Die Frame-Semantik und ihre Rolle in der lexikalischen Semantik


Hausarbeit, 2015

13 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Was ist Frame-Semantik?

3. Erste Ansätze der Frame-Semantik
3.1 Minskys Ideen der Künstlichen-Intelligenz-Forschung
3.2 Fillmores Ansätze

4. Frame-Modelle
4.1 Fillmores „Finanzielles Transaktions-Frame“
4.2 „Fly (on board a plane)“ Frame
4.3 Restaurant-Frame
4.4 Weitere Frame-Modelle
4.5 Modell aus der Künstlichen-Intelligenz-Forschung

5. Bezug zur Prototypentheorie

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Bereich lexikalische Semantik ist der Bereich der Sprachwissenschaft, der sich mit der Bedeutungsebene auseinandersetzt. Es geht hauptsächlich darum, dass eine sprachliche Äußerung aus „einer Verbindung von Form und Inhalt“[1] besteht. Da es bei dem Inhalt des jeweiligen sprachlichen Ausdrucks um dessen Bedeutung geht, fragt man sich, was eigentlich Bedeutung ist und wie sie sich dieser Ausdruck definieren lässt. Es gibt mehrere Methoden und Theorien um diese Fragestellung, jedoch gibt es bis heute noch keine einheitliche und eindeutige Antwort, denn stellt man sich selbst diese Frage, erkennt man, dass eine spontane Definition sehr schwierig, bis unmöglich erscheint. Eine Methode ist die Erklärung von Bedeutung mit Hilfe der Frame-Semantik, die einige Gemeinsamkeiten mit der Prototypentheorie [2] , einer weiteren Methode , die dazu dient, Bedeutung zu definieren, aufweist.

Im Gedächtnis, sowie bei der natürlichen Anwendung von Sprache werden verschiedene Konzepte des mentalen Lexikons angewendet, um die Bedeutung eines bestimmten Konzeptes oder Ausdrucks festlegen zu können. Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese Konzepte im mentalen Lexikon geordnet sind und wie dessen Struktur aussieht. Mit Hilfe der Frame-Semantik ist es möglich, ein Modell zu schaffen, die diese Struktur darstellt. Im folgenden Kapitel werde ich detaillierter erläutern, was Frame-Semantik ist und wie man diese definieren kann. Daraufhin werde ich im dritten Kapitel auf die ersten Ansätze der Frame-Semantik und ihre Hauptvertreter, Fillmore und Minsky, eingehen. In Kapitel vier folgen einige Frame-Modelle und ein Modell aus der künstlichen Intelligenzforschung, die zur Veranschaulichung der Struktur von Frames dienen. Außerdem wurde erwähnt, dass die Frame-Semantik Ähnlichkeiten mit der Prototypentheorie aufweist, was ich im fünften Kapitel darlegen werde. Zum Schluss fasse ich noch einmal zusammen, wie es möglich ist, mit Hilfe der Frame-Semantik die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke zu erschließen.

2. Was ist Frame-Semantik?

Wie bereits im Einleitungskapitel erwähnt, ist sie eine Methode, die zur Erläuterung der Bedeutung von Ausdrücken dient. Sie ist eine semantische Theorie, die die Bedeutung von sprachlichen Äußerungen in Bezug zum Weltwissen der Sprecher analysiert. Spricht man von einem Frame, spricht man sozusagen von einem Wissensrahmen, den Busse (2009: 85) folgendermaßen definiert: „Ein Wissensrahmen ist eine abstrakte, komplexe Struktur aus Wissenselementen, die durch sprachliche Ausdrücke […] aktiviert wird. Sprachliche Bedeutungen sind das Ergebnis dieses Aktualisierungsprozesses.[3]

Bei einem Frame geht es demnach um ein Modell, beziehungsweise um einen Rahmen, der das verstehensrelevante Wissen sammelt. Dadurch entsteht ein kulturspezifischer Wissenskontext im mentalen Lexikon. Es gibt zahlreiche weitere Begriffe für das Wort Frame, wie beispielsweise Szene, Konzept, Script, schema oder global pattern. Im folgenden Text wird jedoch nur von den erstgenannten Termini (Szene, Konzept, Script) gesprochen, um eine zu große Verwirrung zu vermeiden. Außerdem gibt es in den unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Frame-Semantik eine Unterscheidung zwischen den Ausdrücken Szene und Frame, worauf ich in Kapitel 3.2 noch einmal eingehen werde.

3. Erste Ansätze der Frame-Semantik

Die ersten Ansätze der Frame-Semantik entstanden parallel zur Prototypentheorie, etwa 1975, zum Einen von Marvin Minsky und zum Anderen von Charles J. Fillmore, wobei nach Dietrich Busse (2012)[4] Charles J. Fillmore als der eigentliche Gründer der Frame-Semantik gilt. In den folgenden zwei Unterkapiteln werden die Denkansätze und die ersten Ideen der beiden Hauptvertreter der Fame-Semantik genauer erläutert.

