Reformbedarf und Lösungskonzepte in der Pflegeversicherung der BRD


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Geschichtliche Entwicklung
2.1 Einführung 1995
2.2 Status Quo

3. Probleme in und mit der Pflegeversicherung
3.1 Probleme der Pflegeinfrastruktur
3.2 Finanzielle Probleme
3.3 Personelle Probleme

4. Reformvorschläge und Reformkonzepte
4.1 In der Finanzierung
4.2 Aktuelle Umsetzungen

5. Fazit

6. Anhang

7. Literaturliste

Einleitung

Die deutsche Sozialversicherung mit ihren fünf Säulen ist eine der ältesten in der europäischen Geschichte. So wurde die gesetzliche Krankenversicherung erstmals 1883 eingeführt, wenn auch nur als reines politisches Kalkül. Ihr folgten die Arbeitslosenversicherung, die Renten-versicherung, die gesetzliche Unfallversicherung[1] und schließlich und letztendlich 1995 auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes die Pflegeversicherung als bislang letzte und fünfte Säule. Die Pflegeversicherung dient der Verbesserung der Pflegesituation der Betroffenen, der Absicherung der sozialen Sicherung der Pflegebedürftigkeit, sowie Unterstützung der pflegenden Personen und deren Angehörigen unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis und Gerechtigkeit, der Sicherung der Finanzierung und Entlastung der Sozialhilfeträger im Sinne einer Förderung der familiären Pflege.

Die Finanzierung der Pflegeversicherung erfolgt ausschließlich durch Beiträge der versicherten Personen, die ihre Beiträge zusammen mit den anderen Sozialabgaben von ihrem Gehalt durch den Arbeitgeber an die jeweilige Krankenkasse abführen.

Wie bei allen staatlichen Zuwendungen und Absicherungen, bzw. gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsicherungen und Versicherungen, an und für die Bevölkerung unterliegen auch Sozialversicherungen einem stetigen Wandel in ihren Beschaffenheiten. Beispielsweise wurden die Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung allein in den Jahren zwischen 1989 und 2000 fünfmal geändert. Auch für den Bereich der Pflegeversicherung trifft dieses zu. Seit ihrer Einführung am 01. Januar 1995 wurden bislang mehr als fünf Änderungen oder Erweiterungen vorgenommen, z.B. 06.04.1998 BGB I S. 688 die Definition der beitragspflichtigen Einnahmen bei flexibler Arbeitszeitregelung[2].

Allerdings treten durch verschiedene Faktoren, um als Beispiel nur die steigende Arbeitslosigkeit und steigenden Lebenserwartungen in allen Schichten an dieser Stelle zu nennen, bedingt mehr und mehr Schwierigkeiten bei allen Sozailversicherungszweigen auf, die vor allem in Bezug auf die Finanzierung der Leistungen und damit die Beitragsgestaltung in den einzelnen Versicherungen Reformen verlangen[3].

„Auch die gesetzliche Pflegeversicherung steht vor großen Problemen und Herausforderungen, auf die der Gesetzgeber umgehend reagieren muss. Andernfalls läuft der Beitragssatz der gesetzlichen Pflegekassen, in denen – nach dem Motto „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“ - rund 90 Prozent der Bevölkerung gegen das Pflegefallrisiko versichert sind, aus dem Ruder“[4]. In dieser Hausarbeit werde ich mich speziell auf den Reformbedarf in der Pflegeversicherung beziehen und werde erläutern, warum gerade in dem jüngsten Bereich der Sozialen Sicherung in Deutschland ein hoher Bedarf an Reformen besteht. Außerdem werde ich einen Überblick über die Entwicklung der Pflegeversicherung geben und anhand dessen aufzeigen, dass in den heutigen Zeiten eine ausschließlich staatlich finanzierte Pflegevorsorge und Pflegeversicherung kaum mehr tragbar ist.

2. Geschichtliche Entwicklung

2.1 Einführung 1995

Die soziale Pflegeversicherung als bislang fünfte und letzte Säule der sozialen Sicherung in Deutschland wird als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung und im Rahmen einer privaten Pflege-Pflichtversicherung geführt. Sie wurde mit dem „Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBI I Seite 1014)“[5] rechtskräftig und war mit dem 01. Januar 1995 für jeden Arbeitnehmer verbindlich und hat somit konstitutiven Charakter. Das Gesetz regelt sowohl die Soziale Pflegeversicherung, d.h. für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, als auch die private Pflegeversicherung – also für Personen die in der Privaten Krankenversicherung versichert sind – und ist inzwischen im zwölften Sozialgesetzbuch nieder-geschrieben[6].

Dabei gilt der Grundsatz: „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“. Das bedeutet: wer in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, gehört der sozialen Pflegeversicherung an und wer in der privaten Krankenversicherung ist gehört der privaten Pflege-Pflichtversicherung an[7].

Der Beitrag in der sozialen Pflegeversicherung ist seit der Einführung 1995 konstant und beträgt 1,7% der beitragspflichtigen Einnahmen[8]. Dieser kann im Gegensatz zu den Beiträgen der Krankenversicherung nicht an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst werden, im Gegenteil wird im Moment der Beitragssatz für die soziale Pflegeversicherung gesetzlich bestimmt. Bei der privaten Pflegepflichtversicherung richtet sich der zu zahlende Beitrag eines jeden Versicherten hingegen nach dem Alter, dem Gesundheitszustand und dem Gehalt, wobei der Höchstbeitrag nicht höher sein darf als der der sozialen Pflegeversicherung (seit 1.Januar 2001 beträgt dieser 57,38 € monatlich)[9].

Bei der SPV[10] werden die Mittel zur Finanzierung „fast ausschließlich durch Beiträge im Umlageverfahren – wie in der Sozialversicherung üblich – aufgebracht[11]. Das heißt, dass die Beiträge von der arbeitenden Bevölkerungsschicht erbracht werden und je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erbringen sind. Im Gegensatz dazu arbeitet die private Pflege-pflichtversicherung nach dem Kapitaldeckungsverfahren.[12] Hier wird zum ersten Mal ein Problem in der Finanzierung der SPV deutlich, auf das ich im Punkt 3.2 näher eingehen werde.

2.2 Status Quo

Im Gegensatz zu den anderen vier Bereichen[13] der sozialen Sicherung „sieht die Pflegeversicherung schon dem Gesetz nach keine Volldeckung der Ausgaben für Pflegeleistungen vor (wie sie in der Krankenversicherung besteht), sondern drei verschiedene „Zuschussniveaus“ entsprechend dem Grad der Pflegebedürftigkeit (definiert über ein System von bADLs und iADLs[14] sowie den Bedarf an Pflegeleistungen gemessen in Stunden)“[15]. Grundsätzlich gilt in der sozialen Pflegeversicherung – so die Intention – das Sachleistungs-prinzip, wobei für Pflegebedürftige immer die Möglichkeit besteht sich an Stelle der häuslichen Pflege ein Pflegegeld zu beantragen, also sich selbst Pflegeleistungen zu kaufen[16].

In der privaten Pflichtversicherung musste das System der SPV in Bezug auf die Finanzierung[17] zwar grundsätzlich übernommen werden, allerdings hat diese die Möglichkeit durch weitere Komponenten in der Beitragsfestsetzung die Finanzierung kapitaldeckend zu gestalten[18].

Wesentliches Ziel des Gesetzes war es, die soziale Absicherung von Pflegebedürftigen umfassend zu verbessern und auf eine neue Grundlage zu stellen. Dieses Ziel macht deutlich, dass es zuvor so etwas nicht gegeben hat. Ebenfalls sollten die kommunalen Belastungen durch die hohe Sozialhilfeabhängigkeit der Pflegebedürftigen vermindert werden.

Seit Einführung der Pflegeversicherung sind die Ausgaben der Kommunen für die Sozialhilfe stark gesunken. So ist zwischen 1994 und 1996 die Zahl der Empfänger von Hilfe zur Pflege um ca. 55% gesunken.[19] Durch den überdurchschnittlichen Preisanstieg im Pflegesektor im Vergleich zur allgemeinen Preissteigerung geraten allerdings zunehmend mehr Pflegebedürftige wieder in die Abhängigkeit der Sozialhilfe.[20]

Durch die Pflegeversicherung sind derzeit nahezu alle Bundesbürger selbst oder in einer Familienmitversicherung gegen das Pflegfallrisiko abgesichert. So sind 1999 88,8% der deutschen Bevölkerung in der SPV und 10% in der privaten Pflegepflichtversicherung sowie 1% sonstige Anspruchsberechtigte versichert gewesen[21].

Es kann also gesagt werden, dass die grundlegenden Ziele die mit der Pflegeversicherung erzielt werden sollten im Moment als erreicht angesehen werden können.

3. Probleme in und mit der Pflegeversicherung

Die anhaltenden Gespräche und Kommissionstagungen in Bundestag und Bundesrat zeigen deutlich, welche Probleme die deutsche Sozialversicherung hat. Inzwischen ist auch den Beitragszahlern und Leistungsbeziehern vollkommen klar, dass das System der sozialen Absicherung in Deutschland nicht länger in seiner bisherigen Form bestehen bleiben kann und Reformen bzw. sogar Einschnitte in den Leistungsbereichen unumgänglich werden, wenn wir weiterhin auf dem einseitigen Finanzierungsverfahren (nur das Umlageverfahren ohne private Zusatzvorsorge) verharren wollen.

Immer häufiger ist in allen Nachrichtenvarianten von Reformen und Umgestaltungsmaßnahmen zu lesen oder zu hören. So zum Beispiel in der Rentenreform erfolgte mit der Riesterrente eine erste große Änderung - weg von der reinen sozialen Rentenfinanzierung zu einer Mischsicherung aus sozialer und privater Rentenfinanzierung. Auch im jüngsten Bereich der sozialen Sicherung – der Pflegeversicherung – werden die Stimmen nach Reformen lauter. So wird vor allem über die Beitragshöhe und die Bemessungsgrenzen diskutiert. Im Punkt drei sollen die drei wichtigsten Problembereiche Personal, Pflegeinfrastruktur und Finanzierung betrachtet werden und es wird aufgezeigt, welchen Einflüssen diese unterliegen können und in wie weit diese Einflüsse Reformen bedingen.

