Mit ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totaler Systeme“ lieferte Hannah Ahrendt ein monumentales Werk ab, in dem sie auch ausführlich auf die Bedeutung der Konzentrationslager für totalitäre Systeme eingeht. Der Vergleich der Nazi-KZ's mit dem Gulag der Sowjetmacht muss jedoch differenziert betrachtet werden: Während Nazideutschland nicht mehr existierte und ehemalige KZ-Häftlinge ohne Angst vor Verfolgung von ihren Qualen berichten konnten, war Stalins Diktatur in der Sowjetunion noch gegenwärtig. Überlebende des Gulag waren nach der Entlassung zur Verschwiegenheit verpflichtet und wurden meist in zivilisationsferne Gegenden der Sowjetunion verbannt.
Die Angst vor erneuter Verfolgung brachte die Opfer des Gulag bis in die 1980er Jahre zum Schweigen. Seit dem Ende dieser Dekade, während der Zeit der Perestroika, berichteten Zeitungen zunehmend über Verfolgte des staatlichen Terrors. In jener Zeit begann Meinhard Stark mit seinen Forschungen für das Buch „Frauen im Gulag“. Bis 2002 forschte er in freigegebenen Archiven und interviewte Frauen, die zwischen 1936 und 1956 im Gulag inhaftiert waren und bereit waren, über ihre Leidensjahre im Lager und in der Verbannung zu berichten. Kein Buch davor hat sich so umfassend mit dem Lageralltag der Frauen beschäftigt. Dabei sind die Erfahrungsberichte dieser Frauen doch von besonderem Interesse, da Frauen in vielerlei Sicht den gleichen Qualen des physisch stärkeren Geschlechts ausgesetzt waren, aber eben aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Psyche auch mit ganz speziellen Problemen konfrontiert wurden: Vergewaltigungen, Menstruation oder Geburten während der Haft, um nur einige zu nennen.
Mit dieser Hausarbeit soll untersucht werden, inwieweit das geschilderte Erlebte und die aus dem Durchsuchen alter Archive gewonnenen Informationen in dem Buch von Meinhard Stark mit dem eher theoretischen Kapitel „Konzentrationslager“ aus Hannah Arendts Buch übereinstimmt. Dazu wird zunächst die Funktion der KZ's im Totalitarismus, die Arendt ihnen zuschreibt, näher beleuchtet. Anschließend wird auf die Entstehung und die Geschichte des Gulag eingegangen. Nachdem die Grundlagen geschaffen sind, werden in Kapitel zwei die theoretischen Aussagen von Arendt, soweit möglich, durch Erfahrungsberichte belegt. Im dritten Kapitel werden schließlich diejenigen Thesen untersucht, die überspitzt formuliert sind oder zu stark verallgemeinert werden, jedoch einer differenzierteren Betrachtung benötigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Hannah Arendt über Konzentrationslager und die Geschichte des Gulag
- 1.1. Hannah Arendt über Konzentrationslager
- 1.2. Das GULAG
- 2. Belegung von Arendts Thesen durch Erfahrungsberichte
- 3. Entkräftung von Ahrendts Thesen durch Erfahrungsberichte
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht, inwiefern die Erfahrungen von Frauen im Gulag, wie sie in Meinhard Starks Buch „Frauen im GULAG“ dargestellt werden, mit Hannah Arendts theoretischen Ausführungen über Konzentrationslager in ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totaler Systeme“ übereinstimmen.
- Die Funktion von Konzentrationslagern im Totalitarismus nach Hannah Arendt
- Die Entstehung und Geschichte des Gulag
- Die Bestätigung oder Widerlegung von Arendts Thesen durch Erfahrungsberichte aus dem Gulag
- Die spezifischen Herausforderungen, denen Frauen im Gulag aufgrund ihres Geschlechts gegenüberstanden
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel eins beleuchtet zunächst die Rolle von Konzentrationslagern im Totalitarismus, wie sie von Hannah Arendt beschrieben wird. Es wird anschließend die Entstehung und Geschichte des Gulag in der Sowjetunion beleuchtet. Kapitel zwei untersucht, inwieweit die Erfahrungsberichte der Frauen im Gulag Arendts Thesen bestätigen. Kapitel drei analysiert die Thesen, die entweder übertrieben oder zu stark verallgemeinert sind und einer differenzierteren Betrachtung bedürfen.
Schlüsselwörter
Hannah Arendt, Konzentrationslager, Totalitarismus, Gulag, Frauen im Gulag, Erfahrungsberichte, Meinhard Stark, „Elemente und Ursprünge totaler Systeme“, „Frauen im GULAG“, „Archipel Gulag“, politische und moralische Repression, Spontaneität, Individuum, Terror, Lebens- und Arbeitsbedingungen.
- Arbeit zitieren
- Stefan Erl (Autor:in), 2004, Theorie und Realität: Eine Untersuchung von Hannah Ahrendts Thesen über Konzentrationslager auf Basis von Erfahrungsberichten ehemaliger Häftlinge im Gulag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31662