Leseprobe
Inhalt
I. Abkürzungsverzeichnis ...3
Abkürzungen des Kategoriensystems ...3
II. Darstellungsverzeichnis ...6
Zusammenfassung ...8
Abstract ...9
1. Einleitung ...10
2. Die Bedeutung und Konstruktion des Images ...17
2.1. Das Stadtimage im neoliberalen Wettbewerb ...18
2.2. Massenmedien als „Stigmatisierer“ ...21
2.3. Meinungen und Einstellungen – ein Exkurs in die Medienwirkungsforschung ...29
2.4. Agenda-Setting und die Imagekonstruktion nach Karl Ganser ...32
3. Die Umsetzung der Fragestellung in ein Forschungskonstrukt ...38
3.1. Die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ...39
3.2. Untersuchte Medien: Die Tageszeitung und die Tageszeitung im Internet ...44
3.3. Operationalisierung und Auswertung der Forschungsfragen ...53
3.4. Analysebeispiel ...60
4. Das Fallbeispiel Neumünster ...67
5. Ergebnisse der Untersuchung ...72
5.1. Darstellung der Ergebnisse ...73
5.2. Eine Einschätzung der Ergebnislage anhand methodischer und praktischer Schwierigkeiten ...92
6. Fazit ...96
7. Literaturverzeichnis ...100
Internetquellen ...104
Zusammenfassung
Das Image einer Stadt erfährt vor dem Hintergrund als „neoliberal“ bezeichneter Vermarktungsstrategien im Kontext einer Beeinflussung durch das Stadtmarketing und als Instrument der Stadtplanung gegenwärtig zunehmende Aufmerksamkeit. Das Vielversprechende des Images für das Stadtmarketing ist die Idee, dass Darstellungen einer Stadt einfacher zu formen sind als es die städtische Realsituation ist. Doch derartige Imagekonstruktionen vollziehen sich nicht ausschließlich auf stadtpolitischer Ebene und sind zudem nur begrenzt steuerbar. Die Beteiligung medialer Beschreibungen von Orten ist untrennbar mit politischen und sozialen Konstruktionen des Images verbunden, denn insbesondere Massenmedien thematisieren bestimmte Sachverhalte, verschweigen andere und sind so direkt in die (Re-) Produktion von Stadtimages und die Aufarbeitung dieser für ein großes Publikum involviert. Der Vermittlung negativer Bilder eines Ortes – hier als „territorialisierte Stigmatisierung“ verstanden – kommt daher eine herausragende Bedeutung in der Positionierung dieser Städte im interkommunalen, interregionalen oder globalen Wettbewerb um begehrte Bevölkerungsgruppen und deren Ressourcen zu. Die schleswig-holsteinische Mittelstadt Neumünster wird aufgrund ihrer jüngeren ökonomischen und sozialen Transformationsprozesse als auch aufgrund ihrer Lage zwischen den Wachstumsräumen Kiel und Hamburg daraufhin untersucht, wie sich Tageszeitungen sowie deren digitale Ableger hinsichtlich ihrer Bezugsräume und Verortung „innerhalb“ bzw. „außerhalb“ des thematisierten Raums inhaltlich und formell unterscheiden. Die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse zeigen, dass die thematische Annäherung an das Fallbeispiel medienabhängig variiert und dass die untersuchten Zeitungen dabei jeweils eigene Schwerpunkte setzen: Der „Holsteinische Courier“ als Lokalzeitung aus Neumünster nimmt eine vornehmlich informierende und freizeit- und kulturorientierte Funktion ein, während die „Kieler Nachrichten“ als räumlich distanziertes Medium verstärkt allgemeinere Informationen aus Wirtschaft und Politik fokussieren. Zudem kommen als latent stigmatisierend angenommene Ereignisse der Themen Kriminalität und Sicherheit wesentlich häufiger zur Sprache. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Medienwirkungsforschung wirft die deutlichere Darstellung Neumünsters als Ereignisort verschiedener negativer Entwicklungen in den „Kieler Nachrichten“ die Frage auf, in welcher Weise individuelle Wahrnehmungs- und Selektionspraktiken von JournalistInnen, politische Ausrichtungen der veröffentlichenden Zeitungen bzw. Verlage und technische Rahmenbedingungen der Plattformen Zeitung und Internet das Zustandekommen imagebildender Diskurse beeinflussen. Ursachen und Prozesse der (Re-) Produktion bestimmter Darstellungsformen einer Stadt stehen ebenso im Fokus wie die kritische Auseinandersetzung mit kommerziellen Zwecken dienenden Imagegestaltungen seitens des Stadtmarketings und die Frage nach einem möglichen Nutzen stigmatisierter Orte im (städte-) räumlichen Wettbewerb.
Abstract
Against the background of ‘neoliberalism’, branding strategies control perceptions of a city and are used as tools for urban planning; hence, the image of a city has currently attracted increasing attention. The growing emergence of the city image is based on the idea that representations of reality have more impact, because they can be managed, rather than the reality of the lived-in urban experience. Such images, however, are not the exclusive outcomes of municipal politics; they also appear able to be presented in certain defined ways. The participation of the media is intrinsically related to the political and social constructs of the urban image. In particular, the mass media select certain content as main themes and conceal others – so they are revealed as causal participants in the production and reproduction of image making and their manipulation for wider audiences. The mediation of patterns of undesirable aspects of places – termed ‘territorialized stigmatisation’– has a crucial role concerning the position of cities in an intermunicipal, interregional or global competition for talented and skilled sections of the population. This case study and research depicts Neumünster, a medium sized town, located in Schleswig-Holstein, chosen because of its recent economic and social transformation and its geographical location between the growing conglomerations of Kiel and Hamburg. The thesis examines the differences in form and content of daily newspapers and their digital platforms in relation to their areas of reference and their place within and outside the case study. Regarding the results of the qualitative content analysis, reporting about Neumünster varies by topic, depending on the bias of newspapers, which prioritise their own specific agenda. The local newspaper ‘Holsteinischer Courier’, based in Neumünster, primarily focuses on information such as recreational and culturally related reports. In contrast, the ‘Kieler Nachrichten’, which has a wider circulation beyond Neumünster, puts its emphasis on more general economic and political news. In addition, it refers more frequently to criminal activities and the reporting of issues that raise matters of security. These issues are widely considered to be aspects associated with discrediting particular areas of a city. According to respected scientific research on media impact, the more unfavourable representation of Neumünster in the ‘Kieler Nachrichten’, raises questions of how individual perception, the selection of material undertaken by journalists, the political alignments of the journals and their publishers, the technical layout of the newspaper and their internet platforms, affect the type of coverage given and their influence on the discourse of city-image. Reasons and processes for the reproduction of certain notions about a city are highlighted in the thesis. It’s intention, as well, is to challenge those marketing-driven city images, which are designed for commercial purposes and the possible benefits for stigmatised areas in relation to urban competitiveness.
