Lukians Rede "de domo" und der Agon zwischen den Künsten


Seminararbeit, 2003

12 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Strukturelle und inhaltliche rhetorische Gesichtspunkte

3. Der Agon als zentraler Punkt der Rede
3.1. „Agon“: Begriffsklärung und seine Bedeutung für Lukian
3.2. Der agonale Aspekt in „De Domo“

4. Zusammenfassung und Schlußbemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In seiner Rede „De Domo“ (=Der Saal) beschreibt Lukian von Samosata in erster Linie die Beschaffenheit eines schönen Saales und der Malereien, mit denen dessen Wände verziert sind. Es wird davon ausgegangen, daß Lukian vom Eigentümer dieses Saals zum Vortrag einiger seiner Werke eingeladen wurde und daher, um seine Dankbarkeit auszudrücken, ein Lob auf die Schönheit der Umgebung quasi als Prolog seiner Reden verwendet.[1]

Wegen dieses einleitenden Charakters und der Kürze der Rede wird „De Domo“ meistens zur Redegattung der Prolalien gezählt,[2] darüber hinaus muß sie aber als Lobrede (enkomion) gesehen werden und so in den Bereich der epideiktischen Beredsamkeit eingeordnet werden. Unter einer Epideixis versteht man eine „Rede, die nicht untersucht, erörtert und argumentiert, sondern etwas im voraus Feststehendes und Unstrittiges darstellt“[3], die Vorzüge des Saals stehen also im Vordergrund und werden in keinem Teil der Rede in Frage gestellt.

Lukian beschreibt diese Vorzüge aber nicht durch bloßes Aufzählen, sondern stellt die Prächtigkeit des Raumes durch zwei verschiedene Redner dar, die über das Thema, ob die Schönheit der Umgebung für den Redner zum Nutzen oder zum Nachteil sei, in Streit geraten und sich dadurch in ihren beiden Reden gegenseitig im Lob des Saales zu übertrumpfen versuchen. Hier zeigt sich eine weitere Eigenschaft der epideiktischen Rede: da der Zuschauer von nichts überzeugt werden muß und die Rede dadurch auf kein bestimmtes, zu erreichendes, Ziel ausgerichtet ist, wird dem Redner die Möglichkeit gegeben seinen Vortrag nach seinem Belieben auszuschmücken und stilistisch zu gestalten, um so sich selbst und seine rhetorischen Fähigkeiten möglichst vorteilhaft zu präsentieren.

Aufgrund dessen läßt sich in epideiktischen Reden meist eine Vielzahl rhetorischer Mittel finden und eine relativ klare Struktur erkennen; wie Lukian diese Rede genau aufbaut und welche Stilmittel er, bzw. die beiden Redner, verwenden, möchte ich daher im folgenden untersuchen. Außerdem soll den Fragen nachgegangen werden, ob Lukian selbst eine der beiden Rednerpositionen vertritt, bzw. welche von ihnen und wie in dieser Rede das Verhältnis von Rhetorik und Architektur bzw. Malerei gesehen wird, wobei auch Lukians Biographie miteinbezogen werden soll. Die Textgrundlage bildet, soweit nicht anders angegeben, die Übersetzung von August Pauly.

2. Strukturelle und inhaltliche rhetorische Gesichtspunkte

Die Rede kann grob in drei Abschnitte unterteilt werden: Einen einleitenden Teil, in dem der erste Redner die Bauweise und Beschaffenheit des Saals beschreibt; einen Argumentationsteil, der die Frage behandelt, ob man in dieser Umgebung reden sollte oder nicht, den sich die beiden Kontrahenten teilen und einen Schlußteil, in dem der zweite Redner besonders auf die Bilder, die die Wände des Saals zieren, eingeht.

Es liegt also eine dreigliedrige Disposition vor, bei der der Schwerpunkt im Mittelteil liegt, der wiederum aufgespalten wird. Trotzdem ist die Dreigliedrigkeit sofort zu erkennen und der Aufbau der Rede ist insgesamt sehr klar und in sich geschlossen, dies ist bei „De Domo“ besonders auffällig, da ja der Redner der Einleitung ein anderer als der des Schlußteils ist, die Redestruktur dadurch aber nicht gestört wird. Hier wird bereits deutlich, wie gut Lukian die Gliederung der Redeteile (partes orationes) beherrscht, auch bei genauerem Blick auf die einzelnen Strukturelemente zeigt sich, daß alle wichtigen Merkmale einer rhetorisch ausgefeilten Rede enthalten sind.

