In diesem Essay wird die These vertreten, dass asymmetrische Machtverhältnisse nicht hinderlich, sondern förderlich für Europa sind. Zumindest solange, wie sich Europa in der größten Krise seit seiner Existenz befindet, nämlich in einer Wirtschafts-, Finanz-, und Währungskrise, die sich zu einer politischen und einer sozialen Krise entwickelt hat. In diesem äußerst komplexen Umfeld, so lautet die These, sind asymmetrische Machtverhältnisse die einzige Grundlage, um politische Handlungsfähigkeit für die Krisenbewältigung zu erlangen. Dies ist in jedem Fall mit Streit verbunden, aber dieser Streit ist leichter zu ertragen, als sich der Hilflosigkeit angesichts der schier unüberwindbaren Probleme der Krise gegenüber zu ergeben.
Um die These zu stützen und um Kritik an der deutschen Macht zu entkräften, sollen im Folgenden zunächst Verständnisse über Macht und Governance-Arrangements beschrieben werden. Des Weiteren spielen Fragen der Input-Troughput- oder Output-Legitimation von Machtverhältnissen in diesem Text keine Rolle, weil der Zusammenhang von Macht und Handlungs-fähigkeit im Kontext einer komplexen Krise, im Blickpunkt liegt. In diesem Essay werden zunächst begriffliche Annäherungen an Macht- und Governance-Konzepte vorgenommen, welches gleichzeitig als Basis für die darauffolgende Argumentation zur Stützung der Ausgangsthese dient.
In einer Rede vor Hamburger Studenten 1953 hat der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann die Zuhörer darauf beschworen, dass es nicht zu einem deutschen Europa, sondern zu einem europäischen Deutschland kommen müsse. Diese Beschwörung hat der verstorbene Soziologe Ulrich Beck als Warnung aufgenommen und in seinem Essay „Das deutsche Europa“ aus dem Jahr 2012, die hegemoniale Stellung Deutschlands innerhalb der EU verurteilt. In jenem Essay kritisiert er insbesondere die zunehmenden asymmetrischen Machtverhältnisse in der EU zu Gunsten Deutschlands, was im Zuge der europäischen Wirtschafts- Finanz- und Währungskrise noch zusätzliche Intensität gewonnen hat. Dabei identifiziert er auch klare Verlierer, nämlich die von der Sparpolitik betroffenen südeuropäischen Länder, die vermeintliche Abhängigkeit einer europäischen Integration von deutscher Zustimmung sowie die Demokratie als solche, die durch die oktroyierte deutsche Sparpolitik scheinbar angegriffen wird. Ulrich Beck unterstellt Deutschland eine egoistische Haltung in der Krisenpolitik und befürchtet durch die starke Stellung der Bundesrepublik ein deutsches Europa und kein europäisches Deutschland. Allerdings darf die Frage erlaubt sein, ob Ulrich Beck mit seinen Überlegungen Recht hat. Vielmehr lässt sich die Frage stellen, ob nicht gerade durch ein starkes Deutschland Möglichkeiten zur Krisenüberwindung generiert werden können.
In diesem Essay wird daher die These vertreten, dass asymmetrische Machtverhältnisse nicht hinderlich, sondern förderlich für Europa sind. Zumindest solange, wie sich Europa in der größten Krise seit seiner Existenz befindet, nämlich in einer Wirtschafts-, Finanz-, und Währungskrise, die sich zu einer politischen und einer sozialen Krise entwickelt hat. In diesem äußerst komplexen Umfeld, so lautet die These, sind asymmetrische Machtverhältnisse die einzige Grundlage, um politische Handlungsfähigkeit für die Krisenbewältigung zu erlangen. Dies ist in jedem Fall mit Streit verbunden, aber dieser Streit ist leichter zu ertragen, als sich der Hilflo-sigkeit angesichts der schier unüberwindbaren Probleme der Krise gegenüber zu ergeben.