1. Einleitung
Städtische Lebensräume werden seit einigen Jahren wieder zunehmend von Menschen nachgefragt, die ihrem Wohnort eine hohe Dichte infrastruktureller, sozialer oder kultureller Einrichtungen abverlangen. Urbane Qualitäten zeigen sich in kurzen Wegen, Polyzentralität, einem positiv wirkenden, durchgrünten Stadtbild, vielfältigen, nahe gelegenen Versorgungs- und Freizeitangeboten und Kommunikations- und Nutzungsmöglichkeiten in öffentlichen Räumen (BBSR 2011).
Städte gelten als Schmelztiegel, in denen kulturelle, religiöse, demografische und soziale Differenzen zusammen geführt werden und die ihren BewohnerInnen und BesucherInnen ein urbanes Lebensgefühl anzubieten imstande sind. Städte gelten als Dreh- und Angelpunkte ökonomischer Prosperität und globaler Handelsströme. Die große kulturelle Vielfalt bildet den Nährboden für Kreativität, die ihrerseits zur Ressource einer vielversprechenden Kreativwirtschaft geworden ist (vgl. LANDRY 2012, S. 33f.). Städte sind Triebfedern gesellschaftlichen Wandels, Anziehungspunkte für Reiselustige aus aller Welt und Austragungsorte politischer Machtkämpfe und sozialer Umbrüche. In den Städten offenbaren sich ökologische und soziale Problemstellungen des Menschen zuerst. Von ihren Akteuren wird erwartet, dass sie sich den Herausforderungen, mit denen sich die Menschheit auch durch eine steigende Verstädterungsrate konfrontiert sieht, mit innovativen Lösungsansätzen entgegen stellen und die in ihr stattfindenden Lebensstile um eine Dimension der Nachhaltigkeit bereichern.
Doch gleicht eine Stadt nicht der anderen und die Auswahl an potenziellen urbanen Lebens- und Arbeitsräumen wächst. Das liegt zum einen daran, dass sich Arbeitsmärkte und somit auch die Aktionsräume von Individuen zunehmend erweitern und insbesondere in Europa neue Mobilitätsmuster forciert werden, die als Indikator funktionierender Freizügigkeiten innerhalb der Europäischen Union und zugleich als Folge räumlich ungleicher wirtschaftlicher Entwicklung gedeutet werden können (vgl. BRÜCKNER 2013 und MAU 2014). Gleichzeitig sinkt die Ortsbindung junger Menschen (vgl. NEUBERGER 2003, S. 32) und sprachliche sowie kulturelle Barrieren lösen sich zumindest für den Teil der Bevölkerung auf, der gut ausgebildet und anpassungsfähig ist und sich vielmehr als Weltbürger versteht. Die vergleichsweise hohe Konzentration junger und hochqualifizierter Menschen in Städten ist dabei Chance und Handlungsaufforderung zugleich: Menschen, die in diesem Zusammenhang durchaus als wertvolle Ressource verstanden werden können - indem sie als Einkommenssteuer zahlende Bevölkerung städtische Haushalte stärken (vgl. KÜHN und WECK 2013, S. 85), als kreative Freigeister urbane Lebensstile prägen und Städte so zum Anlaufpunkt für Akteure der Kreativ- und Kulturwirtschaft sowie für TouristInnen aus aller Welt machen - müssen motiviert werden, sich in einer bestimmten Stadt niederzulassen oder dort zu arbeiten. Als Kristallisationskern „harter“ und „weicher“ Standortfaktoren und bei gleichzeitiger „Schließung oder Standortverlagerung von abhängigen Unternehmensfilialen durch Entscheidungen in Konzernzentralen“ konkurrieren Städte zudem um Unternehmensansiedlungen und damit verbundene, haushaltspolitisch wichtige Einnahmen durch Gewerbesteuern (vgl. KÜHN und WECK 2013, S. 85).
Die Stadt ist gekennzeichnet durch Vielfalt - zugleich gelten nicht alle Bestandteile einer vielfältigen Bevölkerung als „gleichwertig“, denn die Nachfrage nach vielversprechenden Bevölkerungsgruppen erzeugt einen Wettbewerb zwischen den Städten, der auch über selbst initiierte Profilierungsprozesse und eine zielgerichtete Außenkommunikation spezifischer städtischer Qualitäten zu gewinnen versucht wird. So versuchen Städte oder vielmehr deren Vermarktungsagenturen, über eine entsprechende Eigendarstellung und daran angepasste kommunikative Mittel, gezielt bestimmte Menschen als Träger soziodemografischer Merkmale anzusprechen und diese anzulocken, damit sie eine Stadt als Wohnstandort auswählen, Arbeit und Kapital in diese investieren oder die Stadt als TouristInnen bereichern, die ihrerseits ein möglichst gutes Image dieser Stadt hinaus in die Welt tragen sollen.
