Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Gedächtnisstruktur nach dem Mehrspeichermodell von Atkinson & Shiffrin 1968
2.1. Das Sensorische Gedächtnis
2.2. Der Kurzzeitspeicher
2.3. Der Langzeitspeicher
3. Die Gedächtnisprozesse nach Atkinson & Shiffrin 1968
3.1. Transfer vom Sensorischen Gedächtnis
3.2. Zerfall und Rehearsal
3.3. Transfer zwischen KZS und LZS
3.4. Speichern und Suchen im LZS
4. Negative Einflussfaktoren auf die Gedächtnisleistung
4.1. Fehlerhafte Speicherung
4.2. Fehlerhafter Abruf
5. Positive Einflussfaktoren auf die Gedächtnisleistung und deren Anwendung auf ein Verkaufsgespräch
5.1. Das Konstruktive Gedächtnis
5.2. Rehearsal
5.3. Der Primacy-Recency-Effekt
5.4. Codierung
5.5. Emotionale Faktoren
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Laufe der Arbeit werden in auf einer Seite aufeinanderfolgenden Fußnoten die
Literaturangaben der vorigen Fußnote durch „ebd.“ wiederholt, wobei die Seitenangabe in jeder Fußnote erneuert wird, es sei denn die Seitenzahlen sind identisch.
1. Einleitung
Manche Menschen scheinen davon beflügelt. Manche scheinen davon überwältigt. Manche davon befreit. Es sind die Gedanken, die den Menschen formen und ihn zu dem machen, was er ist.
Der Mensch unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Tieren der Erde. Am allermeisten tut er dies durch die Verfügbarkeit und Nutzung eines im Vergleich stark entwickelten Gedächtnisses.
Dieses befähigt den Menschen zur Sprache, zur Reflexion, zur Erinnerung. Ohne ein funktionierendes Gedächtnis wäre der Mensch ziellos und würde sinnbefreit sein Dasein auf Erden fristen.
Die zentrale Rolle in der vorliegenden Arbeit im Fach „Allgemeine Psychologie 1 “ spielt das Gedächtnismodell der Forscher Atkinson und Shiffrin aus dem Jahr 1968. Dieses dient dem Zweck, der Frage nachzugehen, auf welche Weise das menschliche Gehirn Informationen aufnimmt, diese verarbeitet, abruft und speichert.
Ausgehend von der ursprünglichen Fassung des Modells aus dem Jahr 1968 soll auf die Struktur des menschlichen Gedächtnisses (Kapitel 2) eingegangen und dessen Funktionsweise und inhärenten Prozesse (Kapitel 3) vorgestellt werden.
Es werden Einflussfaktoren, die die Gedächtnisleistung entweder mindern oder verhindern und somit zu einer fehlerhaften Erinnerung führen (Kapitel 4) oder die Gedächtnisleistung begünstigen (Kapitel 5), vorgestellt und diskutiert. Die Diskussion der positiven Einflussfaktoren auf die Gedächtnisleistung zielt auf die Anwendung und Nutzung ebendieser Einflussfaktoren in einem wirtschaftspsychologischen Kontext, dem Verkaufsgespräch, ab. Im abschließenden Kapitel 6 werden die Fakten rekapituliert und ein Fazit gezogen.
2. Die Gedächtnisstruktur nach dem
Mehrspeichermodell von Atkinson & Shiffrin 1968
Im Jahr 1968 veröffentlichen die beiden Forscher R.C. Atkinson und R.M. Shiffrin ein Modell zur Struktur des menschlichen Gedächtnisses. Obwohl seit der Publikation beinahe ein halbes Jahrhundert verstrichen ist, scheinen die Erkenntnisse und Ansätze der beiden Psychologen keinesfalls hinfällig geworden zu sein. Da in der Aufgabenstellung nicht genauer spezifiziert wird, welchen Stand der Forschung es wiederzugeben gilt, folgt die Ausführung der originalen Publikation aus dem Jahr 1968 und wird durch neueste Erkenntnisse lediglich ergänzt. Auf die Vielzahl der Weiterentwicklungen des ursprünglichen Modells kann aus platzökonomischen Gründen nicht eingegangen werden. Auch sollte bemerkt werden, dass die Vielzahl der positiven und negativen Einflussfaktoren auf die Gedächtnisleistung, welche im zugehörigen Studienbrief erwähnt werden, nicht in vollem Maß beachtet werden kann, da diese logisch nicht beizufügen sind.
