Die Zeichen der Zeit in Thomas Bernhards "Heldenplatz". Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise


Hausarbeit, 2014

23 Seiten, Note: 1,00 (mit Auszeichnung)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die österreichische Erinnerungskultur während des Kalten Krieges
2.1 Das große Beschweigen
2.2 Die kollektive Opferidentität als nationale Deckerinnerung

3. Der Heldenplatz als Schauplatz und Gedächtnisort

4. Die Utopie Wien

5. Der zweite historische Schock für die Familie Schuster

6. Das Spiel „Zeichen der Zeit“

7. Das Buch „Zeichen der Zeit“

8. Verhängnisvolle Ehespiele

9. Professor Schuster, der „Wandernde Jude“

10. Die Zeichen der Zeit in Thomas Bernhards „Heldenplatz“. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Primärliteratur

2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

Thomas Bernhards Bühnenstück „Heldenplatz“[1] entstand im Auftrag von Claus Peymann als Beitrag zum 100-jährigen Bestehen des Wiener Burgtheaters 1988. Die primäre Intention des Auftraggebers war, anlässlich des 50. Jahrestags der Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland das österreichische Theaterpublikum an die eigene ruhmlose Vergangenheit zu erinnern. Diesem Wunsch entsprechend zeigte Thomas Bernhard in „Heldenplatz“ die komplexen Konsequenzen der lange Zeit beschwiegenen nationalsozialistischen Verstrickung Österreichs exemplarisch anhand einer Wiener Familiengeschichte auf. Aus der Sicht einer jüdischen Großbürgerfamilie beantwortete er aktuelle Fragen zu der Selbst- und Fremdwahrnehmung, u.a. was Wien (bzw. Österreich), wer ein Österreicher und wer ein Jude in Wien (bzw. Österreich) Ende der 1980er Jahre sei.[2] Zugleich stellte er aus demselben Blickwinkel und in Zusammenhang mit der Identitätsproblematik dar, inwiefern der sogenannten Opfergeneration sowie deren Kindern die (Re-)Integration in ihrem Vaterland, bzw. dem Vaterland die Integration der jüdischen (Re-)Migranten gelang.

Das Bühnenstück sorgte aufgrund einer heftigen öffentlich-medialen Diskussion noch vor seiner Uraufführung am 4. November 1988 im Wiener Burgtheater für einen der größten Skandale der österreichischen Theatergeschichte.[3] Wie viele Politiker protestierte auch der parteilose Bundespräsident Kurt Waldheim gegen „Heldenplatz“ noch vor der Premiere vehement: „Ich halte dieses Stück für eine grobe Beleidigung des österreichischen Volkes und lehne es daher ab“.[4]

Bei dem ehemaligen KZ-Häftling, ungarischen Schriftsteller und Nobelpreisträger Imre Kertész hingegen löste „Heldenplatz“ eine Art Aha-Erlebnis aus: „Die Dialoge in Heldenplatz habe ich so von Juden in Budapest gehört.“ Diesen schlagartigen Moment des Wiedererkennens erklärte er sich damit, dass Thomas Bernhard sich „mit den Juden identifiziert“ habe.[5]

Die krasse Dichotomie der zeitgenössischen Aufnahme (Enthusiasmus seitens eines Opfers der Shoah, hysterische Empörung und kategorische Ablehnung seitens der medienwirksamen Öffentlichkeit) versuche ich im vorliegenden Aufsatz unter Zuhilfenahme einiger Grundsätze der Kulturwissenschaften zu verstehen.

2. Die österreichische Erinnerungskultur während des Kalten Krieges

2.1 Das große Beschweigen

Der britische Politologe Tony Judt schreibt, die nationalen Gedächtnisse Europas waren während des Kalten Krieges eingefroren, um die neuen west- bzw. osteuropäischen Allianzen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs zu stützen. Indem „alle Verantwortung für den Krieg den Deutschen zufiel“, wurden z.B. jene Verbrechen, die während des Zweiten Weltkrieges, unmittelbar davor oder danach von anderen verübt wurden, „passenderweise vergessen“. Diese Bereitschaft zu vergessen hat in West und Ost bis zum Ende des Kalten Krieges angehalten. Damit vollzog sich die Konsolidierung in Nachkriegseuropa auf der gemeinsamen Grundlage eines „Vergessens“ der Opfer.[6]