Doch bei allem Optimismus, der „die Stadt“ und ihre Zukunft derzeit umgibt, so erzeugen Wettbewerbe – so auch der zwischen urbanen Räumen – notwendigerweise Verlierer. Denn die selbstdarstellende Vermarktungsstrategie von Stadtmarketingagenturen und sogenannten Citymanagements lebt auch davon, sich von der Konkurrenz abzugrenzen, sich hervor zu tun als attraktiverer Ort der Wahl. So feierten im Zuge dieses Trends auch marktwirtschaftliche Ideen Einzug in die Konzeption von Städten, deren Charakteristikum als Ort der Vielfalt zunehmend durch eine „Marginalisierung zumindest einzelner Personen in den Städten, wenn nicht gar ganzer Städte“ bedroht sei, so Anne Vogepohl (2012). Urbane Qualitäten avancieren in der Diskussion um die „kreative Stadt“ (vgl. LANDRY 2012) zu Wachstumsmotoren, die unterehmerisch angepriesen werden müssten, um Städte als „Marken“ (Hamburg Marketing GmbH 2015) mit Wiedererkennungswert und Magnete bestimmter Zielgruppen zu profilieren. Dieser als „neoliberal“ bezeichnete und seitens politisch alternativer Milieus häufig kritisierte Städtewettlauf werde dabei häufig auf Kosten einer sozial schwachen oder anderweitig nicht zu den Werbezielen passenden und daher unerwünschten Klientel geführt, so der Vorwurf (vgl. GEBHARDT und HOLM 2011, S. 10 und vgl. FELDMANN 2005, S. 40). Der Wettbewerb gründet sich damit auch auf eine „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ (HEITMEYER und GRAU 2013, S. 27f.), dessen erfolgreiche Austragung nicht zuletzt auf der Abwertung anderer Raumeinheiten beruht, wenn diese durch geografische Nähe oder ähnliche Zielgruppenausrichtungen als Konkurrenz betrachtet werden.
Kühn und Weck stellen jedoch fest, dass sich der interkommunale Wettbewerb nicht auf Städte beschränkt, sondern dass sich Folgen „der Rahmenbedingungen von Globalisierung und Neoliberalismus“ verschärft in peripheren Räumen beobachten lassen (2013, S. 85). Die staatliche Politik forciere den Wettbewerbsdruck zusätzlich, da Infrastrukturen und zentralörtliche Funktionen infolge von Bevölkerungsrückgängen insbesondere in ländlichen Regionen zunehmend zentralisiert werden und viele Städte ihren Status „als Mittelzentrum und Kreisstadt ge-fährdet [sehen] und […] mit anderen Städten um den Statuserhalt“ konkurrieren (KÜHN und WECK 2013, S. 85). Dabei ist davon auszugehen, dass insbesondere Klein- und Mittelstädte in geografischer Nähe zu den elf Metropolregionen in der bundesdeutschen Raumordnung (vgl. KÜHN und WECK 2013, S. 86) mit den Sogkräften naher Metropolen und Metropolregionen zu kämpfen haben und sich für sie aufgrund dessen ein besonderer Wettbewerbsdruck und Handlungsbedarf ergibt.
Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass sich städtische Images zielgerichtet durch die Hand von Stadtmarketingspezialisten planen ließen. Als „multidisziplinärer Omnibusbegriff“ wabert der Imagebegriff seit geraumer Zeit durch die städtischen Behörden und verspricht dabei als „stadt- und regionalentwickungspolitisches Erfolgsrezept im zunehmend – national wie international – verschärften Konkurrenzkampf um Industrieansiedlungen und qualifizierte Arbeitskräfte, Touristen und kaufkräftige Konsumente [sic!], Kongresse und Kultur- und Sportveranstaltungen“ aller städtischen Problemlagen Herr zu werden (STEGMANN 1997).
Doch unterliegen Stadtimages auch Einflussfaktoren, die sich dem Wirkungsbereich klassischer Instrumente des Stadtmarketings entziehen. So kann neben dem Selbstbild der StadtbewohnerInnen, das eng mit dem lokalen Lebensgefühl und somit auch mit vermittelbaren und imagewirksamen Symbolen und Deutungsmustern örtlicher Gegebenheiten verzahnt ist, ein medialer Einfluss auf Stadtimages angenommen werden. Mediale Darstellungen städtischer Sachlagen rücken bestimmte Merkmale, Probleme, Ereignisse oder soziale Gruppen in den Fokus der Wahrnehmung – und verschweigen andere. Medienakteure unterliegen zugleich den gleichen subjektiven Wahrnehmungs- und Reduktionsmechanismen wie die RezipientInnen ihrer Arbeit. Sie schaffen Sichtweisen und werden durch andere beeinflusst. Findet eine Berichterstattung ihren Weg in die Wahrnehmung einer größeren Zahl von Menschen, werden diese diskutiert, kritisiert, abgelehnt oder weiter getragen, können sich diskursive Strukturen entwickeln, die ihrerseits Eingang in die Medienproduktion finden können. Das gilt auch für Städte und die Belange ihrer darin handelnden Akteure. So stellen Bosshard und Döhling folgerichtig fest, dass „Städte keineswegs rein geographische, ökonomische oder demographische Größen, sondern ebenso sehr diskursive Größen sind, d.h. dass ihre Wahrnehmung und ihr Selbstverständnis zu einem erheblichen Maße von der Kommunikation über die Stadt und über die mit ihr verbundenen, in ihr verkörperten ideellen Werte und Wünsche geprägt sind, die wiederum medial vermittelt sind und medial verändert werden.“ (BOSSHARD und DÖHLING 2013, S. 46).
Verweisen derartige ortsbezogene Aussagen vermehrt auf Themen, enthalten sie Sichtweisen oder auch nur Wortschöpfungen, die gemeinhin mit negativen Attributen assoziiert werden und geschieht dies über einen längeren Zeitraum ohne entsprechende Gegendarstellungen, d.h. diesen Bildern entgegenwirkende Interpretationen, so kann sich ein solch medial vermit-teltes und schlussendlich im Konsens akzeptiertes – zumindest aber geduldetes – Bild einer Stadt in der Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsteile verstetigen (vgl. JÄCKEL 1999, S. 234). Handelt es sich dabei um „Aussagen, die nach demselben Muster oder Regelsystem gebildet worden sind“, kann von einem Diskurs gesprochen werden (vgl. KELLER 2011, S. 46).
