Identitätsproblematik Adoptierter und anonyme Geburten (Babyklappe)


Vordiplomarbeit, 2003

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I Einleitung

II Recht auf Kenntnis der Abstammung

III Identitätsproblematik Adoptierter

IV anonyme Geburt: Babyklappe

V Schluss

VI Fragenkatalog

VII Bibliografie

I. Einleitung

„Botschaft an alle adoptierten Kinder:

Es waren einmal zwei Frauen, die sich nie zuvor begegnet sind.

Die eine, an die du dich nicht erinnerst und die andere, die du Mama nennst, zwei verschiedene Leben, zusammen eines, das deinige. Die eine war dein guter Stern, die andere ist deine Sonne. Die erste gab dir das Leben, die zweite lehrte dich, zu leben.

Die erste schuf in dir das Bedürfnis nach Liebe, die zweite war da, um es zu füllen. Die eine gab dir deine Wurzeln, die andere gab dir deinen Namen. Die erste übertrug dir ihre Gaben, die zweite wies dir ein Ziel.

Die eine erweckte in dir die Gefühle, die andere beruhigte deine Ängste. Die eine gab dir dein erstes Lächeln, die andere trocknete deine Tränen. Die eine betete, um ein Kind zu bekommen, die andere adoptierte dich.

Das ist alles, was sie für dich tun konnte. Und wenn du jetzt weinend stellst die ewige Frage: natürliches Erbe oder Erziehung – wessen Frucht bin ich? Weder von der einen, noch von der anderen, mein Kind.

Es sind einfach zwei verschiedene Formen der Liebe.“

unbekannter philippinischer Verfasser

Diese Arbeit widmet sich der in dieser Botschaft formulierten doppelten Elternschaft, die sich aus Adoptiveltern und biologischen Eltern zusammensetzt. Sehr viele Adoptierte befinden sich auf der Suche nach ihrer Herkunft und somit nach ihrer Identität.

Dabei sind zunächst im zweiten Gliederungspunkt der Arbeit rechtliche Fragen zu beantworten: Inwieweit erlaubt das Gesetz, dass Adoptierte an Informationen über ihre leiblichen Eltern gelangen und welche Grenzen sind dabei der Adoptionsvermittlungsstelle gesetzt?

Im dritten Gliederungspunkt soll erklärt werden, wie die Adoption als Tatsache Adoptierte im Leben begleitet und wie sie die Identitätsfindung- und -bildung beeinflusst.

Seit 1999 werden in Deutschland Babyklappen eingerichtet, die die Suche nach den Wurzeln ins Leere laufen lassen. Dies wird im vierten Punkt der Arbeit erörtert sowie aus rechtlicher Sicht beleuchtet.

II. Recht auf Kenntnis der Abstammung

Im Folgenden wird auf die Rechtslage der Adoptivkinder bezüglich des Adoptionsgeheimnisses eingegangen, d. h. wie kann in der Praxis unterstützende Hilfestellung bei der Suche nach der Herkunft gegeben werden und wie ist diese durch die Gesetzeslage beschränkt. Dabei ergeben sich Fragen, inwieweit persönliche Daten durch die Adoptionsvermittlungsstelle, die leiblichen Eltern, das Standesamt und andere Stellen herausgegeben werden dürfen und welche gesetzlichen Möglichkeiten für Adoptierte bestehen, selbst an Informationen zu gelangen. Die Rechte der leiblichen Eltern bleiben in dieser Arbeit unberücksichtigt, da speziell die Problematik der Identitätsfindung Adoptierter ins Zentrum gestellt werden soll.

§ 1758 BGB Abs. 1: „Tatsachen, die geeignet sind, die Annahme und ihre Umstände aufzudecken, dürfen ohne Zustimmung des Annehmenden und des Kindes nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies

erfordern.“

Dieses Offenbarungs- und Ausforschungsverbot bezweckt, dass die Adoptivfamilie vor unerwünschten Nachforschungen Fremder und besonders der Herkunftsfamilie geschützt ist. Folglich ist die Einsicht in die Akten des gerichtlichen Adoptionsverfahrens beschränkt. Bei Zustimmung beider Teile, d. h. Kind und Annehmende, entfällt das Offenbarungsverbot (Palandt, 2003).

Ein Regelfall stellt die Inkognitoadoption dar, bei der nicht bekannt wird, wer die Annehmenden sind und dies somit zur Vermeidung von Störungen der Adoptivfamilie durch Kontaktaufnahmeversuche der leiblichen Eltern und Verwandten beitragen soll. „Mittlerweile hat die Erfahrung gezeigt, dass die strikte Geheimhaltung längst nicht das Nonplusultra für jede einzelne Konstellation ist“ (Lichtinger, 1995).

Melanie Lichtinger erörtert die Handlungsspielräume der Vorschrift über das Adoptionsgeheimnis in der Praxis und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen:

Adressat des Verbots nach § 1758 Abs. 1 BGB sind Dritte, die Kenntnis von Tatsachen zur Aufdeckung einer Adoption haben, somit Behörden und unmittelbar am Adoptionsverfahren Beteiligte. Dies gilt ebenfalls für alle Stellen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, d. h. „ (…) personenbezogene Daten, die im Rahmen eines Adoptionsverfahrens bekannt werden, dürfen innerhalb desselben Rechtsträgers (Kommune, Landkreis) nicht unbegrenzt ausgetauscht werden“ (GZA, 1998).

Annehmende, Kind und Abgebende dürfen keine Informationen eigenmächtig offenbaren, außer, die Annehmenden und das Adoptivkind stimmen zu oder es besteht ein besonderes rechtliches Interesse, das eine Zustimmung ersetzt. Als besonderes rechtliches Interesse kommen dabei Ersuchen um Vorlage der Abstammungsurkunde zur Eheschließung des Adoptierten oder Ermittlungen wegen Straftaten oder Krankheiten in Betracht.

