Neuartige Kommunikations- und Informationstechnologien, ein verändertes Konsumentenverhalten und verschärfte Wettbewerbsbedingungen kennzeichnen die dynamischen Entwicklungen, mit denen sich das Mikro- und Makro-Umfeld von Unternehmen konfrontieren müssen. Durch eine Homogenisierung von angebotenen Produkten und kaum noch vorhandenen Qualitätsunterschieden laufen viele Einzelhandelsunternehmen derselben Branche Gefahr, ihr Profil zu verlieren. Eine grundlegende Basis, um erfolgreiche Zukunftsszenarien von Handelsunternehmen gestalten zu können, bilden dabei emotionale Empfinden, die bei den Konsumenten am Point of Sale ausgelöst werden.
Die sich ausbreitende Erlebnisorientierung resultiert aus einem grundlegenden Wertewandel von Kunden, der geprägt ist durch eine Hinwendung zur Selbstverwirklichung und der sinnlichen Begierde nach Unterhaltung. Dadurch werden Einkaufsgenuss und emotionale Qualitäten zu neuen Konsumzielen. Ziel eines Ladenauftritts sollte die Vermittlung positiver Emotionen sein. Im stationären Einzelhandel rücken die Forderungen nach Information, Unterhaltung, Stimulation und innovativen Gestaltungselementen in den Fokus. Im besten Fall bildet sich beim Konsumenten ein Gesamteindruck eines emotionales Erlebnisses, das diesen befriedigt und nachhaltig zufrieden stimmt.
Die beschriebene Ausgangssituation und die erläuterten Entwicklungen, bilden die Motivation der vorliegenden Arbeit, sich mit dem Thema Konsumentenverhaltensforschung und dessen Auswirkung auf Kunden, zu befassen. Der Fokus liegt dabei auf dem Ladenauftritt (Point of Sale) von Textileinzelhandelsunternehmen.
In dieser Arbeit werden zunächst wissenschaftlich fundierte Theorien über Grundlagen des Konsumentenverhaltens, Kaufentscheidungen, Kaufprozessen und psychische Erklärungsansätze erläutert, um dem Leser diese Themen näher zu bringen. Anschließend soll eine empirische Erhebung zum Thema „Point of Sale Wahrnehmung von potentiellen Konsumenten“ durchgeführt werden. Darauf aufbauend soll anhand eines Benchmark Prozesses analysiert werden, wie Unternehmen Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung gezielt einsetzen, um potentielle Kunden verkaufsfördernd zu beeinflussen. Dabei wird konkret betrachtet, welche Auswirkungen die individuellen Gestaltungsformen am Point of Sale auf Kunden haben.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Ausgangssituation und Motivation der Arbeit
1.2. Zielsetzung und Aufbau
2. Grundlagen der Konsumentenverhaltensforschung
2.1. Begriffserklärung und Ziel
2.2. Entwicklung der Konsumentenverhaltensforschung
3. Grundlagen von Kaufentscheidungen
3.1. Überblick
3.2. Typen von Kaufentscheidungen
3.2.1. Extensives Kaufverhalten
3.2.2. Limitiertes Kaufverhalten
3.2.3. Habituelles Kaufverhalten
3.2.4. Impulsives Kaufverhalten
4. Analyse der Kaufprozesse von Konsumenten
4.1. Grundlagen
4.1.1. Güterkategorie
4.1.2. Grad der kognitiven Steuerung
4.1.3. Psychische Determinanten
4.1.4. Phasenansatz
4.1.5. Phasenmodell und dessen kritische Betrachtung
4.2. Ausgewählte theoretische Erklärungsansätze
4.2.1. Ökonomisch theoretische Ansätze
4.2.1.1. Normativer Ansatz der Haushaltstheorie:
4.2.1.2. Informationsökonomischer Ansatz
4.2.2. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze
4.2.2.1. Vergleichende Verhaltensforschung
4.2.2.2. (Psycho-)Biologischer Ansatz
4.2.2.3. Tiefenpsychologie
4.2.2.4. Behaviorismus
4.2.2.5. Neobehaviorismus
4.2.2.6. Kognitive Psychologie
4.2.2.7. Soziologische Ansätze
4.2.2.8. Stimulus-Response- (SR) und Stimulus-Organism-Response Modell (SOR)
4.2.2.9. Totalmodelle
4.2.3. Verknüpfung der theoretischen Erklärungsansätze
5. Psychische Erklärungsansätze des Konsumentenverhaltens
5.1. Aktivierende Prozesse
5.1.1. Aktivierung
5.1.1.1. Theoretische Grundlagen von Aktivierung
5.1.1.2. Bedeutung von Aktivierung für das Marketing
5.1.2. Emotion
5.1.2.1. Theoretische Grundlagen von Emotion
5.1.2.2. Bedeutung von Emotion für das Marketing
5.1.3. Motivation
5.1.3.1. Theoretische Grundlagen von Motivation
5.1.3.2. Bedeutung von Motivation für das Marketing
5.1.4. Einstellung
5.1.4.1. Theoretische Grundlagen von Einstellung
5.1.4.2. Bedeutung von Einstellung für das Marketing
5.2. Kognitive Prozesse
5.2.1. Kognition
5.2.1.1. Theoretische Grundladen von Kognition
5.2.1.2. Bedeutung von kognitiven Prozessen für das Marketing
5.2.2. Informationsaufnahme
5.2.3. Informationsverarbeitung
5.2.4. Informationsspeicherung
6. Konsumentenverhaltensforschung am Point of Sale und dessen Auswirkung auf Kunden
6.1. Einleitender Überblick
6.2. Empirische Erhebung zum Thema „POS Wahrnehmung von potentiellen Konsumenten“
6.3. Benchmarking von Zara und ATEU
6.3.1. Der Ladenauftritt von Zara und ATEU
6.3.1.1. Analyse der Fassaden- und Schaufenstergestaltung
6.3.1.2. Analyse der Ladenlayouts
6.3.1.3. Analyse der Ladenatmosphäre
6.3.2. Zusammenfassung der Resultate des Benchmarkings
6.4. Ableitung einer Handlungsempfehlung für ATEU
7. Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang 1
Anhang 2
Anhang 3
Anhang 4
Anhang 5
Anhang 6
Anhang 7
Anhang 8
Anhang 9
Anhang 10
Anhang 11
Anhang 12
Anhang 13
Anhang 14
Anhang 15
Anhang 16
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kundenbeziehungen
Abbildung 2: Freuds "psychischer Apparat"
Abbildung 3: SR-Modell
Abbildung 4: SOR-Modell
Abbildung 5: EDEKA Werbekampagne
Abbildung 6: Beliebtheit von EDEKA Werbekampagnen
Abbildung 7: „Modell des Konsumentenverhaltens“ von Blackwell/Miniard/Engel
Abbildung 8: Weiber Konsumentenverhalten-Schalenmodell
Abbildung 9: Aktivierung durch Werbung
Abbildung 10: Means-End-Chain Cola Zero
Abbildung 11: Werbungen von Adidas und Nivea
Abbildung 12: Ladeneingang von ATEU
Abbildung 13: Zara Ladenaufbau
Abbildung 14: Verkaufsraum von ATEU
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ergebnisse aus empirischer Erhebung
1. Einleitung
In diesem Kapitel werden Ausgangssituation, Motivation, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit beschrieben.
