Peter Handkes Erzählung „Versuch über die Jukebox“ ist ein sehr vielschichtiger Text, der sich dem Leser erst nach mehrmaliger und gründlicher Lektüre erschließt. Einige Kritiker dieses Textes hätten sich dies zum Vorsatz machen sollen. So schreibt Hajo Steinert am 15.11.1990 in der Weltwoche:
Doch statt dessen erleben wir einen Schriftsteller in der Krise, einen, der zunächst nicht so recht weiß, worüber er schreiben soll, einen, für den das Thema Jukebox gleichermaßen Verlegenheitslösung und Opposition ist in einem Jahr, das vieles im Handumdrehen für „historisch“ erklärt.
Einmal von dem groben Verständnisfehler, dass „der Schriftsteller nicht so recht weiß, worüber er schreiben soll“ abgesehen, kann man diesen Text bei weitem nicht so einfach abtun. Ich möchte in dieser Arbeit vor allem die Kritik Steinerts widerlegen und die verschiedenen Themen und Ebenen dieses Textes darlegen. Um das zu erreichen, werde ich mich vor allem auf das von Handke entworfene Zeitgerüst innerhalb des Textes stützen. Ich werde im folgenden Kapitel vorerst systematisch die Zeitstruktur beschreiben und in den nachfolgenden Kapiteln näher auf die Intentionen eingehen, welche durch dieses Zeitgerüst deutlicher werden.
Doch zu Beginn möchte ich noch kurz die Gattungsfrage klären. Handke selbst nennt den Text „Erzählung“. Diese Bezeichnung wird durch verschiedene Gattungsmerkmale innerhalb des Textes gestützt. Aus Perspektive eines Schriftstellers berichtet eine Erzählinstanz, die Erzählfunktion ist. Der Blick wechselt zwischen Innen- und Außensicht. Bleibt allerdings im Modus des showing. Dies alles sind Argumente für eine Erzählung. Das stärkste Argument für eine Erzählung ist das Zeitgerüst, welches entworfen wird. Die Zeit vergeht, auch wenn es immer wieder Rückblicke in verschiedene Vergangenheitsebenen gibt. Die Geschichte entwickelt sich weiter.
1.Inhalt
2. Einleitung
3. Hauptteil
3.1. Das Zeitgerüst in „Versuch über die Jukebox“
3.2. Das Schreiben
3.3. Die Historie
3.4. Die Jukebox
4. Schlussbemerkungen
5. Literaturverzeichnis
2.Einleitung
Peter Handkes Erzählung „Versuch über die Jukebox“ ist ein sehr vielschichtiger Text, der sich dem Leser erst nach mehrmaliger und gründlicher Lektüre erschließt. Einige Kritiker dieses Textes hätten sich dies zum Vorsatz machen sollen. So schreibt Hajo Steinert am 15.11.1990 in der Weltwoche:
Doch statt dessen erleben wir einen Schriftsteller in der Krise, einen, der zunächst nicht so recht weiß, worüber er schreiben soll, einen, für den das Thema Jukebox gleichermaßen Verlegenheitslösung und Opposition ist in einem Jahr, das vieles im Handumdrehen für „historisch“ erklärt.[1]
Einmal von dem groben Verständnisfehler, dass „der Schriftsteller nicht so recht weiß, worüber er schreiben soll“ abgesehen, kann man diesen Text bei weitem nicht so einfach abtun. Ich möchte in dieser Arbeit vor allem die Kritik Steinerts widerlegen und die verschiedenen Themen und Ebenen dieses Textes darlegen. Um das zu erreichen, werde ich mich vor allem auf das von Handke entworfene Zeitgerüst innerhalb des Textes stützen. Ich werde im folgenden Kapitel vorerst systematisch die Zeitstruktur beschreiben und in den nachfolgenden Kapiteln näher auf die Intentionen eingehen, welche durch dieses Zeitgerüst deutlicher werden.
Doch zu Beginn möchte ich noch kurz die Gattungsfrage klären. Handke selbst nennt den Text „Erzählung“. Diese Bezeichnung wird durch verschiedene Gattungsmerkmale innerhalb des Textes gestützt. Aus Perspektive[2] eines Schriftstellers berichtet eine Erzählinstanz[3], die Erzählfunktion[4] ist. Der Blick wechselt zwischen Innen-[5] und Außensicht[6]. Bleibt allerdings im Modus des showing[7]. Dies alles sind Argumente für eine Erzählung. Das stärkste Argument für eine Erzählung ist das Zeitgerüst, welches entworfen wird. Die Zeit vergeht, auch wenn es immer wieder Rückblicke in verschiedene Vergangenheitsebenen gibt. Die Geschichte entwickelt sich weiter.
3.Hauptteil
3. 1.Zeitgerüst im „Versuch über die Jukebox“
Mit dem Begriff Zeitgerüst oder Zeitstruktur möchte ich hier folgende Aspekte zusammenfassen. Die verschiedenen Vergangenheitsebenen im Text, sowie die erzählte Zeit[8] und deren Verhältnis zur Erzählzeit[9]..
