Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Literaturnachweis
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Einleitung
1 Die Gebietsreform im Saarland von 1974 und ihre Hintergründe
2 Kommunale Selbstverwaltung und Gebietshoheit
2.1 Kommunale Selbstverwaltung
2.2 Gebietshoheit
3 Gebiets- und Grenzänderungen von Gemeinden
3.1 Gründe und Voraussetzungen für die Änderung von Gemeindegrenzen
3.2 Arten von Gebietsänderungen und Verfahren
3.2.1 Freiwillige Grenzänderung
3.2.2 Unfreiwillige Grenzänderung
3.2.3 Auflösung und Neubildung von Gemeinden
3.2.4 Andere Möglichkeiten
4 Ausblick - Gestaltung des Saarlandes in der Zukunft ..
Einleitung
Im Jahr 1973 wurde im Amtsblatt des Saarlandes Nr. 48 das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Landkreise des Saarlandes (Neugliederungsgesetz - NGG) vom 19. Dezember 1973 verkündet, welches mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in Kraft trat.1 Damit jährt sich die kommunale Neugliederung des Saarlandes in diesem Jahr bereits zum einundvierzigsten Mal. Mit dem Gesetz zur Vorbereitung der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform im Saarland vom 17. Dezember 1970 (Amtsbl. S. 949) konnte die erste Grundlage für eine Gebietsreform geschaffen werden. Zusammen mit dem NGG wurden die Gebietsänderungen der Landkreise, Städte und Gemeinden nun fest verankert. Die Landkreise wurden von sieben auf fünf reduziert. Weiterhin wurde der Stadtverband Saarbrücken geschaffen. Die bis dahin kreisfreie Landeshauptstadt Saarbrücken war fortan eine stadtverbandsangehörige Gemeinde bzw. Stadt, allerdings mit Sonder- zuständigkeiten. Es wurden alle bis dato bestehenden 345 Gemeinden - mit Ausnahme der Städte Saarlouis, Dillingen, Friedrichsthal und Sulzbach/Saar - aufgelöst und zunächst zu insgesamt 50 Gemeinden zusammengeschlossen. Im Jahr 1981 fand eine Überprüfung der 1974 vollzogenen Gebietsreform statt. Hierbei wurden die ehemaligen Gemeindebezirke Bous und Ensdorf aus der Gemeinde Schwalbach herausgelöst und wurden zu eigenständigen Gemeinden. So änderte sich die Anzahl der Gemeinden auf 52, welche heute noch Bestand haben.2
Dieser Leistungsnachweis befasst sich im Folgenden mit den gesetzlichen Möglichkeiten von Gebietsänderungen innerhalb des Saarlandes. Das Ziel hierbei soll sein, die rechtlichen Grundlagen näher zu betrachten und zu erläutern. Zur Veranschaulichung dient die im Jahr 1974 durchgeführte Gebiets- und Verwaltungsreform im Saarland.
1 Die Gebietsreform im Saarland von 1974 und ihre Hintergründe
Wie zuvor in der Einleitung erwähnt, trat am 1. Januar 1974 im Saarland das Neugliederungsgesetz in Kraft. Hierbei wurde die Gemeindelandschaft des Saarlandes neu gestaltet. Es wurden aus bisher 345 saarländischen Gemeinden zunächst 50 neue Gemeinden gebildet. Was waren die Hintergründe für diese Entscheidung der saarländischen Landesregierung? Bereits mit dem Gesetz zur Vorbereitung der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform (GVRG) vom 17. Dezember 1970 (Amtsbl. S. 949) wurde die kommunale Gebiets- und Verwaltungsreform auf den Weg gebracht. Es folgten das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Landkreise des Saarlandes (Neugliederungsgesetz) vom 19. Dezember 1973 (Amtsbl. S. 829), das Gesetz zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG) vom 13. Dezember 1973 (Amtsbl. S. 829) und das Gesetz über die Funktionalreform vom 5. Dezember 1973 (Amtsbl. 1974 S. 33).