1.1. Ausgangssituation und Motivation der Arbeit
Neuartige Kommunikations- und Informationstechnologien, ein verändertes Konsumentenverhalten und verschärfte Wettbewerbsbedingungen kennzeichnen die dynamischen Entwicklungen, mit denen sich das Mikro- und Makro-Umfeld von Unternehmen konfrontieren müssen. Durch eine Homogenisierung von angebotenen Produkten und kaum noch vorhandenen Qualitätsunterschieden laufen viele Einzelhandelsunternehmen der selben Branche Gefahr, ihr Profil zu verlieren.[1]
Dadurch, dass sich Anbieter zu sehr ähneln und vermehrt vergleichbare Produkte zu vergleichbaren Preisen anbieten, befürchten zahlreiche Unternehmen eine weitere Zunahme des Preiswettbewerbs. Eine grundlegende Basis, um erfolgreiche Zukunftsszenarien von Handelsunternehmen gestalten zu können, bilden dabei emotionale Empfinden, die bei den Konsumenten am Point of Sale ausgelöst werden.[2]
Einschlägiger Literatur kann man entnehmen, dass durch eine immer schwieriger werdende erfolgreiche Differenzierung bzw. Positionierung, eine verstärkte Erlebnisorientierung, insbesondere auf gesättigten Märkten, ein grundlegender Bestandteil des zukünftigen Managements sein wird. Begünstigt durch die qualitative Austauschbarkeit vieler Produkte, rückt das Erlebnisprofil des Angebots zunehmend in den Fokus der Präferenzen von Konsumenten.[3]
Die sich ausbreitende Erlebnisorientierung resultiert aus einem grundlegenden Wertewandel von Kunden, der geprägt ist durch eine Hinwendung zur Selbstverwirklichung und der sinnlichen Begierde nach Unterhaltung. Dadurch werden Einkaufsgenuss und emotionale Qualitäten zu neuen Konsumzielen. Das Hauptaugenmerk liegt auf einer Profilierungs- bzw. Differenzierungsstrategie, die darauf abzielt, die Attraktivität des Point of Sale zu steigern und den veränderten Konsumentenverhalten gerecht zu werden. Ziel eines Ladenauftritts sollte die Vermittlung positiver Emotionen sein.
In der Wissenschaft geht man heutzutage von einem multioptionalen Konsumverhalten aus, bei dem Konsumenten ihre Rollen und Gruppenzugehörigkeiten wechseln, und mehrere Handlungsprinzipien gleichzeitig verfolgen (siehe Anhang 1).[4]
Kunden streben nach Selbstverwirklichung und versuchen ihre Individualität durch das Einkaufsverhalten zu unterstreichen. Wobei emotionale Stimulierung durch den Point of Sale zum Einkaufsmotiv wird. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass Kunden die materielle Versorgung allein nicht mehr ausreicht. Der Unterhaltungsfaktor und die emotionale Aktivierung stehen im Vordergrund.[5]
Im stationären Einzelhandel rücken die Forderungen nach Information, Unterhaltung, Stimulation und innovativen Gestaltungselementen in den Fokus. Im besten Fall bildet sich beim Konsumenten ein Gesamteindruck eines emotionales Erlebnisses, dass diesen befriedigt und nachhaltig zufrieden stimmt. Ziel von Anbietern funktional austauschbarer Güter (z.B. Textilwaren) sollte es sein, sich in der sich verschärfenden Wettbewerbssituation durch Emotionalisierung von den Konkurrenten, zu differenzieren.[6]
Die beschriebene Ausgangssituation und die erläuterten Entwicklungen, bilden die Motivation der vorliegenden Arbeit, sich mit dem Thema Konsumentenverhaltensforschung und dessen Auswirkung auf Kunden, zu befassen. Der Fokus liegt dabei auf dem Ladenauftritt (Point of Sale) von Textileinzelhandelsunternehmen liegen.
1.2. Zielsetzung und Aufbau
In dieser Arbeit werden zunächst wissenschaftlich fundierte Theorien über Grundlagen des Konsumentenverhaltens, Kaufentscheidungen, Kaufprozessen und psychische Erklärungsansätze erläutert, um dem Leser diese Themen näher zu bringen.
Anschließend soll eine empirische Erhebung zum Thema „Point of Sale Wahrnehmung von potentiellen Konsumenten“ durchgeführt werden. Darauf aufbauend soll anhand eines Benchmark Prozesses analysiert werden, wie Unternehmen Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung gezielt einsetzen, um mögliche Kunden verkaufsfördernd zu beeinflussen. Dabei wird konkret betrachtet, welche Auswirkungen die individuellen Gestaltungsformen am Point of Sale auf Kunden haben und wo die jeweiligen Defizite liegen.
Ziel dieser Arbeit ist es aus den daraus gewonnenen Informationen, eine Handlungsempfehlung für ein ausgewähltes Textileinzelhandelsunternehmen (ATEU)[7] abzuleiten.
