Systemtheorie und Risikogesellschaft. Ein Vergleich mit Perspektive auf ökologische Risiken


Hausarbeit, 2008

21 Seiten, Note: Bestanden


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung ...3

2. Ökologische Risiken: Die Perspektive von Niklas Luhmann ...4
2.1 Risiken der speziellen Kommunikation ...4
2.2 Eingeschränkte Resonanzfähigkeit ...5
2.2.1 Wissenschaft ...6
2.2.2 Wirtschaft ...7
2.2.3 Politik ...9
2.5 Umgang mit ökologischen Risiken ...10

3. Ökologische Risiken: Die Perspektive von Ulrich Beck ...12
3.1 Die Zwangslage der zweiten Moderne ...12
3.2 Teilsysteme in der Gefahrengesellschaft ...13
3.2.1 Wissenschaft zur Erklärung ...13
3.2.2 Politik zur Entscheidung ...14
3.2.3 Wirtschaft zur Vollstreckung ...15
3.3 (Un-)Verantwortlichkeiten ...16
3.4 Umgang mit ökologischen Risiken ...17

4. Zusammenfassung ...18
4.1 Theoriegemeinsamkeiten ...18
4.2 Theorieunterschiede ...19
4.3 Fazit ...9

5. Literatur ...21

1. Einleitung

Wissenschaft, Wirtschaft und Politik thematisieren seit längerer Zeit die Risiken der Moderne. Die negativen Auswirkungen der Zivilisationsrisiken, die eine in vielen Bereichen fortschreitende technische Entwicklung mit sich brachten. Eine Sichtweise richtet den Fokus auf örtlich begrenzte, gegebene und in natürlichen Katastrophen vorkommende ökologische Risiken. Ein anderer Fokus richtet sich auf die zunehmend als Bedrohung der menschlichen Gesellschaft und jedes Einzelnen wahrgenommenen ökologischen Risiken, die als Folgen der wissenschaftlich-technischen Weiterentwicklung auftreten. Im Unterschied zu ersteren Risiken sind diese, aus der Kombination von technischem Wissen und wirtschaftlicher Nutzenrechnung, von Menschen geschaffene Zivilisationsrisiken.

Diese Arbeit möchte die Perspektive auf die von Menschen gemachten ökologischen Risiken richten und diese in zwei soziologischen Theorien, der Systemtheorie von Niklas Luhmann und der Modernisierungstheorie der Risikogesellschaft von Ulrich Beck, analysieren. In den Kapiteln zwei und drei sollen die beiden Theorien beleuchtet und jeweils die relevanten Aussagen zu ökologischen Risiken herausgearbeitet werden. Dabei sollen insbesondere die gesellschaftlichen Bereiche Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im Fokus stehen. In einem weiteren Schritt folgt die Gegenüberstellung der Aussagen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verdeutlichen.

Die Begrifflichkeit der Ökologie ist nicht eindeutig definiert. Mit einem ersten Versuch einer Definition von HAECKEL (1868, 286) wird unter Oecologie, die gesamte Wissenschaft von Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt bezeichnet. Daraus könnte sich als Definition für Ökologie in der Soziologie, die Lehre von Wechselbeziehung zwischen Mensch und seiner umgebenen Außenwelt oder als Interaktionen zwischen Gesellschaft/ Mensch zur Umwelt/Natur, ergeben

2. Ökologische Risiken: Die Perspektive von Niklas Luhmann

Luhmann entwickelte die Systemtheorie von der System-Umwelt-Perspektive weiter, zu einem System der selbstreferentiellen Geschlossenheit von Teilsystemen. Sie gilt heute als eine der bedeutsamsten Makrotheorien (vgl. Schimank 2007, 83). Der Grundgedanke der Systemtheorie ist die soziale Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und die Ausdifferenzierung der Teilbereiche in der Gesellschaft. In diesen geschlossenen Systemen wird nach eigener Logik kommuniziert ohne direkten Bezug zu anderen Teilsystemen zu nehmen. Durch diese Ausdifferenzierung entstehen immer komplexere Formen des gesellschaftlichen Lebens, die für den Einzelnen nicht mehr zu erfassen sind. Die Ausbildung einer individuellen Identität wird erschwert oder geht verloren. Soziale Systeme haben die Aufgabe, diese Komplexität zu reduzieren und eine Identitätssicherung zu ermöglichen. Folglich haben die Systeme, bezogen auf ihre Umwelt, immer eine reduzierte Komplexität. Durch die Vereinfachung, also der Strukturbildung, werden viele Möglichkeiten ausgeschlossen. Deshalb kann eine Interaktion mit der Umwelt nicht mehr eins zu eins geschehen (vgl. Schimank 2000, 110-125). Die Kommunikation in den Teilsystemen folgt einer bestimmten Leitorientierung, die durch Codes festgelegt wird.

