Fehlerklima im Fremdsprachenunterricht. Der produktive Umgang mit Fehlern und deren Korrektur


Bachelorarbeit, 2015

42 Seiten, Note: 1,3

Marisa Göhler (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Überblick

2. Der Fehler
2.1 Zum Begriff „Fehler“
2.1.1 Der Fehlerbegriff in der Linguistik
2.1.2 Der Fehlerbegriff im schulischen Kontext
2.2 Fehlerklassifikation
2.2.1 Einteilung nach der Regulationsebene
2.2.2 Einteilung nach Duncker in gute und schlechte Fehler
2.2.3 Einteilung nach dem Grad der Verständniserschwerung
2.2.4 Einteilung nach dem Sprachgebrauch
2.2.5 Einteilung nach der Sprachebene
2.3 Fehlerursachen
2.4 Der konstruktive Umgang mit Fehlern durch ein positives Fehlerklima
2.4.1 Ein positives Fehlerklima – Was ist das?
2.4.2 Fehler im Fremdsprachenunterricht nützlich machen
2.4.3 Möglichkeiten der Fehlerbehandlung

3. Die Korrektur
3.1 Die Schlüsselrolle der Korrektur
3.2 Zum Begriff „Korrektur“
3.3 Eigenschaften der Korrektur
3.4 Korrekturtypen bei Lehrern

4. Die Fehlerkorrektur bei schriftlichen Produktionen
4.1 Besonderheiten der schriftlichen Korrektur
4.2 Korrekturmodalitäten
4.2.1 Korrekturform
4.2.2 Sozialform
4.3 Variationsmöglichkeiten bei der schriftlichen Korrekturarbeit
4.4 Besprechung von korrigierten schriftlichen Produktionen

5. Die Fehlerkorrektur bei mündlichen Produktionen
5.1 Besonderheiten der mündlichen Korrektur
5.2 Zeitpunkt
5.3 Korrekturtypen
5.3.1 Einteilung nach Initiierungs- und Durchführungsaktant
5.3.2 Einteilung nach direkter und indirekter Korrektur
5.3.3 Gegenüberstellung der unterschiedlichen Korrekturarten
5.4 Gesten
5.5 Die Nicht-Korrektur von Fehlern

6. Fazit .

7. Bibliografie

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Überblick

Der Fremdsprachenunterricht (FSU) hat in den letzten Jahrzehnten einen starken Wandel erfahren. Insbesondere seit dem Erlass der abschlussbezogenen Bildungsstandards[1] in den Jahren 2003, 2004 und 2012 durch die Kultusministerkonferenz werden neue Schwerpunkte bei der Vermittlung von Fremdsprachen (FS) gelegt. Hier nimmt vor allem die Kompetenzorientierung eine vorherrschende Rolle ein, wobei auch der Umgang mit Fehlern von besonderem Interesse ist. Durch die Bildungsstandards wurde die Fokussierung auf Fehler, durch eine Betrachtung dessen, was der Lerner bereits kann, abgelöst (Can-do-Standards). Dies zieht eine Reformierung der Bedeutung des Fehlers im Unterricht nach sich und zeigt die Entwicklung von einem defizitorientierten Fehlerverständnis, hin zu einem kompetenzorientierten Fehlerklima.

