Jugendkultur im England der 1960er Jahre. Darstellung und Deutung des Mod-Phänomens


Hausarbeit, 2012

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Einführung
2.1 Jugend
2.2 Jugendkultur
2.3 Stilschöpfung in Jugendkulturen

3. Die Mods
3.1 Zeitliche und gesellschaftliche Einordnung
3.2 Der Stil der Mods
3.2.1 Erscheinung: Kleidung und Auftritt
3.2.2 Alltag: Jazz und Amphetamine
3.2.2 Rivalitäten: Mods versus Rockers

4. Fazit

5. Literatur

1. Einleitung

„We are the mods, we are the mods! We are, we are, we are the mods!“[1]

Zu Beginn der 60er Jahre zeigte sich auf den Londoner Straßen vermehrt eine neues Phänomen: Jugendliche in schicken Anzügen und auf schnittigen italienischen Rollern tanzten in den Szeneclubs zu Jazz, nahmen Speed und lieferten sich mit den sogenannten Rockern Straßenschlachten in englischen Seebädern wie Brighton. Die Rede ist von den Modernisten, den sogenannten Mods. Doch wer waren diese auf merkwürdige Weise auffälligen Jugendlichen? Und wie kam es zur Entstehung dieser unverwechselbaren Kultur?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Fragen zu klären und somit zum Verständnis der zunächst rätselhaft erscheinenden Kultur der Mods beizutragen.[2] Dabei soll wie folgt vorgegangen werden: Zunächst sollen im Rahmen einer allgemeinen Einführung zentrale Begriffe wie Jugend und Jugendkultur geklärt werden. Auch soll (anhand des Lévi-Straussschen Bricolage-Konzeptes) auf die Entstehungsmöglichkeit von Jugendkulturen überhaupt eingegangen werden. Nach dieser Einführung wird sich die Arbeit dann dem konkreten Phänomen der Mods widmen und die spezifischen Elemente ihres Stils (Kleidung, Habitus, Musik, Drogen, Gegenkultur) darstellen und analysieren. Zusätzlich soll auch eine zeitliche und gesellschaftliche Einordnung erfolgen, um die Konstitution des Stils verorten und umso besser interpretieren und verstehen zu können. Im Fazit soll abschließend die Weiterentwicklung, also Kommerzialisierung und Verbreitung, der Mod-Kultur nachgezeichnet werden und eine Beurteilung geliefert werden, inwieweit die Mods Einfluss auf nachfolgende Entwicklungen gehabt haben.

2. Allgemeine Einführung

Bevor sich diese Arbeit ihrem eigentlichen Forschungsgegenstand, der Darstellung und Deutung der Mods, widmen kann, muss zunächst eine allgemeine Einführung in größerem Rahmen erfolgen. Im Folgenden gilt es daher, sich den zentralen Begriffen „Jugend“ und „Jugendkultur“ anzunähern. Es soll geklärt werden, wie „Jugend“ definiert werden kann und was man unter dem Term „Jugendkultur“ fassen kann. Hierbei soll auch darauf eingegangen werden, warum Jugendkulturen überhaupt entstehen, welche Lebensbereiche eine solche Kultur umfasst und was sie auszudrücken vermag. Dabei wird dem Vorgang der Stilschöpfung und dem von Lévi-Strauss in diesem Zusammenhang geprägtem Begriff „Bricolage“ besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

2.1 Jugend

Jugend ist zunächst kein starrer sondern vielmehr ein kontextgeprägter Begriff, der zeit- und kulturgebunden ist und sich somit stets im Wandel befindet.[3] In unserer heutigen Zeit umfasst die als Jugend bezeichnete Phase so zum Beispiel eine weitaus größere Zeitspanne als noch im 19. Jahrhundert, denn bestimmte als jugendtypisch definierte Entwicklungen treten schon zu einem früheren Zeitpunkt auf und der Übertritt zum Erwachsenenstatus erfolgt vergleichsweise spät: „Jugend [fängt] eher an und ist zugleich länger geworden.“[4]