3.1 Minskys Ideen der Künstlichen-Intelligenz-Forschung

Minskys Ansätze entstanden in der Künslichen-Intelligenz-Forschung. Er hatte die Idee, das Wissen eines intelligenten Computers nach dem Modell des menschlichen Gedächtnisses, beziehungsweise seinem Wissenskontext, zu entwickeln. Er erläutert den Frame-Begriff folgendermaßen:

„A frame is a data structure for representing a stereotyped situation, like being in a certain kind of living room, or going to a child's birthday party. Attached to each frame are several kinds of information. Some is about what can be expected to happen next.[5]

Ein Frame ist demnach eine Datenstruktur, die bestimmte stereotypische Situationen repräsentiert. Wird ein bestimmtes Signal empfangen, wird ein bestimmtes Frame im Gedächtnis abgerufen. Das heißt, betritt man beispielsweise ein Kleidergeschäft, erwartet man dort Elemente, die im Normalfall in einem Kleidergeschäft aufzufinden sind, wie zum Beispiel Tische mit Kleidung, eine Kasse, Umkleidekabinen, Kunden oder auch Kleiderbügel. Das menschliche Gedächtnis erwartet in so einem Fall nicht etwa das Frame von Nahrungsmitteln oder einem Supermarkt. Würde man in einem Kleidergeschäft zum Beispiel ein Regal mit Milch oder Eiern sehen, entstünde ein Schock oder eine große Verwirrung.

Geht man also von Minskys Ansätzen aus, muss das menschliche Gedächtnis so angeordnet sein, dass bestimmte Räumlichkeiten und Konzepte, die in einem gemeinsamen Kontext auftreten auch gemeinsam abgespeichert und abgerufen werden.

„Unser Wissen […] betrifft [also] alle Details, die diese [Räumlichkeiten] in unserem Leben gewöhnlich einnehmen, etwa wo sie in der Regel zu finden sind, wie sie eingerichtet sind, welche Installationen vorzufinden sein müssen und welche Funktionen sie in unseren Handlungen einnehmen […].[6]

3.2 Fillmores Ansätze

Wie bereits erwähnt, gilt Fillmore als der eigentliche Gründer der Frame-Semantik. Während jedoch die ersten Ideen von Minsky durch die Künstlichen-Intelligenz-Forschung entstanden, beschäftigte sich Fillmore zunächst mit grammatischen Argument-Rahmen Ideen, also Ideen aus der Kasusgrammatik, die sich durch einfache Beispiele weiterentwickelten. Er geht davon aus, dass Verben in einem Satz unterschiedliche Kasusrahmen haben können und unterscheidet zwischen dem traditionellen Oberflächenkasus[7], wie Subjekt oder Objekt, und einem Tiefenkasus, welcher die thematischen Rollen[8], wie beispielsweise Agens[9] oder Patiens[10], beinhaltet. Der Tiefenkasus zeigt, wie Busse (2012) erläutert, dass neben den grammatischen Eigenschaften von Subjekt oder Objekt noch weitere Eigenschaften vorhanden sind, und dass diese grammatischen Eigenschaften durch das Verb oder Prädikat im Satz näher spezifiziert werden. Durch verschiedene Wertigkeiten, beziehungsweise Valenzen eines Verbs können unterschiedliche syntaktische Strukturen in einem Satz entstehen. Das heißt, je nach Kontext können Verben unterschiedlich viele Aktanten an sich binden. Betrachtet man zum Beispiel das Verb trocknen, kann man erkennen, dass das Verb je nach Kontext sowohl einwertig, als auch zweiwertig sein kann. Dies zeigen folgende Beispiele:

a) Die Haare trocknen.
b) Ich trockne die Haare.
c) Der Föhn trocknet die Haare.

Beipsielsatz a) weist nur einen Aktanten (Haare) auf, wohingegen die Beispielsätze b) und c) jeweils zwei Aktanten aufweisen (Ich (Subjekt), Haare ( direktes Objekt) und der Föhn (Subjekt), Haare (direktes Objekt). Außerdem erkennt man, dass bei allen Beispielsätzen der syntaktische Sachverhalt gleich ist, die Tiefenkasus jedoch unterschiedlich ist. Bei dem Verb trocknen ist demnach je nach Kontext „Subjekt nicht gleich Subjekt […], sondern verschiedene Realisierungsformen des Subjekts [können] dieses in ganz unterschiedlichen (semantischen) Funktionen in einen Satz einbinden […].[11] “ Das heißt, sie können als andere thematische Rollen realisiert werden. Während also im Beipsielsatz b) das Subjekt Ich ein Agens ist, entspricht in Beispielsatz c) das Subjekt Föhn in seinem Tiefenkasus einem Instrument [12] .