Diese neue Rolle des Fehlers und welche Möglichkeiten sich dadurch für den Unterricht ergeben, soll Thema dieser Arbeit sein. Insbesondere der falsche Umgang mit Fehlern führt häufig zu Sprechängsten und Hemmungen, welche dem Ziel des Fremdsprachenunterrichts, der Befähigung zum kommunikativen Handeln, entgegenstehen. Daher soll aufgezeigt werden, wie Fehler produktiv im Unterricht genutzt werden können und welche positiven Effekte einer intensiven Fehlerarbeit entspringen können. Zudem können aus Fehlern wahre Lernchancen hervorgehen und diese ungenutzt zu lassen, wäre eine Verschwendung. Jedoch scheint in manchen Schulen entgegen dieses Wissens folgender Leitsatz zu gelten: „Jeder Fehler ist schlecht und sollte vermieden werden!“. Ziel dieser Arbeit ist es, eine andere Sichtweise auf Fehler zu präsentieren. Im Erstspracherwerb finden wir Fehler vollkommen natürlich und würden nicht auf die Idee kommen, ein Kind für seine sprachliche Unzulänglichkeit zu tadeln. Im Erwerb von Fremdsprachen werden Lerner für ihre Fehler jedoch oft bloßgestellt, anstatt Irrtümer als natürlichen Prozess des Lernens zu betrachten und positive Lernangelegenheiten aus ihnen zu ziehen. Dazu soll im ersten Teil dieser Arbeit geklärt werden, was überhaupt ein Fehler ist und welche verschiedenen Fehlerdefinitionen bestehen. Gibt es einen Unterschied zwischen dem Fehler aus linguistischer Sicht und dem Fehler im schulischen Kontext? Welche Arten von Fehlern unterscheidet man im Fremdsprachenerwerb? Kann man einen Nutzen aus Fehlern ziehen und wenn ja, welchen? Weiterhin soll geklärt werden, was ein positives Fehlerklima ist und wie sich dieses im Unterricht äußert.

Im Umgang mit Fehlen spielt natürlich auch die Korrektur eine wesentliche Rolle. Daher soll diese und ihren verschiedenen Formen ebenfalls Gegenstand dieser Arbeit sein. Auch hier stellen sich zahlreiche Fragen: Wann und wie werden Fehler korrigiert? Werden überhaupt alle Fehler korrigiert? Hat die Korrektur Auswirkungen auf den Lerner? Diese Fragen sollen im Laufe der Arbeit beantwortet werden. Zudem soll darauf eingegangen werden, welche Besonderheiten und Unterschiede bei der Korrektur mündlicher und schriftlicher Produktionen vorliegen und welche Variationsmöglichkeiten sich dem Lehrer im Unterricht bieten. Hierzu sollen einige Übungen genannt werden, welche im Unterricht durchgeführt werden können, um die Kompetenz der Selbstkorrektur bei Schülern zu fördern und Lernerautonomie herzustellen.

2. Der Fehler

2.1 Zum Begriff „Fehler“

Zu der Frage „Was ist ein Fehler?“ gibt es verschiedene Antwortmöglichkeiten, welche vor allem durch den Zusammenhang der Frage bestimmt werden. Außerdem hängt die Antwort von unserem Verständnis von Korrektheit und der Erwartungshaltung des Fragenden ab. Dies bedeutet auch, dass das Verständnis von Fehlern subjektiv ist und je nach Kontext unterschiedlich ausfallen kann.

Zudem ist das Vorhandensein von Fehlern meist recht einfach festzustellen, bei der Festsetzung einer Definition wird es hingegen schwieriger, da Fehler situationsabhängig sind und ihre Definitionen daher zum Teil sehr unterschiedlich ausfallen. Zudem ist das Fehlerkonzept in verschiedenen Wissenschaften oftmals ein anderes (vgl. Steuer, 2014: 15)[2]. So kann ein Fehler in der Schule als „Versagen oder schlechte Leistung“ deklariert werden, in der Mathematik als „Abweichung vom wahren Wert“ beschrieben werden oder in der Psycholinguistik als „unbeabsichtigte Falschleistung deren Unrichtigkeit bedingt ist durch ein Versagen der psychischen Funktionen“ definiert werden (vgl. Thieme, 1998: 11)[3].