An erster Stelle unterscheiden Atkinson & Shiffrin zwischen der Gedächtnisstruktur und den Gedächtnisprozessen2.
Die Gedächtnisstruktur stellt die physikalische Struktur des Gedächtnisses dar und ist ein invariables eingebautes Merkmal, welches nicht bewusst kontrolliert werden kann. Die Gedächtnisprozesse werden hingegen bewusst durch den Menschen eingesetzt und aufgebaut, wobei diese variieren können. Hinsichtlich der Gedächtnisstruktur lassen sich drei Komponenten festhalten. Hierbei sind der sensory register, der short-term store und der long-term store anzuführen3:
Kurzgesagt handelt es sich beim sensory register (oder auch sensorisches Gedächtnis / SG) um die erste Wegmarke für eintreffende Reize. Diese werden hier für eine sehr kurze Zeit gespeichert, bevor sie entweder in das short-term store übertragen werden oder zerfallen.
Es wird hier bewusst auf die Bezeichnung des Speichers bestanden (wie auch im Falle des Langzeitspeichers), da es sich hierbei nicht um den möglicherweise geläufigeren Begriff des Kurzzeitgedächtnisses handelt, sondern lediglich um das konkrete theoretische Konstrukt von Atkinson und Shiffrin in der behandelten Publikation4. Der Begriff des KZG, welcher den KZS beinhaltet, wird in der sonstigen psychologischen Forschungsliteratur weit mehr verwendet, weswegen sowohl KZS und KZG als auch LZS und LZG in der vorliegenden Arbeit als Synonyme behandelt werden, wenn nicht ausdrücklich auf Unterschiede hingewiesen wird.
Der KZS wird in der Theorie von Atkinson und Shiffrin auch als working memory (oder auch Arbeitsgedächtnis / AG) beschrieben, was den funktionalen Kern dieses Gedächtniselements trifft. Hier werden ankommende Informationen aus dem SG und auch aus dem long-term store verarbeitet5.
Das letzte Element ist der long-term store (oder auch Langzeitspeicher / LZS). Dieser dient als weitgehend permanenter Aufbewahrungsort für verarbeitete Informationen6.
Somit ergibt sich eine Kette, die eine eintreffende Information durchschreiten kann: 1) Sensorisches Gedächtnis 2) Kurzzeitspeicher 3) Langzeitspeicher, welche in ebendieser Reihenfolge nachfolgend kurz genauer beschrieben werden sollen.
2.1. Das Sensorische Gedächtnis
Das Sensorische Gedächtnis ist die erste Instanz im menschlichen Gedächtnis, welches eingehende Information verarbeitet. Hierbei kann es sich um jede Art von Sinnesreiz handeln, welche der Mensch wahrnehmen kann. Es wird davon ausgegangen, dass das SG einen sensorischen Speicher für jede einzelne Sinnesmodalität besitzt: visuell, auditiv, gustatorisch, olfaktorisch, taktil / haptisch7.
Das SG zeichnet sich dadurch aus, dass es eine enorm hohe Kapazität besitzt, da hier jeglicher Input von Information eintrifft ohne vorige Selektion oder eine Zuordnung in verschiedene Kategorien. Die hier zu findende Repräsentation ist originalgetreu, wird jedoch nur für eine sehr kurze Zeitspanne (max. 2 Sekunden) erhalten8.
Sensorischer Input kann im kurzen Zeitraums des Bestehens der Information im SG in den KZS übertragen werden, wobei hierzu das Subjekt seine Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz lenken muss, welcher anschließend kopiert wird9.
Visuelle Reize (oder auch ikonische Repräsentationen) überdauern im SG lediglich 0,5 - 1 Sekunde, wohingegen ein auditiver Reiz (oder auch echoische Repräsentation) für mehrere Sekunden verfügbar sein kann. Generell kann ein Reiz nur solange wahrgenommen werden, wie er physikalisch existent ist. Das sensorische Gedächtnis leistet demnach eine wichtige Rolle, um die Verfügbarkeit der Umweltinformationen für einen längeren Zeitraum verfügbar zu machen und dem Subjekt die Möglichkeit zu geben, Aufmerksamkeit auf Reize zu lenken oder umzuverteilen10.
