Beschäftigte der Rüstungsindustrie werden überwiegend von der IG Metall (IGM) organisiert. Die Satzung der Gewerkschaft schreibt den Einsatz „[...] für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung [...]“ vor. Ihr Dachverband – der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) – fordert ebenfalls das Eintreten „[...] für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung [...]“.
Innerhalb der IGM befasst sich insbesondere der Betriebsräte-Arbeitskreis „Wehrtechnik und Arbeitsplätze“ mit der Doppelrolle, die Gewerkschaften in der Rüstungsproduktion einnehmen: Zum einen die Verpflichtung auf Frieden und Abrüstung und zum anderen die Verpflichtung zur Interessenvertretung der Beschäftigten der Branche, deren Arbeitsplatzsicherheit in erster Linie von der Nachfrage abhängt. Eine vermeintliche Lösung dieses Zielkonflikts bilden Rüstungskonversionen, also die Umstellung industrieller Rüstungsproduktion auf zivile Fertigung, deren Umsetzung auf Grundlage der Eigentumsverhältnisse schwierig bis unmöglich ist. Trotzdem wurde das Projekt Rüstungskonversion vor allem zwischen 1970 und 2000 durch verschiedene Initiativen von Be¬triebs¬rät_innen und Vertrauensleuten der IGM vorangetrieben und durch Forschungen begleitet.
Spätestens seit den 2000er Jahren verschwanden derartige Projekte allerdings und die Rüstungsproduktion scheint seitdem kaum noch grundsätzliche Kritik durch die IGM-Führung zu erfahren. Im Gegenteil häufen sich Aussagen von IGM-Funktionär_innen, die zur Rüstungsproduktion und Rüstungsexportförderung aufrufen, um so die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie zu bewahren. In Verbindung mit Aufrufen des DGB zu mehr Kooperation zwischen Militär und Gewerkschaften stellt sich die Frage, inwieweit die friedenspolitischen Forderungen der IGM noch Aktualität besitzen. Die vorliegende Arbeit untersucht deshalb den Umgang der IGM mit dem vermeintlichen Zielkonflikt zwischen Abrüstung und Frieden einerseits und der Vertretung der Interessen der abhängig Beschäftigten in der Branche andererseits.
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Stand der Forschung
1.2 Methodik
2 Der Doppelcharakter von Gewerkschaften
2.1 Ordnungsfaktor
2.2 Gegenmacht
3 Rüstungsproduktion in der BRD
3.1 Entwicklung der Rüstungsproduktion seit 1945
3.1.1 1945 bis 1980er Jahre
3.1.2 1980er Jahre bis 2013
3.2 Die bundesdeutsche Rüstungsbranche
3.2.1 EADS
3.2.2 Rheinmetall
3.2.3 ThyssenKrupp
3.2.4 KMW
3.2.5 Diehl Stiftung
3.3 Rechtliche Bedingungen für Produktion und Absatz
4 Friedenspolitik in der IGM und dem DGB
4.1 Wiederaufrüstung
4.2 Paulskirchenbewegung und Kampf dem Atom-Tod
4.3 Notstandsgesetze
4.4 NATO-Doppelbeschluss
5 Konversionsstrategien in der Rüstungsproduktion
5.1 Idee der betrieblichen Konversion
5.2 Praxis der Arbeitskreise „Alternative Fertigung“
5.2.1 Messerschmitt-Bölkow-Blohm
5.2.2 Blohm & Voss
5.3 Bremer Konversionsprogramm
5.4 Gründe für das Scheitern der Konversionsprojekte
6 Jüngste Positionierung der IGM zur Rüstungsproduktion
6.1 Kasseler und Ottobrunner Erklärung
6.2 Funktionär_innen in den Rüstungsbetrieben
6.3 Perspektiven des militärischen Schiffbaus
6.4 Positionspapier zur wehr- und sicherheitstechnischen Industrie
6.5 Workshop von DGB und Bundeswehr
7 Fazit
II Literaturverzeichnis
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