2.1.1 Der Fehlerbegriff in der Linguistik

Zur Beantwortung der Frage „Was ist ein Fehler?“ wären innerhalb der Linguistik folgende Definitionen denkbar:

„Ein Fehler ist eine Abweichung vom Sprachsystem.“ (Kleppin, 2004: 19)[4]

„Ein Fehler ist eine Abweichung von der geltenden linguistischen Norm.“ (Kleppin, 2004: 19)

„Ein Fehler ist ein Verstoß dagegen, wie man innerhalb einer Sprechgemeinschaft spricht und handelt.“ (Kleppin, 2004: 19)

Wie bereits durch diese Definitionen deutlich wird, ist ein Fehler im Allgemeinen ein Verstoß oder eine Abweichung. Diese Abweichung wird vor allem von der Norm und dem Kontext der Frage bestimmt, also dem, was in einer Sprache als richtig oder falsch angesehen wird. Die Norm stellt dabei ein System von Regeln zur Kombination von durch Muttersprachler akzeptierten Elementen dar. Dieses Regelgeflecht spielt bei der Korrektur im Fremdsprachenunterricht eine wichtige Rolle, insbesondere bei Sprachen wie Spanisch, wo es eine Vielzahl von Varianten und daher unterschiedliche Normen gibt.

Fehlerhaftigkeit und damit auch Korrektheit sind demnach situationsabhängige Variablen, welche durch eine Vielzahl von Normkriterien bestimmt werden. Diese normativen Gesetzmäßigkeiten einer Sprache beziehen sich aber nicht nur auf die linguistische Norm, sondern auch auf die soziokulturelle Norm, die pragmatische Norm und die referenzielle Norm. Die linguistische Norm wird durch den Kode einer Sprachakademie, wie der Real Academia Española bestimmt und ist daher in den meisten Fällen leicht zu überprüfen. Die soziokulturelle Norm beinhaltet beispielsweise Regeln über Verhaltensweisen, Sitten und Bräuche, die zu einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft gehören. Des Weiteren spielt die pragmatische Norm eine Rolle, da sie auf die Fähigkeit, bestimmte linguistische Mittel auszuwählen verweist, z.B. „¿Te molesta si voy a verte?“ à „Sí, sí claro, ven!“ anstatt „No, no!“. Die referenzielle Norm bezieht sich auf die Korrespondenz von linguistischen Äußerungen und ihrem äußeren Kontext, z.B. „Mi maestra* de la universidad.“) (Ribas Moliné/ d´Arquino Hilt, 2004: 21)[5].

Aus linguistischer Sicht kann man festhalten, dass es sich bei Fehlern um Abweichungen von der Sprachnorm oder um Verstöße gegen diese handelt. Diese Verstöße sind in einigen Fällen deutlicher wahrnehmbar als in anderen und hängen von der Erwartungshaltung der Sprechergemeinschaft ab.

2.1.2 Der Fehlerbegriff im schulischen Kontext

Im FSU wird der Fehler zusätzlich durch die Unterrichtsnorm bestimmt, welche sich teilweise mit der linguistischen Sprachnorm widerspricht. Einerseits präsentiert das verwendete Lehrwerk eine bestimmte Norm, andererseits spielt die Sprachnorm des Lehrers eine wichtige Rolle. Das Lehrbuch stellt den Lernern ein ausgewähltes Vokabular und bestimmte grammatische Regeln bereit, wodurch der Lernverlauf stark zentriert und geregelt werden kann (abhängig von der Rolle des Lehrbuches im Unterricht). Als Muttersprachler einer Variante oder Nichtmuttersprachler und Kenner einer Variante, stellt sich bezüglich der Sprachnorm des Lehrers die Frage, welche Norm er persönlich verfolgt (vgl. Ribas Moliné/ d´Aquino Hilt, 2004: 22). Zudem werden natürlich nur die durch Lerner, Mitlerner oder Lehrer wahrgenommenen Abweichungen von der Sprachnorm als Fehler erkannt. Zumindest im Frontalunterricht ist meist der Lehrer die Endinstanz und entscheidet, was Fehler sind und was nicht. Dadurch wären für den schulischen Kontext auch folgende Fehlerdefinitionen denkbar:

„Ein Fehler ist das, was gegen die Regeln in Lehrwerken und Grammatiken verstößt.“ (Kleppin, 2004: 19)

„Ein Fehler ist das, was ein Lehrer als Fehler bezeichnet.“ (Kleppin, 2004: 19)

