Die selbstbestimmte Handlungsfähigkeit des devoten Subjekts in "Fifty Shades of Grey"


Hausarbeit, 2015

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die diskurstheoretische Lesart
2.1 Der Diskurs der sadomasochistischen Sexualität
2.2 Flüchtige Subjektpositionen
2.3 Machtverhältnisse innerhalb der Diskurs-Subjekt-Beziehung

3. Faktoren der Handlungsfähigkeit Anastasias
3.1 Die Bedeutung der Freiwilligkeit
3.2 Anastasias innere Zerrissenheit
3.3 Das Aushandeln des Diskurses
3.4 Der Fall des Helden

4. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit dem erotischen Roman „ Fifty Shades of Grey - Geheimes Verlangen “ von E.L. James. „ Geheimes Verlangen “ ist der erste Band einer Roman-Trilogie. Für diese Hausarbeit soll ausschließlich die deutsche Übersetzung des ersten Teils der Trilogie betrachtet werden. Die Kenntnis dieses Buches wird für das Verständnis dieser Seminararbeit vorausgesetzt, da eine detaillierte Inhaltswiedergabe den Umfang dieser Arbeit sprengen würde und den Aufbau und Tonus des Romans letztlich nur unzureichend wiedergeben könnte. Im Zuge der Analyse werden jedoch Textpassagen des Romans paraphrasiert respektive zitiert, die zugunsten eines nachvollziehbaren Sinnzusammenhangs innerhalb der Handlung verortet werden sollen. Eine allgemeine Kenntnis des Sadomasochismus wird ebenfalls vorausgesetzt, da der Romaninhalt um diese Thematik kreist und eine ausschweifende Einführung in diese sexuellen Praktiken im Sinne einer umfassenden Definition nicht Teil dieser Seminararbeit sein kann.

Die Roman-Trilogie „ Fifty Shades of Grey “ , deren erster Teil in Deutschland im Jahr 2012 veröffentlicht wurde, hat damals für viel Aufsehen bei den Rezipienten1 gesorgt und wird derzeit aufgrund der aktuellen Veröffentlichung einer Kinoverfilmung erneut in den Medien diskutiert und kritisiert.2 Das deutsche Feuilleton verreißt die Bücher als „ todlangweilige “ (Pauer 2012) und schlechte Literatur, dennoch ist die Buchreihe um die Protagonisten Christian Grey und Anastasia Steele zu einem Bestseller und einem weltweiten Phänomen geworden (vgl. Singh 2012). Aus diesem Grund erscheint eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Romanen als durchaus gerechtfertigt.

James’ Roman-Trilogie ist, seit ihrem Erscheinen auf dem Buchmarkt, Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Ein Beispiel hierfür ist die soziologische Betrachtung der Professorin Eva Illouz. Diese geht der Frage nach, weshalb es Büchern gelingt zu Bestsellern zu werden und entdeckt in „ Fifty Shades of Grey “ ein gewisses Selbsthilfepotential (vgl. Illouz 2013: 31). Illouz beschreibt die Sexualität als „ Ort der Selbstfindung, Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung “ (vgl. ebd.: 38). Von anderen

Seiten wird der Inhalt der Bücher teilweise auch als antifeministisch und frauenverachtend bezeichnet (vgl. ebd.: 56). Auf den folgenden Seiten soll aufgezeigt werden, dass der Roman neben der klassisch-feministischen oder der soziologischen Betrachtungsweise eine poststrukturalistische Lesart im Sinne einer Diskursanalyse anbietet. Diese diskurstheoretische Betrachtungsweise unterstützt und erweitert feministische Theorien insofern, dass die Strukturanalyse von Weiblichkeit und Heterosexualität ein Frauenbild zulässt, dass sie als aktiv aushandelnde Subjekte innerhalb ihrer diskursiven Zwänge zeigt. Eine Betrachtung der aktiven Arbeit der Frauen an ihren Subjektpositionen und Rollenbildern lässt die Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung der Frau in den Vordergrund rücken (vgl. Mills 2007: 93). Im Zuge der Roman-Analyse sollen daher romaninterne diskursive Strukturen und Prozesse betrachtet werden wobei insbesondere die Handlungsfähigkeit von Anastasia dargestellt und diskutiert werden soll.