Nachfolgendes Material ersetzt im SG kontinuierlich vorhergegangenes Material11. Es handelt sich somit um einen kontinuierlichen Sinnesreiz-Input und folglich auch kontinuierlichen Transfer in den KZS. Material, welches nicht übertragen wurde, wird kontinuierlich gelöscht und zerfällt12.
2.2. Der Kurzzeitspeicher
Der Unterscheidung zwischen KZS und LZS liegen klinische Reporte von Patienten mit Gehirnschäden zugrunde, aus welchen z.T. partielle Amnesien resultieren. Diese beschreiben, wie Patienten beispielsweise über ein intaktes KZG verfügen, allerdings Schwierigkeiten haben, auf das LZG zuzugreifen13. Das Arbeitsgedächtnis ist die zentrale Schaltstelle für Informationen, die einerseits aus dem SG und andererseits aus dem LZS stammen.
Ankommende Information aus dem SG ist bereits durch die angewandte Aufmerksamkeit selektiert und kann im KZS weiterverarbeitet werden. Die Information zerfällt nach spätestens 20-30 Sekunden nach Ankunft im KZS14. In neuerer Literatur wird das durchschnittliche Retentionsintervall des KZG mit einer Annahme von 10 Sekunden drastisch reduziert15. Der Zerfall kann jedoch durch den Mechanismus des Rehearsal (oder auch „Innere Aktive Wiederholung“16 ) hinausgezögert werden, damit die sich im KZS befindlichen Elemente für weitere und langwierigere Arbeitsschritte zur Verfügung stehen können.
Es ist davon auszugehen, dass der KZS ähnlich wie das SG mit Modalitäten für alle 5 wahrnehmbaren Sinne ausgerüstet ist. Von besonderem Stellenwert ist jedoch die auditiv-verbal-linguistische Modalität. Es ist anzunehmen, dass der meiste Inhalt des AG in einen verbalen Code umprogrammiert wird, um ihn einfacher verarbeiten zu können. Als Beispiel soll hier das gelesene Wort fungieren, welches visuell wahrgenommen wird, aber in einen auditorischen Code im AG umgewandelt wird17. In der Forschung stand und steht noch heute vor allem linguistisches Material und dessen Verarbeitung im Vordergrund, da dies einfach zu generieren und zu überprüfen ist18.
Weitere Modalitäten der Repräsentationen sind neben dem akustischen Code, visueller und semantischer Natur19.
Die ideale Kapazität und Gedächtnisspanne des KZS liegt bei 7 Items plus / minus 2. Diese Kapazität scheint in westlichen Kulturen Gültigkeit zu sein20, wobei angemerkt werden muss, dass die Größe einer Einheit vor allem durch deren Artikulationsdauer bestimmt wird, weswegen in Sprachen wie dem chinesischen mit kürzeren Artikulationseinheiten die Anzahl der Items auf bis zu 10 steigt21. Items können hier Zahlen, Buchstaben, Wörter oder Gegenstände sein. Genaueres wird in Kapitel 3 zu Rehearsal und zu Zerfall erläutert.
[...]
1 An zweiter Stelle steht der short-term store (oder auch Kurzzeitspeicher / KZS).
2 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 90.
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 101.
5 Vgl. ebd. S. 90.
6 Vgl. ebd. S. 91.
7 Vgl. Becker-Carus, C.: 2004, S. 375.
8 Vgl. Becker-Carus, C.: 2004, S. 370.
9 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 94f
10 Vgl. Becker-Carus, C.: 2004, S. 375.
11 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 95.
12 Atkinson & Shiffrin sprechen hierbei von decay (s. hierzu Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 90)
13 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 97.
14 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 100; Vgl. Becker-Carus, C.: 2004, S. 378.
15 Vgl. Schönpflug, W. & Schönpflug, U.: 1997, S. 239.
16 Becker-Carus, C.: 2004, S. 379.
17 Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M.: 1968, S. 92.
18 Vgl. Becker-Carus, C.: 2004, S. 375.
19 Vgl. ebd. S. 379.
20 Vgl. ebd. S. 381.
21 Vgl. Winke-Fischer, S.: 2013, S. 18.