Strukturell ist die Arbeit in sieben verschiedene Kapitel gegliedert:
- Nach der Einleitung folgt in Kapitel 2 eine Begriffserklärung, um darauf aufbauend die Entwicklung der Konsumentenverhaltensforschung darzulegen, damit ein sich deckendes Verständnis über das Thema der vorliegenden Arbeit entsteht.
- Kapitel 3 geht auf die Typen von Kaufentscheidungen ein und erklärt deren Entstehen.
- Das darauf folgende vierte Kapitel analysiert die Kaufprozesse von Konsumenten anhand von Grundlagen und ausgewählten theoretischen- und verhaltenswissenschaftlichen Erklärungsansätzen.
- Im fünften Kapitel wird auf die psychischen Erklärungsansätze eingegangen, bei denen die aktivierenden und kognitiven Prozesse im Fokus stehen.
- Der Schwerpunkt des sechsten Kapitels liegt auf der Konsumentenverhaltensforschung am POS und dessen Auswirkungen auf Kunden. Nach einem einleitenden Überblick, folgt eine empirische Erhebung zum Thema „POS Wahrnehmung von potentiellen Konsumenten“. Danach sollen mit Hilfe eines Benchmark Verfahrens die Unternehmen Zara und ATEU, anhand von festgelegten Kriterien, miteinander verglichen werden. Ziel der empirischen Erhebung und des Benchmarkings ist die Ableitung einer Handlungsempfehlung für ATEU.
- Das letzte Kapitel (sieben) fasst die herausgearbeiteten Erkenntnisse zusammen, überprüft ob das Ziel der Arbeit erreicht wurde und gibt abschließend einen Ausblick.
2. Grundlagen der Konsumentenverhaltensforschung
2.1. Begriffserklärung und Ziel
Die Konsumentenforschung beruht auf einer verhaltenswissenschaftlichen Denkweise und versucht sich von rationalen Ansätzen zu entfernen, wie zum Beispiel von der Vorstellung des vollkommenen Marktes, sowie dem Menschenbild des Homo oeconomicus (Ein menschliches Wesen was ausschließlich rationale Entscheidungen trifft, ohne Gefühle und Emotionen). Es wird versucht das Entscheidungsverhalten von Einzelpersonen, Gruppen oder ganzen Organisationen in Bezug auf dessen Konsum, mithilfe der Verhaltens- und Sozialwissenschaften, der Biologie, der Psychologie und Gehirnforschung, zu erfassen und es zu analysieren.
Unter dem Begriff „Konsumentenverhalten“ versteht man im engeren Sinne einerseits, das „äußere“ beobachtbare Verhalten eines Menschen beim Kauf und Konsum von wirtschaftlichen Gütern, ohne dabei Gefühle oder die Gründe des Verhaltens zu berücksichtigen (Käuferverhalten). Andererseits auch das „innere“ nicht beobachtbare Verhalten. Die Konsumentenverhaltensforschung versucht die Fragen „Wie und Warum“ zu beantworten und somit die Gründe für das Verhalten von Konsumenten zu analysieren. Im weiteren Sinne wird unter Konsumentenverhalten, das Verhalten vom Verbraucher von materiellen und immateriellen Gütern in einer Gesellschaft, verstanden.[8]
Eine weiter gefasste Definition von Konsumentenverhaltensforschung liefern MacInnes und Folkes: „Konsumentenverhaltensforschung ist beeinflusst durch die Erforschung von Kauf, Konsum und Entsorgung von Produkten am Güter- und Dienstleistungsmarkt.“[9]
Das Ziel der Konsumentenverhaltensforschung ist nicht nur die Beantwortung der Frage nach „Wie und Warum“, sondern aus der daraus resultierenden Analyse, mögliche Handlungsempfehlungen zu generieren, wie Konsumenten am besten zu beeinflussen sind. Der ausgeweitete Konsumentenbegriff ist in enger Verbindung mit dem Marketingbegriff von Kotler zu sehen. Demnach hat Marketing die Aufgabe, Austauschprozesse zu gestalten, durch welche die Bedürfnisse von Individuen oder Gruppen befriedigt werden, insbesondere die Austauschprozesse zwischen Anbietern (Unternehmen) und Nachfragern (Konsumenten). Marketing bezieht sich aber auch auf nicht-kommerzielle Austauschprozesse, zum Beispiel zwischen Museen und Bürgern, welche die Leistung der Einrichtung in Anspruch nimmt.[10]
2.2. Entwicklung der Konsumentenverhaltensforschung
Die Wurzeln der Konsumentenforschung finden sich 1920 in der Vereinigten Staaten ausfindig machen. Die erste ernstzunehmende Durchsetzung-Phase der neuen Forschungsrichtung beginnt aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. An amerikanischen Universitäten entwickelte man das eigenständige Fach „Konsumentenverhaltensforschung“, welches zu einem wichtigen Bestandteil innerhalb der Marketingvorlesung wurde. Dokumentiert wurde dies in den heutigen Standardwerken von z.B. Lincoln Clark (1955) „The Life Cycle and Consumer Behavior“, oder von Howard and Sheth (1969) „The Theory of Buyer Behavior“.
Der Markt in Deutschland war, nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die späten 60er-Jahre, geprägt durch eine Verkäufermarktsituation. Deshalb konzentrierte sich die Betriebswirtschaftslehre vorwiegend auf Fragestellungen der rationalen Erweiterung der Beschaffung- und Produktionskapazitäten. Durch steigende Angebote, beginnendem Verdrängungswettbewerb und fortschreitender Individualisierung des Konsums wurde es unabdingbar, dem verhaltenswissenschaftlichen Ansatz mehr Aufmerksamkeit zu gewähren, mehr Ressourcen dafür einzusetzen und ihn auch hier zu professionalisieren.
