Polysemie und Homonymie im Französischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Lexikalische Ambiguität
2.1 Definition des Begriffes Polysemie
2.1.1 Arten der lexikalischen Polysemie
2.1.2 Entstehung polysemer Strukturen
2.1.3 Schutzmaßnahmen für pathologische Fälle von Polysemie
2.2 Definition des Begriffes Homonymie
2.2.1 Entstehung homonymer Strukturen
2.2.2 Schutzmaßnahmen für pathologische Fälle von Homonymie
2.3 Mehrdeutigkeit als Stilmittel
2.4 Abgrenzung von Polysemie und Homonymie

3. Zusammenfassung

4. Quellenverzeichnis
4.1 Bibliografie
4.2 Internetquellen

1. Einleitung

In meiner Hausarbeit „Polysemie und Homonymie im Französischen“ werde ich mich mit den zwei erwähnten Phänomenen Polysemie und Homonymie der lexikalischen Semantik beschäftigen und mich, bezogen auf die Erscheinungsformen der sprachlichen Ambiguität, auf den Bereich der lexikalischen Mehrdeutigkeit beschränken und die strukturelle Mehrdeutigkeit[1] aussparen. Auch wenn Polysemie und Homonymie nicht ausschließlich im Französischen vorkommen, dient diese Sprache, und hier insbesondere das Französische der Gegenwart, dennoch als Grundlage für die vorliegende Arbeit, da sie einen recht hohen Grad an homonymen und polysemen Begriffen aufweist.[2]

Mein Vorgehen sieht folgendermaßen aus: Zunächst werde ich den Begriff der Polysemie definieren, die Arten der lexikalischen Polysemie mit mehreren Beispielen veranschaulichen, schließlich auf die Entstehung von polysemen Strukturen eingehen und Schutzmaßnahmen für pathologische Polysemiefälle anführen. Daraufhin werde ich versuchen eine adäquate Begriffsbestimmung der Homonymie zu geben, auch hier die Entstehung homonymer Strukturen erwähnen und Wege aus der Homonymie erläutern. Abschließend werde ich zeigen, dass es keineswegs einfach ist Polysemie und Homonymie sauber voneinander zu trennen, wie auch die Aussage des Linguisten Stephen Ullmann „[que] le mot français est essentiellement polysémique [et que] le français est une langue à homonymes“[3] vermuten lässt. Denn ein homonymes Wort, zumindest im engeren Sinne, ist auch immer irgendwie polysem ist, da mehrdeutige Begriffe die Fähigkeit des Sprechers voraussetzen eben diese Begriffe richtig zu verwenden bzw. zu verstehen und somit „bei einer Gestalt mehrere Bedeutungen voneinander zu trennen“[4]. Es wird außerdem die Rede davon sein, dass sich die französische Sprachgemeinschaft im Falle von Polysemie und Homonymie, wo keine Eins-zu-Eins-Entsprechung zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite vorliegt, die sogenannte Asymmetrie des Sprachzeichens zunutzen macht und „für absichtliche Mehrdeutigkeiten [wie etwa Wortspiele und Kalauer] [ausnutzt]“[5]. In diesem Teil wird versucht eine Reihe von repräsentativen Beispielen anzuführen.

2. Lexikalische Ambiguität

Zunächst erscheint es sinnvoll zu erwähnen, dass im folgenden keine vollständig monosemen Begriffe zugrunde gelegt werden, dass also nicht die Rede davon sein wird, dass einer Inhaltsseite genau eine Ausdrucksseite entspricht, sondern dass es hier um mehrdeutige Begriffe und folglich um uneindeutige Beziehungen zwischen dem signifiant, der Ausdrucksseite, und dem signifié, der Inhaltsseite, geht. In der Regel trifft man auf ideale, monoseme Wörter in künstlichen (z.B. Programmiersprache, logisch-mathematische Formelsprachen) und agglutinierenden Sprachen (z.B. Türkisch, Japanisch) „aber auch in bestimmten Gruppen von ‘object-words’[6], die ‘isoliert gebraucht werden können’“[7], während gerade in natürlichen Sprachen, also in Sprachen, „die in ihrer Terminologie stark den jeweiligen Modetrends folg[en] [...] [und] damit eine hohe Flexibilität [aufweisen]“[8], Polysemie, und somit die Asymmetrie von sprachlichen Zeichen ein Kennzeichen der menschlichen Kommunikation ist.[9] Unter Einfluss des französischen Philosophen, Logikers und Geistlichen Étienne Bonnot de Condillacs zog der Bischof von Autun, Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, seinerzeit noch eine Sprachreform in Erwägung, „die das Französische in ein schlagkräftiges politisches Idiom mit scharfen Trennungslinien zwischen den einzelnen Wortbedeutungen hätte verwandeln sollen“[10], um die bei der Mehrdeutigkeit auftretenden Störungen zu vermeiden. Doch Friedrich II. betrachtete schon damals die Fülle der Bedeutungen in der französischen Sprache, durch die eine besonders schwerfällige Ausdrucksweise vermieden wird, als Zeichen für den hohen kulturellen Wert des Französischen.[11] Und auch heute noch kann die Ambiguität von Lexemen[12] dadurch gerechtfertigt werden, dass es zur Natürlichkeit der Sprache und auch zu deren Ökonomie beiträgt.