„Ein Fehler ist das, was gegen die Norm im Kopfe des Lehrers verstößt.“ (Kleppin, 2004: 19)

Bereits hier wird deutlich wie schwer es ist, eine einheitliche Definition zu finden, da nicht alle tatsächlichen Fehler von einer Lehrkraft erkannt werden oder richtige Schüleräußerungen vom Lehrer[6] als vermeintlich falsch gewertet werden könnten. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass es sich bei den meisten Fremdsprachenlehrkräften nicht um Muttersprachler handelt (dies soll eine fehlerhafte Sprachverwendung von Muttersprachlern jedoch nicht ausschließen) und sie meist nur Kenner einer Variante sind.

Ein weiteres Kriterium in der Frage, ob es sich um einen Fehler handelt oder nicht, stellt die Fehlerflexibilität bezüglich des Lernstandes der Schüler und der jeweiligen Unterrichtssituation dar. Je nach Lernstand der Schüler wird der Lehrer anders mit Fehlern umgehen. So werden einige Fehler im Anfangsstadium toleriert, welche bei fortgeschrittenem Niveau jedoch geahndet werden würden. Man kann jedoch keine Fehler anprangern, wenn der Schüler die dazugehörigen Regeln noch gar nicht gelernt hat (vgl. Ribas Moliné/ d´Alquino Hilt, 2004: 25). Aber auch bezüglich der Unterrichtssituation und entsprechend dem Lernziel einer Übung hat der Fehler einen unterschiedlichen Stellenwert. So werden in Übungssituationen bestimmte sprachliche Ziele verfolgt, z.B. das Üben der Bildung und Anwendung des Subjuntivo, in welcher der Lehrer Sätze wie *„Quiero que vienes hoy.“ nicht durchgehen lassen kann. In Konversationsphasen hingegen sind Lehrer oftmals toleranter und lassen die Gespräche in der Regel weiterlaufen, um sie nicht sofort wieder zu unterbrechen (vgl. Wulf, 2001: 118)[7].

Wie bereits aufgezeigt wurde, ist ein Fehler nicht gleich ein Fehler. Sie können verschiedene Ursachen haben und werden in der Bewertung unterschiedlich stark gewichtet. Bei dieser Gewichtung spielt vor allem der Grad der Verständniserschwerung eine Rolle, das heißt, welche kommunikativen Effekte der Fehler hat und wie stark er das Verständnis beeinträchtigt (vgl. Ribas Moliné/ d´Alquino Hilt, 2004: 25).

Es lässt sich also feststellen, dass die Fehlerdefinition im schulischen Kontext vor allem durch fünf Kriterien bestimmt wird. Diese sind wie auch beim linguistischen Fehlerbegriff die sprachliche Korrektheit und die Situationsangemessenheit, weiterhin aber auch unterrichtsabhängige Kriterien wie Lehrwerk oder Lehrer, Flexibilität bezüglich des Lernstandes und Unterrichtsphase sowie die Verständlichkeit der Äußerung (vgl. Kleppin, 2004: 20-22). Diese Kriterien kann man unter dem Begriff Unterrichtsnorm zusammenfassen, durch welche der Fehlerbegriff einen neuen Inhalt erhält und eine klare Abgrenzung zum linguistischen Fehlerbegriff erfährt (vgl. Kleppin/ Königs, 1991: 16)[8]. Dies wird in der nachstehenden Tabelle mit den kriterienbegründeten Fehlerdefinitionenen nach Kleppin nochmals zusammengefasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: kriterienbegründete Fehlerdefinition

Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Definitionen bleibt festzuhalten, dass es sich bei einem Fehler um eine Abweichung des Ist-Zustandes von dem Soll-Zustand handelt (vgl. Steuer, 2014: 15). Diese Definition trifft jedoch auch auf den linguistischen Fehlerbegriff zu und wird problematisch, „wenn es neben einer optimalen Lösung […] zahlreiche weitere Lösungsvarianten gibt“ (Steuer, 2014: 16). Daher soll in dieser Arbeit folgende Definition nach Steuer (2014: 19) als Grundlage verwendet werden:

„Ein Fehler ist eine Handlung oder ein Handlungsergebnis, welche bzw. welches von einer Norm (oder einem Ziel) abweicht oder von der Lehrkraft als falsch beurteilt wird und wider der Intention […] des Schülers geschieht.“

2.2 Fehlerklassifikation

2.2.1 Einteilung nach der Regulationsebene

Fehler lassen sich aufgrund ihrer Ursache grob in zwei Gruppen unterteilen (Corder, 1997, nach Kleppin 2004: 41; Rollett, 1999: 72)[9]: in Kompetenzfehler (error) und Performanzfehler. Bei Kompetenzfehlern handelt es sich um Fehler, die ein Lerner aus Unwissenheit begeht, weil er die richtige Form nicht kennt oder das Thema nicht verstanden hat. Das heißt, dass der Fehler vom Lernenden nicht selbst erkannt oder gar korrigiert werden kann. Daher sind sie für den FSU äußerst wichtig, da sie Hinweise darauf geben, an welchen Stellen das Wissen noch nicht korrekt bzw. noch nicht vollständig vorhanden ist (Steuer, 2014: 21).

Performanzfehler hingegen sind situative Fehler, die ein Lerner beispielsweise aus Müdigkeit, Nervosität oder Unachtsamkeit begeht und in anderen Momenten richtig machen würde. Wird dem Lernenden der Fehler bewusst gemacht, so kann dieser sich zumeist selbst berichtigen. Performanzfehler können nochmals in zwei Gruppen unterteilt werden. Bei Fehlern, welche durch eine „unvollkommene Automatisierung von bekannten Strukturen“ entstehen, spricht man von mistakes. Einfache Versprecher werden auch als lapsus bezeichnet (vgl. Ribas Moliné/ d´Alquino Hilt, 2004: 8).

Teilweise wird in der Fachliteratur auch die Klassifizierung von Edge (1989, nach Kleppin, 2004: 42) verfolgt. Dieser teilt Fehler in Ausrutscher (slips), Irrtümer (errors) und Versuche (attempts). Als Ausrutscher bezeichnet er Fehler, welche der Lernende selbst korrigieren kann, wenn er darauf hingewiesen wird. Das notwendige Wissen ist demnach beim Schüler vorhanden.

Begeht der Lernende einen Fehler, welchen er nicht machen sollte, da der entsprechende Stoff bereits im Unterricht behandelt wurde, so handelt es sich laut Edge um einen Irrtum. Diese Art des Fehlers zeigt auf, dass das sprachliche Phänomen nicht vom Lerner verstanden wurde oder bereits wieder in Vergessenheit geraten ist, sodass sie vom Lerner selbst nicht berichtigt werden können.

Schließlich führt Edge noch die Kategorie der Versuche an. Diese Art des Fehlers liegt vor, wenn ein Lerner etwas auszudrücken versucht, was er eigentlich noch nicht gelernt hat. Solche Äußerungen werden dementsprechend meist fehlerhaft und fallen in diese Kategorie.

Das 1990 von Reason (nach Steuer, 2014: 28) entwickelte Modell veranschaulicht die Regulationsebenen und die dazugehörigen Fehlerarten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei slips und lapses handelt es sich um Fehler der Handlungsausführung, regel- und wissensbasierte Fehler weisen hingegen auf eine fehlerhafte Interpretation, mangelndes Wissen oder die Anwendung falscher Regeln hin. Eine Kategorisierung der Fehler entsprechend den Regulationsebenen erscheint insofern sinnvoll, dass die Lehrkraft daraus ableiten kann, ob das entsprechende sprachliche Phänomen nicht verstanden wurde und somit nochmals erklärt werden muss oder nur noch nicht automatisiert wurde und daher mehr Übung benötigt. Dies setzt natürlich voraus, dass man die Lerner und ihre Leistungen über einen längeren Zeitraum beobachtet und daraufhin einschätzen kann. Dabei spielen vor allem das Wie und Wann beim Auftreten der Fehler eine wichtige Rolle und geben dem Lehrer Auskunft, um welche Fehlerkategorie es sich letztendlich handelt.