Es also reicht nicht aus, Jugend nur am Alter festmachen zu wollen, sondern es sind zusätzlich körperliche, psychische und soziokulturelle Faktoren (z.B. Frage nach Grad der Selbstständigkeit, eigener Familie, eigenem Verdienst) in die Definition von Jugend mit einzubeziehen.[5] Ganz allgemein kann man einen Jugendlichen aber als Heranwachsenden beschreiben, der nicht mehr Kind ist, aber auch noch nicht als vollends selbstständiger und mündiger Erwachsener angesehen werden kann.[6] Die Jugendzeit ist nach dieser allgemeinen Definition kein klar abzugrenzender Bereich, sondern vielmehr eine Phase, die „in der Regel keinen einheitlichen Abschluss [besitzt] und sich durch viele Ungleichzeitigkeiten und asynchrone Entwicklungen aus[zeichnet].“[7]

Außerdem lässt sich feststellen, dass die Jugend - besonders im Zeitalter der Moderne - in hohem Maße durch eine gewisse „Lern- und Experimentierphase“ geprägt ist.[8] Es ist der Lebensabschnitt der Selbstfindung und somit Abgrenzung von anderen Generationen und anderen Identitäts- und Lebensentwürfen. Besonders deutlich zeigt sich dieses Abgrenzungsmoment in der Herausbildung verschiedener Jugendkulturen, die Identifikations-potential für das suchende Individuum bieten. Dies ist im Folgenden näher erläutert.

2.2 Jugendkultur

Ein wesentlicher Bestandteil der Jugendphase ist, wie oben angedeutet, die Abgrenzung und die Suche nach persönlicher Identität. Die klassischen identitätsstiftenden Orte wie Familie, Schule oder Arbeitsplatz verloren seit der Nachkriegszeit stetig an Bedeutung und vielmehr wurden nun die sogenannten Peer Groups „prägendes Moment in der Phase jugendlicher Identitätsbildung.“[9] Die als Peer Groups bezeichneten Gruppen gleichaltriger (befreundeter) Mitglieder, aus denen heraus sich dann Jugendkulturen entwickeln, sind insofern im Selbstfindungsprozess bedeutsam, als dass sie eine Möglichkeit darstellen, Erfahrungen außerhalb der Herkunftsfamilie zu machen und sich somit von der Erwachsenenwelt und deren Wert- und Normvorstellungen abzugrenzen.[10] Aber nicht nur die Distinktion gegenüber anderen Generationen, sondern ebenfalls die Abgrenzung zu anderen Jugendlichen ist zentrales Anliegen der Peer Groups, was durch das Schaffen von gruppenspezifischen Stilen und Codes, Symbolen und Ereignissen verdeutlicht wird:

„Durch die Entscheidung des Individuums sich einer bestimmten Jugendkultur anzuschließen, deren Stile und Symbole bzw. Lebensstil zu übernehmen, konstruiert der einzelne Jugendliche seine Identität selbst. Dementsprechend haben bestimmte Musikstile, Tanzstile, Frisur- und Kleidungsstile, insbesondere aber auch Ereignisse und Happenings wie die „Chaos-Tage“ der Punks, [...] oder Ausdrucksformen wie Graffiti im HipHop, besondere Bedeutung für die Sozialisation und Identität des Individuums und der Gruppe, und dienen der Abgrenzung.“[11]

Außenstehenden können die Zeichen und Symbole der Gruppen (beispielsweise „Sicherheitsnadel-Ästhetik“ der Punks oder das distanziert-elitäre Gehabe der Mods) schwer deuten. Es wirkt befremdlich, was einerseits den Abgrenzungseffekt verstärkt und andererseits dazu beiträgt, dass sich innerhalb der Gruppe ein starkes solidarisches Gemeinschaftsgefühl entwickelt.[12]

