Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Ursprünge der Kerze
Die Bedeutung des Kerzenlichts. Lichtsymbolik
Das Licht in der Religion
Das Judentum und das Licht - die Auswirkungen auf das Christentum
Katholisch - Evangelisch, ein entscheidender Unterschied
Die Kerze im Ritual
Definition Ritual
Votivkerze, Kerzenuhr und die Osterkerze
Die Osterkerze
Die Osterkerze wird entzündet - ein Blick in die Gegenwart
Die Kerze im Rechtssystem
Bannkerze/Taufkerze
Fazit - Gemeinsame Aspekte der Kerze in verschiedenen Ritualen
Literatur
Autoren
Einleitung
Ein Druck auf den Lichtschalter und das Zimmer ist hell erleuchtet. Die Technik erleichtert uns das Leben ungemein, jedoch wünschen wir uns immer wieder inneren Ausgleich. Abschalten von der modernen Welt, der Technik. „Darum lieben viele Menschen die Kerze mit ihrem beseelten Licht. In ihr wohnt eine Zauberkraft - sie ist Symbol für inneres Erleben, für Erholung und Geborgenheit“1.
Es ist also nicht verwunderlich, dass fast jeder schon einmal eine Kerze entzündet hat. In welchen Momenten zünden wir eine Kerze an? Ein Anlass kann Freude sein, doch auch bei Trauer greift man oft auf das Licht der Kerze zurück. Nun, woher aber kommt die Kerze, wie wurde sie fester Bestandteil unserer Kultur?
Lange schon nutzen die Menschen das Licht der Kerze, und daher liegt es nahe, dass auch viele Ursprungsvölker eine feste Lichtsymbolik hatten. Jeder von uns ist spätestens im Religionsunterricht mit der Thematik Licht und Finsternis in der Bibel konfrontiert wurden, da die Schöpfungsgeschichte mit dem ersten Licht, dem ersten Tag, beginnt.
Diese tiefe und schon lange vorhandene Vorstellung der Versinnbildlichung von Licht ist ein interessantes Thema, welches auch Menschen betrifft, die nicht gläubig sind. Denn viele Gegensatzpaare, die wir alltäglich erleben, sind auf den Gegensatz von hell und dunkel oder von Licht und Finsternis zurückzuführen.
Im Folgenden möchten wir zuerst auf die Ursprünge der Kerze zurückkommen, somit die Entstehung der Kerze thematisieren und auf ihre heutige Form eingehen. Weiter soll über die Bedeutung des Kerzenlichts in Bezug auf die Religion gesprochen wer- den. Es wird auf den jüdischen, den katholischen und den evangelischen Glauben eingegangen und die Unterschiede zwischen der evangelischen und der kathol i- schen Kirche sollen herausgearbeitet werden. Wieso findet die Kerze in so vielen unterschiedlichen Bereichen Verwendung? Durch die innewohnende Symbolik der Kerze, vor allem der brennenden Kerze, verweisen viele Betrachtungspunkte auf ähnliche vorangegangene Elemente. Da die Kerze ein sehr wichtiger Bestandteil von Hunderten unterschiedlichen Ritualen, sprich Symbolhandlungen, ist, soll nach der Ursprungsgeschichte zuerst eine grundlegende Definition für Rituale erbracht wer-
den. Anhand von einigen unterschiedlichen Kerzentypen wird die zu Grunde liegende Symbolik beispielhaft erläutert. Historisches Material ist besonders hervorzuheben, da die meisten „neuen“ Symbol- handlungen auf eine ursprüngliche Symbolik verweisen. Vor dem Schlusswort, bei dem auf die Frage zurückgekommen wird, wieso die Kerze als Schnittpunkt in höchst unterschiedlichen Handlungen dient, wird ein kleiner Teil des Einflusses auf die G e- sellschaft, auf die Kirche und auf das frühere Rechtssystem näher gebracht.
W oher kommt die Kerze?
Die Ursprünge der Kerze
Schon vor 2000 Jahren war es soweit: Die Kerze wurde erfunden. Ihre Aufgabe war es, den Menschen Licht zu spenden. Genauso alt wie die Kerze scheint die damit verbundene Lichtsymbolik zu sein. Eine Sage erzählt von einem Neugeborenen, das von drei Schicksalsgöttinnen besucht wurde. Die zwei ältesten der Schicksalsgöttinnen prophezeiten ihm eine Zukunft voll Glück und Ehre. „Die jüngste aber band sein Leben an eine an der Wiege brennende Kerze: wenn sie ausbrenne, gehe sein Leben zu Ende.“2 Die Kerze wurde direkt, von einer der älteren Schicksalsgöttinnen gelöscht. Der Junge lebte 300 Jahre, bis ihm das Leben leid war. Er entzündete seine Kerze und starb mit dem erlöschen der Flamme.3
Da die Erfindung aber tausende Jahre zurückliegt, ist es heutzutage schwer, sich über den damaligen Zweck einig zu werden. Es lassen sich die unterschiedlichsten Meinungen über Herkunft, Material, Formung und Nutzen der Kerze finden. Überein stimmen die Meinungen jedoch darin, dass die ursprüngliche Kerze hauptsächlich aus einem Docht und nicht wie heute üblich aus Wachs bestand. Im Grimmschen W örterbuch lassen sich Beweise für diese Behauptung finden. Hier findet man g e- schrieben, dass nicht nur Docht sondern die ganze Kerze zu Asche wird: „diu kerze lieht den luiten birt / unz daz sie selbe ze aschen wirt“4
In der Zeit nach Christus trugen auch die Öllampen, die an Leuchtern befestigt waren den Namen Candela.5 Mit dem aufkommenden Christentum gewann die Kerze im- mer mehr an Bedeutung. Sie bot sich als ideales Beleuchtungsmittel an, denn Got- tesdienste wurden zu dieser Zeit, vorzugsweise bei Nacht abgehalten. Wahrschei n- lich ist aber, dass mehr Kerzen als nötig für die Beleuchtung benutzt wurden.6 Spätestens im vierten Jahrhundert zündete man bereits Kerzen auch bei Tageslicht an. Im Mittelalter versinnbildlichte das Wachs der Kerze, welches von den Bienen g e- wonnen wurde, den Laib Christus. Bevorzugt wurde Bienenwachs, weil Bienen auch schon in dieser Zeit bekannt für ihren Fleiß und ihre Arbeit waren. Sie stellten somit die besten Bedingungen für den Laib Christus.
„Im 12./13. Jahrhundert wird der Gebrauch der Bezeichnung candela ex cera alba für Kerze aus gebleichtem Wachs üblich.“7 Früher gab es für die Herstellung von Kerzen keinen eigens dafür gedachten Beruf. Die Produktion von Kerzen gehörte zu den Ar- beiten der Landwirtschaft. War in den Wintermonaten nicht viel Arbeit auf dem Hof, wurden in der warmen Stube Wachstöcke gezogen. Außerdem waren Kerzen in di e- ser Zeit ein sehr teures Produkt, welches sich meist nur die katholische Kirche leisten konnte.
Die Bedeutung des Kerzenlichts. Lichtsymbolik
Licht gilt als das Urphänomen aller Völker, ist somit schon immer Teil ihrer Religi o- nen. In ihnen wird dem Licht eine tiefe Bedeutung zugeschrieben. „Die in ihren Wirkungen vertraute, in ihrem Wesen jedoch unfaßbare Erscheinung des Lichts ließ es zum bevorzugten Sinnbild des Immateriellen, des Überirdischen und des Transzendenten in jeder Form werden.“8
Im alten Griechenland stellte man mit Licht den Bezug zum Leben bei Tageslicht her, welches die Menschen zum Leben brauchten. Im Hellenismus sah man im Licht d a- gegen etwas „Himmlisches“. Es war nicht von der Erde und diente zur Abgrenzung von dem irdischen Leben, welches dazu bestimmt ist, irgendwann zu enden. Das Bild wandelte sich mit der griechischen Spätantike, von da an wurde dem Licht die Eigen- schaften Kraft und Energie nachgesagt: „Entscheidend war nicht länger im Licht zu sein, sondern es in sich zu haben“9. Mit Licht wird nun Unsterblichkeit assoziiert.
Der Wechsel vom Tag zur Nacht, ist ein Prozess, den wir täglich selbst miterleben. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir haben darauf keinen Einfluss. Es ist wohl somit der bedeutsamste Wechsel von Licht und Dunkelheit, den der Mensch ständig erlebt und über sich ergehen lässt. Dieses Erlebnis bezieht der Mensch auf alle ihm b e- kannte Wertungen, Feststellungen und Unterschiede: „Wasser und Land, Tod und Leben, Schlaf und Wachen, Kalt und Warm, Böse und Gut. […]“10
Die Tag- und Nachtwende war früher ein Mysterium, das sich der Mensch nicht erklä- ren konnte. Es war für die Existenz essentiell und dennoch waren sie immer wieder der Finsternis ausgesetzt. In der Religion fand der Mensch eine Erklärung für dieses Phänomen. In den meisten Religionen steht der erste Tag für die Entstehung der Er- de und für den Beginn von Leben. Im ersten Buch Moses finden wir als dritten Vers folgendes geschrieben: „Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ Licht wird als die Grundlage des Lebens gesehen. Es trennt den lebendi- gen Menschen vom Tod und der Dunkelheit.
„lucem exhalare“ bedeute im alten Rom so viel wie „das Licht aushauchen“, dies war die Redewendung, die man benutze, wenn jemand gestorben war.11 „Licht ist also eine Erscheinungsform der Seele.“12 Auch heute kennen wir noch die Formulierung: „Das Licht der Welt erblicken“, dies zeigt deutlich, dass der Mensch mit Licht das Leben assoziiert. Bei der Geburt tritt das Neugeborene aus der Finsternis, um bei Sonnenschein und Licht zu leben. Ebenso spielt bei den Eigenschaften „gut“ und „böse“ das Licht eine Bedeutung. Hat jemand ein schwarzes/finsteres Herz, wird ihm kein feines Handeln nachgesagt. Weiter kennen wir die Metapher: „das Licht am En- de des Tunnels“. Hier zeigt sich die Hoffnung, nach dem Tod aufzusteigen in das „ewige Licht“ und nicht die anhaltende Finsternis erleben zu müssen. Die Religion kann uns das Versprechen geben, nach dem Tod die erhoffte Erlösung zu erfahren und in das Himmlische aufgenommen zu werden. Viele Menschen brauchen diesen Glauben, um sich vor dem Unbekanntem, dem Tod, nicht zu fürchten.
Licht ist zur Metapher von Leben geworden. „Leben“ ein Begriff der nicht greifbar ist, mit Licht als Metapher ist es uns aber möglich, Leben darzustellen. Eine Stelle aus der Bibel soll dies verdeutlichen: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt wird nicht wandern in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8, 12).
Das Licht in der Religion
Der Mensch sehnt sich nach vielen Dingen wie Licht und Leben, Verlangen nach Fruchtbarkeit und großen Erträgen. Der natürliche Kreislauf ist gekennzeichnet von „Werden und Vergehen“ von „Saat und Ernte“ und all diese Bestandteile des sich immer wiederholenden Kreislaufs begleitet der Mensch mit seinen zahlreichen Bräu- chen und Traditionen.13
Im Christentum ist die Kerze schon lang Begleiter solcher Rituale und ist heutzutage vor allem aus der katholischen Kirche nicht mehr wegzudenken. Als Beispiel sei hier die Osterkerze oder die Taufkerze genannt. Diese lässt sie zum Gefährten vieler Gläubiger werden. „[…] - immer wird die Kerze in mehr oder weniger zeichenhafter Bedeutung eingesetzt, um den kultischen Charakter der symbolischen Handlungen zu unterstreichen, um in sinnlich wahrnehmbarer Weise die Gnade Gottes zu über- mitteln.“14
Es gibt viele Anlässe, zu denen das Anzünden einer Kerze gehört. Sei es aus Freude, Trauer oder zum Schutz. Das Ziel des Entzündens ist es immer eine Flamme zu erhalten, die uns Licht spendet. „Ihr Licht ist der Grundtypos ihrer Gebrauchsvarianten“15. Wie schon erwähnt ist die Flamme Sinnbild für das Leben geworden. Die Flamme nährt sich am Wachs, das Wachs wird zum Teil des Feuers und stellt somit das Zusammenspiel von Geist und Materie dar.16 Weiter wird im Feuer so wie in der Sonne die Erklärung für die Existenz Gottes gesehen. Im Alten Testament, wird von einem brennenden Dornbusch geschrieben. Dieser Busch spricht zu Moses, und stellt eine Metapher für Gott dar, der vom Licht umhüllt ist.
Dem Feuer werden aber nicht nur positive Eigenschaften zugeschrieben, schon früh wusste man von der Gefahr, die von Flammen ausgehen kann. Zerstörerisch können sie wirken. Doch all die Verwüstung, die durch Feuer entsteht, wird mit dem Urteil Gottes begründet. Darüber hinaus wird dem Feuer eine reinigende Wirkung zuge- schrieben. Im Neuen Testament erhalte beispielsweise Jünger eine Pfingstgabe in Form von feurigen Zungen.17
Die Kerze unterscheidet sich vom Feuer durch ihre gezähmte Form. Die Flamme ei- ner Kerze kann dasselbe leisten, wie ungebändigtes Feuer, der Unterschied ist, dass der Mensch die Flamme der Kerze unter Kontrolle hat. Die Kirche benutzt seit langer Zeit die Kerzen als Beleuchtungsquelle und als Teil von Traditionen und Bräuchen. Seither ist sie in vielen Glaubensstätten zahlreich vertreten. Als Prototyp der christli- chen Kerzen wird die Osterkerze gesehen, auf diese im Verlauf noch näher einge- gangen wird. Festhaltend lässt sich sagen: „Das Kerzenlicht gilt als Materialisation des ewigen göttlichen Lichtes und indem der Mensch mit ihm in Verbindung tritt wird seine Hoffnung offenbar, das eigene Leben möge sich irgendwie in dem ewigen Le- ben vollenden.“18
Das Judentum und das Licht - die Auswirkungen auf das Christentum
Auch in jüdischen Zeremonien und Glaubensräumen sind Lichter und Leuchter von Wichtigkeit. Sie sind Teil religiöser Rituale. Beim Betreten einer Synagoge sind die vielen Lichtquellen nicht zu übersehen. Vor der Toraschrein ist das „ewige Licht“ zu finden. Dieses Licht soll an den siebenarmigen Leuchter von Jerusalem erinnern und gleichzeitig das Licht für die heimatlosen Juden spenden, die seit ihrer Geburt in der Diaspora leben. Auch in der katholischen Kirche findet man seit dem 11. Jahrhundert das „ewige Licht“, es steht in der Nähe des Altars und ist wahrscheinlich eine Ablei- tung des jüdischen Lichts.19 In katholischen Kirchen ist es üblich, dass das „ewige Licht“ Tag und Nacht brennt. Die Kirche möchte damit die Liebe zu Jesus ausdr ü- cken und zeigen, dass diesem Ort, Christi gegenwärtig ist. Im Mittelalter übernahmen die Christen auch den siebenarmigen Leuchter. Der Zahl sieben kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, es ist eine Zahl, der schon in vielen Völkern eine bestim m- te Interpretation zugeschrieben wurde. Man sieht eine Verbindung zwischen der Me- norah (hebräisches Wort für den ursprünglichen siebarmigen Leuchter) und dem b a- bylonischen Lichterbaum. Beide verweisen mit der Zahl sieben auf unser Planeten- system und haben damit eine kosmische Symbolik zum Inhalt. „Die Siebenzahl be- deutet Gesamtheit, Universum, höchste Fülle und Kraft.20
[...]
1 Blandine, Eva: Kerzenlicht. S. 1
2 Blandine, Eva, S.20
3 vgl. ebd. S. 20
4 Seidel, Katrin: Die Kerze. Motivgeschichte und Ikonologie. S.15
5 vgl. ebd. S. 18
6 vgl. Blandine, Eva, S. 21
7 Seidel, Katrin, S. 19
8 ebd. S, 57
9 Seidel, Katrin, S.57
10 ebd. S. 60
11 Blandine, Eva, S. 19
12 ebd. S.19
13
14 Seidel, Katrin,. S. 63
15 ebd. S. 63
16 ebd. S. 63
17 ebd. S. 64
18 ebd. S. 67
19 vgl.Seidel, Katrin, S. 68
20 ebd. S.69