2.2.2 Einteilung nach Duncker in gute und schlechte Fehler

Duncker (1935) teilte Fehler in die Kategorien gute und schlechte Fehler ein. Damit unterscheidet er, ob aus dem Fehler ein Wissenszuwachs hervorgeht oder ob er zu keinem besseren Verständnis der Materie beiträgt. Gute Fehler sind seiner Meinung nach, notwendige Voraussetzungen für erfolgreiche Problemlösungen. Der Lernprozess liegt darin, dass man durch einen Misserfolg herausfindet, wie etwas nicht funktioniert und einen Strategiewechsel vornimmt (vgl. Steuer, 2014: 30).

„Schlechte Fehler hingegen bestehen in Wiederholungen von Handlungen, ohne dabei tieferes Verständnis zu generieren.“ (Steuer, 2014: 30) Das heißt, dass bei einem Lerner der gleiche Fehler immer wieder auftritt, jedoch keine Problemlösung stattfindet. Der Fehler wird nicht bearbeitet und kann daher nicht selbständig vom Schüler beseitigt werden.

2.2.3 Einteilung nach dem Grad der Verständniserschwerung

Ein wichtiges Kriterium bei der Klassifikation von Fehlern liegt darin, inwieweit sie das Verständnis erschweren. Kann der Sinn einer Aussage trotz des Fehlers verstanden werden, handelt es sich um einen nicht kommunikationsbehindernden Fehler. Kommt es aufgrund des Fehlers jedoch zu einem Zusammenbruch der Kommunikation, so spricht man von kommunikationsbehindernden Fehlern (vgl. Kleppin, 2004: 42).

Diese Art der Einteilung ist für den FSU von besonderer Bedeutung. Das Ziel des Unterrichts ist es, die Schüler zum kommunikativen Handeln in der jeweiligen Sprache zu befähigen. Daher sollten insbesondere die kommunikationsbehindernden Fehler im Unterricht analysiert und besprochen werden. Die gemeinsame Suche nach Lösungen sowie die Vermittlung von Kommunikationsstrategien ist folglich eine notwendige Konsequenz dieser Einteilung.

2.2.4 Einteilung nach dem Sprachgebrauch

Die Fehlereinteilung im Unterricht kann auch in Bezug auf den Sprachgebrauch (Usage) erfolgen. Dabei unterscheiden Dretzke und Nester (2001: 162)[10] fünf verschiedene Korrektheitsgrade:

1. acceptable usage
2. (*), (?) divided usage (native speakers differ in their reactions)
3. ? ill-established usage (native speakers unsure about acceptability): this category embraces structures of various types brought together only by the fact that rules governing their form and usage appear not be well established among users of the language.
4. ?* dubious usage (tending to unaccceptability, but not fully unacceptable): this category embraces a range of structure, which either cause mild discomfort or closely approach complete rejection as ungrammatical.
5. * unacceptable usage

Letztendlich muss die Lehrkraft entscheiden, was sie als Fehler wertet und was nicht, was natürlich auch in Verbindung mit der individuellen Sprachkompetenz des Lehrers geschieht. Des Weiteren müssen unterrichtsinterne Faktoren wie Lernstand der Schüler und Norm des Lehrbuches berücksichtigt werden.

2.2.5 Einteilung nach der Sprachebene

Bezüglich der Sprachebene unterscheidet Kleppin (vgl. 2004: 42f.) insgesamt fünf Fehlertypen:

- phonetische/ phonologische Fehler

Diese Fehler beziehen sich auf eine fehlerhafte Aussprache oder Orthografie, aber auch Intonationsfehler fallen in diese Gruppe.