Die vorliegende universitäre Abschlussarbeit beschäftigt sich mit diesen medial manifestierten und medial bedingten, diskursiven Darstellungen einer Stadt. Abseits offizieller Vermarktungsstrategien wird der Frage nachgegangen, ob sich ausgewählte Printmedien sowie deren digitale Ableger in auffälliger Weise an der Produktion und Reproduktion bestimmter Images beteiligen oder diesen gar entgegenwirken. Die Stadt Neumünster, im Herzen Schleswig-Holsteins gelegen, erweist sich in diesem Zusammenhang als adäquates Fallbeispiel: Als Mittelstadt zwischen den Wachstumsräumen Kiel und Hamburg gelegen, durch Deindustrialisierungsprozesse der 1990er Jahre geprägt, durch eine Schleswig-Holstein weit vergleichsweise geringe touristische Attraktivität gekennzeichnet, als Treffpunkt der norddeutschen Neonaziszene und verschiedener, polizeilich teils als kriminelle Vereinigung eingestufter Motorradclubs galt die Stadt lange als „hässliches Entlein“ des nördlichsten Bundeslandes, wenngleich sich die Zeichen ökonomischen und kulturellen Aufschwungs in jüngerer Zeit mehren (vgl. KELLERMANN 2015).
Schlechte Images schlagen sich dabei nicht nur im interkommunalen, regionalen oder globalen Wettbewerb nieder. Forschungsgegenstand thematisch ähnlicher Studien war dabei insbesondere die Stigmatisierung bestimmter Stadtteile, Quartiere und deren BewohnerInnen. Ein großer Teil der Forschung konzentrierte sich insbesondere auf die ethnische residenzielle Segregation urbaner Teilräume und die häufig daraus abgeleiteten, gesamtstädtischen Problemlagen. So haben sich auch Geisler und Stahl (2012) mit ethnischer Segregation in den Mittelstädten Limburg und Marburg beschäftigt und sie offenbaren dabei eine marktwirtschaftliche Relevanz stigmatisierter Raumeinheiten: „Ein weiterer Grund für die vergleichsweise günstigen Preise [von Wohneigentum, Anm. d. Verf.) dürfte allerdings auch das schlechte Image beider Quartiere als ethnische residenzielle Segregationen sein, welches die dortigen Immobilien für Kaufinteressierte der autochthonen Bevölkerung unattraktiv erscheinen lässt.“ (GEISLER und STAHL 2012, S. 130)
Markt- und privatwirtschaftliche Interessen sind infolge einer negativen Darstellungspraxis von Städten daher ebenso betroffen wie allgemeine Belange. Politische Ambitionen, raumordnerische Funktionen zu erhalten, einkommensstarke Bevölkerungsteile an die Stadt zu binden oder Unternehmensstandorte zu sichern können dabei als Ausgangspunkt und zugleich als Resultat eines verschärften Wettbewerbs betrachtet werden. Um die Tragweite städtischer Images nachvollziehen und der Relevanz dieser Arbeit zugrunde legen zu können, bedarf es einer Konkretisierung des Imagebegriffs, einer Erörterung der Funktionen symbolisierter Bilder sowie einer Übertragung der Wirkungsweisen von Massenmedien auf die empirischen Erkenntnisse dieser Untersuchung.
Die Entstehung von Images nach Karl Ganser stellt hierbei nur eine Perspektive dar, anhand derer die Beteiligung medialer Erzeugnisse an der Imagekonstruktion nachvollzogen werden soll. In Kapitel zwei werden daher theoretische Grundlagen der Imagebildung, Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung sowie eine verbindende Betrachtung des Faktors Raum bzw. räumliche Entfernung und der Wirkung von Stadtimages dargelegt. Der Raumbezug wird somit zur unabhängigen Variable der medialen Darstellung des Fallbeispiels und schlägt sich entsprechend in der Auswahl der zu analysierenden Medien nieder. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass sich die mediale Darstellungsweise eines Ortes nicht nur zielgruppenbedingt unterscheidet. Die Darstellung einer Stadt sowie die Funktion des Stadt-Images variieren demnach auch mit der Einflussgröße „Raumbezug“.
Dabei soll auch der Einfluss des Neoliberalismus auf die Bedeutung des Stadtimages nachgezeichnet werden. Immerhin bildet der neoliberale Städtewettbewerb den Ausgangspunkt für eine Vielzahl kritischer Auseinandersetzungen mit den Themen soziale Vielfalt in Städten, bezahlbares Wohnen und Marginalisierung politisch ungewollter Gruppen und bedarf daher einer genaueren Kontextualisierung hinsichtlich des hier formulierten Erkenntnisinteresses.
Im dritten Kapitel wird die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) theoretisch sowie praktisch anhand illustrierender Exempel des Forschungsmaterials präsentiert. Hier sollen Potenziale und Grenzen des Instruments aufgezeigt und dessen Eignung für die Forschungsfragen begründet werden. Außerdem werden die ausgewählten Untersuchungsobjekte „Holsteinischer Courier“ (nachfolgend „HC“ genannt) und „Kieler Nachrichten“ (nachfolgend „KN“ genannt) näher beschrieben sowie deren Auswahl begründet. Da sich die beiden Medien bezüglich ihrer Plattform unterscheiden und damit sowohl Fälle eines klassischen Printmediums als auch Artikel der Onlinepräsenz einer Tageszeitung die Datengrundlage dieser Arbeit bilden, soll an dieser Stelle auf die Spezifika der Plattformen, Differenzen und die Vergleichbarkeit der Teilergebnisse eingegangen werden.
Schlussendlich gilt es, das konkrete inhaltsanalytische Vorgehen in der Erhebung als auch Auswertung des Materials transparent und nachvollziehbar darzulegen. Die einzelnen Schritte sollen dabei nicht nur begründet werden, um dem der Methode scheinbar innewohnenden Vorwurf subjektiver und wissenschaftlichen Standards nicht gerecht werdender Vorgehenseisen zu entgehen. Eine detaillierte Operationalisierung eines empirisch nicht ganz problemlos beizukommenden Diskurses wird vielmehr als Grundlage eines Verständnisses der Komplexität diskursanalytischer Auseinandersetzungen betrachtet.
