25) «[…] Fuerunt autem supradicti regis propinqui huius ; quorum frater Rignomeris nomen apud Cinomannis civitatem ex iusso Chlodovechi est interfectus. Quibus mortius, omnem regnum eorum et thesaurus Chlodovechus accepit.» (Z.33-36).

[12] Vgl.: Gregor von Tours : Historiarum, II, 40, S. 136, Z. 22-24 : «At ille ista audientes, plaudentes tam parmis quam vocibus, eum clypeo evectum super se regem constituunt. Regnumque Sigyberthi acceptum cum thesauris, ipsos quoque suae ditioni adscivit.».

[13] Vgl.: Gregor v. Tours: Historiarum II, 42, S. 138-140 : “Interfectisque et aliis multis regibus vel parentibus suis primis, de quibus zelum habebat, ne ei regnum auferrent, regnum suum per totas Gallias dilatavit.”.

[14] Vgl.: Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003, S. 43.

[15] Vgl.: Ebd.: S. 43f.

[16] Vgl.: Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003, S. 46.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Königtum der Merowinger - Legitimation, Herrschaftspraxis und Thronfolge
Hochschule
Universität Kassel
Veranstaltung
Senatoren, Bauern, Bischöfe. Sozialstruktur und Herrschaftspraxis des Merowingerreiches
Note
1,9
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V31360
ISBN (eBook)
9783638323963
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Königtum, Merowinger, Legitimation, Herrschaftspraxis, Thronfolge, Senatoren, Bauern, Bischöfe, Sozialstruktur, Herrschaftspraxis, Merowingerreiches
Arbeit zitieren
Thomas Wittmann (Autor:in), 2004, Das Königtum der Merowinger - Legitimation, Herrschaftspraxis und Thronfolge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31360

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