In § 1 Abs. 1 Satz 1 GVRG ist die Absicht der im Jahre 1974 durchgeführten Reform klar aufgezeigt. So heißt es:
„ Das Gebiet der Gemeinden und Landkreise ist durch Gesetz (Neugliederungsgesetz) neu zu gliedern mit dem Ziel, gr öß ere leistungsfähigere Verwaltungseinheiten zu schaffen, um das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der Bevölkerung entsprechend den Erfordernisse der modernen Industrie und Leistungsgesellschaft nachhaltig zu fördern und zu sichern. “
Absicht der kommunalen Neuordnung im Saarland war demnach, die Struktur des Saarlandes und seiner Gemeinden an neue Gegebenheiten anzupassen und die Verwaltungseinheiten leistungsfähiger zu machen. Weiter sollten auch die sozialen und kulturellen Anforderungen und Bedürfnisse der Einwohner des Saarlandes an die damalige Zeit angepasst werden. Ein weiterer wichtiger Punkt war der, dass dem technischen Fortschritt Rechnung getragen werden sollte. Im Saarland war beabsichtigt, diese Ziele unter anderem durch die Verringerung der Anzahl der Gemeinden zu erreichen. Daraus resultierte, dass Gemeindegebiete vergrößert wurden und die Einwohnerzahl wuchs. So sollten Gemeinden, um ihre Verwaltungskraft als Träger der öffentlichen Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft voll ausschöpfen zu können, in der Regel mindestens 8.000, im Verdichtungsraum in der Regel mindestens 15.000 Einwohner haben.3 Den Landkreisen sollten je ca. acht bis 15 Gemeinden angehören mit einer Regeleinwohnerzahl von 150.000.4 Die Ämter wurden gemäß § 4 GVRG aufgelöst. Freiwillige Gebietsänderungen nach den Vorschriften des KSVG konnten bis zum Inkrafttreten des Neugliederungsgesetzes durchgeführt werden, wenn sie der Zielsetzung des GVRG entsprachen und sich die beteiligten Körperschaften über die Gebietsänderung und die näheren Bedingungen, insbesondere die Auseinandersetzung, die Rechtsnachfolge, das Ortsrecht und die neue Verwaltung geeinigt haben (§ 6 GVRG). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass nicht nur im Saarland der Gedanke einer Gebietsreform vorhanden war. So wurden im Zeitraum von 1965 bis 1978 bundesweit kommunale Gebietsreformen durchgeführt, wodurch die Anzahl der früheren Gemeinden von ca. 24.000 auf 8.500 vermindert wurde.5
2 Kommunale Selbstverwaltung und Gebietshoheit
2.1 Kommunale Selbstverwaltung
Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung beruht auf Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und ist ferner in Artikel 117 der saarländischen Verfassung verankert. Mit der Selbstverwaltungsgarantie erhalten die Gemeinden und auch die Gemeindeverbände das Recht, die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft selbstständig und eigenverantwortlich wahrzunehmen.
Gemeinden sind die kleinste Einheit innerhalb eines Staates und Teil der Länder zu dem die, in den Staat eingeordneten Gemeinwesen der örtlichen Gemeinschaft lebenden Menschen, gehören.6 Der Herrschaftsbereich einer Gemeinde bezieht sich ausschließlich auf das Gemeindeterritorium und ist durch die Gemeindegrenzen beschränkt. Weiterhin sind Gemeinden gemäß § 1 Abs. 2 KSVG Gebietskörperschaften.
Dadurch, dass die Selbstverwaltungsgarantie im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankert ist, kann sie als eine institutionelle Garantie verstanden werden. Sie verpflichtet Bund und Länder zur Existenzerhaltung und -sicherung kommunaler Selbstverwaltung in den Organisationsformen als Gebietskörperschaft. Eine Status-quo-Garantie einer Einzelgemeinde gibt es jedoch nicht.7
Ferner können die Gemeinden trotz der Selbstverwaltungsgarantie nicht willkürlich handeln. Die rechtliche Ausgestaltung findet ihre Grenzen in bereits bestehenden Gesetzen und ist somit an geltendes Recht gebunden. Aus der Selbstverwaltungsgarantie werden im Übrigen sogenannte Hoheitsrechte abgeleitet. Diese Hoheitsrechte sind:8
a) Finanzhoheit e) Kooperationshoheit
b) Personalhoheit f) Satzungshoheit
c) Planungshoheit g) Gebietshoheit
d) Organisationshoheit (oder auch Verwaltungshoheit)
Für diesen Leistungsnachweis ist insbesondere die Gebietshoheit von Bedeutung, die nachfolgend erläutert wird.