Auch im Österreich der Nachkriegszeit war die eigene antisemitische und nationalsozialistische Vergangenheit lange Zeit kein Thema. Man tat so, als ob man nicht wüsste, dass der moderne Antisemitismus bereits im Wien der Doppelmonarchie politische Tradition hatte. Er war hier sogar sowohl katholisch (z.B. Karl Lueger, der langjährige Bürgermeister Wiens) wie rassistisch (z.B. Georg von Schönerer, Führer der Deutschnationalen und später der Alldeutschen Vereinigung) geprägt. Bis in die 1980er Jahre dominierte die Tendenz im Geschichtsbild Österreichs, die Mitbeteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Juden und andere Opfergruppen auszublenden. Die Tatsache, dass der moderne Antisemitismus bereits vor dem Einmarsch der Deutschen, wie z.B. während der großen Weltwirtschaftskrise, zu Ausschreitungen gegen die Juden geführt hatte, wurde ins nationale Gedächtnis der Österreicher ebenfalls lange Zeit nicht aufgenommen. Jahrzehnte lang setzte man sich mit den brausenden österreichischen Jubelrufen, die Hitlers Rede am 15. März 1938 am Heldenplatz in Wien[7] begleitet hatten, absichtlich nicht auseinander. Bewusst reflektierte das nationale Gedächtnis nicht auf die Tatsache, dass nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich zehntausende Wiener am Straßenterror und an der Ausraubung der Juden aktiv beteiligt gewesen waren.[8] In Bezug auf die Shoah (den Holocaust) wollte sich Österreich bis Ende der 1980er Jahre an die nationalsozialistischen Gräueltaten gegen die Wiener Juden[9] grundsätzlich nicht erinnern.

Es ist laut dem deutschen Philosophen Hermann Lübbe davon auszugehen, dass das Beschweigen durch Ausschluss aus dem nationalen Selbstbild und dem Diskurs sich nicht darauf bezog, was geheim zu halten war, sondern auf das, was alle wussten. Es galt sozusagen auf Augenhöhe und mit Augenmaß und beruhte auf einem Deal. Dieser bestand „in der unausgesprochenen Übereinkunft, dass die Anti-Nazis von diesem Wissen keinen Gebrauch machen und dass die ehemaligen Nazis ihrerseits sich in der Öffentlichkeit zurückhalten“. Das Beschweigen der Verstrickung zehntausender Österreicher mit dem NS-Regime wurde infolgedessen nach dem Zweiten Weltkrieg und gar nach dem Ausmarsch der sowjetischen Besatzungstruppen aus Österreich (1955) von einem kühlen Pragmatismus diktiert und bedeutete in erster Linie eine funktionelle Anpassung der politischen Kultur an die neue Zeit (d.h. den Kalten Krieg).[10]

2.2 Die kollektive Opferidentität als nationale Deckerinnerung

Das nationale Selbstbild zeigte Österreich bis Ende der 1980er Jahre als erstes Opfer Hitlers.[11]

In der Psychoanalyse spricht man von „Deckerinnerungen“, die das positive Selbstbild schützen. Nationale Deckerinnerungen funktionieren bei der Bildung kollektiver Identitäten bzw. nationaler Mythen folgenderweise: Passende partielle Erinnerungen, die durch Erfahrung gedeckt sind, werden als einheitliche und ausschließliche Erinnerung für das gesamte Kollektiv in Anspruch genommen, womit die unpassenden Elemente aus dem nationalen Diskurs und Selbstbild ausgeschlossen bleiben – schreibt die deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann.[12] Das heißt, wer sich kollektiv in der Opferrolle sieht, ist z.B. kaum bereit, in dieses Narrativ auch Episoden eigener Verbrechen, der Kollaboration mit der nationalsozialistischen deutschen Besatzung und der Beteiligung an der Judenverfolgung und dem Judenmord zu integrieren.[13] In Bezug auf die österreichische politische Kultur der Nachkriegszeit kann die Problematik der Verfestigung der nationalen Opferidentität folgenderweise konkretisiert werden: Durch die Selbstviktimisierung waren die Österreicher lange Zeit unwillig und unfähig, eine „Politik der Reue“ zu entwickeln, die eine empathische Beziehung zu den Opfern der eigenen Politik und die Anerkennung verschiedener Opfer- und Täterkonstellationen ermöglicht hätte.[14]