In Kapitel vier wird näher auf das Fallbeispiel Neumünster eingegangen. Um die Erkenntnisse dieser Arbeit möglicherweise auf vergleichbare Städte und Sachlagen übertragen zu können, soll das Fallbeispiel anhand seiner formellen Daten, der geografischen Lage und bestehender Verbindungen zu anderen Städten und Regionen kurz porträtiert werden. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit der Stadt soll es den LeserInnen ermöglichen, die ökonomische Lage und aktuelle Entwicklungen der Stadt einzuordnen. Mit Bezug auf den Fokus medialer Darstellungsweisen des Ortes wird dabei auch auf diskursive Elemente eingegangen, die die Berichterstattung über die Stadt in der Vergangenheit geprägt haben.
Die Benennung einiger kultureller und sozialer Einrichtungen soll einen Eindruck vermitteln, auf Grundlage welcher Sachlagen die Stadt stigmatisierenden Diskursen ausgesetzt war – nicht zuletzt auf der Basis statistischer Erhebungen, die ihrerseits einen objektivierenden Charakter zu haben scheinen und imagebildende Interpretationen fundieren können. Des Weiteren wird die Eigendarstellung der Stadt insofern thematisiert, dass sich von offizieller Seite stimulierte Assoziationen teils erheblich von medial vermittelten Bildern und Symbolen unterscheiden können. Ein Abgleich dieser partiellen Ausleuchtung potenziell vielfältiger Gegebenheiten der Stadt erfolgt im Fazit der Arbeit, wobei hier gleichzeitig die Frage beantwortet werden soll, inwieweit Imageproduktionen im Spannungsfeld politischer, ökonomischer, medialer und bürgerlicher Handlungen oszillieren.
Kapitel fünf enthält die Ergebnisse, die sich aus der zuvor dargelegten empirischen Arbeit ergeben. So werden die untersuchten Tageszeitungen teils getrennt, teils vergleichend dargestellt und so erste Differenzen, Gemeinsamkeiten und Signifikanzen herausgearbeitet. Wenngleich die Vergleichbarkeit der analysierten Medien plattformbedingt eingeschränkt ist, so vermittelt die Ergebnislage mindestens einen Eindruck davon, inwiefern sich mediale Darstellungsweisen in Print- und Onlineversionen von Zeitungen unterscheiden – wobei hier keine ursächlichen Rückschlüsse auf einzelne Variablen zulässig sind. Die Ergebnisse zeigen, welche Themenbereiche medial verstärkt bedient werden. Für besonders häufig thematisierte Kategorien bietet sich hierbei eine kleingliedrige Differenzierung kategorisch zusammengefasster Subthemen an. Darüber hinaus wurde auch die Art der Darstellung erfasst, die hinsichtlich ihrer Wirkungsweise auf das Image der Stadt als ihrem Ruf zuträgliche, neutrale oder schadende Berichterstattung interpretiert wurde. Die als erklärungsstark erachtete Variable „Raumbezug“, die sich sowohl auf den Aktions- und Thematisierungsradius der untersuchten Medien als auch auf thematische Verknüpfungen des Fallbeispiels mit anderen Raumeinheiten bezieht und so die medial hergestellte relationale Positionierung von Städten und Regionen zueinander stets beachtet, dient hier als unabhängige Größe und Ausgangspunkt einer Betrachtung von unterschiedlichen medialen Thematisierungs- und Darstellungsweisen.
Eine Einschätzung der Einhaltung wissenschaftlicher Standards sowie der Aussagekraft erfolgt im selben Kapitel. Dabei wird auf systematische Schwächen der Methode und praktische Schwierigkeiten in der inhaltsanalytischen Erhebung und Auswertung des Datenmaterials eingegangen. In diesem Zusammenhang wird zumeist auf die Möglichkeit weitergehender Forschungen verwiesen, die sich hinsichtlich der hier nicht zu beantwortenden Fragen als dienlich erweisen könnten.
Daran anknüpfend sollen die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit abschließend in Kapitel sechs zusammengefasst werden. Eingangs formulierte Fragestellungen sollen anhand der Ergebnislage nach Möglichkeit beantwortet und Annahmen verifiziert beziehungsweise widerlegt werden. Außerdem sollen die Forschungsergebnisse in das theoretische Konstrukt der Imagebildung integriert und so Aussagen über die Funktionen medialer Darstellungspraktiken in der Bildung, Reproduktion oder gar Auflösung von Stadtimages ermöglicht werden. Hier gilt es, mediale Thematisierungen und Repräsentationen des Fallbeispiels mit der von städtischer Seite stimulierten Imagearbeit abzugleichen und eventuelle Divergenzen festzustellen.
Darüber hinaus soll das generierte Wissen in die bestehende Forschungslandschaft eingeordnet werden. Dabei wird auch Bezug auf ähnliche Studien genommen und es werden Denkanstöße für mögliche zukünftige Forschungsarbeiten formuliert.
2. Die Bedeutung und Konstruktion des Images
Das folgende Kapitel soll der Arbeit als theoretische Grundlage und strukturierender Leitfaden dienen. In einem ersten Schritt wird die Bedeutung des Stadtimages im Kontext eines zunehmenden Verständnisses der Stadt als unternehmerischer Akteur erläutert. Im Zuge dessen soll auch auf den aktuellen Stellenwert städtischer Images in der Stadtentwicklung sowie die versuchte Einflussnahme auf das Stadtimage durch Akteure der Stadtplanung eingegangen werden.
Massenmedien und deren Partizipation an stigmatisierenden Sichtweisen auf bestimmte Räume werden im zweiten Abschnitt dieses Kapitels thematisiert. Dabei soll auch auf bereits abgeschlossene Untersuchungen zu ähnlichen Forschungsinteressen verwiesen werden. Ziel dessen ist es, dabei produziertes Wissen für die weiteren Arbeitsschritte der vorliegenden Analyse nutzbar zu machen.
Im dritten Teil dieses Kapitels wird der Zusammenhang zwischen medialen Inhalten und deren Produktion einerseits und der Rezeption dieser Medienarbeit sowie kognitive und (sozial-) psychologische Rahmenbedingungen auf der Seite des adressierten Individuums hergestellt. Dieser Exkurs in die Medienwirkungsforschung wird als notwendiger Schritt erachtet, das Potenzial massenmedialer Vermittlungen von Wirklichkeit auf die individuelle und – als Voraussetzung eines Zustandekommens allgemein geteilter Bilder verstanden – kollektivierte Wahrnehmung städtischer Räume nachvollziehen zu können.
Schlussendlich sollen die vorrangige Thematisierung bestimmter Sachverhalte bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer Problemlagen durch Politik, Stadtplanung und -marketing als auch eine modellierte Darlegung der Imagekonstruktion nach Karl Ganser das theoretische Fundament der vorliegenden Arbeit bilden. Dabei wird auch auf prognostizierte Entwicklun-gen von Städten und sich daraus ergebende aktuelle Herausforderungen für deren Planung eingegangen.
2.1. Das Stadtimage im neoliberalen Wettbewerb
Zunächst soll jedoch der Begriff des Stadt-Images von dem des „Bildes einer Stadt“ unterschieden werden. Lothar Feldmann leitet die Bedeutung des Stadt-Images aus dem paradigmatischen Wandel hin zur interurbanen Konkurrenz ab, in der „die Stadt […] dabei als Produkt verstanden [wird], welches optimal ‚vermarket‘ werden muss, um eine optimale ‚Nachfrage‘ nach der Stadt zu erreichen“ (2005, S. 29). Der aktiven Gestaltung des Stadt-Images kommt dabei eine tragende Rolle zu, da das Image „gewissermaßen als ‚Bild einer Stadt‘ verstanden werden“ kann und in Relation zu den tatsächlichen Verhältnissen in einer Stadt als attraktive Stellschraube der Positionierung im Städtewettbewerb betrachtet wird (FELDMANN 2005, S. 29 und vgl. S. 33).
Das Stadt-Image setzt sich Feldmann zu Folge aus einer Vielzahl von Bildern zusammen, die wiederum verschiedene Funktionen haben. So wird beispielsweise Stadtplanung als Zielsetzung mit Hilfe von Bildern verstanden. Das Image einer Stadt ergebe sich so aus ihrem Selbstbild oder vielmehr dem Selbstbild ihrer BewohnerInnen und korporativen Akteure, ihrem Selbstverständnis und politisch definierten Leitbildern. Feldmann verortet „die Erwartungen und Funktionen, die mit dem Stadt-Image verbunden sind, […] zwischen diesen Polen“ (FELDMANN 2005, S. 29). Wenngleich hier die Rolle städtischer Akteure sowie deren Zielsetzung bezüglich der Stadtentwicklung in den Vordergrund gerückt werden, gilt die Herangehensweise an die Ergründung der Veränderbarkeit des Images einer Stadt ebenso für das Handeln medialer Akteure: „Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Frage zu, wie das Image einer Stadt entsteht. Entwickelt es sich ausgelöst durch eine unübersehbare Vielzahl von Einflussgrößen oder ist das Image einer Stadt einer Planung zugänglich, also tatsächlich bewusst steuer- und veränderbar? In welchem Sinne ist es instrumentalisierbar, in welchen Zusammenhängen kann es steuernd eingesetzt werden?“ (FELDMANN 2005, S. 29)
Images im Allgemeinen kommen verschiedene Bedeutungen und Funktionen zu. Als „ganzheitlicher und dynamischer Komplex“ verstanden, „in dem Persönlichkeitsfaktoren und Wirkungen der Umwelt zu einem neuen Ganzen verschmelzen“ (HELLMIG 1997, S. 12), spielt das Image „eine zentrale Rolle im menschlichen Orientierungsprozeß“ (HELLMIG 1997, S. 13). Es liegt nahe, dass Images die Komplexität wahrnehmbarer Merkmale einer Person, Organisation oder Raumeinheit auf leicht zugängliche Perspektiven reduziert und daher in ähnlicher Weise wirken wie Stereotype und Vorurteile. Zu diesem Zweck gründen sich Images im Allgemeinen wie Stadtimages im Speziellen zumeist auf Symbole und symbolisierte Bilder, die es dem Individuum erleichtern, Erinnerungen an sowie Emotionen und Assoziationen mit dem im Image repräsentierten Objekt herzustellen. Dabei werden Images „nicht nur durch Symbole, sondern auch durch Massenmedien und sog. ‚opinion-leader‘ beeinflußt“ (HELLMIG 1997, S. 13 und vgl. FELDMANN 2005, S. 39). Kevin Lynch (1965) zufolge sei das Bild einer Stadt das Resultat eines Prozesses, der zwischen dem Beobachter und seiner Umgebung stattfinde und durch die erstmalige Wahrnehmung – den berüchtigten ersten Eindruck – maßgeblich beeinflusst werde (vgl. BERGLER 1991, S. 47). Das Stadtimage ist also eine anhand lokaler physischer, historischer, kultureller, sozialer, digitaler oder emotionaler Merkmale symbolisierte mentale Repräsentation in den Köpfen der RezipientInnen, die sich auf diejenigen Objekte bezieht, die in nachvollziehbarer Weise als Teil jener Stadt verstanden werden können. Dazu zählen deren BewohnerInnen, ArbeiterInnen, TouristInnen, zeitgenössische oder historische Berühmtheiten, Architektur und andere Infrastrukturen, kulturelle und digitale Erzeugnisse, die städtische Politik oder gar das „einheitliche ‚Verhalten‘, Agieren der Stadt“ (FELDMANN 2005, S. 40) – kurzum: alle Objekte, deren Existenz nur im Zusammenhang mit eben dieser Stadt denkbar ist und die somit nicht ohne weiteres gedanklich oder auch tatsächlich in andere Räume übertragen werden können. Eine unternehmerische Betrachtung der Stadtimagebildung findet sich in den vier Komponenten der „Corporate Identity“ bei Kutschinski-Schuster (1993) wieder.
Images als gelenkte Wahrnehmung partieller und gewollter Merkmale stellen zwar nur einen Ausschnitt der gegenständlichen Wirklichkeit dar, doch sei es „charakteristisch für diese Beziehung“, „daß die Wirksamkeit des Images zu einer neuen Wirklichkeit führe“ (HELLMIG 1997, S. 13f.). Ganz gleich also, ob konstruierte Bilder einer Stadt der Wahrheit entsprechen oder nicht, ihnen kommt eine quasi-reelle Wirkung zu, indem sie auf psychologischer Ebene des Individuums als wahr angenommen werden. Das Image steht zudem in enger Wechselwirkung mit der Bekanntheit beziehungsweise Publizität städtischer Eigenschaften. Sie bedingen einander, womit zugleich die enge Beziehung von Stadtimages und dem Stadtmarketing erklärt ist, dessen Funktion es ja ist, der Stadtentwicklung zuträgliche Teilmerkmale der Stadt an entsprechend definierte Zielgruppen adäquat zu kommunizieren.
Feldmann zufolge liegt der Reiz des Imagebegriffs auch in der Dehnbarkeit dessen inhaltlicher Füllung: „Wenn niemand so genau weiß, worum es präzise geht, dann erscheint das Image in vielen Zusammenhängen einsetzbar. Dementsprechend sind mit dem Stadt-Image auch zahlreiche Erwartungen verbunden“ (FELDMANN 2005, S. 31). Weiter wird das Image als ernstzunehmender weicher Standortfaktor beschrieben, dessen Anreize zur Pflege und Beeinflussung nicht zuletzt darin bestehen, dass man sich aus einem guten Image finanzielle Gewinne ver-spricht (vgl. FELDMANN 2005, ebd.).
Hinsichtlich der Beeinflussbarkeit von Images bedarf es der Unterscheidung in zwei grundsätzliche Typen: Das durch Massenmedien beeinflussbare „Public-Relation-Image“ kann als Instrument des Stadtmarketings verstanden werden, mit „dem die Stadt als Ware und als Mittel zum Zweck Wirtschaftswachstum und Profit [mittels, Anm. d. Verf.] bestimmter Gruppen begriffen“ wird und das insbesondere aus linksalternativen Bewegungen breite Kritik erfahren hat (HELLMIG 1997, S. 16). Eine weitere Form des Images bildet das „ortsbezogene Image“, das allmählich wachse, nicht machbar sei und sich als „strukturiertes, symbolisch repräsentatives Substrat im Bewußtsein der Bewohner einer Stadt“ festsetze und „Symbole materieller und immaterieller Art wie Bauten, Personen und Slogans“ konstituiere (HELLMIG 1997, S. 16).
Der Ruf von Städten wird freilich nicht ausschließlich medial konstruiert – schließlich sind auch Akteure der Medienlandschaft einer Vielzahl sozialer Prozesse und der eigenen medial geschaffenen Wirklichkeit ausgesetzt – er konstituiert sich also auf komplexe Weise durch eine große Bandbreite äußerer Reize. Deren subjektive Verarbeitung und psychologischen Rahmenbedingungen werden durch Bergler (1991) treffend beschrieben: „Ein Image ist ein vereinfachtes, überverdeutlichtes und bewertetes Vorstellungsbild, ein Quasi-Urteil, das keine Gültigkeitsgrenzen kennt und empirisch nicht hinreichend abgesichert ist. Alle menschlichem Wahrnehmen, Erleben und Denken zugänglichen Gegenstände werden immer auch vereinfacht - als Images - verarbeitet. Landschaften, Länder, Technologien, Städte-Standorte, Berufe, Wissenschaften, Personen, Tiere, Pflanzen, Klima. Images ... sind ein universelles Phänomen. Sie bilden die Realität nicht im fotografischen Detail ab, sondern sie machen ihre Schlußfolgerungen an Schlüsselreizen, exemplarischen Leistungen, einzelnen Erfolgen, aber auch einzelnen Mißerfolgen fest. Images entstehen, wie insbesondere die Psychologie des ersten Eindrucks deutlich macht, kurzfristig auf Basis eines Minimums an Information. Die dadurch erforderlichen psychologischen Mechanismen funktionieren mit hoher Geschwindigkeit weitgehend automatisiert und ohne Störungen durch Denken. Skepsis und Zweifel werden ausgeschaltet, Wenn und Aber werden nicht zugelassen, sondern nur subjektiv plausibel erscheinende eindeutige Urteile." (BERGLER 1991, S. 47)
Jene „subjektiv plausibel erscheinenden eindeutigen Urteile“ werfen dabei die Frage auf, inwiefern sich Medienakteure der Reproduktion einfacher und mehrheitskompatibler und tendenziöser Bilder verschreiben oder ob es ihr Anspruch ist, differenziertere Sichtweisen auf zumeist komplexere Sachverhalte darzulegen.
2.2. Massenmedien als „Stigmatisierer“
Der Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass lokale, regionale und überregionale Medien in nicht unerheblichem Maße an der Konstruktion und Manifestation städtischer Images betei-igt sind und somit – gewollt oder auch nicht, bewusst oder unbewusst – das Potenzial aufbringen, Städten mitsamt ihrer Bewohner Attribute zu verleihen, die je nach Wahl und der Art und Weise der medialen Aufbereitung dazu beitragen, dass Städte verstärkt positiv dargestellt, wenig thematisiert und somit auch marginalisiert oder stigmatisiert werden (vgl. BÜRK und BEIßWENGER 2013, S. 127). Massenmedien wie Zeitungen, das Fernsehen, der Hörfunk sowie zunehmend auch Informationsangebote des Internets könnten Thomas Bürk und Sabine Beißwenger zufolge durchaus als „besonders wirkmächtige ‚Stigmatisierer‘ betrachten werden“ (2013, S. 125), weshalb deren Untersuchung für das hier formulierte Erkenntnisinteresse von besonderer Bedeutung sein soll. Zeichnen sich Medieninhalte dabei durch eine „gleichgerichtete Tendenz“ – auch über Plattformen, Medienprodukte und Medienarbeit betreibende Individuen hinaus – aus, so kann diese „Konsonanz der Medienberichterstattung“ (JÄCKEL 1999, S. 234) die soziale Isolationsfurcht aufgrund abweichender Meinungen und die Redebereitschaft von Mehrheiten verstärken (vgl. JÄCKEL 1999, ebd.).