In den 70er-Jahren erschienen die ersten deutschsprachigen Veröffentlichungen zur Konsumentenforschung, allen voran Werner Kroebel-Riel (1973) mit dem Standardwerk zum „Konsumentenverhalten.“ Mit Blick auf die Veröffentlichungen zum Thema Konsumentenforschung der letzten Jahre ist festzustellen, dass in den meisten Fällen der „erweiterte“ verwendet wird. Die Studien zum Konsumentenverhalten beziehen sich zum Teil auf sehr unterschiedliche und breit gefächerte Themengebiete, wie zum Beispiel: Konsum von Markenartikeln, die Reaktion von Bürgern auf politische Themen, oder die fortlaufende Entwicklung der Einstellung zum Umweltschutz.[11]
In der amerikanischen Forschung hat sich in den letzten Jahren der Begriff „Transformative Consumer Research (TCR)“ entwickelt. TCR steht für die Förderung, Unterstützung und Entwicklung von Produkten, die der Sozialfürsorge und Lebensqualität einer Bevölkerung zu gute kommen. TCR-Forscher befassen sich auch mit Themengebieten der Gesundheitsförderung (z.B. wie man Konsumenten dazu motivieren kann, sich gesünder zu ernähren), oder dem demographischen Wandel. Denn oftmals gehen mit dem Alterungsprozess auch sich verändernde Konsumeigenschaften einher. Demzufolge ist festzustellen, dass das Thema Konsumentenverhaltensforschung ein sehr breit gefächertes Gebiet ist, und nicht nur auf das reine Konsumverhalten reduziert werden kann.[12]
3. Grundlagen von Kaufentscheidungen
Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Typen von Kaufentscheidungen.
3.1. Überblick
Um die komplexen Verhaltensweisen bei Kaufentscheidungen zu differenzieren, werden Kaufentscheidungstypen anhand vom Grad der kognitiven (gedanklichen) Steuerung unterschieden. Nach Kroeber-Riel, Weinberg und Gröppel-Klein (2009) wird unterschieden in:
- Kaufentscheidungen, mit starker gedanklicher Steuerung, wie das extensive Kaufverhalten und limitierte Kaufverhalten (vereinfachte Entscheidungen).
- Entscheidungen mit geringer kognitiver Steuerung, wie habituelles Verhalten (Gewohnheitsverhalten) und impulsives Verhalten.
Heutzutage werden aus der Sicht der Konsumentenverhaltensforschung zahlreiche Bestimmungsgründe für das Auftreten der o.g. Kaufentscheidungstypen herangezogen. Beispiele für Bestimmungsgründe können auf dem Konsumgütermarkt die Art der Produkte, die Kaufsituation und die individuelle Prädisposition des Entscheiders sein.[13]
Produktarten können Gebrauchs- und Verbrauchsgüter sein sowie Convience, Shopping und Speciality Goods (werden im Kapitel 4.1.1 näher erklärt). In der Kaufsituation sind beispielweise emotionale Reize der Situation oder Zeitdruck entscheidend. Zu den persönlichen Prädispositionen kann man das Informationsniveau und das Involvement des Konsumenten zählen (wird in Kapitel 5.1.4.2 erläutert). Hier spielen aktivierende und kognitive Komponenten (siehe Kapitel 5.1 und 5.2) eine Rolle.[14]
3.2. Typen von Kaufentscheidungen
3.2.1. Extensives Kaufverhalten
Das extensive Kaufverhalten ist durch hohe kognitive Beteiligung des Konsumenten gekennzeichnet, weil die Absichten zum Kauf erst während des Entscheidungsprozesses präzisiert werden: ein sogenannter Suchkauf. Merkmale die ein solches Kaufverhalten charakterisieren können, sind ein hoher Bedarf an Informationen, eine lange Entscheidungsdauer und die Wahrnehmung der Bewertungskriterien. Tendenziell tritt ein solches Entscheidungsverhalten häufiger auf, je weniger Erfahrungen der Konsument mit der Güterart hat.[15]
3.2.2. Limitiertes Kaufverhalten
Limitierte Kaufentscheidungen kommen zustande, wenn der Konsument bereits über Kauferfahrungen verfügt, ohne aber eine bestimmte Alternative eindeutig zu präferieren. Charakteristika von limitiertem Kauverhalten können sein, dass Konsumenten bereits über bewährte Kauferfahrungen verfügen, diese nur eine begrenzte Anzahl von Angebotsalternativen berücksichtigen. Außerdem entscheidet das Anspruchsniveau über die Dauer des Entscheidungsprozesses. Sobald eine Alternative gefunden wurde, die den Ansprüchen genügt, endet der Entscheidungsprozess.[16]
3.2.3. Habituelles Kaufverhalten
Habituelles Kaufverhalten basiert auf Einkaufsgewohnheiten, die ein verfestigtes Verhaltensmuster darstellen. Der Konsument setzt vorgefertigte Einkaufsentscheidungen in Kaufhandlungen um. Habituelle Entscheidungen laufen fast automatisch ab (ohne hohen kognitiven Einsatz). Daraus resultiert, dass ein Konsument meist die gleichen Leistungen, Marken kauft oder die gleichen Einkaufsstätten besucht. Ein habituelles Kaufverhalten kann eine Fortführung und Vereinfachung von ursprünglich extensivem, oder limitierten Entscheidungen, sein. Es ist auch möglich, dass ein Impulskauf (siehe nächstes Kapitel) gewohnheitsmäßige Entscheidungen einleitet, wenn dieser den Konsumenten befriedigt hat.[17]
3.2.4. Impulsives Kaufverhalten
Impulsive Käufe sind ungeplant und werden kognitiv kaum kontrolliert. Diese unterliegen einer ausgeprägten Reizsituation und werden meistens emotional stark beeinflusst (Aktivierende Prozesse werden im Kapitel 5.1 näher erläutert). Der Konsument reagiert auf die externen Reize. Hier liegt der Unterschied zu o.g. Einkaufstypen, die wenig bis stark gedanklich gesteuert werden. Am Point of Sale (POS) werden bewusst Einkaufsstimulierende Reize eingesetzt, um Kunden zu Impulskäufen zu verleiten, die sie eigentlich gar nicht geplant haben. Beispiele sind stimulierende Warenpräsentationen, Ladenatmosphäre oder der Ladenbau (siehe Kapitel 6). Impulsives Kaufverhalten wird aber auch durch individuelle Persönlichkeitsmerkmale beeinflusst und begünstigt, wie zum Beispiel Spontanität.[18]
4. Analyse der Kaufprozesse von Konsumenten
Dieses Kapitel beinhaltet die Grundlagen und ausgewählte theoretische Erklärungsansätze von Kaufprozessen.
