Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg zu Beginn einer neuen Ära: „Die herrschende Klasse hat, als einzige, das deutsche Desaster, für das sie verantwortlich ist, ungebrochen überstanden. Ihr Kern ist unversehrt: Finanz- und Industriekapital, Ministerial-und Justiz-Bürokratie, Kirche und Generalität haben die Kontinuität ihres Personals gesichert und ihre alten Machtpositionen neu gefestigt. (...) Der Preis für ihr Überleben war das Grundgesetz. Unter dem Druck der Alliierten hat das deutsche Kapital die Spielregeln der formalen Demokratie akzeptieren müssen. Innerlich hat es sich mit dieser Auflage niemals abgefunden. (...) die herrschende Klasse in Deutschland [hat] die Verfassung immer nur als lästiges Provisorium betrachtet (...) Ihre plötzliche Bekehrung zur Demokratie war nie ernst gemeint.“ 2
Dieses und auch das folgende Zitat von Hans Magnus Enzensberger 3 stehen hier stellvertretend auch für die Meinungen und Vorbehalte anderer Zeitgenossen, vor allem vieler linker Intellektueller, über die Ausprägung demokratischer Staatlichkeit in der jungen Bundesrepublik Deutschland unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer 4 .
„Ist das westliche Deutschland faschistisch, präfaschistisch, neofaschistisch oder faschistoid? Die wackeligen Wörter verraten, daß darüber keine Klarheit herrscht. (...) Dieser neue Faschismus ist keine Drohung, er ist längst Wirklichkeit; es ist ein alltäglicher, einhäusiger, verinnerlichter, institutionell gesicherter und maskierter Faschismus.“ 5
Diese kritische Sicht auf die demokratische Entwicklung, scheint auf den ersten Blick nicht völlig unbegründet zu sein. Auch heute noch gibt es unterschiedliche Ansichten über diese Thematik, und
die Adenauer-Ära gehört zu den umkämpftesten und umstrittensten Perioden in der Geschichte der Bundesrepublik. 6 Aus diesem Grund wird im folgenden, anhand eines Auszuges aus dem Text „Humanismus heute in der Bundesrepublik“ des Psychologen Alexander Mitscherlich 7 aus dem Jahr 1962, versucht, zu verdeutlichen, warum die Entwicklung in dieser Zeit so kritisch gesehen wurde bzw. wird und ob diese Sicht auf die Ära Adenauer objektiv, realistisch durchdacht ist oder vorwiegend subjektive Ansichten zum Ausdruck bringt. Es wird außerdem die Frage zu erörtern sein, ob die Entwicklung, so wie sie im Endeffekt stattgefunden hat, sogar nötig war, weil nur so „die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen
geschaffen worden [sind], auf denen die Bundesrepublik auch heute noch steht.“
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Hauptteil
- 2.1 Restauration
- 2.2 Der politische Diskurs
- 2.3 Die Parteien
- 2.4 Der Kanzler
- 3. Fazit
- 4. Anhang
- 4.1 Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die demokratische Entwicklung in der Adenauer-Ära und untersucht kritische Stimmen, insbesondere die von Alexander Mitscherlich, über die Befindlichkeit der Bundesrepublik gegen Ende der Ära Adenauer. Die Arbeit beleuchtet die Frage, ob die Entwicklungen der Zeit gerechtfertigt waren und ob die Kritik von Mitscherlich objektiv fundiert ist.
- Kritik an der Restauration und konservativen Tendenzen
- Analyse des politischen Diskurses und der Rolle von Intellektuellen
- Bewertung der Parteienlandschaft und deren Einfluss auf die demokratische Entwicklung
- Untersuchung der Rolle des Bundeskanzlers Konrad Adenauer
- Diskussion über die objektive und subjektive Sichtweise auf die Adenauer-Ära
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung führt die Thematik der demokratischen Entwicklung in der Adenauer-Ära ein und stellt kritische Zitate von Alexander Mitscherlich und Hans Magnus Enzensberger vor, die die Haltung vieler Intellektueller gegenüber der jungen Bundesrepublik widerspiegeln. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob diese kritische Perspektive gerechtfertigt ist und analysiert, ob die Entwicklungen der Zeit objektiv betrachtet werden können.
2. Hauptteil
2.1 Restauration
Der erste Abschnitt des Hauptteils behandelt den Begriff der Restauration, der von vielen Intellektuellen als kennzeichnend für die Adenauer-Ära angesehen wurde. Mitscherlich kritisiert, dass die Entwicklung nicht den Hoffnungen auf einen aufgeklärten Staat entsprach. Anhand des Beispiels von Außenminister Heinrich von Brentano wird gezeigt, wie die Einstellung der politisch Verantwortlichen den fortschrittlichen Geist der Zeit ignorierte.
Schlüsselwörter
Adenauer-Ära, Demokratie, Restauration, politische Entwicklung, Kritik, Intellektuelle, Alexander Mitscherlich, Kurt Sontheimer, Bundesrepublik, Nachkriegszeit, Parteien, Kanzler, politische Diskurs
- Quote paper
- Samuel Greef (Author), 2004, Die demokratische Entwicklung in der Adenauer-Ära, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31737