2.1 Risiken der speziellen Kommunikation

Teilsysteme grenzen sich von anderen Teilsystemen ab. Sie praktizieren eine spezielle Kommunikation, die letztendlich nur im eigenen Teilsystem verstanden wird. Die entsprechenden Leitwerte innerhalb eines Teilsystems bezeichnet Luhmann als binäre Codes. Diese sind im Wirtschaftsystem „zahlen“ bzw. „nicht zahlen“, in der Politik „Macht haben“ oder „nicht haben“ und in der Wissenschaft „wahr“ oder „unwahr“ von Erkenntnissen. Kommunikationsinputs in anderer Teilsysteme finden zwar statt, müssen aber in die teilsystemspezifische Sprache umcodiert werden, um verstanden bzw. verarbeitet werden zu können (vgl. Schimank 2000,133-141). Durch dieses Umcodieren jedes Geschehens in den systemeigenen Code, ist die Kommunikation zwischen den Teilsystemen von ungewolltem Unverständnis geprägt. Ursprüngliche Intentionen oder Bedeutungshintergründe der Kommunikation werden durch die Umcodierung verändert, bzw. verändert wahrgenommen. Das Wirtschaftsystem sieht bei einem Flughafenausbau die steigende Zahlungsfähigkeit, die Politik die Stärkung der Macht durch Wohlstand und die Wissenschaft Erkenntnisse zum steigenden Lärmpegel und bestimmen anhand diesen Codes die Handlungen ihrer jeweiligen Teilsysteme. Jedes Teilsystem sieht seine „Wertesphäre“(Schimank 2000, 127) mit Absolutheitsanspruch, das hat zur Folge, dass jedes gesellschaftliche Ereignis, somit auch Risiken, mit den systemeigenen, durch Codes festgelegten, Blickwinkel betrachtet werden. Dabei werden ökologische Risiken zum Teil sehr unterschiedlich oder sogar gegensätzlich bewertet und dementsprechend in Handlung umgesetzt. Die spezielle Kommunikation mit binären Codes ist notwendig und dient der Aufrechterhaltung der Systemidentität und damit auch der Autopoiesis des Systems. Autopoietisch, oder auch selbstreferentiell, bedeutet, dass Systeme die Selbstherstellung beherrschen (vgl. Schimank 2007, 131). Innerhalb eines selbstreferentiellen Teilsystems sind Risiken Selbstläufer des Systems. Es findet keine Steuerung statt. Als Folge der Gleichwertigkeit der Systeme, existiert kein Leitsystem und damit kein System zur Steuerung. Die Gleichwertigkeit heißt aber auch, dass kein System bei einem Ausfall ein Anderes ersetzen kann (vgl. Luhmann 1990, 97).

Die genannten Defizite und die damit verbundenen Risiken, ergeben sich aus der Struktur und der Differenzierung der Teilsysteme. Um auf Risiken überhaupt reagieren, bzw. Veränderungen im System hervorrufen zu können, benötigen Teilsysteme Resonanzfähigkeit.

2.2 Eingeschränkte Resonanzfähigkeit

Die verringerte Komplexität in Teilsystemen führt zu einem Verzicht des eins-zu-eins- Bezugs mit der Umwelt. Durch die Codierung erfolgt eine Reduktion der Möglichkeiten von Resonanzen mit der Umwelt. Aus diesem Grund reagieren alle Teilsysteme nur selten auf Umweltveränderungen mit Resonanz und damit mit Störung und Veränderung der Autopoiesis der speziellen Kommunikation.

Dies bedeutet, eine Resonanz aus der Umwelt ist nur möglich, wenn Codierungen passen, oder passend gemacht werden können (vgl. Luhmann 1990, 218-226). Die Reaktion auf das Rauschen der Umwelt erfolgt nicht in einem beschreibbaren Gesamtsystem, sondern jedes Teilsystem reagiert eigenständig auf die von ihm selektierten verarbeitbaren Informationen.