4.1. Grundlagen
Um das Konsumentenverhalten analysieren zu können, sind unterschiedliche Kategorisierungen denkbar, deren Anwendung von der Problemstellung und der vorliegenden Forschungsperspektive abhängt. Folgend werden vier Perspektiven vorgestellt und erläutert.
4.1.1. Güterkategorie
Eine erste Unterscheidung vom Konsumentenverhalten ist über die Güterkategorie möglich. Man unterscheidet traditionell zwischen freien und knappen Gütern. Knappe Güter kann man noch weiter spezifizieren in Nominal- (zum Beispiel Geld) und Realgüter (materielle oder immaterielle Güter).
In Abhängigkeit von dieser Unterscheidung, kann das Konsumverhalten in Sachen Güterkategorie noch genauer betrachtet werden. Die Konsumgüter können noch in weitere Unterkategorien eingeteilt werden. Die Convience-, Shopping- und Speciality Goods.
Die Convience Goods sind Konsumgüter, die von Konsumenten im täglichen Bedarf erworben werden ohne großartig Marktinformationen vor dem Kauf einzuholen wie zum Beispiel Butter oder Milch. Shopping Goods werden nach dem Preis-/Leistungsverhältnis, Qualität und Angemessenheit verglichen und eingekauft. Beispiels hierfür sind Staubsauger oder Waschmaschine. Konsumgüter die mit hohen Kosten, Informationsbeschaffungsaufwand und Kaufanstrengungen und verbunden sind, nennt man Speciality Goods. Mit Ihnen geht eine Identifikation mit dem Produkt oder Marke vom Konsumenten einher. Beispiele hierfür wären Autos.[19] [20]
4.1.2. Grad der kognitiven Steuerung
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal bei Kaufentscheidungen kann der Grad der kognitiven (gedanklichen) Steuerung sein. Hier betrachtet man den Entscheidungsprozess als Einheit, die unterschiedlich stark kognitiv beeinflusst ist. Man Unterscheidet hier zwischen der echten Kaufentscheidung (sehr hoher gedanklicher Einsatz) und dem Gewohnheitsverhalten (siehe Kapitel 3).[21]
4.1.3. Psychische Determinanten
Hier werden unterschiedliche und äußerlich nicht beobachtbare psychische Zustände und Prozesse als Grundlage zur Erklärung genutzt, um besonders die für das Kaufverhalten entscheidende Psyche des Konsumenten, transparent zu machen. Psychische Determinanten sind folglich Erklärungskonstrukte der Konsumentenverhaltensforschung, um den Konsumenten besser verstehen und beeinflussen zu können. Dieser Prozess wird in Kapitel 5 erklärt.[22]
4.1.4. Phasenansatz
Der Fokus des Phasensatzes liegt nicht auf psychischen Größen, sondern auf der Beziehung des Konsumenten zur Organisation (Anbieter). Man kann die Kundenbeziehung in einzelne Phasen unterteilen, die eine solche Beziehung durchläuft. Man betrachtet den gesamten Prozess der Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Anbieter. Aus dieser Analyse können Handlungsempfehlungen für das Marketing abgeleitet werden, die nicht auf die einmalige Transaktion abzielen, sondern auf eine langfristige Kundebeziehung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kundenbeziehungen[23]
Die langfristige Kundenbeziehung ist eines der am schwersten erreichbaren Ziele von Organisationen. Hierfür sind umfangreiche Kunden- und Marktanalysen notwendig, darunter fällt auch die Konsumentenverhaltensforschung.[24]
4.1.5. Phasenmodell und dessen kritische Betrachtung
Das Phasenmodell unterteilt einen Kaufentscheidungsprozess in zeitlich differenzierte Abschnitte. Man unterscheidet zwischen der Prozessanregungsphase, der Such- und Vorauswahlphase, der Bewertungs- und Auswahlphase, der Realisierungsphase und der Nachkaufphase.
- Die Prozessanregungsphase beschreibt den Moment, wenn ein Bedürfnis nach einem Gut entsteht, und der Mensch dieses befriedigen muss.
- In der Such- und Auswahlphase recherchiert der Mensch nach Guten, die sein Bedürfnis befriedigen könnten.
- Danach selektiert der potentielle Konsument die ausgewählten Objekte auf Basis der relevanten Merkmale, in der Bewertungs- und Auswahlphase. Um daraufhin eine Auswahl zu treffen, welches Gut seinem Bedürfnis entspricht und befriedigt.
- Ist das geschehen, wird die Kaufhandlung realisiert (Realisierungsphase).
- In der Nachkaufphase wird das Gut genutzt, bewertet und mit anderen verglichen.
Nicht jede Kaufsituation kann mit einem Phasenmodell erklärt werden. Konsumentscheidungen durchlaufen in der Praxis nicht jede einzelne Phase des theoretischen Modells. Oft gibt es keine Such- und Vorauswahlphase, Käufer entscheiden sich impulsiv für ein Gut (siehe Kapitel 3.2.4).
Phasenmodelle können aber wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie Unternehmen die Beziehungen zu ihren Kunden verlängern können, und die Kundenloyalität gesteigert werden kann. Durch die Einteilung in Vor-, Kauf- und Nachkaufphase ist es möglich, gezielt die letzte Phase näher zu analysieren. Denn in der Nachkaufphase entscheidet sich, ob der Kunde zufrieden mit dem Produkt ist und sich in Zukunft für weitere Güter des selben Unternehmens entscheiden wird. Man spricht von einer Umwandlung der Nachkaufphase in eine erneute Vorkaufphase. Wie man das in der Praxis umsetzten kann, wird im Rahmen dieser Arbeit erläutert (siehe Kapitel 6.3).[25]
4.2. Ausgewählte theoretische Erklärungsansätze
Durch theoretische Ansätze ist erklärbar, warum ausgewählte Marketingmaßnahmen in bestimmten Situationen zum angestrebten Konsumverhalten geführt haben oder nicht. Mit theoretischen Erklärungen, die in der Praxis überprüfbar sind, lassen sich idealerweise Prognosen zu Verhaltensweisen von Konsumenten ableiten. Theoretische Erklärungsansätze bilden also die Basis des Verständnisses vom Konsumverhalten. Basierend auf diesem tiefgehenden Verständnis des Konsumenten ist es möglich, sein Verhaltensmuster zu erklären. Nachfolgend werden zwei unterschiedliche Ansätze näher erklärt.[26]
4.2.1. Ökonomisch theoretische Ansätze
4.2.1.1. Normativer Ansatz der Haushaltstheorie:
Der normative Ansatz der Haushaltstheorie geht von einem rational handelnden Konsumenten aus, der völlig ohne Emotionen und Gefühle handelt. Der Ansatz basiert auf folgende Prämissen:
- Der Konsument hat vollständige Kenntnis über die eigenen Präferenzen,
- Handelt völlig rational (Nutzenmaximierung),
- Vollständige Markttransparenz (kennt Angebot und Nachfrage),
- Er hat weder zeitliche, sachliche, noch räumliche Präferenzen,
- Und lässt sich nicht von anderen Personen oder alte Kauferfahrungen beeinflussen.