- morphosyntaktische Fehler

Morphosyntaktische Fehler können beispielsweise bei falsch konjugierten Verben vorliegen oder auch die Satzstellung betreffen.

- lexikosemantische Fehler

Lexikosemantische Fehler beziehen sich auf Wörter, welche in einem falschen Kontext gebraucht wurden oder eine unerwünschte Bedeutungsveränderung hervorrufen.

- pragmatische Fehler

Pragmatische Fehler verweisen auf Stilbrüche oder unangemessene Wortwahl bzw. kulturell unangepasste Verhaltensverweisen.

- inhaltliche Fehler

Diese Fehlerart liegt vor, wenn inhaltlich falsche Äußerungen getätigt werden.

Obwohl der inhaltliche Fehler (und auch der pragmatische Fehler teilweise) die Sprachebene verlässt, soll er der Vollständigkeit halber hier aufgeführt werden, da es im Unterrichtsgeschehen häufiger zu inhaltlichen Fehlern kommt als in Alltagsgesprächen. Die Wiedergabe von Inhalten ist im Unterricht eine viel genutzte Methode, um zu überprüfen, ob Texte verstanden wurden, weshalb es dort häufiger zu Fehlern kommen kann. Sie gehören also zum Fehleralltag eines Fremdsprachenlehrers und sind daher für eine Fehlerklassifikation in Bezug auf den FSU nützlich, weshalb sie Zugang in diese Auflistung finden.

All diese Möglichkeiten der Fehlerklassifizierung bieten dem Lehrer einen ersten Anhaltspunkt, um später in der Korrektur auf den Fehler eingehen zu können. Dennoch tragen diese Einteilungen weder direkt zu einem produktiven Umgang mit Fehlern bei, noch lassen sie Rückschlüsse auf die Fehlerursache zu. Daher sollen im Folgenden einige der häufigsten Ursachen erläutert werden.

2.3 Fehlerursachen

Fehler können viele verschiedene Ursachen haben. Einige dieser Ursachen wurden bereits bei der Klassifikation von Fehlern beschrieben. Dabei wurden Performanzfehler auf Einflüsse wie Stress, Müdigkeit, Aufregung oder Angst zurückgeführt, welche in der Ursachenforschung unter den persönlichen Faktoren zusammengefasst werden. Befindet sich ein Lerner in Stresssituationen, empfindet Angst oder ist schlichtweg müde, so passieren häufiger Fehler und die Kompetenz der Selbstkorrektur ist stark eingeschränkt. Aber auch Desinteresse oder Tagesform beeinflussen das Auftreten von Fehlern (vgl. Kleppin, 2004: 38).

Neben den persönlichen Faktoren, können Fehler auch aufgrund interlingualer Einflüsse, den sogenannten Interferenzen, geschehen. Diese sind negative Transfers der Muttersprache oder anderer (Fremd-)Sprachen in die Zielsprache (vgl. Kleppin, 2004: 30), wie z.B. * el tiempo corre (vom Deutschen: die Zeit rennt) anstelle von el tiempo vuela oder * también no pienso que … anstelle von tampoco pienso que. Insbesondere Vertreter der sogenannten Kontrastiv-Hypothese[11] glauben, dass speziell die Unterschiede zwischen den Sprachen den Lernern Schwierigkeiten bereiten. Daher gehen sie davon aus, dass Fehler vor allem durch den „mehr oder weniger unbewussten Transfer des Lerners von Strukturen der Muttersprache auf das System der zu erlernenden Sprache“ (Spillner, 2009: 551)[12] verursacht werden, jedoch sind nicht alle Fehler durch negative Transfers zu erklären.

Außerdem sollen noch die intralingualen Faktoren genannt werden, d.h. Einflüsse von Elementen der Fremdsprache selbst. Hier werden die Übergeneralisierung, Regularisierung und Simplifizierung unterschieden (vgl. Kleppin, 2004: 32f.; Kleppin, 2009: 65)[13].

[...]


