Steigerung der Bereitschaft zur Basisreanimation von „out-of-hospital cardiac arrest“ Patienten in Deutschland

Auswirkungen einer „Chest Compression Only“ auf die Laienreanimation


Bachelorarbeit, 2013

52 Seiten, Note: 1,0

Gerd Gräfe (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Problemdarstellung und Hintergründe
2.1 Der Laienhelfer
2.2 Der plötzliche Herztod
2.3 Die Notfallmeldung
2.4 Die automatisierte Defibrillation

3 Ziel der Arbeit

4 Methodik
4.1 Forschungsfragen
4.2 Literaturrecherche

5 Ergebnisse und Feststellungen
5.1 Überlebensrate
5.2 Reaktionszeit nach OHCA
5.3 Ort des Notfalls
5.4 Bereitschaft zur Reanimation
5.5 Qualität der CPR
5.6 Limits
5.7 Zusammenfassung

6 Diskussion

7 Fazit / Ausblicke

8 Literaturverzeichnis

Abstract

Einleitung. Das Auftreten eines Herz-Kreislauf-Stillstandes außerhalb eines Krankenhauses ist ein großes Problem des Gesundheitswesens und betrifft rund 300 000 Menschen jährlich in den USA. Die gesamte Überlebensrate der durchgeführten Reanimationen beträgt durchschnittlich weniger als 10%. Der Versuch, durch Helfer die Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR) durchzuführen, verbessert deutlich die Ergebnisse. Dies erfolgt jedoch in weniger als 30% der Fälle.

Methodik. Es wurde eine Literaturrecherche von aktuellen Studien, Metaanalysen und Leitlinien durchgeführt, welche die Einflüsse einer „chest compressiononly“ CPR auf die Basisreanimation untersuchten.

Ergebnisse. Von den acht eingeschlossenen Studien über Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses der verschiedenen Autoren von 1989 bis 2009 gibt es keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Überlebensrate der beiden Gruppen. Vorteile der Gruppe mit COCPR konnten in Bezug auf einen besseren neurologischen Status, eine kürzere Zeit für die telefonische Anleitung zur COCPR, einen häufigeren Beginn der Wiederbelebungsversuche und mehr Thoraxkompressionen pro Minute gegenüber der Standard CPR nachgewiesen werden.

Diskussion/Schlussfolgerung. Obwohl Laienreanimation nachweislich die Überlebensrate erhöht, bleibt die Rate der Durchführung dieser Intervention unannehmbar gering. Zu den vermuteten Ursachen für die niedrige Rate der CPR gehören die Angst zu schädigen, die Angst vor Infektionskrankheiten, die Komplexität der psychomotorischen Aufgabe, Panik und die Abneigung, einen Mund-zu-Mund Kontakt herzustellen. Seit mehr als einem Jahrzehnt existieren Berichte über präklinische Möglichkeiten, welche belegen, dass es nicht immer erforderlich ist, eine aktive Belüftung während einer CPR bei reanimationspflichtigen Patienten außerhalb des Krankenhauses durchzuführen. Tierstudien haben gezeigt, dass COCPR mindestens so wirksam wie herkömmliche CPR sein kann.

Schlagwörter: chest compression only CPR - out of hospital cardiac arrest – Laienhelfer - kardiopulmonale Reanimation.

Introduction. Out of hospital cardiac arrest is a major public health problem, affecting approximately 300.000 individuals in the United States annually. The overall survival is generally less than 10% among those in whom resuscitation is attempted. The provision of bystander cardiopulmonary resuscitation (CPR) significantly improves outcome but is generally performed in less than 30% of cases.

Methodology. A literature review of recent studies, meta-analyzes and guidelines, which examined the effects of a "chest compression-only" CPR on the basis of resuscitation.

Results. Of the eight studies included the various authors from 1989 to 2009 the out-of-hospital cardiac arrest cases, there is no significant difference in survival between the two groups. Benefits the group with COCPR could be detected compared to the standard CPR in terms of a better neurological status, a shorter time for the telephone instructions to COCPR, a frequent start of resuscitation attempts and more chest compressions per minute.

Discussion/Inference. Although bystander CPR is associated with increased survival, the rate of performing this intervention remains unacceptably low. Suggested causes for the low CPR rates include fear of causing harm, fear of contracting infectious disease, the complexity of the psychomotor task, panic, and reluctance to make mouth-to-mouth contact. For more than a decade, preclinical reports have raised the possibility that it is not necessary to perform active ventilation during CPR soon after sudden collapse from out-of-hospital cardiac arrest. Animal studies have shown COCPR to be at least as effective as conventional CPR.