Um die These zu stützen und um Kritik an der deutschen Macht zu entkräften, sollen im Folgenden zunächst Verständnisse über Macht und Governance-Arrangements beschrieben werden. Des Weiteren spielen Fragen der Input-Troughput- oder Output-Legitimation von Macht-verhältnissen in diesem Text keine Rolle, weil der Zusammenhang von Macht und Handlungs-fähigkeit im Kontext einer komplexen Krise, im Blickpunkt liegt. In diesem Essay werden zunächst begriffliche Annäherungen an Macht- und Governance-Konzepte vorgenommen, welches gleichzeitig als Basis für die darauffolgende Argumentation zur Stützung der Ausgangs these dient.
Um die Auswirkungen der Europäisierung auf Macht- und Herrschaftsphänomene präzise zu beschreiben, reichen tradierte Typologien, wie etwa die weberianischen Definitionen zu den Begriffen Macht und Herrschaft nicht mehr aus. Daher werden Perspektiven der GovernanceKonzeption genutzt, um die vermeintliche Enthierarchisierung der politischen Steuerung, bei gleichzeitigem Fortbestehen von Machtverhältnissen zwischen Staaten, in der EU zu erläutern. Schließlich beinhaltet das Governance-Konzept durchaus Machtverhältnisse, die in asymmetrischer Beziehung zueinander stehen können.
Obwohl der Politikwissenschaftler Claus Offe in seinem Aufsatz „Governacne-„Empty signifer“ oder sozialwissenschaftliches Forschungsprogramm?” der Governance-Konzeption fehlende Substanz und einen inflationären semantischen Gebrauch vorwirft, hat das Konzept viele Vorteile. Durch das Governance-Konzept werden neue Macht- und Herrschaftsverhältnisse greifbar. Gemäß Hartmut Aden umfasst Governance sowohl klassische Formen des Regierens, als auch Arrangements und andere Kooperationsformen unter Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure. Nun mag Offe Recht darin behalten, dass die Begrifflichkeit inflationär gebraucht wird und das es Schwierigkeiten mit trennscharfen Definitionsversuchen gibt; doch Arthur Benz stellt in seinem Text „Governance-Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept?“ fest, dass keine Lehrbuchdefinitionen existieren. Dennoch ist eine begriffliche Annäherung möglich. Governance nimmt prozedurale, strukturelle und funktionale Aspekte des Regierens, des Steuerns und des Koordinierens in den Blick. Darüber hinaus lässt sich der Governance-Begriff auch für die Interaktionen zwischen Staaten verwenden, wie Arthur Benz im selben Aufsatz erläutert. Demnach werden Formen der Interaktionen und Kooperationen zwischen Regierungen erfasst, die sich durch einige Faktoren auszeichnen: Ein Fehlen eindeutiger hierarchischer Über- und Unterordnungsverhältnisse und klare Abgrenzungen der Herrschaftsbereiche, die Steuerung und Kontrolle mittels einer Mischung aus einseitiger Machtausübung und Kooperation, Kommunikation und Verhandlungen sowie die Dominanz von Prozessen über Strukturen und die kontinuierlichen Veränderungen von Strukturen. Entgegen diesen Faktoren zeichnen sich die Interaktionen zwischen Staaten in der EU, insbesondere während der derzeitigen Krise, aber auch durch Machtverhältnisse aus, wie im Folgenden noch erläutert wird.
Neben diesen Ausführungen über das Governance-Konzept und seine Nützlichkeit für die These dieses Essays, wonach asymmetrische Machtverhältnisse förderlich für der Überwin- dung von Krisen sind, soll nun der Versuch einer Eingrenzung des Machtbegriffes im Sinne einer asymmetrischen Ausformung unternommen werden.
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- Pascal Kersten (Author), 2015, Über ein europäisches Deutschland in einem deutschen Europa. Warum asymmetrische Machtverhältnisse in der EU dabei helfen, Krisen zu überwinden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317725
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