Wurde in den österreichischen historischen Rückblicken in erster Linie auf das Opfer Österreich fokussiert, entwickelte diese Doktrin eine verfehlte „Konkurrenz“ im Geschichtsbild. Der Blick auf andere, z.B. auf die jüdischen Opfer, wurde vermieden, und diese bewusste selektive Amnesie im nationalen Gedächtnis führte zur Aberkennung der Leiden der Opfer des NS-Systems. Sie marginalisierte die Verfolgung und die Ermordung der österreichischen Juden vor und im Zweiten Weltkrieg als Elemente der österreichischen Vergangenheit. Die nationalsozialistischen Gräueltaten gegen die Juden galten daher in ihrer Eigenschaft als Menschheitsverbrechen als relativ irrelevant für das österreichische Selbstbild.

Hinzu kam, dass die tatsächliche allmähliche demokratische Veränderung des offiziellen Werterahmens in Österreich zunächst kaum Konsequenzen für die etablierten Hierarchien und Machtstrukturen hatte, die sich im Alltag der 1950er fortsetzten – zur Frustration, Kränkung und Verzweiflung vieler Opfer. Die Remigranten der 1950er Jahre trafen auf ein repressives politisches Klima.[15] Als Thomas Bernhard 1988 im Theaterstück „Heldenplatz“ den zweiten historischen Schock, den die Juden durch das unrühmliche Versagen der österreichischen politischen Kultur der Nachkriegszeit erlitten hatten, mit Empathie thematisierte, provozierte er eine jahrzehntelanges Drucksen gewohnte mediale Öffentlichkeit mit Tabubruch.

3. Der Heldenplatz als Schauplatz und Gedächtnisort

Das Drama beginnt am 17. März 1988, einen Tag nach dem Selbstmord des Professor Josef Schuster. Es spielt sich in Wien ab. Der Schauplatz der ersten und der dritten Szene ist die Wohnung des Professors, nahe dem Heldenplatz, im dritten Stock; derjenige der zweiten Szene ist der Volksgarten, der direkt am Heldenplatz liegt.

Der Heldenplatz in Wien ist eigentlich ein Burghof. Im Nord- und Südosten liegt nämlich die Burg (die Neue Burg und der Leopoldinische Trakt). Gegenüber der Neuen Burg begrenzt der Volksgarten den Platz. Die Bezeichnung „Heldenplatz“ verrät dessen Funktion als Gedächtnisort. Zwei Reiterdenkmäler sollen die Erinnerung an historische Siege der Habsburgermonarchie wachhalten: Das Denkmal für Erzherzog Carl ehrt seit 1860 den Sieger über Napoleon 1809 in der Schlacht bei Aspern; das Prinz-Eugen-Denkmal steht seit 1865 für den Sieg über die Osmanen 1697 bei Zenta. 1933/34 wurde das Burgtor zum Heldendenkmal zu Ehren der im Ersten Weltkrieg Gefallenen umgebaut. Dadurch wurde der Heldenplatz als historische Gedenkstätte der Österreicher neu interpretiert. Gründete die Habsburgerdynastie ihre Identität auf ein Siegerbewusstsein, erinnerte die junge Republik Österreich an eine historische Niederlage, der sie ja entstammte.

Im Verlauf der Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland hielt Adolf Hitler am 15. März 1938 eine Rede auf dem Heldenplatz. Er verkündete unter „brausender, tobender Zustimmung“ sowie „brausender Sieg-Heil-Rufe“ von der Neuen Burg aus „die Eingliederung“ der „Ostmark“ in das Deutsche Reich.[16] Im Zuge dessen wurde der Wiener Heldenplatz als bewährte Raum-Metapher des habsburgischen bzw. österreichisch-republikanischen historischen Gedächtnisses von den Nationalsozialisten entwertet, entfremdet, für ihre Zwecke völlig neu funktionalisiert, in ihre Geschichtsmythologie aufgenommen und vereinnahmt.[17] Für die Wiener Juden wurde der Gedächtnisort Heldenplatz dadurch zur geographischen Metapher der Aberkennung, zum traumatischen Ort[18], zu einem Ort mit der Indexikalität: Hier wurde die nationalsozialistische Annexion Österreichs und dadurch ein neues Zeitalter, die Zeit der Segregation, der Zerstörung und Vernichtung, unter tobendem Jubel verkündet.