Es lässt sich bei diesem Ansatz eine relativ geringe Aussagekraft in Bezug auf Kaufentscheidungen feststellen, da er von Prämissen ausgeht, die in der Realität nicht alle zusammentreffen. Konsum ist nicht immer durch Rationalität und vollständige Informationen gekennzeichnet.[27]
4.2.1.2. Informationsökonomischer Ansatz
Der informationsökonomische Ansatz geht von unvollständigen Informationen und Unsicherheitsproblemen der Konsumenten bei Kaufentscheidungen. Er kategorisiert Informationsbedarfe der Käufer auf drei Weisen. Es gibt die Sucheigenschaften, der Nachfrager inspiziert bereits vor dem Kauf vollständig die Leistungseigenschaften des Gutes. Die Erfahrungseigenschaften, wobei die Leistungseigenschaftes des Gutes erst nach dem Erwerb beurteilt werden können und abschließend noch die Vertrauenseigenschaften. Der Konsument vertraut dem Anbieter und kann weder vor noch nach dem Kauf die Leistungseigenschaften überprüfen.
Ausgehend von Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften kann eine Typologisierung von Kaufprozessen vorgenommen werden, bei dem die jeweiligen Eigenschaften unterschiedlich stark ausgeprägt sind. In neueren Untersuchungen werden die informationsökonomischen Ansätze mit der verhaltenswissenschaftlichen Kognitions- und Gedächtnisforschung kombiniert. Dadurch können sich neue und erweiterte Erklärungsperspektiven des Käuferverhaltens ergeben. Denn in der Regel befindet sich der Informationsbedarf am Anfang des Kaufentscheidungsprozesses, ungeplante und impulsiv geprägt Käufe finden so gar keine Beachtung.[28]
4.2.2. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze
4.2.2.1. Vergleichende Verhaltensforschung
Die vergleichende Verhaltensforschung überträgt Gesetzmäßigkeiten vom tierischen Verhalten auf das Verhalten des Menschen. In diesem Rahmen werden Rückschlüsse auf angeborene Verhaltensdispositionen (zum Beispiel die Reaktion auf emotionale Reize) gezogen, um daraus Beeinflussungstechniken abzuleiten. Eine elementare Rolle bei dieser Forschungsrichtung ist die „Aktivierung“ (welche in Kapitel 5.1 erläutert wird).
4.2.2.2. (Psycho-)Biologischer Ansatz
Hier stehen Fakten des menschlichen Körpers im Mittelpunkt. Die Leistungsfähigkeit und Arbeitsweise des zentralen Nervensystems werden in diesem Zusammenhang analysiert. In der Psychobiologie wird die Frage beantwortet, welche biologischen Ereignisse (z.B. Gehirnaktivitäten), die psychischen Abläufe (z.B. Emotionen) begleiten.
4.2.2.3. Tiefenpsychologie
Die Tiefenpsychologie beschäftigt sich mit den unbewussten Teilen der Persönlichkeit eines Menschen („inneren Welten“). Begründer dieses Ansatzes war Sigmud Freud (1856-1939). Einer seiner Schwerpunkte bezog sich auf die Struktur der menschlichen Persönlichkeit. Seiner Meinung nach sind Persönlichkeitsunterschiede erklärt, durch die unterschiedlichen Arten der Bewältigung von grundlegenden Trieben. Die Persönlichkeit besteht nach Freud aus drei Komponenten:
Dem „Es“, dem „Über-Ich“ und dem „Ich.“ Auf der einen Seite steht das „Es“ als unbewusster Teil der Persönlichkeit, hier sitzen die primären Triebe wie sexuelle, körperliche und emotionale Lust.
Dem gegenüber steht das „Über-Ich“, dieser Teil hat die moralischen Werte inne, wie zum Beispiel Erziehung. Zwischen diesen beiden Persönlichkeitskomponenten steht das „Ich“, als realitätsorientierter Teil der Persönlichkeit.