[1] Bisher wurden Bildungsstandards nur für die Fächer Deutsch, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik und die erste Fremdsprache (Englisch oder Französisch) vereinbart. Durch das Fehlen der Bildungsstandards für das Fach Spanisch oder allgemeiner Bildungsstandards für die zweite und dritte Fremdsprache, orientiert man sich an den groben Eckpunkten der Vereinbarungen für Englisch und Französisch. (vgl. Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz (2004): Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz. Erläuterungen zur Konzeption und Entwicklung. http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Bildungsstandards-Konzeption-Entwicklung.pdf)

[2] Steuer, G. (2014): Fehlerklima in der Klasse. Wiesbaden: Springer.

[3] Thieme, A. (1998): Mein Fehler – meine Chance. Neubewertung von Fehlleistungen. Grundschulmagazin 7-8, S. 11-13.

[4] Kleppin, K. (52004): Fehler und Fehlerkorrektur, München: Langenscheidt.

[5] Ribas Moliné, R./ d´Aquino Hilt, A. (2004): ¿Cómo corregir errores y no equivocarse en el intento?, Madrid: Edelsa Grupo Didascalia, S.A. (Colección investigación didáctica).

[6] Zur Erleichterung des Leseflusses werden im Folgenden die Begriffe „Lehrer“, „Lerner“, „Schüler“ und „Muttersprachler“ generisch verwendet und bezeichnen ebenso das weibliche wie auch das männliche Geschlecht.

[7] Wulf, H. (2001): Comunicative Teacher Talk: Vorschläge zu einer effektiven Unterrichtssprache. Isma-ning: Hueber.

[8] Kleppin, K./ Königs, F. G. (1991): Der Korrektur auf der Spur – Untersuchungen zum mündlichen Kor-rekturverhalten von Fremdsprachenlehrern. Bochum: Universitätsverlag Brockmeyer, (Manuskripte zur Sprachlehrforschung, Band 34).

[9] Rollett, B. (1999): Auf dem Weg zu einer Fehlerkultur. Anmerkungen zur Fehlertheorie von Fritz Oser. In: Fehlerwelten. Vom Fehlermachen und Lernen aus Fehlern. Opladen: Leske und Budrich.

[10] Dretzke, B./ Nester, M. I. (2001): Student’s guide to false friends, old friends and new friends. Berlin: Cornelsen.

[11] Zudem existiert die sogenannte Interlanguage-Hypothese, welche davon ausgeht, dass das Erlernen einer FS in charakteristischen interimsprachlichen Lernstufen erfolgt, in denen typische Fehler begangen werden. Bisher gibt es jedoch keine Beweise dafür, dass die Kompetenzstufen der Interlanguage verschiedener Lerner universal sind (vgl. Spillner, 2009: 551).

[12] Spillner, B. (52009): Was der Fremdsprachenunterricht von der Fehleranalyse erwarten darf. In: Prakti-sche Handreichung für den Fremdsprachenlehrer. Frankfurt am Main: Peter Lang, (Band 2).

[13] Kleppin, K. (52009): Umgang mit Fehlern im Fremdsprachenunterricht. In: Praktische Handreichung für den Fremdsprachenlehrer. Frankfurt am Main: Peter Lang, (Band 2).

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Fehlerklima im Fremdsprachenunterricht. Der produktive Umgang mit Fehlern und deren Korrektur
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Romanistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
42
Katalognummer
V314558
ISBN (eBook)
9783668131439
ISBN (Buch)
9783668131446
Dateigröße
1004 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spanisch, Fachdidaktik, Fehler, Fehlerkorrektur, Korrektur, Fremdsprache, Didaktik, Umgang mit Fehlern, Fehlerklima, Fehlerkultur, mündliche Korrektur, schriftliche Korrektur
Arbeit zitieren
Marisa Göhler (Autor:in), 2015, Fehlerklima im Fremdsprachenunterricht. Der produktive Umgang mit Fehlern und deren Korrektur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314558

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Fehlerklima im Fremdsprachenunterricht. Der produktive Umgang mit Fehlern und deren Korrektur



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden