Kafka selbst erkannte „Das Urteil“ als seinen Durchbruch in der Literatur. Kaum verwunderlich ist daher das literaturwissenschaftliche Interesse an ebenjenem Werk – was seinen Ausdruck in einer äußerst hohen Anzahl verschiedener Deutungsansätze unterschiedlichster theoretischer Ausgangspunkte findet. Während aber – trotz des Verständnisses des Urteils als Durchbruch in der Literatur im Schreiben Kafkas – zahlreiche Arbeiten diesen Durchbruch in etwa sozialgeschichtlicher, autobiographischer oder psychoanalytischer Vorgehensweise auflösen wollen, ist die Anzahl ebenjener, die den Fokus explizit auf einen Durchbruch im literarischen Schaffen Kafkas, in seinem Schreibprozess, berücksichtigen, verhältnismäßig gering.
Dies erscheint fragwürdig, ist die eigene Wertschätzung des Urteils in seinen Briefen als bedeutsamer Moment in der Schreibtätigkeit doch häufig Anlass des literaturwissenschaftlichen Interesses. Warum wird also der nicht weniger interessante Aspekt des Durchbruchs in der Literatur dermaßen ignoriert? Die systematische Suspendierung bestimmter Aspekte Kafkas eigener Aussagen trotz direkten Bezugs in puncto Durchbruch indiziert eine ansatzdeterminierte Deutung mit Scheuklappen. Diese Arbeit möchte einen anderen Weg gehen.
Aus ebenjenem Grund ist eine klare Zuordnung des Vorgehens zu einem bestimmten literaturwissenschaftlichem Ansatz weder möglich noch erwünscht, raubt dieses vorgeprägte Denken dem Text doch ein großes Maß an Bewegungsfreiheit.
Nachfolgend wird zunächst der Urteilsspruch und dessen Vollzug durch den Sohn als interpretatorischer Wendepunkt aufgezeigt, davon ausgehend werden daraufhin bewusst gewählte Figuren im Text vor dem Hintergrund einer daraus resultierenden neuen Betrachtungsebene analysiert und schließlich der Urteilsspruch sowie dessen Vollzug vor dem Hintergrund der Fragen nach dem Durchbruch und der Geburt ausgeführt.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 2. Paradoxie: Der Urteilsspruch und dessen Vollzug als metafiktionales Moment.
- 3. Konsequenzen der metafiktionalen Betrachtung des Urteils.
- 3.1 Georg als Autor, als Kafka.
- 3.2 Der Freund als Adressat, als Leser.
- 3.3 Der Vater als das Unbewusste, als das Sinnpotential
- 3.4 Georg gegen den Vater. Autor (-intention) gegen Rezeption.
- 4. Fazit: Der Autor ist tot. Kafkas Offenbarung. Durchbruch und Geburt.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht den Durchbruch von Franz Kafkas „Das Urteil“ als Schreibprozess, indem sie das Werk unter der Perspektive des metafiktionalen Moments analysiert. Sie stellt die Frage, wie das Urteil als literarischer Durchbruch Kafkas verstanden werden kann, und untersucht die Rolle der Figuren in diesem Kontext.
- Metafiktionales Moment in „Das Urteil“
- Die Rolle des Urteilsspruchs und dessen Vollzug im Text
- Der Protagonist Georg als Repräsentant des Autors Kafka
- Der Freund als Repräsentant des Lesers
- Die Verbindung zwischen Autor-Intention und Rezeption
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel stellt den Urteilsspruch und dessen Vollzug als interpretatorischen Wendepunkt im Text „Das Urteil“ vor. Es zeigt, wie diese Handlung die textinterne Logik durchbricht und eine neue Betrachtungsebene eröffnet. Das zweite Kapitel untersucht die Konsequenzen dieser metafiktionalen Betrachtung, wobei der Protagonist Georg als Repräsentant des Autors Kafka und der Freund als Repräsentant des Lesers interpretiert werden. Es wird gezeigt, wie die Figuren die Beziehung zwischen Autor-Intention und Rezeption verdeutlichen.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Franz Kafka, „Das Urteil“, Metafiktion, Durchbruch, Autor, Leser, Georg, Freund, Vater, Rezeption, Intention, Schreiben, Literatur, Interpretation.
- Arbeit zitieren
- Marco Gierke (Autor:in), 2014, Kafkas Durchbruch als Schriftsteller. Interpretation des paradoxen Ausgangs von "Das Urteil", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315623