Im Einleitungskapitel wurde erwähnt, dass es einen Unterschied zwischen den Begriffen Frame und Szene gibt. Auch diesen Unterschied kann man gut in den Beispielsätzen erkennen. Es muss jedoch zunächst erläutert werden, dass eine Szene ein wiederholter, stereotypischer Alltagsausschnitt aus der Realität ist. Ein Frame wiederum ist das sprachliche Wissen, beziehungsweise der sprachliche Ausdruck, der sich durch den jeweiligen Kontext ergibt. Bei allen drei Sätzen handelt es sich um denselben Sachverhalt, jedoch jeweils immer aus unterschiedlichen Perspektiven. Daher handelt es sich auch bei allen Beispielen um dieselbe Szene, die jedoch jeweils mit unterschiedlichen Frames ausgedrückt wird. Diese Idee findet man zudem in den Wörtern sterben und töten wieder. Beide Ausdrücke beziehen sich ebenfalls auf denselben Sachverhalt, jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven. Es handelt sich also nochmals um dieselbe Szene, welche mit unterschiedlichen Frames ausgedrückt wird.

Ausgehend von Fillmores Idee, kann man entnehmen, dass sich die Bedeutung, beziehungsweise der Tiefenkasus aus dem jeweiligen Kontext des jeweiligen Verbs ergibt. Auch Fillmores einfacher Satz „John ist groß.“[13] weist darauf hin. Bei diesem Satz stellt sich nämlich die Frage, was muss man wissen, um verstehen zu können, was der Satz überhaupt bedeutet? Woher weiß man, was groß in diesem Fall heißt? Auch hier ist die Bedeutung wieder kontextabhängig. Außerdem wissensrelevant ist, welchen Durchschnittswert die Körpergröße eines Menschen des Geschlechts und Alters von John haben muss, um vergleichen und sagen zu können, dass John groß ist. All das setzt voraus, dass „das verstehensrelevante Wissen weit über den Bereich dessen hinausgeht, was in traditionellen […] Semantik-Konzeptionen noch zum Bereich der „Bedeutung“ hinzugerechnet wird.“[14]

Infolgedessen sah es Fillmore für notwendig, eine Frame-Semantik einzuführen, zu der er sich folgendermaßen äußert:

„Bei dem Begriff 'Rahmen' denke ich an jedes System von Konzepten, die in der Weise verbunden sind, dass man für das Verstehen irgendeines dieser Konzepte die ganze Struktur verstehen muss, in die sie eingefügt sind; wenn eines der Elemente in einer solchen Struktur in einen Text eingefügt wird (oder in ein Gespräch), sind alle anderen automatisch verfügbar gemacht.“[15]

4. Frame-Modelle

Wie in vorherigen Kapiteln erläutert, handelt es sich bei einem Frame um einen gestalthaften, kontextabhängigen Wissensrahmen. Es wurde jedoch nicht näher erläutert, wie so ein Rahmen konstruiert ist, beziehungsweise wie dieser aussehen könnte. In den Unterkapiteln werden einige typische Modelle aufgeführt, welche das Frame-Konzept näherbringen sollen.

[...]


[1] Zimmermann, Thomas Ede (2014): Einführung in die Semantik. Darmstadt: WBG: 7.

[2] „Modell der Kategorisierung.“ Das Beste Beispiel einer Kategorie nennt man Prototyp. Das wichtigste Kriterium der Zugehörigkeit zu einer Kategorie ist die Ähnlichkeit zum Prototypen. In: Löbner, Sebastian (2003): Semantik. Eine Einführung. Berlin, New York: De Gruyter: 259ff.

[3] Busse, Dietrich (2009): Semantik. Paderborn: Fink: 85.

[4] Busse, Dietrich (2012): Frame-Semantik: Ein Kompendium. Berlin: de Gruyter.

[5] Minsky, Marvin (1975): „A framework for representing knowledge“, in The Psychology in Computer Vision: 212.

[6] Konerding, Klaus-Peter (1993): Frames und lexikalisches Bedeutungswissen: Untersuchungen zur linguistischen Grundlegung einer Frametheorie und zu ihrer Anwendung in der Lexikographie. Tübingen. Niemeyer: 7.

[7] Busse (2012): 36.

[8] „Die verschiedenen Argumente eines Verbprädikats werden als seine Rolle oder Partizipanten bezeichnet. Bei einem transitiven Verb gibt es zwei Rollen, zum Beispiel den Essenden und das Gegessene […].“ in: Löbner (2003): 173.

[9] Thematische Rolle. „Vollzieht die Handlung“ in einem Satz. In: Löbner (2003): 174.

[10] Thematische Rolle. „An ihm wird die Handlung vollzogen oder [er] vollzieht sich das Ereignis“ eines Satzes. In: Löbner (2003): 174.

[11] Busse (2012): 36.

[12] Thematische Rolle. Er ist das „Mittel einer Handlung“ in einem Satz. In: Löbner (2003): 174.

[13] Busse (2012): 27.

[14] Busse (2012): 29.

[15] Busse (2009): 83, in: Fillmore, Charles J. (1985a): „Frames and the Semantics of Understanding“, in: Quaderni di semantica 6: 222-254.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Frame-Semantik und ihre Rolle in der lexikalischen Semantik
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
Lexikalische Semantik des Französischen
Note
2,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V314269
ISBN (eBook)
9783668130135
ISBN (Buch)
9783668130142
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frame, Frame-Semantik, Linguistik, Französisch, Lexikalische Semantik
Arbeit zitieren
Cilen Laura Dincer (Autor:in), 2015, Die Frame-Semantik und ihre Rolle in der lexikalischen Semantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314269

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