2.1 Definition des Begriffes Polysemie

Um den Begriff Polysemie (griech.: poly „viel“; sema „Zeichen, Merkmal“) adäquat definieren zu können, erscheint es sinnvoll einleitend auf Michel Bréal[13] zurückzugreifen, der eben diesen Fachbebgriff 1897 durch seinen Essai de sémantique in die Fachsprache einführte[14]:

Le sens nouveau, quel qu’il soit, ne met pas fin à l’ancien. Ils existent tous les deux l’un à côté de l’autre. Le même terme peut s’employer tour à tour au sens propre ou au sens métaphorique, au sens restreint ou au sens étendu, au sens abstrait ou au sens concret…A mesure qu’une signification nouvelle est donnée au mot, il a l’air de se multiplier et de produire des exemplaires nouveaux, semblables de forme, mais différents de valeur. Nous appelons ce phénomène de multiplication la polysémie.[15]

Bréal definiert die hier erwähnte Polysemie, die für ihn unterschiedliche Formen haben kann, folglich als Resultat des Bedeutungswandels und rechtfertigt durch diese Begriffsbestimmung zunächst einmal eine Abgrenzung von der Homonymie, die eben nicht aufgrund des Bedeutungswandels sondern aufgrund des Lautwandels zustande kommt.[16] So meint auch Ullmann, dass Polysemie, also die Mehrdeutigkeit (von Wörtern), „durch divergierende Bedeutungsentwicklung [...] aus solchen kleinen Verschiebungen größere werden [lässt]“[17], so dass ein polysemer Begriff synchron betrachtet mehrere wurzelidentische Bedeutungen hat, deren Zusammenhang man durchaus kennt, deren Bedeutungen jedoch weit auseinanderliegen. Bezogen auf die diachronische Betrachtungsweise kann man davon sprechen, dass ein Begriff seine bisherige Bedeutung beibehält und zusätzlich mindestens eine weitere annimmt.[18] Polysemie liegt also dann vor, wenn einem signifiant bei isolierter Nennung bzw. in unterschiedlichen Zusammenhängen zwei oder mehr signifiés zugewiesen werden können, die alle etwas miteinander zu tun haben bzw. die relativ eng miteinander zusammenhängen.[19] Der romanistische Linguist Andreas Blank spricht von Polysemie in engerem Sinne, wenn der Genus und die Wortart des polysemen Paars identisch sind, während er unter Polysemie im weiteren Sinne versteht, dass ein unterschiedlicher Genus oder eine unterschiedliche Wortart bei dem polysemen Paar vorliegt.[20]

Um die Polysemie ein wenig zu veranschaulichen, betrachten wir einmal den Begriff pied, der einerseits im Sinne von Fuß aber auch im Sinne von Bein eines Möbelstücks verwendet werden kann. Der signifiant [pje] ist hier mit (mindestens) zwei signifiés verknüpft, die eine Beziehung zueinander aufweisen. Beide Bedeutungen nämlich haben (mindestens) die Gemeinsamkeit der Position (der Fuß und das Bein eines Möbelstücks befinden sich beide am Boden), weshalb es hier um die einer einzigen lexikalischen Einheit zugrunde liegenden verschiedenen Bedeutungsvarianten geht, die aus diachronischer Sicht miteinander verknüpft sind.[21] Zwischen den Sememen[22] eines polysemes Lexems bestehen also hierarchische Beziehungen, wobei zu bemerken ist, dass keine zweifelsfrei objektive Unterscheidung zwischen der Hauptbedeutung eines Lexems, also des Primärsemems[23], und des Sekundärsemems gemacht werden kann.[24]

