Systemische Therapie und Beratung ist die Sammelbezeichnung für eine bestimmte Art des Denkens und Handelns, die in den 1950er Jahren als sogenannte „Familientherapie“ begann. Systemische Konzepte gehen davon aus, dass das Verhalten eines Menschen immer Sinn in seinem besonderen Lebenszusammenhang, seinem Kontext macht. Das Erforschen des Lebenszusammenhangs des Klienten und das Verstehen warum das Problem in diesem Zusammenhang Sinn ergibt, stehen im Zentrum der Interventionen.
Ab Ende der 1980er Jahre, als sich das systemische Denken in Beratung und Therapie etablierte, begann auch die Behindertenpädagogik, sich mit diesen Konzepten auseinanderzusetzen. Dies in einer Zeit, als die Definition von Behinderung einem Paradigmenwechsel unterworfen war und (behindernde) Strukturen der Einrichtungen und Organisationen in den Blick genommen wurden (Strubel/Weichselgartner 1995, S. 78ff). Was damals fehlte, waren Erklärungsmodelle und Behandlungsansätze für Menschen mit Behinderungen, die durch Verhalten auffielen, welches psychischen Störungen zugeschrieben wurde.
Hier kann inzwischen die systemische Perspektive Abhilfe schaffen, denn sie sieht Behinderung als individuelle Bedingung, als Kontextvariable. Das heißt, das Verhalten und die Besonderheiten des behinderten Menschen können als sinnvolle Lebensäußerung in einem konkreten Kontext verstanden werden. Das Erklären und Verstehen von Verhalten ermöglicht es schließlich, Ansatzpunkte für Veränderung zu formulieren, die nicht notwendigerweise in der von Behinderung betroffenen Person liegen, sondern in ihrem sozialen Umfeld.
So ist es folgerichtig, dass auch die Methoden aus der systemischen Therapie und Beratung in der Arbeit mit Menschen mit geistigen Behinderungen und auffälligem Verhalten Einzug gehalten haben.
In Kapitel 1 wird die Entstehungsgeschichte der systemischen Therapie und Beratung dargestellt. Anschließend werden im zweiten Kapitel die Systemtheorie sowie der Konstruktivismus skizziert. Diese bilden die zwei wesentlichen erkenntnistheoretischen Modelle, auf denen das systemische Denken und Handeln basiert. Das 3. Kapitel stellt die Grundprinzipien systemischer Praxis vor. Im Anschluss daran wird in Kapitel 4 schließlich das systemische Handeln in der Arbeit mit Menschen mit geistigen Behinderungen konkretisiert. Die Darstellung der Methoden folgt dabei dem idealtypischen Verlauf eines Beratungs- und Therapieprozesses.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1 Entstehungsgeschichte: Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung
2 Theorie systemischen Denkens und Handelns
2.1 Systemtheorie
2.2 Konstruktivismus
3 Grundprinzipen systemischer Therapie und Beratung
4 Systemisches Handeln in der Arbeit mit Menschen mit geistigen Behinderungen
4.1 Verhalten erkennen: Problem und Ressourcen erfassen
4.2 Verhalten erklären: Informationen auswerten
4.3 Verhalten verstehen: Hypothesen bilden und Ziele definieren
4.4 Verhalten verändern: Intervenieren und Prozesse begleiten
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
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