Das „Ich“ kann als Bindeglied zwischen den Trieben („Es“) und den moralischen Aspekten („Über-Ich“) gesehen werden. Es versucht Konflikte zwischen den Komponenten zu lösen und zu umgehen. Dieser Persönlichkeitsteil wird bewusst wahrgenommen.[29]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Freuds "psychischer Apparat"[30]
4.2.2.4. Behaviorismus
Der Behaviorismus bezieht sich auf beobachtbare Größen, wie zum Beispiel die Beobachtung von Reizen und Reaktion und nutzt diese als Grundlage zur Erklärung des Verhaltens von Menschen. Das behavioristische Forschungsparadigma bezeichnet man als Stimulus-Response Modell (SR Modell). Das SR Modell besagt, dass wenn ein bestehender Reiz (S) auf ein Organismus trifft, wird dadurch eine bestimmte Reaktion, mit bestimmter Wahrscheinlichkeit, ausgelöst. Dabei finden aber psychologische Vorgänge, die im Inneren des Konsumenten stattfinden und äußerlich nicht beobachtbar sind, keine Beachtung. Im Kapitel 4.2.2.8 wird auf das SR Modell noch näher eingegangen. Die Erklärung des Behaviorismus dient als Grundlage zum späteren Verständnis.[31]
4.2.2.5. Neobehaviorismus
Im Gegensatz zum Behaviorismus geht der Neobehaviorismus auch auf äußerlich nicht beobachtbare Vorgänge ein, die im Inneren des Konsumenten stattfinden (psychologisch). Aus dem Neobehaviorismus geht das Stimulus-Organism-Response Modell (SOR) hervor. Bei diesem finden nicht nur beobachtbare Reaktionen Beachtung, sondern es werden auch interne psychologische Vorgänge untersucht. Das SOR Modell wird in Kapitel 4.2.2.8 näher erläutert.[32]
4.2.2.6. Kognitive Psychologie
Die kognitive Psychologie untersucht das bewusste Entscheidungsverhalten von Konsumenten und ist ein fester Bestandteil der Konsumentenverhaltensforschung. Vorherrschend ist dabei der Informationsverarbeitungsansatz, welcher die kognitiven Prozesse in einzelne Phasen unterteilt. Man unterscheidet zwischen Informationsaufnahme, -verarbeitung und –speicherung.[33]
4.2.2.7. Soziologische Ansätze
Die soziologischen Ansätze analysieren die sozialen Auswirkungen von biologischen Gegebenheiten und generell das soziale Verhalten von Konsumenten. Die soziologischen Ansätze werden noch weiter unterteilt. Die Mikrosoziologie untersucht das Verhalten von kleinen Gruppen, wie zum Beispiel Familien während sich die Makrosoziologie mit größeren sozialen Gebilden wie Unternehmen beschäftigt. Für die Konsumentenverhaltensforschung am relevantesten ist aber die Sozialpsychologie welche das menschliche Verhalten im sozialen Kontext untersucht.[34]
4.2.2.8. Stimulus-Response- (SR) und Stimulus-Organism-Response Modell (SOR)
Im Kapitel 4.2.2 wurde der Behaviorismus beschrieben, welcher die Grundlage vom Stimulus-Response- und Stimulus-Organism-Response Modell bildet. Das SR-Modell ist folgendermaßen gegliedert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: SR-Modell[35]
Wenn der Mensch durch einen bestimmten Reiz (S) stimuliert wird, zum Beispiel durch eine Marketingkampagne für ein Produkt, ist eine Reaktion (Response) zu erwarten. Das könnte der Kauf eines Produktes sein. Das SR-Modell befasst sich nur mit äußerlich beobachtbaren Fakten und klammert innerliche (psychische) Vorgänge aus. Es kann also nicht erklären, warum der eine Konsument das Produkt kauft und ein anderer nicht, obwohl Sie mit den gleichen Reizen stimuliert worden. Um das Konsumentenverhalten zu erklären, reicht das SR-Modell folglich nicht aus.
Das äußere Verhalten (R) muss um die inneren Aspekte (psychischen) ergänzt werden, um das Verhalten der Konsumenten besser verstehen zu können. Hierfür dient das SOR-Modell, welches sich nicht nur am Behaviorismus bedient sondern auch durch den Neobehaviorismus geprägt ist. Dieser wurde bereits im Kapitel 4.2.2 erklärt. Das SOR Modell geht auf die sog. Black-Box des SR-Modells ein. Es gibt beobachtbare und interveniere Variablen.
Beobachtbare Variablen sind wie zuvor beschrieben, Stimuli (S) die auf den Organismus des Menschen einwirken und eine Reaktion (R) erzeugen. Der Unterschied zum SR-Modell besteht in den nicht-beobachtbaren Prozessen. Diese werden beim SOR-Modell in zwei Kategorien unterteilt. Es gibt die aktivierenden Prozesse, wie Emotion, Motivation und Einstellung sowie die kognitiven Prozesse, wie Lernen, Wahrnehmung und Gedächtnis.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: SOR-Modell[36]
Beim SOR-Modell werden die beobachtbaren und die innerhalb des Organismus ablaufenden Variablen miteinander vereint. Man geht heutzutage davon aus, dass die intervenierenden Variablen einer der Grundlagen von Konsumentenverhaltensforschung bilden. Idealerweise lassen sich nahezu alle Verhaltensmuster eines Käufers auf aktivierende und kognitive Prozesse zurückführen.[37]
Ein Praxisbeispiel soll veranschaulichen, wie bewusst aktivierende Prozesse für betriebswirtschaftliche Zwecke genutzt werden:
Erlebnismarketing: Für Unternehmen ist es wichtig, dessen Produktangebot in der emotionalen Erfahrungswelt der potentiellen Konsumenten zu verankern. Das Ziel ist bestimmte Motive und Emotionen zu aktivieren (intervenierende Variablen). Vor allem in erschlossenen und gesättigten Märken, wo kaum noch qualitative Unterschiede von Produkten vorzufinden sind, ist es von hoher Bedeutung die Emotionen der Konsumenten anzusprechen. So ist es möglich, sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Durch emotionale Werbung versuchen Unternehmen ein Konsumerlebnis zu kreieren. Besonders bei Gütern des täglichen Bedarfs ist dies der Fall.[38] Ein Beispiel hierfür wäre das Unternehmen EDEKA mit dem Motto „Wir lieben Lebensmittel!“. Durch emotionale Werbeslogans und -spots, versucht EDEKA die Konsumenten zu aktivieren und Reize zu setzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: EDEKA Werbekampagne[39]
Die Worte „Wahre Liebe duftet nicht immer nach Rosen.“ lassen den Konsumenten in eine emotionale Erlebniswelt eintauchen. Durch Liebe und Rose assoziiert der Konsumenten sehr positive Gefühle mit der Marke EDEKA, was Ihn stimuliert und eine Reaktion hervorruft. Im positiven Fall führen die Marketingmaßnahmen vom Unternehmen zu steigenden Absatzmengen, erhöhten Kauffrequenzen und einem gestärkten Vertrauen zur Marke (Markenloyalität). Marktanalysen belegen, dass EDEKA mit dieser Art von Marketingstrategien sehr erfolgreich ist und sich auf diese Weise von Konkurrenten differenziert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Beliebtheit von EDEKA Werbekampagnen[40]
Abbildung 6 zeigt die Beurteilung der Werbekampagnen von EDEKA und real im Zeitraum von 2006-2008 durch Konsumenten. Es ist klar zu erkennen, dass die Marketingmaßnahmen von EDEKA wesentlich erfolgreicher beim Konsumenten ankommen als die vom Konkurrenten real.[41]
4.2.2.9. Totalmodelle
Totalmodelle haben das Ziel, das Käuferverhalten als Ganzes abzubilden und zu erklären. Es versucht alle Eigenschaften und Komponenten einer Kaufentscheidung in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen. Man unterscheidet zwischen Struktur-, Stochastik- und Simulationsmodellen des Käuferverhaltens. In der Konsumentenverhaltensforschung werden vorwiegend Strukturmodelle verwendet, um kognitiv dominierte Konsumentscheidungen näher zu erklären. Eines der am häufigsten rezitierten Totalmodelle ist das von Blackwell, Miniard und Engel (2006). Es thematisiert die psychischen inneren Vorgänge eines Konsumenten, die zu oder gegen eine Kaufentscheidung führen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: „Modell des Konsumentenverhaltens“ von Blackwell/Miniard/Engel[42]
Das Phasenmodell (siehe Abbildung 7) unterteilt die Kaufentscheidung in mehrere aufeinanderfolgende Prozessphasen. Problemerkennung, Informationssuche, Informationsverarbeitung, Bewertung von Alternativen, Alternativen Auswahl, Entscheidungsfindung.
