Konstruktivismus in der digitalen Wissensvermittlung. Eine Betrachtung der Lernprozesse durch mobile Applikationen


Seminararbeit, 2015

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einführung

2. Konstruktivistische Lerntheorie
a. Die Konstruktion von Wirklichkeit
b. Die Rekonstruktion im Lernprozess
c. Der Konstruktivismus im Interaktionsbezug – Lernen als imaginärer Prozess

3. Anwendung - Applikation

4. Konstruktivismus in der Applikation

5. Diskussion – Optimierungsvorschläge

6. Fazit

Literaturnachweis

Internetquellen

1. Einführung

„learning by doing“ und „von nichts kommt nichts“ – Floskelartige Phrasen tauchen in der Welt des Lernens und dem einhergehenden Erfolg immer wieder auf. Der Faktor Wissen steht nicht umsonst als wertvolles Gut im hochkomplexen 21. Jahrhundert, welches durch Innovationen und rasanter Entwicklung gekennzeichnet ist. Das, was zwischen beiden Ohren passiert, ist nicht nur Leistung genetischer Verzweigungen, sondern der Motor des Denkens und Handelns. In zeitlicher Perspektive befinden wir uns demnach in einer endlosen Thematik, welche ihren Ursprung schon beim ersten Augenschlag nach der Geburt finden lässt. „Auf ganz basaler Ebene ist Lernen eine unvermeidbare Folge von Wahrnehmung“, so der Wissenschaftsjournalist Arvid Leyh.[1]

Im Rahmen dieser Arbeit sollen Lernprozesse unter einem ganz bestimmten Fokus analysiert und angewendet werden. Dieser Anwendungsfokus in einer von vielen und jedoch im heutigen Kontext von besonderer Bedeutung. Das Lernen hat sich durch viele mediale Einflüsse und veränderte Pädagogikverständnisse in verschiedene Richtungen entwickelt. Nicht mehr nur Print-Literatur und Erzählungen geben Erfahrungen, Informationen oder Geschichten wieder. Eine Fülle an „Lern-Werkzeugen“ hat den Wissenszuwachs enorm geöffnet und liberalisiert. Diese Tatsache bildet den Aktionspunkt der im Folgenden behandelten Theorie ab. Viele theoretische Bezüge versuchen die Informationsverarbeitung im Menschen zu beschreiben bzw. zu begründen. Die große Fülle an Möglichkeiten, welche zur Wissenserweiterung geboten werden, verlangen eine Auswahl oder mindestens eine Filterung. Die technischen Umsetzungsmöglichkeiten entwickeln sich hierbei stetig weiter, um dem Ziel der Bedürfniserfüllung immer gerechter zu werden. Durch die Vereinfachung der Rahmenbedingungen kann auf diese Weise eine Lernsituation geschaffen werden, welche emotional und konzeptuell die eigene Motivation des Lernenden aktiviert. Der Konsument selbst muss somit tätig werden – nicht nur in der medialen Auswahl, sondern auch in der Konstruktion seiner eigenen Wirklichkeit. (Dresel & Lämmle, 2011, S. 81) Der Konstruktivismus ist eine theoretische Annäherung, welche das Lernen in dieser Richtung definiert. Es wird davon ausgegangen, dass Lernen effektiver stattfindet, wenn das Individuum eigenständiges Problemlösen praktiziert und somit seinen eigenen Lernprozess freier gestalten kann (Reusser, 2006, S. 159).

Der Schwerpunkt des selbstständigen Handelns und Mitwirkens ist dabei ausschlaggebend für die zentrale Analyse der technischen Angebote im Lernumgang. Diese Theorie lässt sich in ihren Bestandteilen an vielen Punkten in technischen Anwendungen wiederfinden und zeigt eine Herangehensweise, um Informationen im eigenen Gehirn aktiv zu verankern. (Gerstenmeier & Mandl, 1995, S. 881)