Der erste Redner beginnt mit einer direkten Einleitung (principium), er kommt also ohne Umschweife auf sein Thema, den Saal zu sprechen, durch mehrere rhetorische Fragen und das Heranziehen historischer Vergleiche erlangt er die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer (attentum parare). Auch eine Erweiterung der Aufnahmefähigkeit (docilem parare) des Publikums findet statt, indem er bereits hier einen Ausblick auf den späteren Diskussionspunkt gibt, indem er beschreibt, wie die Schönheit des Saales ihn zum Reden ermuntert. Er geht sogar noch weiter, indem er meint, daß es ihm quasi unmöglich sei, in dieser Umgebung zu schweigen, daß er unbedingt in ihr sprechen und den Saal loben müsse. Das Wohlwollen der Zuhörer (captatio benevolentiae) erlangt er, indem er sich selbst als einen „Freunde des Schönen“ und „Liebhaber geschmackvoller Formen“[4] bezeichnet, und als Gegensatz dazu den „ungebildete[n] Mensch“[5] und den „Barbaren“[6] gegenüberstellt. Da sich das Publikum selbst sicherlich auch nicht als „ungebildet“ oder „barbarisch“ betrachtet, wird es durch diese Vorgehensweise förmlich gezwungen, sich auf die Seite des Redners zu stellen.

Nach der Gewinnung der Zuhörer für sich und der kurzen Darlegung seines Standpunkts beginnt der zweite Teil der Einleitung, der Sprecher geht zu einer genaueren Beschreibung der architektonischen Beschaffenheit des Raumes über, die er als äußerst gelungen ansieht. Besonders lobt er die Tatsache, das der Erbauer die Proportionen des Saals ins genau richtige Verhältnis gesetzt , sogar den Einfall des Lichts berücksichtigt hat und die Verzierungen sehr geschmackvoll und in einem nicht zu großem Maße angebracht sind. Er führt dazu den bildlichen Vergleich (comparatio) mit einer schönen Frau an, der ein einfacher Schmuck genügt und am besten steht, während sich die Häßliche mit Gold behängt, um von ihrem Aussehen abzulenken und anstatt dessen durch ihre reichhaltigen Verzierungen zu gefallen.[7]

Im Mittelteil, dem Argumentationsteil bedient sich der erste Redner fast ausschließlich der Argumentation durch Beispiele (exempla) und metaphorisch-bildliche Vergleiche. Sein Hauptargument, daß die Schönheit der Umgebung den Redenden motiviert und zu Höchstleistungen beflügelt, wird mit Beispielen aus der Natur belegt, wie z. B. dem Pfau, der auf einer schönen Blumenwiese sein Gefieder ausbreitet[8] oder dem Pferd, das auf dem ebenen, weichen Rasen seine Schnelligkeit steigert.[9] Und ebenso wird nach Meinung des ersten Sprechers das Rednertalent durch die Pracht des Saales gesteigert, da diese gewissermaßen auf den Redner und seine Worte abfärbt.

[...]


[1] Vgl. Übersetzung von Wieland, S. 327.

[2] Vgl. Übersetzung von Wieland, S. 327. Robinson, Christopher: „Lukian and his influence in Europe“. London 1979, S. 7.

[3] Ueding, Gert (Hg.): „Historisches Wörterbuch der Rhetorik“. Band 2, Tübingen 1994; S. 1258.

[4] Übersetzung von August Pauly, § 2.

[5] Pauly, § 2.

[6] Pauly, § 5.

[7] Vgl. Pauly, § 7.

[8] Vgl. Pauly, § 11.

[9] Vgl. Pauly, § 10.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Lukians Rede "de domo" und der Agon zwischen den Künsten
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
12
Katalognummer
V31502
ISBN (eBook)
9783638324878
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lukians, Rede, Agon, Künsten
Arbeit zitieren
Sarah Trede (Autor:in), 2003, Lukians Rede "de domo" und der Agon zwischen den Künsten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31502

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