Einen Entscheidungsprozess kann man in folgende Komponenten gliedern: Angestoßen wird er durch ein Bedürfnis, welches durch vorherrschende Motive den Menschen stimuliert (aktiviert). Daraufhin beginnt die Informationssuche, um das Bedürfnis zu befriedigen. Während der Informationsverarbeitung kann es zu Informationsverlusten kommen. Die selektierten Informationen werden mit den eigenen Werten, Vorstellungen und Verhaltensabsichten verglichen. Welche im Anschluss die Grundlage der Produktbewertung bilden. Der Käufer betrachtet einzelne Produktalternativen und vergleicht sie miteinander, um herauszufinden, welches das Beste bzw. geeignetste für ihn ist. In den Bewertungsprozess fließen individuelle Charakteristika sowie das externe Umfeld des potentiellen Konsumenten ein. Nach dem Kauf stellt sich bei dem Käufer entweder eine Zufrieden- oder Unzufriedenheit ein (Nachkauf-Bewertung). Diese Information fließt in zukünftige Käufe mit ein und beeinflusst nächste Entscheidungsprozesse.[43]
Allgemein überwiegen die Kritikpunkte an solchen Modellen, denn diese gehen jederzeit davon aus, dass Konsumenten ein hohes Interesse am Gut haben und hohen zeitlichen Aufwand in die Informationssuche investieren (High Involvement). Außerdem werden Gefühle und spontane bzw. ungeplante Käufe, die durch Stimuli am Point of Sale (POS) ausgelöst werden gar nicht berücksichtigt. Der Fokus von Totalmodellen liegt auf extensiven Kaufentscheidungen (siehe Kapitel 3.2.1). Aufgrund dieser Fakten wurde im Laufe der Zeit Partialmodellen der Vorzug gegeben, um das Kaufverhalten von Konsumenten zu analysieren. Diese werden im folgenden Kapitel erklärt.[44]
[...]
[1] Vgl. Esch, 2005, S. 141
[2] Vgl. Foscht/Brandstätter/Sinha, 2010, S. 18
[3] Vgl. Bruhn/Mayer-Vorfelder, 2011, S. 1
[4] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 5-6
[5] Vgl. Gröppel-Klein, 2007, S. 295
[6] Vgl. Theis, 1992, S. 429
[7] ATEU: Abkürzungsform für ein ausgewähltes Textileinzelhandelsunternehmen, dessen Name aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt werden darf.
[8] Vgl. Kroeber-Riel/Gröppel-Klein, 2013, S. 3
[9] Vgl. MacInnis/Folkes, 2010, S. 905
[10] Vgl. Kotler/Keller/Bliemel, 2007, S. 11
[11] Vgl. Kotler/Keller/Bliemel, 2007, S. 13 f.
[12] Vgl. Kroeber-Riel/Gröppel-Klein, 2013, S. 4-5
[13] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein, 2009, S. 410 ff.
[14] Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg, 2008, S. 105
[15] Vgl. Solomon, 2010, S. 333 ff.
[16] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S.174
[17] Vgl. Kroeber-Riel/Weinger/Gröppel-Klein, 2009, S. 440 ff.
[18] Vgl. Riedl, 2014,S. 18
[19] Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeor, 2008, S. 105
[20] Vgl. Riedl, 2014,S. 16
[21] Vgl. Kruse, 2002, S. 87
[22] Vgl. Riedl, 2014,S. 19
[23] In Anlehnung an Stauss/Seidel, 2007, S. 23
[24] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 19-21
[25] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 31-32
[26] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 21
[27] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 21
[28] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 21
[29] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 21-22
[30] In Anlehnung an http://www.ploecher.de/2010/12/Freud-Erikson/Psychischer-Apparat.gif
[31] Vgl. Riedl, 2014,S. 57
[32] Vgl. Riedl, 2014,S. 58
[33] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 23
[34] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 23-24
[35] In Anlehnung an Kroebel-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein, 2009, S. 51
[36] In Anlehnung an Kroebel-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein, 2009, S. 51
[37] Vgl. Riedl, 2014,S. 59-63
[38] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 29-31
[39] http://www.girokonto.org/wp-content/uploads/2014/06/edeka-wir-lieben-lebensmittel.jpg; http://www.bernhard-runzheimer.de/blog/uploads/edeka_kaese.jpg
[40] Grabarz & Partner, 2009
[41] Vgl. Grabarz & Partner, 2009
[42] In Anlehnung an http://www.marketing.tu-berlin.de/fileadmin/fg44/download_kv/ss11/KV_01-02_Methodologie_Aktiviertheit_Emotion.pdf, S.13
[43] Vgl. Bänsch, 2002, S. 134 f.
[44] Vgl. Foscht/Swobada, 2011, S. 25-28
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