Keywords: chest compression only CPR - out of hospital cardiac arrest – bystander - cardiopulmonale reanimation.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Überlebenskette: "chain of survival" (Nolan J. , et al., 2010, S. 521)

Abbildung 2: Ereignisorte der Notfälle von OHCA im Frühdefibrillationsprojekt des Kantons Solothurn 2007 (Morger, et al., 2007, S. 544)

Abbildung 3: Nach einem Kreislaufstillstand mit Kammerflimmern sinkt die Überlebenschance jede Minute bis zur Defibrillation um 10% (Morgen et al. 2007, S.543)

Abbildung 4: Zielorientierung bei Präventionsstrategien zur Verkürzung der Prähospitalzeit (Gärtner et al. 2008, S.290)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Rechercheprotokoll

Tabelle 2: Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturrecherche

Tabelle 3: relative Häufigkeit des Ortes von OHCA – Patienten (zusammengefasste Daten nach Bohm et al.2007; Bobrow et al.2010; Hallstrom et al.2000; Svensson et al.2010; Herlitz et al. und Gräsner et al.2012)

Tabelle 4: relative Häufigkeit von Reanimationen durch Bystander (zusammengefasste Daten nach Bohm et al.2007; Bobrow et al.2010; Hallstrom et al.2000; Sayre et al.2008; Svensson et al.2010; Gräsner et al.2012 und Sedgwick et al.1993)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

2010 feierte die European Resuscitation Council[1] 50 Jahre moderne Kardiopulmonale Reanimation (Arntz, Diks, Kreimeier, & Waydhas, 2010, S. 507). In den Vorbetrachtungen zu den Leitlinien der Reanimation 2010 blicken die Autoren auf eine ereignisreiche Entwicklung der letzen 50 Jahre zurück. Am Ende der 50iger Jahre beobachteten Kouwenhoven und Knickerbocker, zwei Elektroingenieure, während der Durchführung von Defibrillationsversuchen an Hunden, dass durch das feste Anpressen der Elektroden gegen die Thoraxwand Blutdruckspitzen provoziert werden konnten. In Zusammenarbeit mit dem chirurgischen Assistenten Jude am „Johns Hopkins Hospital“ entstand so 1960 die wegweisende Publikation über die geschlossene Herzdruckmassage (Kouwenhoven, Jude, & Knickebocker, 1960, S. 1064ff). In der Beschreibung der Herzdruckmassage von Kouwenhovens et al. 1960 im „Journal of the American Medical Association“ fasste er zusammen: „Anyone, anywhere, can now initiate cardiac resuscitative procedures. All that is needed is two hands.“ Im Jahre 1960 waren damit die wesentlichen Komponenten der Wiederbelebung erkannt worden (Arntz et al. 2010, S.507). Elam et al.(1954) hatten die Mund-zu-Mund Beatmung beschrieben (Elam et al. 1954, zitiert Arntz et.al. 2010, S.507). Safar beschrieb 1956 den Mechanismus des verlegten Atemweges (Safar 1958, zitiert Arntz et al. 2010, S.507). Durch Safar etablierten sich dann die Schritte A für Atemwegskontrolle, B für Mund-zu-Mund Beatmung und C für externe Herzdruckmassage (cardiac compression)- zusammengeführt als ABC der Reanimation. Dabei stellten sie deren besondere Bedeutung im Hinblick auf das neurologische Outcome nach Kreislaufstillstand heraus (Safar 1981, zitiert Arntz et al. 2010, S.507). Mit den 1974 zum ersten Mal publizierten „Standards for Cardiopulmonary Resuscitation“ hatte sich die externe Herzdruckmassage endgültig etabliert (Arntz et al. 2010, S.507).

Heute sind es die Leitlinien der Fachgesellschaften, die die weltweit akzeptierte Sicht wiedergeben, wie Reanimation wirkungsvoll und sicher durchgeführt werden kann (Dirks & Baubin, 2010, S. 508). Obwohl der Kreislaufstillstand beim Menschen nicht immer auf die gleiche Ursache zurückzuführen ist (Pell, Walker, & Cobbe, 2007, S. 839) und folglich unterschiedliche Interventionen zu setzen wären, geben die Leitlinien für den Laienhelfer ein Standardvorgehen vor, das zwar dem größten Teil der Betroffenen gerecht wird aber nicht für alle Ursachen den effektivsten Weg darstellt (Dirks & Baubin, 2010, S. 508). Leitlinien beschreiben deshalb immer einen „Korridor“, so Dirks & Baubin (2010), von dem in Einzelfällen Ursachenbedingt abgewichen werden kann und soll.

Trotz dieser Entwicklung der modernen kardiopulmonalen Reanimation hat sich seit den 1950er Jahren die Gesamtüberlebensrate von Kreislaufstillständen außerhalb eines Krankenhauses nicht verbessert (Capucci, Aschieri, & Pelizzoni, 2010, S. 49). Dies wirft Fragen zur Rolle der Laienhilfe auf. Unstrittig ist es, dass so früh als mög­lich nach dem Eintritt eines Kreislauf­stillstandes mit Wiederbelebungsmaßnah­men begonnen werden sollte. Somit kommt dem zufällig anwesenden Notfallzeugen (Bystander[2] ) eine besondere Rolle zu. Dieser kann be­reits vor Eintreffen des regulären Rettungs­dienstes mit Reanimationsmaßnahmen beginnen (Gräsner, et al., 2012, S. 1). Diese besondere Position von Laienhelfern spiegelt sich in der „Überlebenskette“ (Abbildung 1) wieder und findet in den Leitlinien der Fachgesellschaften besondere Aufmerksamkeit (Nolan, Soar, & Eikeland, 2006, S. 270; Nolan J. , et al., 2010, S.521). Durch die Erweiterung der Leitlinien zur CPR auf die halbautomatische Defibrillation[3] durch Laien wird dem Ersthelfer ein großer Anteil an dem Gelingen der „Überlebenskette“ zugeschrieben. Durch die frühen Maßnahmen eines Laienhelfers wird dieser zum wichtigsten Einflussfaktor für das Überleben und die neurologische Leistungsfähigkeit eines Patienten mit Kreislaufstillstand (Schloesser, 2010, S. 9). Das Konzept der „Überlebenskette“, heute auch „Chain of Survival“ genannt, fasst entscheidende Schritte für eine erfolgreiche Wiederbelebung zusammen, welche in der Folge kurz beschrieben werden.

Abbildung 1: Überlebenskette: "chain of survival" (Nolan J. , et al., 2010, S. 521)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Erkennen des Kreislaufstillstandes. Der Kreislaufstillstand muss von Anwesenden schnell erkannt und als Notfall verstanden werden, um möglichst früh den Rettungsdienst alarmieren zu können (Koster, et al., 2010, S. 525). Dies beinhaltet z.B. Schmerzen in der Brust als kardiale Ursache zu erkennen und wenn möglich noch vor einem folgenden Kreislaufstillstand den Rettungsdienst über die 112 zu alarmieren um das therapiefreie Intervall zu verkürzen (Koster, et al., 2010, S. 525).

Das Einleiten von Basismaßnahmen. Der zufällig anwesende Helfer (Bystander) muss frühzeitig mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Dadurch kann die Überlebensrate, auch bei Kammerflimmern, deutlich verbessert werden (Koster, et al., 2010, S. 525; Waalewijn, Nijpels, Tijssen, & Kostner, 2002). Außerdem verbessert sich durch die Aufrechterhaltung der cerebralen Durchblutung die langfristige neurologische Überlebensqualität (Koster, et al., 2010, S. 525). Der Leitstellendisponent soll den Helfer nachdrücklich ermutigen, mit Herzdruckmassage zu beginnen, bis professionelle Hilfe eintrifft (Koster, et al., 2010, S. 525).

Die frühe Defibrillation. Bei Patienten mit einem OHCA findet sich zum Zeitpunkt der ersten Analyse des Herzrhythmus in etwa 40 % ein Kammerflimmern (Vaillancourt et al. 2004). Je früher defibrilliert wird, desto höher ist die Überlebenswahrscheinlichkeit (Valenzuela et al. 1997). Zunehmend werden automatische, externe Defibrillatoren (AED) für die Benutzung durch den geschulten Laien bereitgestellt, diese analysieren das EKG des Patienten und geben dem Bystander im Falle eines festgestellten Kammerflimmerns dann die Möglichkeit, einen Schock per Knopfdruck auszulösen. Der Ersthelfer kann auf diese Weise schon vor Ankunft des Rettungsdienstes ein Schock abgeben und die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten verbessern (Koster, et al., 2010, S. 525; Vaillancourt & Stiell, 2004).

Die erweiterten Reanimationsmaßnahmen. Durch den professionellen Rettungsdienst müssen so schnell wie möglich erweiterte Maßnahmen durchgeführt werden. Diese umfassen die medikamentösen Behandlung, ein differenziertes Atemwegsmanagement sowie den eventuellen Einsatz technischer Hilfsmittel (Koster, et al., 2010, S. 525). So kann, Koster et al. (2010) weiter, eine angemessene Behandlung in der Postreanimationsphase z.B. durch induzierte Hypothermie und zügige Durchführung einer Koronarangiographie die Überlebenswahrscheinlichkeit verbessern.

Der zufällig anwesende Helfer ist an drei der vier Segmente der Überlebenskette maßgeblich beteiligt (Gräsner, et al., 2012, S. 1) und kann durch sofortige Wiederbelebung die Überlebenschancen bei OHCA-Patienten verdoppeln oder verdreifachen (Nolan J. , et al., 2010, S. 521; Waalewijn et al., 2001, S.273), vorausgesetzt er erkennt die Situation überhaupt.

Der plötzliche Herztod (PHT) wird als die häufigste Todesursache außerhalb von Krankenhäusern in modernen Industriegesellschaften angesehen (Arntz, Mochmann, & Breckwoldt, 2013, S. 22). In Europa machen Herz-Kreislauf-Erkrankungen 40% aller Todesfälle der unter 75-Jährigen aus. Der plötzliche Herztod ist für mehr als 60% der Todesfälle bei Erwachsenen, die an koronarer Herzkrankheit leiden, verantwortlich (Koster, et al., 2010, S. 524). In den USA schwanken die Angaben zwischen 180.000 und 450.000 Fällen/Jahr je nach Datenquelle (Arntz et al. 2013, S.22). Weltweite Untersuchungen haben gezeigt, dass die Prognose für Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammertachy­kardien oder Kammerflimmern nur geringfügig positiv ist und dass lediglich 5–8% der Patienten dieses Ereignis überleben (Trappe, 2012, S. 28; Priori, Bossaert, & al., 2004). So wurde in Untersuchungen zu dieser Problematik deutlich, wie die Ergebnisse des „Maastricht Circulatory Arrest-Registers“[4] verdeutlichen, dass Patienten mit einer kardialen Vorerkrankung ein zehnfach höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod aufweisen verglichen mit Patienten ohne bekannte Herzerkrankung (Klein, 2006, S. 1040). Widersprüchliche Angaben finden sich in Bezug auf die Gruppe von Menschen mit plötzlichem Herztod (PHT), in der tatsächlich eine Defibrillation[5] indiziert gewesen wäre. Klein (2006) bezieht sich auf die Aussage, dass die Mehrzahl der Patienten mit PHT ein Kammerflimmern oder eine schnelle Kammertachykardie (VF oder VT) bei einem Kreislaufstillstand einhergeht und nur ein kleiner Teil, etwa 15–20%, eine Bradykardie oder Asystolie aufzeigen (Klein, 2006, S. 1040). Andere Untersuchungen, wie die des „Göttinger-Modells“, stellten zu 38,9% primär eine VF fest und in 49,1% der Fälle eine Asystolie, ohne Indikation zur Defibrillation (Reinhardt, Bahr, Schmid, Kettler, & Roessler, 2010, S. 4). Vaillancourt & Stiell (2004) kamen zu ähnlichen Ergebnissen mit 40% VF bei Patienten mit einem „out-of-hospital cardiac arrest“[6] (OHCA) zum Zeitpunkt der ersten Analyse (Vaillancourt & Stiell, 2004, S. 1081ff). Die Autoren mit den hohen Inzidenzraten von VT und VF kamen zu dem Schluss, je früher defibrilliert werde, desto höher sei die Überlebenswahrscheinlichkeit (Valenzuela, Roe, Cretin, Spaite, & Larsen, 1997, S. 3312). Seitdem wurden immer mehr Ersthelferprogramme[7] zur Frühdefibrillation mit AED-Geräten etabliert. Mit diesen öffentlich zu­gänglichen Defibrillatoren (Public Access Defibrillator, PAD), welche an stark frequentierten Orten platziert wurden, verband man eine Steigerung der Überlebensraten. Durch Erst­helferprogramme konnte die Zahl der Pa­tienten erhöht werden, die durch geschulte Helfer wiederbelebt und mittels AED defibrilliert wurden (Koster, et al., 2010; Hollenberg, et al., 2008). Durch die stetig verbesserte technische Entwicklung sind automatisierte externe Defibrillatoren sicher und wirksam und können auch von Laien eingesetzt werden (Koster, et al., 2010, S. 537). Hierdurch kann eine Defibrillation bereits viele Minu­ten vor Eintreffen professioneller Hilfe er­möglicht werden. Programme für AED sollen vorrangig im außerklinischen Bereich etabliert werden. Gemeint sind hier öffentliche Plätze wie Flughäfen, Sportanlagen, Büros, Ca­sinos und Flugzeuge (Valenzuela, Roe, & Nichol, 2000, S. 1206). Der Begriff „public access defibrillation“ oder kurz PAD hat sich in diesem Zusammenhang etabliert. Derartige Programme können al­lerdings nur dann erfolgreich sein, wenn genügend ausgebildete Ersthelfer und AED zur Verfügung stehen (Koster, et al., 2010, S. 539).

Ein weiterer wichtiger Sachverhalt für den Erfolg einer begonnenen Reanimation durch anwesende Helfer ist der Ort, an dem ein Kreislaufstillstand am ehesten außerhalb eines Krankenhauses zu erwarten ist (Gärtner, Walz, Bauernschmitt, & Ladwig, 2008, S. 298). Die Ergebnisse einer Untersuchung aus Göttingen zeigten, dass nur 28% der Reanimationen von OHCA-Patienten in der Öffentlichkeit stattfanden und über 70% im häuslichen Umfeld (Reinhardt et al., 2010, S. 4). Aus den Daten eines „Früdefibrillationsprojekts“ aus dem Kanton Solothurn in der Schweiz geht ebenfalls hervor (Abbildung 2), dass sich 60-70% der Kreislaufstillstände zu Hause ereignen (Morger, et al., 2007, S. 542). Dies belegt erneut den schon be­kannten und in vielen Untersuchungen diskutierten Sachverhalt, dass sich die überwiegende Mehrzahl der OHCA nicht an öffentlich zugänglichen Or­ten ereignet, sondern dass diese Fälle im privaten Umfeld der Notfallopfer zu su­chen seien. Somit bleibt es auch nicht zu­letzt für Göttinger Verhältnisse offensicht­lich, dass mit dem Versuch, öffent­lich zugängliche AED zu implementie­ren, durchschnittlich nur etwa 25–30% der potenziellen OHCA-Patienten erreicht werden können und demnach die Mehrheit der Notfallop­fer gar nicht von einem PAD-Programm profitieren (Reinhardt et al. 2010, S.4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ereignisorte der Notfälle von OHCA im Frühdefibrillationsprojekt des Kantons Solothurn 2007 (Morger, et al., 2007, S. 544)

Desweiteren gilt es zu bedenken, dass Rettungsdienstkräfte in der Regel nicht innerhalb der ersten fünf Minuten nach dem Kollaps bei einem Patienten eintreffen, sondern erst mit einer Zeitspanne von acht bis zehn Minuten im innerstädtischen Bereich und noch deutlich später im ländlichen Raum (Alem, Vrenken, Vos, Tijssen, & Koster, 2003, S. 1312). Somit ist jeder Betroffene, so van Alem et al. (2003) weiter, der außerhalb eines Krankenhauses einen Herzkreislaufstillstand erleidet, auf Wiederbelebungsmaßnahmen eines Ersthelfers angewiesen. Dieser Tatsache folgend sagt Trappe (2012): „Nur durch rasche und gezielte Maßnahmen ist eine Verbes­serung der Prognose bei solchen Patien­ten möglich. Unentschlossenheit, Zö­gern, Ratlosigkeit oder therapeutische Passivität führen unweigerlich zum Tod eines Patienten“ (Trappe, 2012, S. 34).

In den aktuellen Leitlinien zur Kardiopulmunalen Reanimation 2010 der European Resuscitation Council (ERC) wurde darauf hingewiesen, dass eine verbesserte Überlebens­rate reanimierter Patienten durch Ein­beziehung von Laien möglich sei (Koster, et al., 2010, S. 523). Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand könnten nicht nur durch eine unverzügliche Kardiokom­pression vor dem unausweichlichen Hirntod gerettet werden, sondern auch durch von Laien durchgeführte Defibrillation mittels automatisierter externer Defi­brillatoren (AED), welche die Überlebensrate von Patienten mit Kammerflimmern verbessern (Breckwoldt J, 2009; Alem et al., 2003; Iwami, Kawamura, & Hiraide, 2007). Die Autoren bekräftigen die Bedeutung von zufällig anwesenden Helfern in Bezug auf die Kardiopulmonale Reanimation und die frühzeitige Defibrillation für ein besseres Outcome von Patienten mit Herzkreislaufstillstand. Somit ist das Überleben von der richtigen Reaktion und der richtigen Maßnahme der Augenzeugen ab­hängig (Arntz & Zeymer, 2013, S. 8).

Untersuchungen von Lackner et al. (2001) zeigten aber auch, dass die tatsächlichen ergriffenen Maßnahmen von Laienhelfern in entsprechenden Situationen eher schlecht ist (Lackner, G.Kanz, S.Rothenberger, & M.Ruppert, 2001). So haben Arntz et. al. (2000) in ihren Untersuchungen unter anderem festgestellt, dass es zu einer ausgeprägten Verzögerung bezüglich der schnellen Alarmierung des Rettungsdienstes kam, wenn Hausärzte oder auch Angehörige, die nicht selbst an der Notfallstelle waren, in die Entscheidung einbezogen wurden. (Arntz, Gieseke, & Schnitzer, 2000, S. 192). Dazu kommt, dass offenbar in vielen Fällen selbst der bereits eingetretene Kreislaufstillstand nicht sofort erkannt wird (Arntz et al., 2013, S. 26). Lackner et al. (2001) konnte dieses Phänomen selbst bei Fachkräften in Gesundheitsfachberufen beobachten. Aus anderen Ländern, wie z.B. Schweden (Svensson, et al., 2010, S. 434), sind höhere Inzidenzen an Basisreani­mationsmaßnahmen bekannt, sodass in Deutschland von einem tatsächlich vorhandenen Optimierungspotenzial ausgegangen werden darf (Gräsner, et al., 2012, S. 7). Svensson et al. (2010) führt die gestiegene Anzahl von Laienreanimationen in seinen Untersuchungen auf die durchgeführten Schulungen und Informationen für Laien zurück und konnte diesen Effekt auch belegen.

2 Problemdarstellung und Hintergründe

Unvoreingenommenheit ist das vielleicht wichtigste Prinzip der Erfahrungs- und Erkenntnisbildung. Zu begreifen, was alles möglich und wirklich ist, ist die erste Aufgabe in dieser Disziplin. Wissenschaftliches Fremdverstehen steht, recht besehen, nicht im Dienste der Selbstbehauptung. Eher schon erweitert es die Möglichkeiten einer Selbstbestimmung, die unweigerlich an Selbstkritik gebunden ist “ (Straub, 1999, S. 6).

In den aktuellen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation wird die weltweit akzeptierte Sicht, wie Reanimation wirkungsvoll und sicher durchgeführt werden kann, wiedergegeben (Dirks & Baubin, 2010, S. 508). Sie spiegeln den aktuellen Wissenskonsens wieder, so Dirks & Baubin (2010) weiter, und sind keinesfalls statisch. Im Folgenden werden die Probleme aus der Überlebenskette (Abbildung 2), welche sich unmittelbar auf den Helfer beziehen und der Personen, die mit dem Helfer in Interaktion stehen, genauer betrachtet.

Svensson et al. (2010) konnte belegen, dass der plötzliche Herztod (PHT) zu 76,1% im häuslichen Bereich eintritt und nur zu 9,3% an öffentlichen Plätzen (Svensson, et al., 2010, S. 437). Bestrebungen, ein dichteres Netz an notärztlicher Versorgung, besonders im häuslichen Bereich, herzustellen, sind nicht umsetzbar, da die im Mittel erreichten Ankunftszeiten der ersteintreffenden Rettungsmittel von ca. 8 Minuten durch diese kostenaufwendige Maßnahme nur unwesentlich verbessert werden würde (Lau, Gahr, & Kramer, 1991, S. 448). Demnach kommt dem Bystander eine bedeutende Rolle zu (Schloesser, 2010, S. 9) und bedarf jedweder Unterstützung. Die statistische Wahrscheinlichkeit, einen out-of-hospital Herzstillstand zu überleben, wird zwischen 1% und 5% angegeben (Capucci, Aschieri, & Pelizzoni, 2010, S. 49) und ist somit nicht zufriedenstellend.

2.1 Der Laienhelfer

Seit 1968 hat jeder Führerscheinbewerber in Deutschland den Nachweis eines absolvierten 1.Hilfe-Kurses zu erbringen (StVG §2). Eine Auffrischung des Erste-Hilfe-Wissens wird zwar empfohlen, ist aber nicht verpflichtend. Anbieter der 1.Hilfe-Kurse in Deutschland sind hauptsächlich die Hilfsorganisationen, die gemeinsam unter dem Dach der „Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe“ (BAGEH) die Ausbildung fachlich und inhaltlich dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft anpassen und die Einheit der Lehre sichern (Richtlinie 2006/126/EG). Betriebe haben die gesetzliche Auflage, eine ausreichende Zahl an regelmäßig geschulten Ersthelfern bereit zu halten und regelmäßig zu schulen (BGV A2 §26). Daraus kann geschlossen werden, dass meist jüngere und im Berufsleben stehende Personen, in Erste-Hilfe Maßnahmen geschult sind. Häufig wird Erste Hilfe in unserem unmittelbaren Lebensumfeld erforderlich (Keggenhoff, 2012, S. 8). Offensichtlich ist jedoch, dass Bürger überfordert sind, mit Reanimationsmaßnahmen zu beginnen bis der Rettungsdienst eintrifft, selbst bei Angehörigen mit OHCA. Nur 1.33% der zufällig Anwesenden sehen sich in der Lage eine Herzdruckmassage durchzuführen (Winkle, 2010). Trappe et al. (2005) führen hierzu an, dass die Gründe für das zögerliche Handeln in Deutschland mangelnde Aufgeschlossenheit, Unklarheit des Verfahrens der CPR, sowie organisatorische und juristische Probleme seien (Trappe, Andresen, Arntz, Becker, & Werdan, 2005, S. 287). Viele Menschen wären immer noch der Auffassung, für die Hilfe bei Unglücksfällen sei nur der Rettungsdienst oder ärztliche Notdienst zuständig, und vergessen dabei, dass fast immer die Hilfe in den ersten Minuten für die Ausprägung der Folgen oder sogar für das Überleben entscheidend sein kann (Keggenhoff, 2012, S. 6) und im Rahmen der „Überlebenskette“ auf einen zufällig anwesenden Helfer entfällt. Ca. 20% der deutschen Bevölkerung hat keinerlei Ausbildung in Erster Hilfe (Breckwoldt et al., 2009, S. 1108). Ist eine Ausbildung absolviert worden, so liegt diese im Durchschnitt 15 Jahre zurück (Burghofer, Schlechtriemen, & Lackner, 2005, S. 408). Hinzu kommt, dass offenbar in vielen Fällen selbst der bereits eingetretene Kreislaufstillstand nicht sofort erkannt wird (Arntz et al., 2013, S. 26). Erste-Hilfe-Kurse stellen offensichtlich das Erscheinungsbild bzw. die Zeichen eines Kreislaufstillstandes nicht ausreichend realistisch dar (Arntz et al. 2013, S.26). So konnte Breckwoldt et al. (2009) durch Untersuchung feststellen, dass die Hälfte der zufällig anwesenden Helfer (Bystander) während des Zusammenbruches eines Opfers diese Situation nicht als Notfall wahrnehmen (Breckwoldt et al., 2009, S. 1108). Die Rettungsleitstelle[8] kann hier wichtige Unterstützung durch Anweisungen zu Erste-Hilfe-Maßnahmen geben (Sellin, 2011), da das Handeln in solch emotionalen Situationen nicht ohne weiteres rational und planvoll vollzogen wird (Straub, 1999, S. 10ff). Der Begriff des Handelns ist ein sehr abstrakter Begriff und zugleich wird er immer an einen Kontext und an ein Ziel gebunden (Straub, 1999, S. 11). Nach Groebe (1986) ist Handeln zielgerichtetes, planvolles Verhalten (Groebe, 1986, S. 71). Der zufällig anwesende Notfallzeuge handelt nicht wie der hinzu gerufene Notfallmediziner, sondern verhält sich intuitiv. Gigerenzer (2007) versteht unter Intuition die weitgehend unbewusste, Zusammenführung vielfältiger erfahrungsgeprägter Eindrücke zu wiedererkennbaren Mustern, die zu verkürzten Handlungsroutinen führen. (Klemperer, 2010, S. 18) Dies ist für eine erste Entscheidung (Diagnose) hilfreich und vielleicht auch ausreichend (Klemperer, 2010, S. 18).

Diese Auffassungen von Gigerenzer und Klemperer unterstreicht Lackner et al. (2001), wonach es auch professionellen Helfern nicht immer möglich ist, ihr Wissen situationsgerecht abzurufen. So zeigte die Untersuchung von Lackner et al. (2001), dass bei der Testpopulation der „Berufsfeuerwehr“, im Rahmen der Reanimation mit AED, die Abgabe des Notrufes von 20% vergessen wurde (Lackner, G.Kanz, S.Rothenberger, & M.Ruppert, 2001). Dörner (2007) fasste dieses Phänomen mit den Worten: „Explizites, verbalisiertes Wissen kann als Theoretisches Wissen vorhanden sein, ohne dass derjenige, der über das Wissen verfügt, in der Lage ist, es anzuwenden.“ zusammen (Dörner, 2007, S. 65).

Suchmann (1987) stellt zur Diskussion, ob man beim Verhalten wirklich immer mentale Pläne verfolgt. Sie bestreitet nicht, dass Menschen planen, doch bezweifelt sie, dass ihr Handeln auch wirklich den Plänen entspricht. Vielmehr handelt es sich beim Verhalten des Menschen um eine unmittelbare Reaktion auf die Situation (Anderson, 1996 , S. 14). Anderen Menschen in sozialen Situationen zu helfen ist eine uns innewohnende Instinkthandlung (Stroebe, Hewstone, & Stephenson, 1996, S. 34). Jeder Mensch kann im Rahmen seiner Möglichkeiten Maßnahmen für einen Betroffenen ergreifen. Solche Verhaltensmuster unterliegen nicht unbedingt einer selbstlosen Motivation (Omoto, 1992, S. 213), sondern eher subtil auf einer Art der Belohnung (Bierhoff, 1996, S. 396). So konnte Bierhoff et al. 1990 in einer empirischen Studie zeigen, das Selbstwertsteigerung und moralische Verpflichtung die am häufigsten genannten Motive altruistischen Verhaltens zugunsten von Unfallopfern waren. Auch hemmende Faktoren altruistischen Verhaltens wurden durch diese Studie näher betrachtet. Diese waren Stress, Gefährlichkeit, Zeit- und Materialverlust. Offenbar tendieren Menschen zu abnehmender Hilfsbereitschaft, sobald negative Konsequenzen zu erwarten sind (Bierhoff, 1996, S. 397). So stellt die Mund-zu-Mund Beatmung eine nicht unerhebliche Barriere für viele Helfer dar, wie z.B. die Angst vor Infektionen (Sayre, et al., 2008, S. 2146). Diese Abneigung gegenüber der Mund-zu-Mund Beatmung steht im engen Zusammenhang mit der niedrigen Inzidenz einer Laienreanimation mit etwa 15% beobachteten Herz-Kreislauf-Stillständen (Trappe et al. 2005, S.287). Auch das Nichtbeherrschen eines Gerätes oder Angst vor Fehlern bei der Durchführung einer kardiopulmonalen Reanimation könnten zu dieser Ansicht beitragen. Ersthelfer geben am häufigsten Angst etwas falsch zu machen als Grund für das Unterlassen von Wiederbelebungsmaßnahmen an (Schloesser, 2010, S. 43). Diese Angst spiegelt sich wahrscheinlich schon im Wahrnehmen eines bevorstehenden Kreislaufkollapses wieder (Arntz, Gieseke, & Schnitzer, 2000, S. 193). Dieser Aspekt der schnellen Wahrnehmung spielt eine wichtige Rolle in Bezug auf eine schnelle Alarmierung des Rettungsdienstes. Arntz & Zaymer (2013) betonen in diesem Zusammenhang, dass der plötzliche Herztod bei weitem nicht so plötzlich ist, wie es der Begriff suggeriert. Er steht in engem Zusammenhang mit einer oft dem Opfer schon bekannten chroni­schen KHK bzw. tritt als Komplikation einer ersten Akutmanifestation der KHK ein (Arntz & Zeymer, 2013, S. 8).

2.2 Der plötzliche Herztod

Die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes (PHT) ist schwer zu ermitteln, da es keine genauen Angaben; weder in Deutschland noch in Europa; gibt (Klein, 2006, S. 1040). Klein (2006) führt an, dass es sich mehr um Schätzungen von etwa 70.000 Betroffenen pro Jahr in Deutschland handle . Die Häufigkeit ischämischer myokardialer Ereignis­se mit Zelluntergang nimmt in den letzten Jahren zu, trotz erheblich verbesserter primä­rer und sekundärer Prävention einschließ­lich wirksamerer invasiver Behandlungs­verfahren der koronaren Herzerkran­kungen (Arntz & Zeymer, 2013, S. 8). So wurde durch das „Maastricht-Register“[9] deutlich, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Koronarkrankungen, wie z.B. einer Herzinsuffizienz oder einem akuten Myokardinfarkt und dem plötzlichen Herztod besteht (Klein, 2006, S. 1040). Das bedeutet, dass ein einmal entstandenes Risiko auch über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt (Klein, 2006, S. 1040). So zeigte sich in der Vergangenheit, dass insbeson­dere in häuslicher Umgebung trotz häu­figer Gegenwart von Augenzeugen weder angemessen auf die Symptomatik reagiert noch bei Eintritt des Kreislaufstill­stands zu den richtigen Maßnahmen ge­griffen wird (Arntz & Zeymer, 2013, S. 8-9). Trappe (2012) sieht in diesem Zusammenhang großen Schulungsbedarf für Patienten und Angehörige (Trappe, 2012, S. 36).

2.3 Die Notfallmeldung

An der Notfallmeldung sind mindestens zwei Personen beteiligt und es wirken mehrere Faktoren auf diesen Teil der „chain of survival“ ein. Die Meldung des Notfalls durch einen zufällig anwesenden Helfer ist der Beginn von adäquaten Hilfsmaßnahmen. Die Häufigkeit der Notfälle im häuslichen Umfeld weist bereits auf die wichtige Rolle hin, die Angehörige in der Notsituation spielen könnten (Arntz et al. 2000, S. 192). Die richtig interpretierte Notfallmeldung durch die Rettungsleitstelle ist Voraussetzung für die Erkennung der Situation und den Einsatz adäquater Rettungsmittel. Der Notruf stellt damit einen Schlüsselvorgang in der „Überlebenskette“ dar (Sellin, 2011, S. 59). Dennoch hat die Notfallmeldung bei akut lebensbedrohlichen Erkrankungen bisher nicht die gebührende Aufmerksamkeit erfahren (Arntz et al. 2000, S.191).

In der Bundesrepublik existiert bis heute kein einheitliches Notrufsystem (Schlechtriemen, et al., 2007), obwohl eine einheitliche Notrufnummer der Europäischen Union seit 2002 angestrebt wurde (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, 2013). Die Notruf­nummer „112“ ist nicht in allen Bundeslän­dern einheitlich (z.B. Notrufnummer 19222 in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland- Pfalz und im Saarland, sowie private Vermittlungsstellen), sodass hier eine wesentliche Schwachstelle des Rettungs­systems in Deutschland vorliegt (Trappe, 2012, S. 28). Trappe (2012) betonte, dass diesem Teil der „Überlebenskette“ mit den 4 Teilkomponenten „Notruf – Ba­sismaßnahmen – Defibrillation – erwei­terte Maßnahmen“, eine entscheiden­de Bedeutung zukomme. Das frühe Abset­zen eines Notrufes ist Voraussetzung für das schnelle Eintreffen eines Notarztwa­gens und sollte bei der großen Verbrei­tung mobiler Telefone eigentlich unpro­blematisch sein (Trappe, 2012, S. 28). Mit Eingang des Not­rufes besteht neben der Entsendung des Notarztwagens auch die Möglichkeit der Beratung des Anrufers über notwendige Erstmaßnahmen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Schlechtriemen et al. (2007) formulierten zu den 11. Leinsweiler Gesprächen im Juli 2006, dass die Rettungsleitstellen und die Leitstellendisponenten in der „chain of survival“ eine Schlüsselposition einnehmen. Diese Aufgabe ist mit hohen Qualitätsansprüchen einer verbesserten prähospitalen Versorgung von Notfallpatienten verknüpft (Schlechtriemen, et al., 2007). Abweichende Modelle führen sogar zu einer Patientengefährdung (Arntz et al. 2000, S.193).

[...]


[1] European Resuscitation Council – ERC, befasst sich wissenschaftlich mit der Reanimation und dem instabilen kardiologischen Patienten im weiteren Sinne. Dies umfasst insbesondere die Förderung der Forschung, die Publikation relevanter Forschungsergebnisse, das Entwickeln und Publizieren von Behandlungsrichtlinien (Nolan J. , et al., 2010).

[2] Bystander- oder auch zufällig anwesender Notfallzeuge, trifft den Tatbestand deutlich besser als Laienhelfer, da Zeugen eines Notfalles nicht immer medizinische Laien sein müssen. In einer Untersuchung von Gerards (2009) setzten sich die Ersthelfer aus 57,14% ohne spezielle medizinische Vorkenntnisse, Medizinisches Fachpersonal, wie in etwa Krankenpfleger, Altenpfleger oder medizinisch technische Assistenten zu einen Anteil von 26,89% und zu 13,45% meist Hausärzte oder zufällig anwesende Ärzte zusammen (Gerards, 2009).

[3] Ein Defibrillationsverfahren mittels automatisierte externe Defibrillatoren (AED), hochentwickelte, computergestützte, verlässliche Geräte, die akustische und visuelle Anweisungen dem Laienhelfer zum sicheren Defibrillationsversuch anleiten (Deakin, Nolan, Sunde, & Koster, 2010, S.544)

[4] Maastricht-Register, Studie zum PHT im Zeitraum von 1997-2000 im Maastricht-Bereich (Gorgels, Gijsbers, Vreede-Swagemakers, Lousberg, & Wellens, 2003).

[5] Defibrillation - elektrische Depolarisierung des Myokards (Deakin, Nolan, Sunde, & Koster, 2010).

[6] out of hospital cardiac arrest – OHCA , Sammelbegriff für alle Kreislaufstillstände außerhalb eines Krankenhauses.

[7] Ersthelferprogramme – geschulte Ersthelfer werden zeitgleich mit dem Rettungsdienst alarmiert. Eingeführt wurde dieses Modell im anglo-amerikanischen Sprachraum als „first responter“ in dünn besiedelten Regionen.

[8] Rettungsleitstelle (RLS), hat die Aufgabe eine zeit- und sachgerechte Bewältigung von Hilfeersuchen zu erfüllen (Stratmann, 1995, S. 122).

[9] Maastricht-Register, auch ARREST-Studie untersuchte die Inzidenzen von Herzinsuffizienzen während der Periode 1997-2000 im Maastricht-Bereich und die zugrunde liegende Pathologie die zu einem PHT führt (Gorgels, Gijsbers, Vreede-Swagemakers, Lousberg, & Wellens, 2003).

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Steigerung der Bereitschaft zur Basisreanimation von „out-of-hospital cardiac arrest“ Patienten in Deutschland
Untertitel
Auswirkungen einer „Chest Compression Only“ auf die Laienreanimation
Hochschule
SRH Hochschule für Gesundheit Gera
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
52
Katalognummer
V316955
ISBN (eBook)
9783668162044
ISBN (Buch)
9783668162051
Dateigröße
808 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
steigerung, bereitschaft, basisreanimation, patienten, deutschland, auswirkungen, chest, compression, only, laienreanimation
Arbeit zitieren
Gerd Gräfe (Autor:in), 2013, Steigerung der Bereitschaft zur Basisreanimation von „out-of-hospital cardiac arrest“ Patienten in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316955

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