2.1.1 Arten der lexikalischen Polysemie

In natürlichen Sprachen sind zahlreiche Formen polysem, obwohl diese Mehrdeutigkeit „auf den ersten Blick ein Problem für das Funktionieren des Sprachsystems [darstellt]“[25]. In der Regel kann die Ambiguität verschiedenster Lexeme jedoch auf der Ebene der parole, also des konkreten individuellen Sprachakts, durch den Kontext monosemiert werden, wenn nicht absichtlich Wortspiele vorliegen, worauf unter 2.3 noch genauer eingegangen werden soll. Während der Sprecher vermutlich von Anfang an von einer bestimmten Bedeutung ausgeht, ergibt sich die „Monosemierung [...] vor allem aus der Situation des Hörers, der in die Lage versetzt werden muss“[26] den, vom Sprecher aus gesehen, eindeutigen signifié auszuwählen. Schaut man sich etwa das polyseme Lexem dos an, so wird man vermutlich zunächst an die Bedeutung Rücken denken, aber spätestens durch den Kontext „ Ne t’adosse pas contre ce dos. Il est cassé. “ die eindeutige Assoziation (Rücken-)Lehne vor Augen haben. Hier wird also durch den Kontextpartner von dos (s’dosser) bzw. durch die Situation (der Empfänger möchte sich vielleicht gerade auf einen Stuhl setzen) die irrelevante Bedeutung Rücken ausgeschlossen.[27] Dennoch kann man eine gewisse Verwandtschaft zwischen dos und dos (d’une chaise) feststellen, denn wenn man diese zwei Begriffe einander gegenüberstellt, so wird schnell eine metaphorische Polysemie klar.[28] Dieses impliziert zunächst einmal, dass sich das Semem dos (d’une chaise) auf das erste Semem dos bezieht, weshalb eine Vergleichsbeziehung zwischen diesen beiden Begriffen vorliegt. Weiterhin kann man feststellen, dass dos ein menschliches (bzw. tierisches) Körperteil ist, das sich hinten (am Menschen) befindet wie sich eben auch die (Rücken-)Lehne hinten (an der Sitzfläche) befindet. Eine weitere Gemeinsamkeit ist ebenfalls, dass eine ähnliche Form vorliegt, denn wie auch ein Rücken in der Regel gerade ist, kann man eine Lehne als ebenfalls gerade bezeichnen. Das Tertium comparationis, also die Basis für den Vergleich, ist folglich in diesem Beispiel die Position und auch die Form, denen ein menschlicher Herkunftsbereich (le dos) zugrunde liegt, weshalb man hier von einer anthropomorphen Metapher sprechen kann.[29]

[...]


[1] Strukturelle Ambiguität entsteht, wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, die Bedeutung eines Begriffes aus den Bedeutungen seiner Teile, die selbst nicht mehrdeutig sein müssen, zusammenzusetzen. Hierzu gehört zum Beispiel der deutsche Satz „Ich beobachte die Försterin mit dem Fernglas“, wo entweder das Ich die Försterin, die ein Fernglas besitzt, beobachtet, oder aber die Försterin von dem Ich mit einem Fernglas beobachtet wird. Vgl. hierzu: Egg, Markus. Mehrdeutigkeit. http://www.coli.uni-sb.de/~egg/m2.pdf, 2003

[2] Vgl. Körner, Karl-Hermann. Einführung in das semantische Studium des Französischen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977. S. 28

[3] Vgl. Körner. S. 28

[4] Vgl. Körner. S. 28

[5] Vgl. Pelz, Heidrun. Linguistik für Anfänger. Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag, 1975. S. 204

[6] Solche object-words, die für sich alleine genommen einen kompletten Satz ausdrücken können und keinerlei andere Wörter verlangen, können durch Gegenüberstellung mit den Objekten „erlernt werden, die das Gemeinte selbst verkörpern oder beispielhaft dafür sind“. Hierzu gehören u.a. Eigennamen, Gattungsbezeichnungen für bekannte Tierarten und Farbbezeichnungen. Vgl. Ullmann, Stephen. Grundzüge der Semantik: Die Bedeutung in sprachwissenschaftlicher Sicht. Berlin: Walter de Gruyter & Co, 1967. S. 59f.