2.3 Stilschöpfung in Jugendkulturen

Im Vorigen wurde gezeigt, zu welchem Zweck sich Jugendkulturen manifestieren. Nun soll darauf eingegangen werden wie diese Gruppen ihren jeweils bezeichnenden Stil finden und etablieren. Stil bezieht sich dabei neben der Kleidung auch auf diverse andere Lebensbereiche: „[Stil beinhalten nicht nur] symbolische Aspekte (Kleidung, Musik, usw.), sondern zeigt sich in der ganzen Skala von Aktivitäten, Kontexten und Objekten, die zusammen das Stil-Ensemble bilden.“[13] In diesem Zusammenhang ist der von Lévi-Strauss geprägte Begriff „Bricolage“ von Bedeutung. Der Begriff stammt aus dem Französischen und steht für „Bastelei“, beschreibt also eine Tätigkeit deren Zweck es ist, auf kreative Weise aus verschiedenen Ressourcen selbst neue Dinge zu schaffen. In Bezug auf die Stilschöpfung bedeutet dies, dass der Bastler bestimmte Objekte für sich auswählt und neu zusammensetzt. Er setzt Gegenstände in neue Kontexte und gibt ihnen dadurch eine veränderte Bedeutung:

„[Bricolage ist die] Neuordnung und Rekontextualisierung von Objekten, um neue Bedeutung zu kommunizieren, und zwar innerhalb eines Gesamtsystems von Bedeutungen, das bereits vorrangig und sedimentierte, den gebrauchten Objekten anhaftende Bedeutungen enthält.“[14]

Vorraussetzung für das Schaffen eines neuen Stils ist also, dass es bereits Objekte gibt, denen eine bestimmte Bedeutung eingeschrieben ist. Diese Bedeutung kann der Bastler dann durch Entkontextualisierung transformieren:

Die Schöpfung kultureller Stile umfasst also eine differenzierte Selektion aus der Matrix des Bestehenden. Es kommt nicht zu einer Schaffung von Objekten und Bedeutung au dem Nichts, sondern vielmehr zu einer Transformation und Umgruppierung des Gegebenen in ein Muster, das neue Bedeutung vermittelt; einer Übersetzung des Gegebenen in einen neuen Kontext und seiner Adaption.[15]

Aber wie entscheidet sich, welche Gruppe sich welche Objekte aneignet? Bei der Auswahl der Elemente, die den Stil einer Gruppe prägen, ist es zunächst Vorraussetzung, dass die Gruppe bereits ein klares Selbstbild hat. Die symbolischen Objekte die daraufhin ausgewählt und angeeignet werden, müssen nun zu diesem Selbstbildnis passen und „die besonderen Werte und Interessen der Gruppen ausdrücken.“[16] Nur wenn sich eine Gruppe in bestimmten Objekten wiederfindet, können diese Objekte Teil des Ensembles der Stilelemente werden, die dann Identität der Gruppe zum Ausdruck bringen.[17] Im Fachjargon: Durch den Stil wird das Selbstbild der Gruppe „objektiviert“.[18]

3. Die Mods

3.1 Zeitliche und gesellschaftliche Einordnung

Um einen Stil verstehen und interpretieren zu können, ist zunächst dessen Verortung von Bedeutung. Im Folgenden gilt es daher die Entstehungssituation in England nachzuzeichnen und die Position der Mods zu der gesellschaftlichen Gesamtsituation zu analysieren.

Die Anfänge der Mod-Kultur sind nach Baacke auf 1956 zu datieren.[19] Zu dieser Zeit war das Feld der Jugendkulturen eindeutig dominiert durch die Teenager der working-class. Jugendliche, die mit 15 die Schule verließen um der Lohnarbeit nachzugehen, hatten zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens eindeutig mehr Geld zur Verfügung als ihre Altersgenossen, die höhere Bildungsabschlüsse anstrebten. Auch waren die Gehälter im Vergleich zur Vorkriegszeit um ein vielfaches gestiegen, sodass sich die Ausgabekapazität der Arbeiterjugend verdoppelt hatte und sie einen großen Teil des Lohns in Mode und Freizeit investieren konnten.[20] Hierdurch war also die finanzielle Möglichkeit geschaffen, sich zu Gruppierungen zusammenzufinden, die kostspielige Kleidung und Statussymbole (wie beispielsweise die Roller der Marke Vespa oder Lambretta) voraussetzten.