Des Weiteren wirft sich die Frage nach dem „Wann“ auf. Ab welchem Alter kann ein Kind selbst die Zustimmung zur Nachforschung erteilen? Melanie Lichtinger beantwortet diese Frage mit folgendem Ergebnis:

§ 1746 BGB „(…) für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann nur sein gesetzlicher Vertreter die Einwilligung erteilen“.

Das heißt, Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, wird die Auskunftserteilung ohne Zustimmung der Adoptiveltern versagt.

Nach der Erörterung Lichtingers hat sich jedoch mit der Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes am 1. März 2002 ergeben, dass einem Kind ab dem 16. Lebensjahr selbst auf Antrag unter Anleitung einer Fachkraft, Einsicht in die Adoptionssakte zu gewähren (§ 9 b Abs. 2 AdVermiG) ist. Bis zum Eintritt des 16. Lebensjahres bedarf es zusätzlich der Einwilligung der Adoptiveltern.

§ 61 Abs. 2 PstG: Ist ein Kind angenommen, so darf nur Behörden, den Annehmenden, deren Eltern, dem gesetzlichen Vertreter des Kindes und dem über sechzehn Jahre alten Kind selbst Einsicht in den Geburtseintrag gestattet oder eine Personenstandsurkunde aus dem Geburtenbuch erteilt werden.

Bei Volljährigkeit bedarf es keiner Einwilligung der Adoptiveltern mehr.

Der/die Adoptionsvermittler/in ist nach den obig erklärten Voraussetzungen befugt, eine Akteneinsicht zu gewährleisten (vgl. Wiemann, Ratgeber Adoptivkinder, S. 181). Dies hat jedoch in anonymisierter Form zu erfolgen, sofern die Einwilligung der Beteiligten nicht vorliegt. Die Beteiligten sind u. a. auch die leiblichen Eltern. Das heißt, dass lediglich Auskünfte über allgemeine Lebensumstände, Herkunftssituation etc. gegeben werden können. Hier greift der Datenschutz des Kapitels 2 SGB X.

Ein Einverständnis zwischen Adoptiertem und Adoptiveltern sollte dabei nach Möglichkeit des/der Adoptionsvermittlers/in erzielt werden (vgl. Wiemann, Ratgeber Adoptivkinder, S. 182). Nach § 1758 BGB wird den Adoptiveltern jedoch das Recht vorbehalten, wann eine Aufklärung erfolgen darf. Selbst wenn die Adoptionsvermittlungsstelle zu der Einschätzung gelangt, „(…) dass eine kindgerechte Aufklärung dringend geboten sei, sind sie gegenüber dem adoptierten Kind zur Verschwiegenheit verpflichtet“ (GZA, 1998).

Doch „(…) verstößt es nicht gegen § 1758 BGB, wenn aus dem Familienbuch der leiblichen Eltern die Tatsache der Adoption hervorgeht und § 61 PstG insoweit eine unbeschränkte Auskunft zulässt“ (GZA, 1998).

Dem bis hier erörterten Sachverhalt des § 1758 BGB steht das Grundrecht des Adoptierten auf Kenntnis der eigenen Abstammung dem in Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Erziehungsrecht der Adoptiveltern gegenüber:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. Januar 1989 zum ersten Mal die Kenntnis der eigenen Abstammung als verfassungsrechtlich geschützten Wert hergeleitet. Das Urteil basiert auf Artikel 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs 1 GG.

Inhalt des Urteils: „Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnem einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Verständnis und Entfaltung der Individualität sind aber mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählt neben anderen die Abstammung. Sie legt nicht nur die genetische Abstammung des Einzelnen fest und prägt so seine Persönlichkeit mit. (…)

Als Individualisierungsmerkmal gehört die Abstammung zur Persönlichkeit, und die Kenntnis der Herkunft bietet dem Einzelnen unabhängig vom Ausmaß wissenschaftlicher Ergebnisse wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität. Daher umfasst das Persönlichkeitsrecht auch die Kenntnis der eigenen Abstammung.“

Das Grundgesetz verleiht damit kein Recht auf Verschaffung von Kenntnissen, sondern schützt vor Vorenthaltung erlangbarer Informationen. (ZfJ) Adressat sind dabei die Eltern und nicht die Adoptionsvermittlungsstelle. Das heißt demnach, dass es sich hier um einen Rechtsanspruch des Adoptivkindes gegen seine Adoptiveltern auf Auskunft handelt, welcher gegebenenfalls einklagbar wäre. Die Entscheidung der Adoptiveltern, wann das angenommene Kind über seine Abstammung informiert wird liegt bei diesen selbst und ist nach Art. 6 Abs. 2 GG ein geschütztes Recht. Gewahrt bleibt dieses Recht vor allem, da es bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres deren Zustimmung zur Offenbarung des „Adoptionsgeheimnisses“ bedarf (§ 1758 BGB, § 9b AdVermG). Eine Akteneinsicht kann auf Grund dessen, dass sich der/die Adoptiere auf sein Recht auf Kenntnis der Abstammung beruft nicht ohne Einwilligung der Eltern gewährt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Identitätsproblematik Adoptierter und anonyme Geburten (Babyklappe)
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V31636
ISBN (eBook)
9783638325707
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Identitätsproblematik, Adoptierter, Geburten
Arbeit zitieren
Katja Potrykus (Autor:in), 2003, Identitätsproblematik Adoptierter und anonyme Geburten (Babyklappe), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31636

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