Die Erzählung spielt „Anfang Dezember“[10] des Jahres „1989“[11]. Der Schriftsteller, welcher Protagonist dieser Erzählung ist, fährt nach Soria um seinen „Versuch über die Jukebox“ zu schreiben. Die ersten sechs Tage werden noch klar abgegrenzt beschrieben. Tag 1 (S.7- S.38), welcher eigentlich ein halber Tag ist, da er „am frühen Nachmittag“[12] beginnt, ist erfüllt vom Aufenthalt im „Busbahnhof von Burgos“[13], der Busfahrt nach Soria, dem Willkommensspaziergang in Soria und der ersten Nacht, welche durch die Traumbeschreibung symbolisiert wird. Auf diesen ersten 29 Seiten lässt sich feststellen, dass zwar der Tag allgemein gerafft[14] ist, aber nicht in gleichbleibendem Erzähltempo[15] gehalten ist. Der nachmittägige Aufenthalt in Burgos wird gedehnt[16] dargestellt. Die Dehnung erfolgt durch Einschübe, erst Beschreibung der Umgebung, dann Innensicht auf die Gedankenwelt des Schriftstellers und Rückblicke in die Vergangenheit. Die Busfahrt wird gerafft. Erst bei der Ankunft in Soria und dem Spaziergang dort wird die Zeit wieder gedehnt. Diesmal noch stärker durch Umgebungsbeschreibung, aber auch wieder durch Innensicht und Rückblicke. Die Nacht wird durch die Darstellung des Traumes[17] gerafft.
Durch Sprungraffung[18] beginnt in der Erzählung der neue Tag: „Am nächsten Tag...“[19]
Dieser zweite Tag wird bedeutend kürzer dargestellt. Lediglich auf 12 Seiten, obwohl er 24 Stunden beinhaltet. Der Protagonist muss Soria für zwei Tage verlassen und begibt sich am Morgen auf einen Abschiedsspaziergang, den er nach einem Aufenthalt in einem Cafe fortsetzen wird. Am Nachmittag fährt er mit dem Bus nach Logrono, welches in „Feierabendbeleuchtung“[20] präsentiert wird. Innerhalb dieses Abschnittes wird die Zeit wiederum nur während des Spaziergangs gedehnt. Nun noch stärker durch Einschübe, die von Außensicht dominiert sind.
„Am folgenden Tag...“[21], der dritte Tag, wieder durch Sprungraffung eingeleitet, ist der Schriftsteller in Zaragoza. Dieser Aufenthalt zieht sich über zehn Seiten hin, wird allerdings nicht näher beschrieben. Er verliert sich hauptsächlich in Innensicht, wenn der Schriftsteller über Jukeboxorte reflektiert.
Der vierte Tag wird implizit eingeleitet. „Zurück aus Zaragoza in Soria, von dessen östlicher Provinz er nachts...“[22] Er war zwei Tage nicht in Soria und es ist schon wieder eine Nacht vergangen, daher weiß der Leser, dass nun der vierte Tag angebrochen ist. Er wird stark iterativ gerafft[23]. Auf zwei Seiten wird die Zimmersuche des Schriftstellers abgehandelt.
Wieder durch Sprungraffung eingeleitet, beginnt der fünfte Tag „...der andere Morgen,...“[24] Der Schriftsteller begibt sich erneut auf Zimmersuche und da es nach Findung des Zimmers „zu spät an diesem Tage“[25] zum Anfangen ist, geht er nochmals spazieren. Während dieses Spaziergangs wird die Zeit wieder gedehnt. Diesmal hauptsächlich durch Innensicht, als dem Schriftsteller die Idee kommt, seinen Versuch in Form einer Erzählung zu schreiben. Dieser Gedanke setzt sich fest „Bis tief in die Nacht“[26]
[...]
[1] Steinert, Hajo: Komisches Objekt der Akustik. Peter Handkes verzweifelter Versuch über die Jukebox, in: Görtz, Franz Josef; Hage, Volker; Wittstock, Uwe (Hrsg.), Deutsche Literatur 1990. Jahresrückblick, Stuttgart 1991 S. 148- 152 (zuerst in: die Weltwoche, 15.11.1990); S. 149.
[2] vgl.: Fricke, Harald; Zymner, Rüdiger: Einübung in die Literaturwissenschaft. Parodieren geht über Studieren, Paderborn; München; Wien; Zürich 2000; S.135 Erzählperspektive.
[3] vgl.: ebd. S. 135 Erzählinstanz.
[4] vgl. Anm. 3.
[5] vgl.: ebd. S. 136 Innensicht.
[6] vgl.: ebd. S. 136 Außensicht.
[7] vgl.: ebd. S. 136 showing.
[8] vgl.: ebd. S. 144 erzählte Zeit.
[9] vgl.: ebd. S. 144 Erzählzeit.
[10] Handke, Peter: Versuch über die Jukebox. Erzählung, Frankfurt am Main 1993; S. 10.
[11] ebd. S.25.
[12] ebd. S. 7.
[13] ebd. S. 7.
[14] vgl.: Fricke; Zymner: S. 145 Zeitraffung.
[15] vgl.: ebd. S. 144 Erzähltempo.
[16] vgl.: ebd. S. 145 Zeitdehnung.
[17] Handke: Versuch S. 37f..
[18] vgl.: Anm. 14.
[19] Handke: Versuch S. 38.
[20] ebd. S.49.
[21] ebd. S. 50.
[22] ebd. S. 60.
[23] vgl.: Anm. 14.
[24] Handke: Versuch S. 62.
[25] ebd. S. 66.
[26] ebd. S. 73.
- Arbeit zitieren
- Jenny Maus (Autor:in), 2002, Die Zeit in Peter Handkes Erzählung "Versuch über die Jukebox", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31509
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