[7] Vgl. Ullmann 1967. S. 59

[8] Vgl. Umstätter, Prof. Walther. Natürliche Sprache. http://www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/infopub/semiothes/ lexicon/default/dc7.html, April 2004

[9] Vgl. Ullmann 1967. S. 163

[10] Vgl. Ullmann 1967. S. 110

[11] Vgl. Ullmann 1967. S. 110f.

[12] Den Begriff „Lexem“ verstehen wir im folgenden in der Bedeutung von „Wort als lexikalische Einheit“.

[13] Bréal (*1832 †1915) war französischer Linguist und begründete mit seinem Essai de sémantique (science des significations) die Semantik bzw. la sémantique (ein Terminus, der durch ihn geprägt wurde) . Vgl. Wikipédia, l’encyclopédie libre. Michel Bréal. http://fr.wikipedia.org/wiki/Michel_Br%C3%A9al, Mai 2004

[14] Vgl. Blank, Andreas. Einführung in die lexikalische Semantik für Romanisten. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 2001. S. 103

[15] Vgl. Blank. S. 104

[16] Vgl. Blank. S. 104

[17] Vgl. Ullmann 1967. S. 58

[18] Vgl. Ullmann 1967. S. 109f.

[19] Vgl. Hansen, Barbara/Hansen, Klaus/Neubert, Albrecht/Schentke, Manfred. Englische Lexikologie: Einführung in Wortbildung und lexikalische Semantik. Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie, 1990. S. 198; Hierzu zählen Verben (z.B. défendre „verteidigen; verbieten“), Adjektive (z.B. sauvage „schüchtern; wild“), Substantive (z.B. position „Lage; Standpunkt“) und Polyseme auf morphosyntaktischer Ebene (z.B. il „er; es“). Vgl. hierzu: Pelz. S. 204

[20] Vgl. Blank. S. 111

[21] Vgl. Müller, Horst M. (Hrsg.). Arbeitsbuch Linguistik. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2002. S. 187; Stellt man Fuß und Bein eines Möbelstücks einander gegenüber, so ist durchaus von einer metaphorischen Beziehung zu sprechen, die wir im folgenden Abschnitt noch ausführlicher behandeln werden. Vgl. hierzu: Hansen. S. 207

[22] Das Semem ist die Inhaltsseite des Lexems. Vgl. hierzu: Heupel. S. 125

[23] Hierunter versteht man das Lexem, welches zu einem konkreten Zeitpunkt von der Sprachgemeinschaft als das wichtigste angesehen wird.

[24] Vgl. Griebel, Prof. Dr. phil. Bernd. Semantische Beschreibung metaphorischer und metonymischer Bedeutungsbeziehungen zwischen Sememen polysemer Substantivlexeme. http://www.hs-zigr.de/~bgriebel/ bedeutungsbeziehungen.html#3, 2002

[25] Vgl. Stein, Achim. Einführung in die französische Sprachwissenschaft. Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1998. S. 62f.

[26] Vgl. Hansen. S. 200

[27] Vgl. Hansen. S. 200

[28] Vgl. Blank. S. 105

[29] Vgl. Hansen. S. 207; Hierzu ist anzumerken, dass dos nicht von Anfang an die beiden erwähnten Bedeutungen hatte, sondern dass zu der ersten Bedeutung später die zweite, neue Verwendungsweise hinzukam. So stellt auch Fritz fest, dass oft neue Verwendungsweisen „aufgenommen [werden], ohne dass die alten [...] verloren gehen [...], [so dass] sich Polysemie als direkte Folge der semantischen Neuerung [ergibt]“. Vgl. hierzu: Fritz, Gerd. Historische Semantik. Stuttgart, Weimar: Verlag J.B. Metzler, 1998. S. 89

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Polysemie und Homonymie im Französischen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Semantik
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V31445
ISBN (eBook)
9783638324557
ISBN (Buch)
9783638651288
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Polysemie, Homonymie, Französischen, Semantik
Arbeit zitieren
Hanna M. Stoll (Autor:in), 2004, Polysemie und Homonymie im Französischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31445

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