2.2.1 Wissenschaft

Der Wissenschaft geht es um die „Steigerung des Auflöse- und Rekombinationsvermögens, um eine Neuformierung des Wissens als Produkt von Analyse und Synthese"(Luhmann 1990, 157), nicht um die Restabilisierung gestörter Umweltzusammenhänge. Ökologische Probleme sind auch in der Wissenschaft nicht automatisch verortet. Wissenschaftliche Analyse bietet daher keine Lösung zum Umgang mit ökologischen Risiken. Sie ist in ihrer Autopoiesis gefangen und fragt bei Problemen, mit oder ohne Lösungsansätze, immer weiter und multipliziert damit die Probleme. Eine unüberschaubare Menge von Möglichkeiten, die zum Teil technisch machbar sind und andere die in Zukunft machbar sein werden. Die Entscheidung, „die Fähigkeit, technisch Mögliches abzulehnen, gewinnt in dieser Situation zunehmend an Bedeutung“(Luhmann 1990, 166). Die Wissenschaft überlässt die Entscheidung über die Trennung „Brauchbares von Unbrauchbarem“, anderen Teilsystemen. Andere Teilsysteme richten sich nach dem eigenen Code und somit wird in der Wirtschaft unter den Kriterien der Rentabilität und in der Politik nach Opportunität gehandelt, mit der Konsequenz, reduzierter Möglichkeiten auf das „Rauschen der Umwelt“ zu reagieren. Die Resonanzfähigkeit der Wissenschaft sollte daher nicht überschätzt werden (vgl. Luhmann 1990, 160).

Die Differenzierung der Wissenschaft in Disziplinen führt zur Aufgabe, „die Position von Wissen in Bezug zur Einheit des Systems zu bestimmen“(Luhmann 1990, 151). Deshalb gelingt es für jede wissenschaftliche Theorie eine Gegentheorie und für jedes Gutachten ein Gegengutachten zu erhalten. Die Wissenschaft trifft nicht die Entscheidung, welche Grenzwerte Gültigkeit erlangen.

In der funktional differenzierten Gesellschaft werden ökologische Schäden in der Regel nicht beim Verursacher offenbar. Das System könnte über Rückmeldungen und Kontrollfaktoren die Richtung seiner Autopoiesis korrigieren. Die Teilsysteme nehmen nur jeweils verschiedene Ausschnitte ihrer Umweltproblematik wahr und bearbeiten sie nach eigener Logik. Folgeprobleme, die nicht in ihren Relevanzbereich fallen, irritieren vielleicht, erzeugen aber nicht die notwendige Resonanz.

2.2.2 Wirtschaft

Der Code der Wirtschaft ist die Zahlungsfähigkeit. Das Wirtschaftsystem reagiert mit Resonanz nur auf das, was einen Preis hat. Sonst ist es für die Wirtschaft nicht existent (vgl. Schimank, 137). Die Gefahr, dass ökologisch vernünftige Handlungen preislich nicht immer kalkulierbar sind, ist offensichtlich. Die Lösung des ökologischen Problems nur über den Preis, ist nicht nur als Nachteil zu sehen, denn es garantiert auch eine Bearbeitung innerhalb des Wirtschaftssystems (vgl. Luhmann 1990,122).

Die Zeitperspektive und Zeithorizonte im Wirtschaftsystem sind anders, als die der ökologischen oder gesellschaftlichen Umwelt. Schon vor dreißig Jahren war bekannt, dass fossile Energieträger zu Ende gehen werden, doch erst jetzt wird es für die Wirtschaft interessant, in neue Energieträger zu investieren. (vgl. Luhmann 1990, 112) Diesen Zeitverlust beklagen Umweltforscher wie Ernst Ulrich von Weizsäcker und argumentieren ökonomisch:„Wenn wir heute handeln, wird es gute Ergebnisse zu geringen Kosten geben.

[...]


Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Systemtheorie und Risikogesellschaft. Ein Vergleich mit Perspektive auf ökologische Risiken
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Soziologie)
Veranstaltung
Theorien und Theoriegeschichte der Soziologie (Qualifizierungspaket 2 zur Zulassung zum Masterstudiengang Soziologie)
Note
Bestanden
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V315491
ISBN (eBook)
9783668152601
ISBN (Buch)
9783668152618
Dateigröße
417 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Schlußsatz im Kommentar der Korrektorin: "Eine insgesamt gute Leistung!"
Schlagworte
Risiken, ökologisch, Luhmann, Systemtheorie, Beck, Risikogesellschaft, Individualisierung, spezielle, Kommunikation, Resonanzfähigkeit, zweite Moderne, Teilsystem, Gefahren, Risiko, Gesellschaft, Soziologie, Differenzierung, differenzierten, funktional, Gesellschaftsteuerung, Risikoproduktion, selbstreferentiellen, autopoietisch, Geschlossenheit
Arbeit zitieren
Gerhard S. Müller (Autor:in), 2008, Systemtheorie und Risikogesellschaft. Ein Vergleich mit Perspektive auf ökologische Risiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315491

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