Der Zustrom von Flüchtlingen und Asylsuchenden in die Bundesrepublik Deutschland ist in den letzten fünf Jahren rapide angestiegen, die Anzahl der Asylanträge kletterte im Jahr 2014 auf 202834. Die Prognosen für das aktuelle Jahr 2015 haben sich rasant entwickelt. Während noch im Mai offiziell mit 300000 bis 400000 Asylanträgen gerechnet wurde, musste die Zahl zunächst (Stand 19-08-2015) auf bis zu 800000 Flüchtlinge verdoppelt werden, und Wirtschaftsminister Gabriel erhöhte diese Prognosen zuletzt am 14ten September 2015 auf etwa eine Million Flüchtlinge.
In der Bevölkerung wird dieser Trend mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, allerdings mit höchst unterschiedlichen Schlüssen: Nach einer aktuellen Befragung von Infratest Dimap sind 34 % der Befragten der Meinung, Deutschland solle Flüchtlinge weiterhin im bisherigen Umfang aufnehmen, während 23 % diese Kontingente noch erhöhen, 38 % jedoch weniger Flüchtlinge aufnehmen wollen. Dieses Bild schlägt sich auch in höchst unterschiedlichen Aktivitäten unter der Bevölkerung nieder, ablehnenden, fremdenfeindlichen wie solidarischen, unterstützenden.
Während der Bundesverfassungsschutz vor dem Hintergrund einer rapide steigenden Anzahl von Angriffen vor einer Eskalation der Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte warnt, scheint aktuell jedoch eine positive, solidarische und unterstützende Einstellung unter der einheimischen Bevölkerung zu überwiegen mit einer großen Bereitschaft für bürgerschaftliches Engagement in der Flüchtlingshilfe. Auf einer interaktiven Landkarte Deutschlands etwa hat tagesthemen.de eine Auswahl unterschiedlichster beispielhafter Integrationsprojekte und Maßnahmen eingerichtet, Einheimische begrüßen Flüchtlinge mit Applaus bei ihrer Ankunft am Münchener Hauptbahnhof, immer mehr Deutsche nehmen sogar Flüchtlinge vorübergehend bei sich zuhause auf.
Beispiele wie diese handeln von einem gelungenen Umgang zweier in Bezug auf Ethnie, Kultur, Religion und sozialem Status in vielerlei Hinsicht vollkommen divergierender Interessensgruppen: Auf der einen Seite die Dazugehörigen, in unsere nationalstaatlichen und ökonomischen Systeme tatsächlich oder vermutet Inkludierte, zur Aufnahme bereiten oder eben nicht bereiten Menschen, auf der anderen Seite die nicht Dazugehörigen, von vorgenannten Systemen Ausgegrenzte, die jedoch um Einlass bitten und der Hilfe dringend bedürfen, weil sie aus eigenem Wirken heraus nicht dazu in der Lage sind, ein menschenwürdiges Leben führen zu können.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 1.1 Ländlicher Sozialraum
- 1.2 Status von Flüchtlingen
- 1.3 Zentrale Fragestellung
- 1.4 Theorieauswahl
- 2. Theorieteil
- 2.1 Theorie der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit
- 2.1.1 Grundbegriffe von Alltag/Lebenswelt
- 2.1.2 Theoretische Einbettung des Lebensweltkonzepts
- 2.1.3 Zugänge zur Wirklichkeit
- 2.1.4 Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit
- 2.1.5 Theoriebezug zur Fragestellung
- 2.2 Desintegrationsdynamiken
- 2.2.1 Grundbegriffe Integration/Desintegration
- 2.2.2 Ebenen von Integration/Desintegration
- 2.2.3 Anerkennungsbilanzen – Trigger gesellschaftlicher Phänomene
- 2.2.4 Interdependente Wirkweisen
- 2.2.5 Reproduktionskreisläufe
- 2.2.6 Theoriebezug zur Fragestellung
- 2.3 Zugehörigkeitsgerechtigkeit
- 2.3.1 Zugehörigkeitsgerechtigkeit vs. staatliche Souveränität
- 2.3.2 Das Recht, Rechte zu haben
- 2.3.3 Volksbegriff - geschlossenes soziales oder wertepluralistisches Gebilde
- 2.3.4 Diskurstheoretische Brücke zur Zugehörigkeitsgerechtigkeit
- 2.3.5 Theoriebezug zur Fragestellung
- 2.1 Theorie der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Arbeit befasst sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Profession der Sozialen Arbeit bei der Integration von Flüchtlingen im ländlichen Raum. Die zentrale Fragestellung untersucht, welche Faktoren die Akzeptanz oder Ablehnung von Flüchtlingen in der Bevölkerung beeinflussen und welche Möglichkeiten die Soziale Arbeit hat, den Akzeptanzprozess positiv zu beeinflussen. Die Arbeit beleuchtet die Thematik aus drei theoretischen Perspektiven: der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nach Hans Thiersch, der Desintegrationstheorie von Wilhelm Heitmeyer et al. und dem Ansatz der Zugehörigkeitsgerechtigkeit von Seyla Benhabib.
- Lebensweltorientierter Ansatz der Sozialen Arbeit
- Desintegrationsdynamiken in Bezug auf Flüchtlinge
- Zugehörigkeitsgerechtigkeit und das Recht auf Integration
- Integration von Flüchtlingen im ländlichen Raum
- Akzeptanz und Ablehnung von Flüchtlingen in der Bevölkerung
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung erläutert den rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen in Deutschland und die unterschiedlichen Reaktionen in der Bevölkerung. Sie stellt den ländlichen Sozialraum als spezifische Umgebung für die Integration von Flüchtlingen vor und erläutert den heterogenen Status von Flüchtlingen in Deutschland.
Der Theorieteil behandelt zunächst die Lebensweltorientierte Soziale Arbeit nach Hans Thiersch. Er beschreibt die Grundbegriffe von Alltag und Lebenswelt, die theoretische Einbettung des Konzepts und die Zugänge zur Wirklichkeit. Außerdem wird das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit erläutert und in Bezug zur Fragestellung gesetzt.
Der nächste Abschnitt behandelt die Desintegrationstheorie von Wilhelm Heitmeyer et al. Er erklärt die Grundbegriffe Integration und Desintegration, die Ebenen von Integration und Desintegration und die Anerkennungsbilanzen, die gesellschaftliche Phänomene auslösen können. Weiterhin werden die interdependente Wirkweisen und Reproduktionskreisläufe desintegrierenden Verhaltens erläutert. Der Abschnitt schließt mit einem Bezug der Theorie zur Fragestellung ab.
Der Theorieteil schließt mit der Behandlung des Ansatzes der Zugehörigkeitsgerechtigkeit von Seyla Benhabib. Er beleuchtet die Spannungsfelder zwischen Zugehörigkeitsgerechtigkeit und staatlicher Souveränität, das Recht auf Rechte und die Frage nach dem Volksbegriff. Der Abschnitt schließt mit einer diskurstheoretischen Brücke zur Zugehörigkeitsgerechtigkeit und einem Bezug der Theorie zur Fragestellung.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie Integration von Flüchtlingen, ländlicher Sozialraum, Lebensweltorientierte Soziale Arbeit, Desintegrationstheorie, Zugehörigkeitsgerechtigkeit, Akzeptanz, Ablehnung und gesellschaftliche Integrationsleistungen.
- Arbeit zitieren
- Heinrich Bellinghausen-Thomas (Autor:in), 2015, Integration von Flüchtlingen im ländlichen Raum. Möglichkeiten und Grenzen der Sozialen Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315748