In Deutschland werden heute etwa zwei Drittel aller verhängten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Dabei setzt die Möglichkeit, Freiheitsstrafen zur Bewährung auszusetzen, wie bereits in den entsprechenden Normen verdeutlicht wird, ein gewisses Maß an Vorhersage über künftiges Verhalten von Menschen voraus. Dass diese notwendigerweise nur begrenzt zutrifft erscheint einleuchtend. Dennoch haben sich in der Praxis Methoden etabliert, die es ermöglichen sollen, wenigstens die Verantwortbarkeit von Strafaussetzung und Strafrestaussetzung abzuwägen und einzuschätzen. Insbesondere im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, das in neuerer Zeit verstärkt eingefordert wird, erscheint es geboten, sich über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Methoden im Klaren zu sein.
Im Folgenden sollen zunächst die Regelungen für die Strafaussetzung und die Strafrestaussetzung dargestellt und verglichen werden, wobei jeweils auf die Unterschiede zwischen Erwachsenenstrafrecht und Jugendstrafrecht hingewiesen und im Einzelnen auch eingegangen wird. Der Fokus liegt auf den Anforderungen, die diese Regelungen für Prognosen normieren. Daran schließt sich eine kritische Darstellung einzelner in der Praxis mehr oder weniger häufig angewandter Methoden der Prognose an. Stärken und insbesondere Schwächen sollen aufgezeigt werden. Zuletzt sollen die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber dem Richter einräumt um das Bewährungsverhalten zu beeinflussen einräumt dargestellt werden, wiederum vergleichend zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht. Aus diesen Regelungen ergeben sich wiederum einzelne Schwierigkeiten für die Prognose, die abschließend resümiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Prognoseerfordernisse nach den Regelungen zur Strafaussetzung zur Bewährung und zur Strafrestaussetzung zur Bewährung
- Prognose bei der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB und § 21 JGG
- Regelung nach § 56 StGB
- Unterschiede der Regelung aus § 21 JGG
- Prognose bei der Strafrestaussetzung gemäß § 57 StGB bzw. § 88 JGG
- Prognose bei der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB und § 21 JGG
- Die Methoden der Kriminalprognose
- Intuitive Methode
- Statistische Methode
- Klinische Methode
- Strukturprognose
- Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse
- Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Bewährungsverhalten
- Auflagen
- Auflagen nach § 56b StGB
- Auflagen nach § 23 JGG i.V.m. § 15 JGG
- Weisungen
- Weisungen nach § 56c StGB
- Weisungen nach § 23 JGG i.V.m. § 10 JGG
- Unterstellung unter die Bewährungshilfe nach § 56d StGB bzw. § 24 JGG
- Auflagen
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Prognoseentscheidungen bei der Straf(rest)aussetzung in Deutschland. Sie analysiert die rechtlichen Regelungen im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht und beleuchtet verschiedene Methoden der Kriminalprognose, die in der Praxis Anwendung finden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Bewährungsverhalten durch Auflagen und Weisungen.
- Rechtliche Grundlagen der Straf(rest)aussetzung zur Bewährung
- Methoden der Kriminalprognose und deren Stärken und Schwächen
- Vergleichende Betrachtung des Erwachsenen- und Jugendstrafrechts
- Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Bewährungsverhalten
- Herausforderungen bei der Prognoseentscheidung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Prognoseentscheidungen bei der Straf(rest)aussetzung ein und betont die Bedeutung zuverlässiger Prognosen für die Entscheidung über die Bewährung. Sie skizziert den Aufbau der Arbeit, der die rechtlichen Regelungen, die Methoden der Kriminalprognose und die Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Bewährungsverhalten umfasst. Die hohe Anzahl an Bewährungsaussetzungen in Deutschland wird hervorgehoben, ebenso wie das Spannungsfeld zwischen individueller Prognose und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit.
Prognoseerfordernisse nach den Regelungen zur Strafaussetzung zur Bewährung und zur Strafrestaussetzung zur Bewährung: Dieses Kapitel analysiert die rechtlichen Anforderungen an die Prognoseentscheidung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB und § 21 JGG sowie der Strafrestaussetzung. Es werden die relevanten gesetzlichen Bestimmungen detailliert dargestellt und verglichen. Der Fokus liegt auf den Faktoren, die für die Prognoseentscheidung relevant sind, wie die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände der Tat und seine Lebensverhältnisse. Die Unterschiede zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht werden ebenfalls herausgearbeitet. Die Kapitel erläutert den Unterschied zwischen einer "günstigen" und "ungünstigen" Prognose und wie diese im Kontext der gesetzlichen Bestimmungen zu verstehen sind. Die Bedeutung der "Gesamtpersönlichkeit" des Täters wird betont, wobei sowohl positive als auch negative Aspekte berücksichtigt werden müssen.
Die Methoden der Kriminalprognose: Dieses Kapitel befasst sich kritisch mit verschiedenen Methoden der Kriminalprognose, die in der Praxis angewendet werden. Es werden sowohl intuitive als auch statistische und klinische Methoden erläutert und hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen bewertet. Die Strukturprognose und die Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse werden ebenfalls vorgestellt. Das Kapitel beleuchtet die Herausforderungen und Grenzen der Prognosegenauigkeit und die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls. Es hinterfragt die Effektivität der verschiedenen Methoden und zeigt die Unsicherheiten auf, die mit jeder Prognosemethode verbunden sind.
Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Bewährungsverhalten: Dieses Kapitel beschreibt die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber dem Richter einräumt, um das Bewährungsverhalten positiv zu beeinflussen. Im Mittelpunkt stehen Auflagen und Weisungen nach § 56b, § 56c StGB und den entsprechenden Vorschriften des Jugendstrafrechts. Die Unterstellung unter die Bewährungshilfe nach § 56d StGB bzw. § 24 JGG wird ebenfalls erörtert. Das Kapitel erklärt, wie diese Maßnahmen zur positiven Gestaltung des Bewährungsverhaltens beitragen können, und betont die Bedeutung der individuellen Anpassung der Maßnahmen an den Einzelfall. Der Vergleich zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht verdeutlicht die unterschiedlichen Möglichkeiten und Zielsetzungen der Einflussnahme.
Schlüsselwörter
Strafaussetzung, Strafrestaussetzung, Bewährung, Kriminalprognose, § 56 StGB, § 21 JGG, § 57 StGB, § 88 JGG, Jugendstrafrecht, Erwachsenenstrafrecht, Sozialprognose, Legalprognose, Auflagen, Weisungen, Bewährungshilfe, Risikoeinschätzung, Rückfallprognose.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Prognoseentscheidungen bei der Straf(rest)aussetzung in Deutschland
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über Prognoseentscheidungen bei der Straf- und Strafrestaussetzung zur Bewährung in Deutschland. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und ein Glossar mit Schlüsselbegriffen. Der Fokus liegt auf der Analyse der rechtlichen Grundlagen im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht, der Methoden der Kriminalprognose und der Möglichkeiten, das Bewährungsverhalten durch Auflagen und Weisungen zu beeinflussen.
Welche rechtlichen Grundlagen werden behandelt?
Das Dokument behandelt die rechtlichen Grundlagen der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB und § 21 JGG sowie der Strafrestaussetzung nach § 57 StGB und § 88 JGG. Es vergleicht die Regelungen im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht und analysiert die Anforderungen an die Prognoseentscheidung im Detail. Die Bedeutung der "Gesamtpersönlichkeit" des Täters und die Abwägung zwischen individueller Prognose und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit werden hervorgehoben.
Welche Methoden der Kriminalprognose werden beschrieben?
Das Dokument beschreibt verschiedene Methoden der Kriminalprognose, darunter die intuitive, statistische und klinische Methode sowie die Strukturprognose und die Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse. Es bewertet die Stärken und Schwächen der einzelnen Methoden, beleuchtet die Herausforderungen der Prognosegenauigkeit und diskutiert die Grenzen der Vorhersagbarkeit im Einzelfall. Die Unsicherheiten, die mit jeder Prognosemethode verbunden sind, werden ebenfalls thematisiert.
Wie kann das Bewährungsverhalten beeinflusst werden?
Das Dokument erläutert die Möglichkeiten, das Bewährungsverhalten durch Auflagen und Weisungen nach § 56b und § 56c StGB (und den entsprechenden Vorschriften des Jugendstrafrechts) positiv zu beeinflussen. Die Unterstellung unter die Bewährungshilfe nach § 56d StGB bzw. § 24 JGG wird ebenfalls behandelt. Es wird betont, wie diese Maßnahmen zur positiven Gestaltung des Bewährungsverhaltens beitragen und wie wichtig die individuelle Anpassung an den Einzelfall ist. Der Vergleich zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht verdeutlicht die unterschiedlichen Möglichkeiten und Zielsetzungen.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die Schlüsselwörter umfassen: Strafaussetzung, Strafrestaussetzung, Bewährung, Kriminalprognose, § 56 StGB, § 21 JGG, § 57 StGB, § 88 JGG, Jugendstrafrecht, Erwachsenenstrafrecht, Sozialprognose, Legalprognose, Auflagen, Weisungen, Bewährungshilfe, Risikoeinschätzung, Rückfallprognose.
Welche Kapitel umfasst das Dokument?
Das Dokument ist in folgende Kapitel gegliedert: Einleitung, Prognoseerfordernisse nach den Regelungen zur Strafaussetzung und Strafrestaussetzung, Die Methoden der Kriminalprognose, Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Bewährungsverhalten und Schluss.
Für wen ist dieses Dokument relevant?
Dieses Dokument ist relevant für Studierende der Rechtswissenschaften, Wissenschaftler, die sich mit Kriminalprognose und Bewährung beschäftigen, sowie für Praktiker im Strafjustizsystem (Richter, Bewährungshelfer etc.), die mit Prognoseentscheidungen im Rahmen von Strafverfahren befasst sind.
- Arbeit zitieren
- M.A. Holger Ihle (Autor:in), 2003, Prognoseentscheidungen bei der Straf(rest)aussetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31508