Der Verlauf dieser Arbeit soll sich ausgiebig mit der Denkweise des konstruktivistischen Lernens befassen. Sowohl die historische Entwicklung als auch die spezielle Struktur und Denkweise sind von Relevanz. Besonderes Augenmerk in der theoretischen Herangehensweise hat der Interaktionsaspekt. Der Konstruktivismus sieht trotz seiner Eigenständigkeit der Wissenserarbeitung den Kontakt bzw. Austausch zu seiner Umwelt als wichtigen Bestandteil seiner theoretischen Auslegung. Auch in der technologischen Umsetzung ist der Aspekt der Verbundenheit und des stetigen Austausches ein etablierter Bestandteil der Usability. So wird im nächsten Abschnitt die Möglichkeit beleuchtet, den Lernprozess in digitaler Weise zu ermöglichen und somit den zeitgemäßen Anforderungen wie Flexibilität, Mobilität und Aktualität gerecht zu werden. Mobile Endgeräte sind, wie oben erläutert, Teil der natürlichen Welt von Digital Natives (Prensky, 2012, p. 68-71) Die ausgewählte Applikation erfasst den Aspekt des Lernens, bzw. der Wissenserweiterung in Form des Kochens. Die Möglichkeit, eine Applikation für ein Rezeptbuch zu programmieren, bietet einen innovativen Fortschritt das Kochbuch aus dem Regal zu ersetzen oder abzulösen. Argumente sowohl in der finanziellen als auch in der räumlichen und zeitlichen Einsparung sprechen für diese Art der Wissensgenerierung.

Dargestellt werden unter Anderem auch die verschiedenen Funktionsweisen, Usability und die verschiedenen Handlungsfelder. Nicht zu Letzt geht der Fokus zu Nutzerzahlen, Hintergrundfakten und Bewertungen, um die allgemeine Reichweite und Erfolgsquote einordnen zu können. In Form eines Zahnrades werden sich die konstruktivistischen Ansätze durch diese Arbeit ziehen und mit der Applikation aufeinander passen. Schwachstellen und kritische Erkenntnisse finden hier im Anschluss ihre Berechtigung und leiten weiter zu Optimierungsoptionen. Als Ausblick zu neuen Theorieabspaltungen endet die Arbeit mit einem kurzen Überblick zum Konnektivismus, welcher die Ansichten des Konstruktivismus erweitert und zeitgemäß angepasst hat.

2. Konstruktivistische Lerntheorie

Die konstruktivistische Lerntheorie befasst sich in den Grundzügen mit der Art und Weise, wie Daten und insbesondere Informationen zu Wissen verarbeitet werden. Dabei die wichtigste Eigenschaft dieser Theorie die Selbstständigkeit das Wissen zu generieren und aktiv diesen Prozess zu steuern. (Reusser, 2006, S. 154)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wissenspyramide.

Wie in der abgebildeten Grafik zu sehen ist, durchläuft der Mensch immer mehrere Stationen um am Zielpunkt des verankerten Wissens anzukommen. Die Wissenspyramide setzt in der ersten Ebene mit der Erkennung von Zeichen an, welche über den Zusammenhang an Bedeutung gewinnen und dadurch zu Daten werden. Informationen werden erst dadurch generiert, dass die bestehenden Daten in einem Bedeutungskontext stehen. Besonders der letzte Schritt wird im Konstruktivimsuns besonders beleuchtet: Die Generierung von Wissen durch Informationen. Der Konstruktivismus beleuchtet diesen Prozess unter dem Fokus der benötigten Leistung des Unwissenden (vgl.Gerstenmeier & Mandl, 1995).

Neben anderen Definitionen des Lernens, wie „lernen durch Aneignung“ und „Lernen durch Abbildung“, liegt die grundlegende Herausforderung im Konstruktivismus immer an der aktiven Beteiligung. Lernen wird hierbei definiert durch eigene „Experience“ und der Generierung von Wirklichkeit. (Neubert,Reich,Voß, 2011,S.260)

Auf den Alltag übersetzt bedeuten diese Grundzüge, dass die Aneignung von Wissen nicht durch vorgefertigte Strukturen und Rahmenbedingungen in passiver Weise erfolgt, sondern Aspekte der Syntax, Semantik und Vernetzung das Ergebnis von individueller Lernleistung darstellen. Diese Leistung erscheint schon im philosophischen Grundgerüst der Entstehung des Konstruktivismus. Der Philosoph John Dewey startete schon früh das Zusammenspiel von Theorie und Praxis zu untersuchen. Sein 1998 erschienenes Werk „Die Suche nach Gewisseheit“ (Pörksen, 2011, S.48) konzentriert sich vor allem in den ersten drei Kapiteln auf die Ergründung der, im abendländischen Denken auftretenden, Abwertung der Praxis. Seine prägende These behauptet, dass „ die Erhöhung des reinen Intellekts und seiner Tätigkeit über praktische Angelegenheiten fundamental mit der Suche nach einer Gewissheit verknüpft ist, die absolut und unerschütterlich sein soll.“ (Ebd.: S.10)

Mit dieser manifesten Aussage, die Untätigkeit zu verweigern und selbst zu handeln, werden die Fundamente des Konstruktivismus ausgelegt. Vor allem die Suche nach Gewissheit deutet den Prozess des Suchens, des Scheiterns und des Erfolges in gleicher Weise an und führt somit zur „Experience“. Auf diese Weise schließt sich der abstrakte Kreis und leitet über zum Lernen durch Tun. Besonders deutlich wird in der konstruktivistischen Darstellung des Lernens durch Dewey, die kulturellen Rahmenbedingungen. Die sonst eher weniger berücksichtigte Komponente, betont die Beeinflussung des Lernprozesses durch die Kultur, welche den Lernenden umgibt und ihn somit auch beeinflussen und verändern kann. Wenn man den Blick auf aktuelle Lernprozesse wirft, so wird dies erkennbar: Kulturelle Bedingungen in Form von Sprachebene, Hilfsmittel, religiöse Traditionen, gesellschaftliche Gesetze, etc. Kultur und ihre Ausprägungen und Verankerungen in der jeweiligen Gesellschaft, setzen Grundsteine und Wegweiser für den Fortschritt des Lernens. Jedoch bieten kulturelle Kontexte nicht nur die Vielfalt der Gestaltung. Sie zeigen auch die Grenzen der eigenständigen Lernumgebung auf, indem man nicht völlig frei Informationen zu Wissen weiterentwickeln kann. So besteht der konstruktivistische Lernprozess immer aus einer Kombination von Konstruktion und Dekonstruktion der Wirklichkeit. Im folgenden Abschnitt werden beide Teilbereiche aufgeführt, um somit den Verlauf unter der konstruktivistischen Brille besser nachvollziehen zu können (vgl. Reich 2000, Kap.5).

a. Die Konstruktion von Wirklichkeit

Um das Lernen im Sinne der Theorie zu verinnerlichen und seine geistigen Fähigkeiten zu erweitern, bedarf es des eigenen Einsatzes.

„Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun“ (Maturana/Varela 1987, S. 31) Im Zentrum des Lernprozesses steht somit stets der Lernende, welcher alle Informationen sammelt und diese in einen eigenen Prozess zu seiner Wirklichkeit verarbeitet. Nicht das Medium und die Rahmenbedingungen stellen die Basis für den Lernprozess dar, sondern das Ausmaß der Bereitschaft, selbst zu agieren. Durch das Erkennen, bzw. der Verarbeitung von Erfahrung, wird die persönliche Wirklichkeit geschaffen. Der eigene Kontext entscheidet, wie das generierte Wissen neu eingefügt und verankert wird. So können am Anfang eines Lernprozesses bei mehreren Menschen die gleichen Informationen stehen. Das Wissen jedoch, welches sich in jedem einzelnen Kopf verankert, kann hierbei in verschiedene Richtungen variieren. Wolff bringt diese Erkenntnis sehr treffend auf den Punkt:

„Die eingesetzten Konstruktionsprozesse sind individuell verschieden; deshalb sind auch die Ergebnisse von Lernprozessen nicht identisch. Von besonderer Bedeutung ist das Prinzip der Selbstorganisation. Der Mensch als in sich geschlossenes System organisiert sich selbst und organisiert damit für sich die Welt.“

(Wolff, 1997, S.107)

Dieses System bleibt jedoch nicht ausschließlich für sich selbst bestehen. Der Prozess des Lernens verankert sich im ständigen Abgleich der eigenen Wirklichkeit mit den Eindrücken aus der Umwelt. Somit besteht der Vorgang aus zwei Bereichen: Der erste Bereich, die Assimilation, beschreibt das Zuordnen der eigenen Gedanken mit anderen Vorherrschenden. Im zweiten Schritt, der Akkommodation, wird das eigene Konstrukt der Umwelt angepasst. Das Ausmaß und die Intensität der Assimilation hängen ganz davon ab, wie viel der Lernende partizipieren und rezipieren möchte. Ähnlich verhält es sich mit der Akkommodation. Anpassung verlangt immer einen Grad der Überzeugung und Interesse. Motive und Intention steuern den Abgleich mit der jeweiligen Umwelt. (vgl. Reich 1998a)

b. Die Rekonstruktion im Lernprozess

Jeder Lernprozess ist für die betreffende Person etwas neu Generiertes. Doch nicht alles wird neu erfunden, sondern besteht schon in einer anderen Form oder in einem anderen Zusammenhang. Einiges wurde von anderen bereits erfunden. In diesem Abschnitt kommen Grenzen und Rahmenbedingungen innerhalb des Lernens zum Vorschein. Nicht alle Informationen werden zu neuem Wissen verarbeitet. Im konkreten Anwendungsfall wird dies in der Forschung zum Beispiel sehr deutlich. In der Entdeckung neuer Lebensmitteltechnologien werden bearbeitete Studien untersucht, Ergebnisse aufbereitet oder auch von einer anderen Seite beleuchtet um neue Aspekte zu erforschen. „ Ein Individuum ist nicht nur dann originell, wenn es der Welt eine Entdeckung schenkt, die nie zuvor gemacht worden ist. Jedes Mal, wenn es wirklich eine Entdeckung macht, ist es originell, auch wenn tausende von Personen bereits ähnliche Entdeckungen gemacht haben. Der Wert einer Entdeckung im geistigen Leben eines Individuums ist der Beitrag, den sie zu einem kreativen, aktiven Geist macht; er hängt nicht davon ab, dass niemand jemals zuvor an dieselbe Idee gedacht hat.“ (Neubert, Reich, Voß, 2011, S.261)

Das übersetzte Zitat von Dewey (vgl. Dewey, 1988, S.128) macht noch einmal deutlich, welcher im Konstruktivismus wirklich im Vordergrund steht. Wichtig ist es, die vorhandenen Informationen nicht als reine Wirklichkeit zu sehen. Diese Wirklichkeit nur selbst zu übernehmen und dabei die eigene Leistung der Analyse, bzw. der Assimilation und Akkommodation zu übergehen, ist der Kritikpunkt der konstruktivistischen Lerntheorie. Ohne Instrumente der eigenen Hinterfragung, wird kein Wissen konstruiert, sondern schlichtweg Wissen dupliziert und übernommen. Zugleich bedeutet diese Abweisung auch ein größeres Gefahrenpotenzial für den Lernprozess: Werden vorherrschende Wissensstrukturen in ihrer Gesellschaft aufgenommen und verankert, so etablieren sich diese als akzeptierte Kultur. Kulturen dienen dem Konstruktivismus einerseits als Rekonstruktionsinstrument. Im Kontrast hierzu, bilden sie jedoch feste Strukturen und Rahmenbedingungen aus denen ein Herauslösen nur schwer durchzuführen ist. Diese Problematik gilt es mit dem Medium der Dekonstruktion zu umgehen, bzw. als Chance zu wandeln. Der Kosntruktivismus definiert hier die Lösung der Hinterfragung. Um festen Strukturen zu entkommen, wird eine Distanz zur Situation und eine Kritikfähigkeit zu sich selbst vorgestellt. Neubert, Reich und Voß schreiben hierbei von einer verlangten Offenheit zu möglichen Störungen, welche immer wieder Raum für neue Konstruktionen bietet.

[...]


[1] https://www.dasgehirn.info/author/leyh

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Konstruktivismus in der digitalen Wissensvermittlung. Eine Betrachtung der Lernprozesse durch mobile Applikationen
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V316671
ISBN (eBook)
9783668156685
ISBN (Buch)
9783668156692
Dateigröße
1154 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Experience, Lerntheorie, App, Applikation, Lernen, Theorie, Online, Konstruktivismus
Arbeit zitieren
Stefanie Schäffer (Autor:in), 2015, Konstruktivismus in der digitalen Wissensvermittlung. Eine Betrachtung der Lernprozesse durch mobile Applikationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316671

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