Als Ort des Selbstmords am 50. Jahrestag der Einverleibung Österreichs durch Hitler-Deutschland, ferner als titelgebender Schauplatz eines Bühnenstückes erhielt der Heldenplatz als literarischer Ort eine weitere Funktion als Gedächtnisort: Nunmehr erinnert er auch an das Scheitern der österreichischen Erinnerungskultur durch eine vorgetäuschte Amnesie im nationalen Gedächtnis der Nachkriegszeit, welches zu Segregationserscheinungen bei der jüdischen Bevölkerung führte. Jahrzehnte lang wurde den österreichischen Juden der ihnen zustehende historische Opferstatus verwehrt, der Shoah der ihr gebührende Platz im nationalen Gedächtnis verweigert. Somit ist die empörte, wütende und hasserfüllte Reaktion mancher Medien und Politiker auf die Premiere von „Heldenplatz“ darin begründet, dass Thomas Bernhard die Öffentlichkeit mit den Demokratisierungsdefiziten der politischen Kultur konfrontierte, die die Integration der remigrierten Juden in Österreich längerfristig erschwerten oder gar verhinderten.[19]

4. Die Utopie Wien

Ermutigt durch das „Aha-Erlebnis“ des ungarischen Schriftstellers Imre Kertész[20], demnach er die Dialoge in „Heldenplatz“ so von Juden in Budapest gehört habe, gehe ich in der vorliegenden Studie davon aus, dass Thomas Bernhards Drama eine Familiengeschichte thematisiert, die auch im wahren Leben so vorstellbar gewesen wäre. Zum besseren Verständnis der komplexen psychologischen Auswirkungen der historischen Traumata auf die Familie Schuster ziehe ich die Spieltheorie des US-Psychologen Eric Berne[21] sowie die Heterotopie-Theorie des französischen Philosophen Michel Foucault[22] heran.

Das erste historische Trauma, das die Familie Schuster erleiden musste, kann folgenderweise rekonstruiert werden:

Sie erfuhren ihre absolute Ohnmacht gegenüber der sogenannten „Historie“ ab März 1938, nach der Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland. Der „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich führte zur Stigmatisierung der Familie Schuster und zugleich zu ihrer vollständigen Segregation von den anderen Österreichern sowie zur absoluten Recht- und Schutzlosigkeit. Aus Verzweiflung nahm sich damals der jüngste Bruder das Leben, und die anderen Mitglieder der Familie flohen zunächst in die Klinik Steinhof (Wien) und dann über die Schweiz nach England. Professor Josef mit seiner Frau Hedwig und den beiden Töchtern kam nach Oxford, Professor Robert nach Cambridge.

Der England-Aufenthalt kann als Erfolgsgeschichte der Familie rekonstruiert werden. Josef Schuster machte in Oxford als Professor der Mathematik Karriere, Robert in Cambridge war als Professor der Philosophie ebenfalls erfolgreich.

Sie gaben die englische Staatsbürgerschaft 1955 trotzdem zurück. Verschiedene Gründe spielten bei der Rückkehr nach Österreich eine Rolle. Professor Josef hörte auf die Bitte des Wiener Bürgermeisters, der ihm damals auch einen Lehrstuhl anbot. Dabei ignorierte er den heftigen Protest seiner Frau Hedwig. Beide Brüder hatten Sehnsucht nach der Wiener Musik und speziell Josef wollte auch seine Kindheit wiederhaben. Ihr eigentliches aber stillschweigendes Motiv zur Rückkehr war allerdings weder die Eitelkeit, noch die Sentimentalität, noch die Liebe zur Musik, sondern die feste Überzeugung, dass sie wieder bzw. noch immer ein Vaterland haben:

Wir sind in die Wiener Falle gegangen

Wir sind in die Österreichfalle gegangen

Wir haben alle gedacht wir haben ein Vaterland

Aber wir haben keins[23].

Der Begriff „Wiener Falle“ bzw. „Österreichfalle“ ist daher eine selbstkritische, reumütige Reflexion auf eine alte Utopie[24] im Weltbild der Familie Schuster, auf eine Phantasie, eine Einbildung, einen Gegenentwurf zum realen Wien, deren Verlockung sogar Professor Josef ab und zu erlag. Die Utopie Wien steht für eine flüchtige, verführerische, immer wiederkehrende Sinnestäuschung, es hätte schon irgendwann mal ein perfektes Wien existiert, ohne antisemitische Ressentiments, ein Wien, wo die Juden mit Empathie aufgenommen worden wären oder es würde irgendwann mal eine solche Heimat Wien existieren.

[...]


[1] Fürs Korrekturlesen danke ich Frau Anne-Katrin Poppe herzlich.

[2] von Ingen, Ferdinand: Thomas Bernhard: Heldenplatz. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Moritz Diesterweg. Frankfurt am Main. 1996, S. 22.

[3] Zum Heldenplatz-Skandal siehe z.B. Huber, Martin: Der Heldenplatz-Skandal. Eine Rekonstruktion von Martin Huber: http://www.thomasbernhard.at/index.php?id=190%20. Stand 5. Februar 2015., sowie Judex, Bernhard: Thomas Bernhard. Epoche – Werk – Wirkung. C. H. Beck Verlag. München 2010, S. 138-139.

[4] Die Presse, Wien, 12. Oktober 1988. Zitiert nach Ingen, Ferdinand: Thomas Bernhard: Heldenplatz. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Moritz Diesterweg. Frankfurt am Main 1996, S. 55.

[5] Philipp, Claus / Christiane Zintzen (Hg.): Reichensperger, Richard: [rire]: Literaturkritik. Kulturkritik. Springer. Wien, New York 2005, S. 160.

[6] Tony Judt zitiert nach Aleida Assmann. Assman, Aleida: Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention. Verlag C.H. Beck. München 2013, S. 184.

[7] Die Hitler-Rede auf dem Heldenplatz in Wien 1938: http://www.doew.at/cms/download/78t22/maerz38_heldenplatz.pdf

[8] Während und nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich gehörten antisemitische Aktionen Tausender Wiener Bürger auch zum Stadtbild. Ohne und teilweise gegen ausdrückliche Befehle von „oben“ belustigten sie sich an der öffentlichen Erniedrigung von Juden, plünderten ihre Läden und Geschäfte. Safrian, Hans / Hans Witek: Und keiner war dabei. Dokumente des alltäglichen Antisemitismus in Wien 1938. Picus. Wien 1988.

[9] Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland begann eine neue Phase des Terrors, nämlich die systematische Verfolgung und Vernichtung der Wiener Juden. Im August 1938 wurde unter der Leitung von Adolf Eichmann die sogenannte Nationalsozialistische Zentralstelle für die jüdische Auswanderung eingerichtet, um die zwangsweise Emigration der Juden effektiv voranzutreiben, bzw. ab 1939 um deren Deportationen zu organisieren und durchzuführen. Im Mai 1938 kam es zur ersten Verhaftungswelle. Ab dem 5. Oktober trieben die Nazis die ersten Juden aus Wien aus. Die Aktionen hielten den ganzen Oktober an und erreichten im Novemberpogrom ihren Höhepunkt. Allein 1938 wanderten etwa 104.000 Juden aus. Der Flucht aus Österreich 1938/39 waren allerdings viele Selbstmorde vorangegangen. Die letzte Etappe des Terrors, die totale Vernichtung, die „Endlösung der Judenfrage“, begann in Wien im Oktober 1939 mit dem Transport von etwa 5.000 Juden in das Ghetto von Lódz und weiter nach Riga und Minsk. Sie setzte sich fort im Februar-März 1941 mit den Deportationen in polnische Kleinstädte. Ab 1942 folgte die Deportation in das Konzentrationslager Sobibór, danach in das Vernichtungslager Theresienstadt. Ende 1942 lebten in Wien nur noch 8.000 Juden. Die „Zentralstelle“ wurde im März 1943 geschlossen. Spätere Deportationen wurden allerdings noch von der Gestapo vorgenommen. Von den etwa 206.000 Juden, die im März 1938 in Wien lebten, erlebten etwa 5.800 die Befreiung in der Heimat. Etwa 65.000 fielen unmittelbar der Shoah (dem Holocaust) zum Opfer. Moser, Jonny: Die Apokalypse der Wiener Juden. In: Wien 1938. Ausstellungskatalog. 110. Sonderausstellung. Historisches Museum der Stadt Wien. Wien 1988, S. 286-297.

[10] Hermann Lübbe wird von Assmann zitiert in: Das neue Unbehagen, S. 45.

[11] „Die eigenen Missetaten durch die deutschen Missetaten abzudecken ist eine europäische Gewohnheit. Der Haß auf die Deutschen ist Europas Fundament in der Nachkriegszeit“ – sagt der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy. Esterházy, Péter: Also die Keule. (Aus dem Ungarischen von Zsuzsanna Gahse.) In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 237, 10. Oktober 2004, S. 7.

[12] Assmann, Der lange Schatten, S. 261.

[13] Ebd., S. 147.

[14] Ebd., S. 148.

[15] Ebd., S. 46.

[16] „Jahrhundertelang haben sich in den unruhevollen Zeiten der Vergangenheit die Stürme des Ostens an den Grenzen der alten Ostmark gebrochen. Jahrhundertelang für alle Zukunft soll sie nunmehr wieder sein ein eiserner Garant für die Sicherheit und für die Freiheit des Deutschen Reichs“. Aus der Hitler-Rede auf dem Heldenplatz in Wien 1938. http://www.doew.at/cms/download/78t22/maerz38_heldenplatz.pdf. Stand 15. Januar 2015.

[17] Judex, Bernhard: Thomas Bernhard. Epoche – Werk – Wirkung. C. H. Beck. München 2010, S. 140.

[18] Assmann, Der lange Schatten, S. 221.

[19] In Österreich gibt es erst ab Ende der 1980er Jahre eine Tendenz in der politischen Kultur, den ausgrenzenden Zug der in der Erinnerungskultur während des Kalten Krieges wirksam war, in die Reflexion einzubeziehen, ihn zu thematisieren und in bewusste Formen der gegenseitigen Anerkennung und Aushandlung zu überführen. Damit wird der nationale Erinnerungsrahmen nach und nach erweitert, das Entweder-oder im Geschichtsbild in ein Sowohl-als-auch überführt – schreibt Aleida Assmann. Assmann, Das neue Unbehagen, S. 151. Ferner stellt sie fest, es trugen in Österreich insbesondere drei Elemente zur Entwicklung dieser neuen Opfersemantik bei: „Für Österreich kam der Druck der Weltöffentlichkeit […] in den 1980er Jahren mit der Waldheim-Affäre, die obendrein durch eine Mentalitätsveränderung im Zuge eines Generationenwechsels befördert und durch die Erklärung der Mitverantwortungsthese schließlich offiziell fixiert wurde“. Assmann, Der lange Schatten, S. 113.

[20] Philipp, Claus / Christiane Zintzen (Hg.): Reichensperger, Richard: [rire] Literaturkritik. Kulturkritik. Springer. Wien, New York 2005, S. 160.

[21] Berne, Eric: Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Hamburg 2007.

[22] Foucault, Michel: Andere Räume. In: Barck, Karlheinz / Peter Gente / Heidi Paris / Stefan Richter (Hg.): Aisthesis. Wahrnehmungen heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais. Reclam. Leipzig 1992, S. 34-46.

[23] Bernhard, Thomas: Heldenplatz. Suhrkamp. Frankfurt am Main 1995. Professor Robert, S.163.

[24] Utopien fasst Michel Foucault als Gegenräume auf, die mit allen anderen in Verbindung stehen und dennoch allen anderen Platzierungen widersprechen. Sie sind die unwirklichen Räume unter den Heterotopien, Platzierungen ohne wirklichen Ort. Oft sind sie die Perfektionierung der Gesellschaft. Foucault, Michel: Andere Räume. In: Barck, Karlheinz / Peter Gente / Heidi Paris / Stefan Richter (Hg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais. Reclam. Leipzig 1992, S. 38-39.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Zeichen der Zeit in Thomas Bernhards "Heldenplatz". Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Deutsches Seminar)
Veranstaltung
Seminar Thomas Bernhard
Note
1,00 (mit Auszeichnung)
Autor
Jahr
2014
Seiten
23
Katalognummer
V315639
ISBN (eBook)
9783668146303
ISBN (Buch)
9783668146310
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heldenplatz, Imre Kertész, Thomas Bernhard, Zeichen der Zeit, Eric Berne, der Wandernde Jude, Erinnerungskultur, Kulturwissenschaft, Lebensspiel, Identität, Integration, Shoah, Holocaust, Aleida Assmann, Heterotopien, Utopie, Wien, Remigranten, posttraumatische Belastungsstörung, Selbstmord, Familiengeschichte, Ehespiele, Spieltheorie, Österreich, Österreich-Ungarn, Ungarn, NS-Kontinuitäten
Arbeit zitieren
Krisztina Kaltenecker (Autor:in), 2014, Die Zeichen der Zeit in Thomas Bernhards "Heldenplatz". Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315639

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