2.2 Gebietshoheit
Die Gebietshoheit befasst sich allgemein mit dem Territorium einer Gemeinde. Die unter Absatz 2.1 genannte örtliche Gemeinschaft ist als Lokalitätsprinzip zu verstehen und umfasst das Zusammenleben von Menschen in einem überschaubaren Siedlungszusammen- hang.9 Um die Gebietshoheit ausüben zu können, ist zunächst ein Gebiet nötig. Dieses setzt die Grenzen der Gebietshoheit, aber auch die der anderen genannten Hoheiten. Gesetzliche Grundlage ist § 13 KSVG, welcher den Gebietsbestand einer Gemeinde beschreibt. Ein Gemeindegebiet zeichnet sich demnach vorrangig durch die ihm zugehörigen Grundstücke aus.
Was ein Grundstück ist, kann auf verschiedene Arten definiert werden. Sinnvoll ist in diesem Fall eine Definition im vermessungstechnischen Sinn. Das Liegenschaftskataster erfasst alle Liegenschaften eines Landesgebietes. Dies können Grundstücke, Gebäude und grundstücksgleiche Rechte sein. Die im Liegenschaftskataster erfassten Liegenschaften sind Flurstücke und sind der geometrisch eindeutig begrenzte Teil der Erdoberfläche.10 Grundsätzlich gilt also, dass jedes Grundstück zu einer Gemeinde gehören muss (§ 13 Abs. 2 KSVG). Hierbei gibt es allerdings Ausnahmen. So kann es sogenannte „gemeindefreie Gebiete oder Grundstücke“ geben. Das sind solche Gebiete oder Grundstücke, welche meist aus historischen Gründen erhalten werden. Hierunter fallen unter anderem Waldgebiete, Wasserflächen, Gebirgslandschaften aber auch Truppenübungsplätze. Im Saarland existieren allerdings keine Gebiete oder Grundstücke, die gemeindefrei sind.11
3 Gebiets- und Grenzänderungen von Gemeinden
3.1 Gründe und Voraussetzungen für die Änderung von Gemeindegrenzen
Grundsätzlich sind die Grenzen einer Gemeinde festgelegt; dennoch sind sie unter bestimmten Voraussetzungen veränderbar. Rechtsgrundlagen hierfür sind die §§ 14 bis 16 KSVG. Jede Grenzänderung bedeutet auch zugleich eine Gebietsänderung der Gemeinde. Diese können nach § 14 Abs. 1 KSVG nur aus Gründen des öffentlichen Wohls, die der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in mehreren Urteilen zum Neugliederungsgesetz stets bejaht hat, erfolgen.12
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 12.05.1992 - 2 BvR 470/90 ausgeführt hat, dass es zum verfassungsrechtlichen Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung gehöre, dass Bestands- und Gebietsänderungen von Gemeinden nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaft zulässig seien.
[...]
1 Amtsblatt des Saarlandes vom 24. Dezember 1973, S. 852.
2 www.saarland.de, Zugriff am 22.10.2014.
3 § 2 Absatz 3 Satz 2 GVRG.
4 Vgl. Gröpl, Guckelberger, Wohlfarth, 2013, S. 160, Rn. 7.
5 Vgl. Kommentar zum Saarländischen Kommunalrecht: Lehne/Weirich, Rn. 3 zu § 13 KSVG.
6 Vgl. Gröpl, Guckelberger und Wohlfarth, 2013, S. 158 ff.
7 Vgl. Gröpl, Guckelberger, Wohlfarth, a.a.O., S. 166, Rn. 21 m.w.N.
8 Vgl. Wohlfarth, 1998, S.61, Rn. 4.1.3.
9 Vgl. Wohlfarth, 1998, S. 57.
10 § 11 Abs. 1 SVermKatG.
11 Vgl. Lehné/Weirich, Rn. 1, 2. zu § 13 KSVG.
12 Vgl. Lehné/Weirich, Rn. 1 zu § 14 KSVG.