3.1 Probleme der Pflegeinfrastruktur

Obwohl sich die Infrastruktur in den Pflegebereichen sich seit der Einführung der SPV 1995 wesentlich verbessert hat[22], gibt es bisweilen immer noch Schwierigkeiten mit der Ausrüstung und der materiellen Versorgung der Pflegeinstitutionen. „Auf der Grundlage einer Infratest-Studie über die Wirkungen der Pflegeversicherung zeigt sich, dass die Infrastruktur der ambulanten und vollstationären pflegerischen Versorgung inzwischen einen Stand erreicht hat, der für die Versorgung der pflegebedürftigen Bevölkerung rein qualitativ als ausreichend bezeichnet werden kann.“[23] Allerdings kann diese Aussage nur auf den Status Quo bezogen werden, denn wie an den demographischen Entwicklungstendenzen sowie Vorausberechnungen für den Zeitraum bis 2050[24] abzulesen ist, wird der Bedarf an Pflegesachleistungen aufgrund der Veränderungen sich nicht auf dem Stand von heute weiter bewegen, sondern kräftig ansteigen. Dieses wiederum bedeutet, dass sich auch die Anzahl der Pflegeeinrichtungen erhöhen muss, wenn dem steigenden Bedarf Rechnung getragen werden soll. Das hat zur Folge, dass die Infrastruktur im Pflegesektor keinesfalls als ausreichend in quantitativer Sicht bewertet werden kann.

[...]


[1] Die Aufzählung entspricht nicht der tatsächlichen Reihenfolge ihrer Entstehungen

[2] vgl. BMG Soziale Pflegeversicherung 1997/1998 S. 7

[3] vgl. Debatten um die Gesundheitsreform Bsp. Netzzeitung www.netzzeitung.de, 11.06.2003, „erste Stufe der Pflegeversicherung bleibt“

[4] Hansen, Volker; Wachsender Reformbedarf bei Pflege zwingt, http://www.bda-online.de, KND – Kurz-Nachrichten-Dienst, Nr. 53, 19.10.2000

[5] BMG Soziale Pflegeversicherung 1997/98 S. 7

[6] vgl. BMG Soziale Pflegeversicherung 1997/98 S. 7

[7] vgl. http://www.bundesregierung.de, Gesundheit – Die Pflegeversicherung, Ausdruck vom 20.08.2003

[8] vgl. hierzu mit den beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenversicherung

[9] vgl. http://www.bundesregierung.de Stichwort Gesundheit und Soziales – Die Pflegeversicherung 20.08.2003

[10] Soziale Pflegeversicherung

[11] BMG Soziale Pflegeversicherung 1997/1998 S. 11

[12] Hansen, Volker; Wachsender Reformbedarf bei Pflege zwingt, http://www.bda-online.de, KND – Kurz-Nachrichten-Dienst, Nr. 53, 19.10.2000

[13] Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Unfallversicherung

[14] bADL und iADL stehen für basic bzw. instrumental Activities of Daily Living

[15] Winfried Schmäl, Volker Ulrich: Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, Tübingen 2001, S. 75-77

[16] ebd. S. 77

[17] mit Umlageverfahren bzw. Risikostrukturausgleich

[18] vgl. Hansen, Volker; Wachsender Reformbedarf bei Pflege zwingt, http://www.bda-online.de, KND – Kurz-Nachrichten-Dienst, Nr. 53, 19.10.2000

[19] vgl. Abb. 1 Entwicklung der Ausgaben zur Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe

[20] vgl. Abb. 2 Durchschnittliche Pflegesätze und Entgelte für die Unterkunft und Verpflegung, vor allem bei der stationären Pflege, da hier die Kosten die Leistungen oft übersteigen

[21] vgl. Abb. 3 Bevölkerung nach Art der Pflegeversicherung und Beteiligung am Erwerbsleben

[22] nach Angaben der Pflegekassen hatten im Oktober 2001 rd. 12950 ambulante und 9000 vollstationäre Pflegeeinrichtungen einen Versorgungsvertrag, 1998 waren es noch ca. 11800 ambulante und 7800 vollstationäre Pflegeeinrichtungen, vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, Sozialbericht 2001, S. 160

[23] vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, Sozialbericht 2001, S. 160-161

[24] vgl. Rürup-Kommission, Reformvorschläge zur Sozialen Pflegeversicherung, Abb. 5-2 Entwicklungen des Pflegebedarfs bis 2050 und Abb. 5-1 Pflegefallwahrscheinlichkeit nach Alter und Geschlecht im Jahre 2002, S. 188/189

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Reformbedarf und Lösungskonzepte in der Pflegeversicherung der BRD
Hochschule
Universität Rostock
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V31682
ISBN (eBook)
9783638326063
Dateigröße
921 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reformbedarf, Lösungskonzepte, Pflegeversicherung
Arbeit zitieren
Lars Bloch (Autor:in), 2004, Reformbedarf und Lösungskonzepte in der Pflegeversicherung der BRD, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31682

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