Eine Erklärung für die allgemeine Entstehungsmöglichkeit von Jugendkulturen im England der 60er ist damit geliefert. Warum tritt aber nun eine dieser Gruppierungen ausgerechnet in Form von Vespa fahrenden Anzugträgern auf Amphetaminen ins Bild? Baacke bringt die Intention der Mod-Kultur auf den Punkt: „Die Aspirationen der Mods waren ‚up-ward’, die der Rocker dagegen eher ‚downward’.“[21] Die Mods versuchten also durch ihren Stil (dessen einzelne Elemente im Folgenden näher beschrieben werden) eine Statuserhöhung herbeizuführen. Auch könnte man die feinen Anzüge, penibel gepflegten Haare und zur Schau gestellte elitäre Attitüde als eine Art Überaffirmation interpretieren, eine Art ironische Reaktion auf die besser gestellten Klassen, wie man es bereits von den sogenannten Teds (Teddy Boys) und ihrem aristokratischen Dandy-Look kannte:

„Schnell wurde der Edwardian style zum Kostüm der Arbeiterjugend, die sich in Kneipen und Cafés traf und ihr soziales Milieu durch den neuen Stil verwandelte. [...] So probten sie den symbolischen Aufstand gegen die Mittelklasse und führten deren Anspruch auf die haute couture ad absurdum.“[22]

Doch ob aus Gründen der Statuserhöhung, Überaffirmation oder beides zugleich, für viele Jugendliche der working-class wurde der Mod Way of Life zum Lebensinhalt.

[...]


[1] Sprechchor der Mods bei ihren Schlachten in den englischen Seebädern URL: http://www.geocities.ws/nesmith25/we_are_the_mods.htm

[2] Dabei konzentriert sich diese Arbeit auf die Mod-Kultur in Großbritannien, da es in Deutschland zwar ebenfalls Mods gab, die Kultur bei uns jedoch kaum nennenswerte Ausprägung annahm.

[3] Vgl. Ferchhoff 2007, S. 86

[4] Ebd., S. 93

[5] Vgl. ebd., S. 87

[6] Vgl. ebd., 2007, S. 90

[7] Ebd., 2007, S. 87

[8] Vgl. Völker 2008, S. 15

[9] Müller-Bachmann 2002, S. 207 zit. n. Völker 2008, S. 108

[10] Vgl. Völker, S. 108

[11] Ebd., S. 109

[12] Vgl. ebd., S. 110

[13] Clarke 1979, S. 142

[14] Lévi-Strauss 1966, zit. n. Clarke 1979, S. 136

[15] Clarke 1979, S. 138

[16] Ebd., S. 139

[17] Vgl. ebd., S. 139 f.

[18] Vgl. ebd., S. 141

[19] Vgl. Baacke 2007, S. 72

[20] Vgl. ebd., S. 70

[21] Ebd., S. 74

[22] Ebd., S. 71 f.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Jugendkultur im England der 1960er Jahre. Darstellung und Deutung des Mod-Phänomens
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Jugendkulturen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V314507
ISBN (eBook)
9783668130463
ISBN (Buch)
9783668130470
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendkulturen, Mods, Bricolage, Soziologie, Kulturwissenschaft, England, 60er Jahre
Arbeit zitieren
Natalja Fischer (Autor:in), 2012, Jugendkultur im England der 1960er Jahre. Darstellung und Deutung des Mod-Phänomens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314507

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Jugendkultur im England der 1960er Jahre. Darstellung und Deutung des Mod-Phänomens



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden