Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Begriffsklärung
2.1 Historischer Ursprung
2.2 Theoretischer Hintergrund
3. Grundhaltung des Empowerment
4. Bedeutung für die Soziale Arbeit
4.1 im allgemeinen
4.2 für den Bereich der stationären Behindertenhilfe
5. Fazit
Literaturverzeichnis:
1. Einleitung
Alles, was die Selbständigkeit des Menschen steigert,
zum Beispiel ein reiches, mit scharfem Denken verbundenes Wissen,
mindert seine Empfänglichkeit für die Gebote der Autorität.
Julius Hermann von Kirchmann (1802 - 1884), deutscher Jurist und Politiker
In diesem Zitat von Kirchmann finden sich schon Ideen von Empowerment wieder: Das Erlangen von Selbständigkeit und die daraus auch resultierende politische und gesellschaftliche Mündigkeit und somit auch die Fähigkeiten der Veränderung auf individueller und auch sozial-politischer Ebene.
Mit dem Wort Empowerment werden innerhalb der Sozialen Arbeit häufig die Begriffe Selbstbefähigung und Stärkung der eigenen Autonomie verbunden. Aber das Empowerment-Konzept ist deutlich umfangreicher und vielschichtiger und es ist keine einzelne Methode oder Technik, sondern eine Grundhaltung.
Ziel dieser Arbeit ist, die Komplexität des Begriffs Empowerment zu erläutern. Historische und theoretische Hintergründe werden betrachtet und die spezifische Bedeutung und die damit verbundene Grundhaltung von Empowerment herausgearbeitet. Konkretisiert wird das anhand des Praxisfeldes der stationären Behindertenhilfe.
2. Begriffsklärung
In gängigen Wörterbüchern wird Empowerment mit den Begriffen „Bevollmächtigung“, „Ermächtigung“, „Stärkung“ und „Unterstützung“ übersetzt. Heringer (2014) bezeichnet damit die Stärkung von Eigenmacht und Autonomie, erklärt aber auch, dass der Begriff Empowerment „ eine offene normative Form[1] “ ist, ein „Begriffsregal, das mit unterschiedlichen Grundüberzeugungen, Werthaltungen und moralischen Positionen aufgefüllt werden kann.“ (ebd. S. 13). Empowerment findet sich als Schlagwort in vielen Konzepten der Sozialen Arbeit wieder, wobei der Fokus darauf liegt, den Klienten/ Betroffenen wieder in die Lage zu versetzen, selbständig handeln und durch Wiedergewinnung von Handlungsfähigkeit das eigene Leben autonom und aktiv gestalten zu können (vgl. Engel, Sickendiek, Nestmann, 2005, S. 7).
2.1 Historischer Ursprung
Verschriftlicht wurde der Begriff Empowerment erstmals 1976 in dem in den USA erschienenen Buch von Barbara B. Salomon „ Black Empowerment: Social work in oppressed communities “. Empowerment wird zum ersten Mal als eine veränderte Kultur der professionellen Helfer beschrieben und beinhaltet die Schnittmenge der traditionellen Bürgerrechtsbewegung und der radikal politischen Gemeinwesenarbeit. Inhalt des Buches sind u. a. Prozesse der Autonomie und Eroberung von Solz und Selbstwert. Es enthält Beispiele für sozialraumbezogene Soziale Arbeit in den schwarzen Ghettos (vgl. Herriger, 2014, S. 21). Die mit Empowerment verbundenen Inhalte lassen sich aber schon viel früher innerhalb der Sozialen Arbeit finden. Der Begriff Empowerment lässt sich über Arbeitsansätze der psychosozialen Praxis spannen, welche als Ziel die Selbstbestimmung der Klienten beinhalten, „die Klienten als Personen, Familien, Gruppen und Gemeinschaften mit vielfältigen Fähigkeiten und Entwicklungschancen begriffen, unabhängig davon, wie benachteiligt, eingeschränkt, erniedrigt oder selbstzerstörerisch sie auch sein mochten.“ (ebd. S. 21).
Empowerment ist ein nicht völlig neu entwickelter Begriff oder neu entwickeltes Konzept. Grundzüge des Empowerment kann man im Konzept der Lebensweltorientierung und der Selbsthilfe erkennen.
Das Konzept der Lebensweltorientierung wurde in den 1970er Jahren der Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitet. Im Fokus steht die Auseinandersetzung mit den alltäglichen Lebensverhältnissen. Die Soziale Arbeit sieht ihre Klienten sowohl mit ihren Problemen und Ressourcen und mit ihren Freiheiten und Einschränkungen. Der Klient steht im Widerspruch zu seinen eigentlichen vorhandenen Ressourcen und gegen sein eigenen problematischen Lebensarrangement. Die lebensweltorientiere Soziale Arbeit handelt genau in diesen Widersprüchen, indem sie das lebensweltliche Potential stärkt und hilft Defizite zu überwinden (Grunwald, Thiersch, 2011, S.854).
Selbsthilfe bedeutet an sich die eigenen Probleme mit den eigenen vorhandenen Möglichkeiten selbst bestmöglich zu lösen. Selbsthilfe im engeren Sinne meint vorrangig die Bildung von Gesprächsgemeinschaften von Menschen, welche vergleichbare Probleme haben und sich durch Erfahrungsaustausch gegenseitig stärken und anregen. Idealtypisch arbeiten Selbsthilfegruppen ohne professionelle Hilfen, die Teilnehmer sind gleichberechtigt und bringen die Bereitschaft mit, sich auf die anderen Mitglieder der Gruppe einzulassen und ihr eigenes Leben aktiv zu verändern (vgl. Schneider-Schelte, 2000, S. 597f.).
Philosophie und Praxis des Empowerments sind aber auf die schwarze Bürgerrechtsbewegung (civil-rights-movement) der USA der 1950er und 1960er Jahre zurückzuführen und eng mit dem Wirken von Martin Luther King verknüpft, der zum politischen Widerstand aufrief und ein neues Bewusstsein der „black nation“ bildete.
2.2 Theoretischer Hintergrund
Das Empowerment-Konzept ist, wie schon erwähnt, kein wirklich eigenes Konzept, sondern eher ein Handlungskonzept und findet sich in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit wieder. Empowerment kann Ausdruck unterschiedlicher Haltungen sein als auch für verschiedene professionelle Vorgehensweisen stehen (vgl. Engel, Sickendiek, Nestmann, 2005, S. 9).
Herriger (2014) unterscheidet vier Zugänge zu einer Definition des Empowerment Begriffs:
Empowerment – politisch buchstabiert:
Herriger nutzt hier die Übersetzung des Begriffs power mit politischer Macht. Thematisiert wird in diesem begrifflichen Zugang die „strukturell ungleiche Verteilung von politischer Macht und Einflussnahme“ (ebd. S. 14). Der Mensch kann seine eigene Position der Machtunterlegenheit durch Aneignen von einem „Mehr an demokratischen Partizipationsvermögen und politischer Entscheidungsmacht“ (ebd. S.14) beeinflussen und verändern.
Empowerment – lebensweltlich buchstabiert:
Herriger nutzt hier ebenfalls für den begrifflichen Zugang die Übersetzung des Begriffs power mit Stärke, Kompetenz, Durchsetzungskraft, und Alltagsvermögen. Thematisiert wird dabei „das Vermögen von Menschen, die Unüberschaubarkeiten, Komplikationen und Belastungen ihres Alltags in eigener Kraft zu bewältigen, eine eigenbestimmte Lebensregie zu frühen und ein nach eigenen Maßstäben gelingendes Lebensmanagement zu realisieren.“ (ebd. S.15).
Empowerment – reflexiv buchstabiert:
Thematisiert wird hier der Prozess der aktiven Selbstaneignung von Macht und Gestaltungsvermögen durch den Menschen selbst. „Sie befreien sich in eigener Kraft aus einer Position der Schwäche, Ohnmacht und Abhängigkeit und werden zu aktiv handelnden Akteuren, die für sich und für andere ein Mehr an Selbstbestimmung, Autonomie und Lebensregie erstreiten.“ (ebd. S. 16). Empowerment kann hier als Prozess von Selbstbefähigung gesehen werden. Der Mensch befreit sich von Fremdbestimmung, Abhängigkeit und Bevormundung und wird zum aktiv Handelnden.
Empowerment – transitiv buchstabiert:
Hier werden die Facetten des Ermöglichen, der Unterstützung und der Förderung von Selbstbestimmung durch andere thematisiert. In den Fokus rücken die professionellen Helfer, „die Prozesse der (Wieder-) Aneignung von Selbstgestaltungskräften anregen, fördern und unterstützen und Ressourcen für Empowerment-Prozesse bereitstellen.“ (ebd. S.17). Es gilt den „Menschen vielfältige Vorräte von Ressourcen für ein gelingendes Lebensmanagement[2] zur Verfügung zu stellen, au die diese „bei Bedarf“ zurückgreifen können, um Lebensstärke und Kompetenzen zur Selbstgestaltung der Lebenswelt zu gewinnen.“ (ebd. S17).
Diese vier Zugänge des Begriffs Empowerment können nicht isoliert betrachtet werden, da innerhalb dieser Zugänge Schnittstellen und Überlappungen existieren. Herriger bietet dabei noch eine Arbeitsdefinition von Empowerment an und blickt bzw. unterteilt in zwei Traditionslinien:
1. Empowerment als Leitformel einer Politik der Selbstbemächtigung im Kontext der Bürgerrechts- und Selbsthilfebewegung mit der politischen und gesellschaftlichen Forderung nach Gleichheitsrechten (z. B. die civil-rights-movement, die Frauenrechtsbewegung etc.)
2. Empowerment als Zeichen eines neuen professionellen Handlungssprogramms im Blickfeld der psychosozialen Praxis mit einer veränderten Haltung der professionellen Helfer der Sozialen Arbeit, die nicht die Defizite, sondern die Ressourcen der zu betreuenden Menschen sehen (vgl. ebd. S.18 f.).
Empowerment beinhaltet also eine Arbeitshaltung und einen Prozess. Diesen prozesshaften Ablauf von Empowerment hat auch der US-amerikanische Gemeindepsychologe Charles Kieffer (1984) mit Hilfe von Langzeituntersuchungen und Interviews beobachtet. Kieffer beschreibt, dass sich ein aktives Gefühl des „In-der-Welt-Seins“ einstellt, das sich Fähigkeiten und Ressourcen entwickeln, um gezielt individuelle und gemeinschaftliche Ziele zu erreichen. Es werden Wissen und Kompetenzen erworben, die Menschen zu einer kritischen Auseinandersetzung sowohl mit den politischen Verhältnissen als auch mit der eigenen sozialen Umwelt befähigen (vgl. ebd. in Stark,1996, S.119).
Stark (1996) hat auf Grundlage von Kieffers Untersuchungen diesen prozesshaften Verlauf von Empowerment in vier Phasen eingeteilt:
1. Mobilisierung:
Die erste Phase ist als Phase des Aufbruchs zu verstehen, die sich auch über mehrere Monate hinweg ziehen kann. Grund, sich aktiv mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen, sind häufig Schicksalsschläge oder Brüche im normalen Alltag. Die Menschen erleben Unsicherheit und einen Verlust ihrer Alltagsidentität. „Es muss erst wahrgenommen und akzeptiert werden, daß man/frau sich wehren oder überhaupt aktiv werden darf. Insbesondere werden dabei festgefügte Autoritäten […] erstmal in Frage gestellt und entmystifiziert. […] Gleichzeitig werden (oft noch zögernd) eigene Stärken und Ressourcen entdeckt“ (Stark, 1996, S. 121).
2. Engagement und Förderung:
In dieser Phase entwickelt sich ein stabiles Engagement, was nicht vorherrschend von Enthusiasmus oder Wut geleitet wird. Eine zentrale Rolle spielen hierbei Menschen und/ oder Gruppen, die unterstützend wirken, da sich neue Werte entwickeln und alte Muster in Frage gestellt werden. Diese Unterstützung kann verborgene Fähigkeiten und Kompetenzen fördern. Innerhalb von Gruppen kann sich ein Zusammenhaltsgefühl entwickeln, was dazu führen kann, sich mit politischem Handeln aktiv auseinanderzusetzen, da man Ängste, Frustrationen und Erfolge mit anderen teilen kann. In dieser Phase entwickeln sich persönliche Kompetenzen (ebd S. 122).
3. Integration und Routine:
In dieser Phase ist man ein festes, aktives Mitglied einer Gemeinschaft, die sich innerhalb und auch nach außen hin stabilisiert. Prozesse der aktiven Mitbestimmung werden zur Routine. In dieser Phase erlebt man auch Veränderungen innerhalb der Gruppe mit ihren gruppendynamischen Prozessen und eventuell auch Veränderungen innerhalb des eigenen sozialen Umfelds, welches möglicherweise nicht den gleichen Weg mitgegangen ist und nun mit Unverständnis reagieren könnte.
4. Überzeugung und „brennende Geduld“:
Diese letzte Phase ist nicht als Abschlussphase zu sehen. Durch die erworbene Sicherheit in der Anwendung partizipatorischer Kompetenzen ist man in der Lage, diese Fähigkeiten auf andere Lebenslangen zu übertragen. Zugrundeliegend ist dabei aber die eigene verankerte Überzeugung, „daß es möglich ist, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzuhaben und gemeinsam mit anderen Ziele zu erreichen und Veränderungen herbeizuführen.“ (ebd. S.124).
Empowerment ist also ein „multidimensionaler Ansatz, der auf die Zunahme von Einfluss auf und Macht über das eigene Leben zielt, dabei aber keine eindeutigen und überall anwendbaren Handlungsstrategien formulieren kann.“ (Seckinger, 2011, S.315). Empowerment setzt seinen Fokus auf die Ressourcen und vorhandenen Fähigkeiten des Menschen, betreibt Netzwerkarbeit, verknüpft das Individuum mit der gesellschaftlichen und politischen Ebene und fördert seine Partizipation (vgl. ebd. S.315).
3. Grundhaltung des Empowerment
Der multidimensionale Ansatz von Empowerment ist auf seine besondere Grundhaltung und seine Leitideen zurückzuführen.
Setzt man sich professionell mit Empowerment auseinander, muss man sich sowohl mit seinem eigenen Menschenbild, als auch mit dem Bild seiner Klienten auseinandersetzen. Soziale Arbeit setzt häufig da an, wo ein Mensch sich in einer Lebenssituation befindet, die er selbst nicht mehr eigenverantwortlich lösen kann. Die professionellen Helfer nehmen dadurch „die Adressaten sozialer Dienstleistung […] im Lichte tiefgreifender Hilflosigkeit und Unfähigkeit“ wahr und „befestigen so einen Defizit-Blickwinkel auf den Menschen“ (Herriger, 2014, S.66). Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit beruhten und beruhen auch immer noch auf der Annahme, dass „Klienten zu Klienten werden, weil sie Träger von Defiziten, Problemen, Pathologien und Krankheiten sind, daß sie […] beschädigt oder schwach sind.“[3] (ebd.S.66). Für den Adressaten der Hilfen bedeutet dieser defizitäre Blick „eine Entwertung der eigene Wirklichkeitsdefinition“, sein eigenes „Ausgangsmaterial“ (eigene Problemwahrnehmung oder Situationsinterpretation) wird ihm aus der Hand genommen und in eine Problemansicht, Problemschublade gepackt, mit der der Adressat sich nicht identifizieren kann (ebd. S.69).
Die Abhängigkeit des Klienten vom Helfer wird dadurch verstärkt, dass der Wunsch des Klienten vorhanden ist, aus der Problemlage zu entfliehen. Damit begibt er sich in die Definitionsansicht der Problemlage des Experten und übernimmt dessen Deutungs- und Lösungsmuster. Für den Klienten bedeutet das eine „signifikante Einnübung in eine abhängige Passiv-Rolle, […], das Hilfe-Projekt wird so zu einer asymmetrischen Beziehung, in der die Machtressourcen (Definitions-, Durchsetzungs- und Kontrollmacht) einseitig allein in den Händen der Experten liegen.“ (ebd. S.69).