Würde es sich bei „Fifty Shades of Grey“ tatsächlich um frauenverachtende Bücher handeln, die eine Handlungs un fähigkeit des weiblichen Subjekts implizieren müssten, wären es vermutlich nicht ausgerechnet Frauen, die diese Bücher in großer Zahl erwerben, lesen und positiv beurteilen (vgl. Steinlein 2012). Diese grundlegende Überlegung, führt zu der folgenden Fragestellung:

Kann innerhalb des Romans „ Fifty Shades of Grey - Geheimes Verlangen “ von einer selbstbestimmten Handlungsf ä higkeit des devoten Subjekts gesprochen werden?

Diese Leitfrage soll im Verlauf der Arbeit diskursanalytisch betrachtet und beantwortet werden, so dass es am Ende der Analyse möglich ist, eine diesbezügliche These im Sinne einer Bejahung oder Verneinung aufzustellen.

2. Die diskurstheoretische Lesart

Um den Roman „Fifty Shades of Grey - Geheimes Verlangen“ aus einer diskurstheoretischen Perspektive betrachten zu können, soll in diesem Kapitel zunächst geklärt werden, welche Elemente und Faktoren diese Lesart charakterisieren. Ausgangspunkt ist die vom französischen Philosophen Michel Foucault entwickelte Diskursanalyse, da insbesondere Foucault dem Diskursbegriff zu seiner Popularität verholfen hat (vgl. Keller 2011: 43 ff). Aus diesem Grund erfolgt zunächst ein Umriss der allgemeinen diskursiven Strukturen. An diese allgemeinen Definitionen soll sich jeweils eine Betrachtung der konkret im Roman auffindbaren Strukturen anschließen.

Abschließend werden in diesem Kapitel dann die bestehenden Machtverhältnisse zwischen den Diskursen und ihren Subjekten aufgezeigt. Diese Grundlagen bilden die Ausgangsbasis für die darauffolgende Untersuchung der eingangs gestellten Leitfrage.

2.1 Der Diskurs der sadomasochistischen Sexualität

Diskurse im Sinne Foucaults sind allgemein betrachtet „ hochgradig regulierte Gruppierungen von Aussagen oder Meinungen mit internen Regeln “ (Mills 2007: 51), deren Grundlage immer das soziale Geschehen des Dialoges darstellt, da nur dann der soziale Kontext am Leben gehalten wird (vgl. ebd.: 11). Es handelt sich hierbei folglich um ein sprachliches System, das auf soziokulturelle Art und Weise Realitäten konstituiert (vgl. Landwehr 2010). Diskurse sind weniger etwas von dem Subjekte abhängig sind. Vielmehr sind sie etwas, das von den Subjekten getan wird (vgl. Mills 2007: 95). Der im zu analysierenden Roman thematisierte Diskurs, ist der einer sadomasochistischen Sexualität. Christian ist derjenige, der diesen Diskurs im Sinne Mills tut und ihn nach und nach durch sprachliche Äußerungen an Anastasia heranträgt und sie somit zu einem Teil dieses sprachlichen Systems werden lässt. Aufgrund ihrer gänzlichen sexuellen Unerfahrenheit war Anastasia vor der Begegnung mit Christian von einem derartigen Diskurs in dem Sinne ausgeschlossen, dass sie nicht aktiv daran teilgenommen hat (vgl. James 2012).

Der sadomasochistische Diskurs stellt eine Dynamik aus Herrschaft und Unterwerfung in seiner reinsten Form dar. Hierbei spielen sowohl das Streben nach Unabhängigkeit als auch der Wunsch nach Anerkennung eine tragende Rolle. Die freiwillige Unterwerfung des devoten Subjekts gründet in einer scheinbar paradoxen Suche nach Freiheit, eine „Erlösung durch die [ausdrücklich erwünschte] Unterwerfung unter die Kontrolle eines anderen“ (Benjamin 1993: 53). Durch die Herrschaft soll für den dominanten Partner jegliche Form der Abhängigkeit von anderen geleugnet werden, von der sich jedoch kein Subjekt freisprechen kann (vgl. ebd.).

2.2 Flüchtige Subjektpositionen

Das Subjekt wird von Foucault als ein sich ständig verändernder Prozess verstanden, woraus sich schließen lässt, dass Subjektposition als flüchtig angesehen werden können.

Menschen nehmen folglich unter den ihnen vorgegebenen Umständen bestimmte Subjektrollen ein oder werden durch äußere Einflüsse in diese hineingedrängt (vgl. Mills 2007: 36). John Dewey beschreibt das Individuum als eine Unterteilung in widersprüchliche Ich-Anteile, die unter Umständen zu einem inneren Konflikt führen können (vgl. Dewey 1927, In: Keller 2012: 9, 85). Im untersuchten Roman werden im gesamten Erzählverlauf diese widersprüchlichen Ich-Anteile thematisiert. Diese werden sowohl bei Christian als auch bei Anastasia an verschiedenen Stellen des Buches aufgezeigt (vgl. James 2012). Im späteren Verlauf dieser Hausarbeit soll insbesondere die innere Zerrissenheit Anastasias näher beleuchtet werden.

Jennifer Gronau und Martin Nonhoff beschreiben das „ Subjekt zu einem bestimmten Zeitpunkt [als] die fl ü chtige historische Summe seiner Entscheidungen “ (Nonhoff, Gronau 2012, In: Keller 2012: 126). Subjektivität existiert jedoch bereits vor jeder Entscheidung. Entscheidungen der Vergangenheit fließen folglich in die Entscheidungen der Zukunft mit ein. Daraus folgt, dass Subjekte als reflexiv bezeichnet werden können, wodurch ihnen letztlich die Möglichkeit gegeben ist, Subjektpositionen einzunehmen oder abzulehnen. Subjekte verbleiben dadurch stets in einem Prozess der Subjektwerdung und sind nie vollständig konstituiert (vgl. ebd.). Anastasia erscheint zu Beginn des Romans in der Subjektposition der sexuell unerfahrenen Jungfrau. Der dominante Christian ist bereits bei der ersten Begegnung fasziniert von der schüchternen Anastasia und vermutet in ihr devotes Potential, was sie scheinbar zur perfekten Sexualpartnerin und vertraglich abgesicherten Sklavin für ihn machen könnte (vgl. James 2012: 254). Christian ist sich der Tatsache bewusst, dass er für die unerfahrene Anastasia unter Umständen gefährlich werden könnte, daher möchte er Anastasia warnen und sich zunächst selbst vor dem Angebot des Vertrages, der eine masochistische respektive devote Subjektposition beinhaltet, bewahren:

„ Anastasia, ich bin kein Mann f ü r Herzchen und Bl ü mchen...Romantik liegt mir nicht. Mein Geschmack ist sehr speziell. Du solltest dich von mir fernhalten. [...] leider kann ich die Finger nicht von dir lassen. Aber das hast du vermutlich schon gemerkt “ (ebd.: 84).

Christians Faszination für Anastasia, ihre Neugier und die damit verbundene Vermutung, sie könnte seine sexuelle Präferenz teilen, bringen Christian schließlich doch dazu, ihr eine masochistische Subjektposition anzubieten.

[...]


1 In dieser Seminararbeit werden zugunsten einer besseren Lesbarkeit stets die maskulinen Wortformen verwendet. Die weibliche Form ist hierbei inbegriffen.

2 Da es unmöglich ist, sämtliche Quellen anzugeben, die beweisen, dass „Fifty Shades of Grey“ allerhand Medieninteresse erhält, soll an dieser Stelle lediglich darauf verwiesen werden, dass die Eingabe des Titels bei der Google-News-Suche ungefähr 11.300.000 Treffer anbietet (Stand 10.03.2015).

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die selbstbestimmte Handlungsfähigkeit des devoten Subjekts in "Fifty Shades of Grey"
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V316633
ISBN (eBook)
9783668155800
ISBN (Buch)
9783668155817
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
handlungsfähigkeit, subjekts, fifty, shades, grey
Arbeit zitieren
Jennifer Buchelt (Autor:in), 2015, Die selbstbestimmte Handlungsfähigkeit des devoten Subjekts in "Fifty Shades of Grey", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316633

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