Im Gegensatz dazu ermutigt Empowerment alle Beteiligten sich mit ihren Stärken und Fähigkeiten wahrzunehmen. Empowerment orientiert sich an den Ressourcen des Einzelnen, um mit diesen das eigene Leben selbstbestimmt zu führen.
Herriger (2014) hat dazu sechs Bausteine eines „Modells der Menschenstärke“ herausgearbeitet:
1. das Vertrauen in die Fähigkeiten jedes einzelnen zur Selbstgestaltung und gelingendem Lebensmanagement (ebd. S.72 f.)
2. die Akzeptanz von Eigen-Sinn und der Respekt auch vor unkonventionellen Lebensentwürfen (ebd. S.73 f.)
3. das Respektieren der „eigenen Wege“ und der „eigenen Zeit“ des Klienten und der Verzicht auf strukturierte Hilfepläne und eng gefasste Zeithorizonte (ebd. S.74 f.)
4. der Verzicht auf entmündigende Expertenurteile über die Definition von Lebensproblemen, Problemlösungen und wünschenswerten Lebenszukünften (ebd. S.76)
5. die Orientierung an der Lebenszukunft des Klienten (ebd. S.77 f.)
6. die Orientierung an einer „Rechte-Perspektive“ und ein parteiliches Eintreten für Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit (ebd. S.78 f.)
Rappaport (1985) betont diese Haltung gleichermaßen. Er schreibt, dass der Mensch seine vorhandenen Ressourcen und Potentiale aufgrund ungünstiger Rahmenbedingungen nicht ausleben können. Von professionellen Helfern ist zu erwarten, dass sie den Perspektivenwechsel durchführen, nämlich dass nicht der Mensch Defizite hat, sondern dass die Defizite in Netzwerken, sozialen Einbindungen oder den materiellen und sozialen Lebenszusammenhänge zu finden sind. Der Klient muss als vollwertiges menschliches Wesen mit all seinen Rechten und Bedürfnissen anerkannt werden (ebd. in Engel, Sickendiek, Nestmann, 2005 S. 11).
Wird Empowerment weniger als Konzept, sondern eher als Arbeitshaltung begriffen, muss man sich auch mit seiner eigenen Theorie von sozialer Gerechtigkeit auseinander setzen. Betrachtet man nicht nur den juristische Inhalt des Wortes, sondern auch die moralischen Bedeutung, so besteht Gerechtigkeit darin, Menschen zu ihren Rechten zu verhelfen (vgl. Schlothfeld 2012, S.8).
Gerechtigkeit ist wegen seiner Komplexität ebenso wie Empowerment nur schwer zu bestimmen, spricht man aber von sozialer Gerechtigkeit, geht es in unserem Rechtsstaat in erster Linie um die Verteilung von Chancen und Ressourcen. Für Amartyra Sen, einen Gerechtigkeitstheoretiker, bedeutet Gerechtigkeit die Freiheit, sein Leben so zu gestalten, wie es jedem beliebt. „Die Freiheit, uns unser Leben auszusuchen, kann erheblich zu unserem Wohnbefinden beitragen“ (ebd. 2012. S.47). Sen ist einer der Entwickler des Befähigungsansatzes (Capability Approach), dessen Grundgedanke ist, soziale Zustände daran zu messen, welche Freiheiten sie Menschen einräumen kann. Freiheit wird dabei als Tätigkeiten oder Eigenschaften beschrieben, die zur Verwirklichung individueller Lebensführung notwendig sind. Die Untersuchung von Verwirklichungschancen überprüft die Möglichkeiten, die einem Einzelnen oder einer Gruppe zur Verfügung stehen, damit ihre Lebensvorstellungen realisierbar sind (vgl. Maaser 2010 S.71).
Empowerment beschäftigt sich, anders als die reine Selbsthilfe, eben auch auf der Ebene der sozialen Gerechtigkeit. Die Menschen setzen sich nicht nur für eine Veränderung ihrer individuellen Lebenswelt, sondern auch für strukturelle Veränderungen und gerechte Ressourcenverteilung ein.
[...]
[1] Kursiv im Original
[2] Kursiv im Original
[3] Rechtschreibung so im Original