Die Bedeutung von Stigmata als Negative des erfolgreichen Stadtmarketings ergibt sich aus dem Transformationsprozess, der u.a. aus den „sektoralen Strukturumbrüchen in den USA und Westeuropa Mitte der 1970er Jahre“ resultierte (GORNIG und GOEBEL 2013, S. 51). Räumliche Disparitäten offenbarten sich fortan nicht mehr primär „zwischen Zentrum und Peripherie, sondern […] zwischen den verschiedenen Agglomerationen“ (GORNIG und GOEBEL 2013, ebd.), worauf das Stadtmarketing mit einem Hype des Imagebegriffs (vgl. FELDMANN 2005, S. 33) verzögert reagierte und nun weiche Standortfaktoren zu den neuen Faktoren wirtschaftlicher Prosperität erhob – einer der Grundpfeiler der „New Economy“ und kreativwirtschaftlicher Wertschöpfung (vgl. LANDRY 2012, S. 34). Diese neuen Entwicklungsfaktoren, zu denen neben dem Image auch kulturelle und soziale Aspekte zählen, stellen dabei weniger sichtbare Standortmerkmale dar als klassische infrastrukturelle Größen. Die direkte Erfahrbarkeit räumlicher Qualitäten löst sich dabei auch durch neue Verflechtungsmuster im digitalen Zeitalter auf. Nach Sassen (2009) dürften Städte zukünftig nicht mehr nur als Einheiten begriffen werden, die sich aus den Gegebenheiten des Lokalen konstruieren und so direkt räumlich erfahrbar und interpretierbar sind, der Standpunkt einer Stadt bemesse sich im Zeitalter des „Global Digital Age“ nach globalen und teils digitalen Handelsketten und deren räumlichen Manifestationen, die schließlich die Topographie eines Ortes überlagerten (vgl. SASSEN 2009, S. 531). Diese Digitalisierung städtischer Wettbewerbspositionen stellt darüber hinaus klassische Imagekonstruktionen in Frage, die sich vorrangig mit den physisch erfahrbaren, stereotypisierten und symbolkräftigen Elementen eines Ortes begnügen (vgl. FELDMANN 2005, S. 35f.).
Als sozialer Prozess verstanden, erfüllen Images sowie Stigmatisierungen städtischer Räume daher wichtige Funktionen in der Positionierung von Städten innerhalb eines regionalen, nationalen oder globalen Wettbewerbes, bei dem das erfolgreiche Anwerben von Bewohnern, Touristen und Unternehmern mitsamt ihres Kapitals, ihrer Kreativität und Kultur nicht zuletzt von der erfolgreichen Ausleuchtung vorhandener oder bloß zugeschriebener städtischer Eigenschaften in massenmedial vermittelten Darstellungspraktiken abhängt (vgl. BÜRK und BEIßWENGER 2013, S. 144 und FELDMANN 2005, S. 29). Stigmata, die an dieser Stelle als bewusste, verallgemeinernde und abwertende Darstellungs- und Bewertungspraxis definierter sozialer Gruppen verstanden werden sollen, könnten materialisiert als auch imaginiert sein, was jedoch hinsichtlich der Wirkung bei den RezipientInnen dieser medial vermittelten Bilder zunächst nachrangig erscheint (BÜRK und BEIßWENGER 2013, S. 127). Gemäß des soziologischen Leitsatzes, dass als real wahrgenommene Situationen auch reale Konsequenzen nach sich ziehen (vgl. „Thomas-Theorem“ in JÄCKEL 2010, S. 27 und vgl. KELLER 2011, S. 67), soll nicht untersucht werden, ob in den untersuchten Medien aufgestellte Behauptungen der Wahrheit entsprechen oder nicht. Vielmehr gilt das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit der Art und Weise der Darstellung, der möglicherweise verstärkten Inanspruchnahme bestimmter Themen, die in einer Stadt diskutiert werden oder auch nicht und schließlich der Beteiligung dieser Medien an der Imagekonstruktion ganzer Städte.
Um die Persistenz von Meinungen, Einstellungen, somit auch Images und nicht zuletzt Stigmata nachvollziehen zu können, muss auf deren gruppendynamische und mehrheitsorientierte Entstehungsprozesse eingegangen werden. Stigmata können auch als nicht weiter fundierte Mentalitäten von Mehrheiten begriffen werden. Den Forschungen von Heitmeyer und Grau (2013) folgend, ist es naheliegend, dass auch die persönliche Auseinandersetzung mit medial Wahrgenommenem im Allgemeinen sowie mit diskreditierten Gruppierungen im Speziellen in aller Regel nicht objektiv und sachlich erfolgt, sondern es wird „über die eigene Bewertung dieser [gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ausgesetzten, Anm. d. Verf.] Gruppen [geredet], die auch Abwertungen enthalten und z. T. als ‚normal‘, zumindest aber für legitim gehalten werden“ (HEITMEYER und GRAU 2013, S. 18). Stigmata weisen auch deshalb eine tendenziell hohe Lebensdauer auf, weil sie den in „Schweigespiralen“ (vgl. NOELLE-NEUMANN und PETERSEN 1998) artikulierten und fortwährend bekräftigten Aufladungs- und Zuschreibungsprozessen von Mehrheiten unterliegen. Einmal als mehrheitlich akzeptiert geglaubte Meinungen verstärken sich fortan selbst, indem „Personen in abwertenden und diskriminierenden Äußerungen umso eher [ihre Sichtweise artikulieren], je stärker sie den Eindruck haben, dass sie Teil einer Mehrheit sind. Dies kann sich auch auf die face-to-face-Interaktionen im eigenen Sozialraum von Gemeinden, Städten und Stadtteilen beziehen“ (HEITMEYER und GRAU 2013, S. 19).
So entstehe eine „optische oder akustische Täuschung für die wirklichen Mehrheits-, die wirklichen Stärkeverhältnisse, und so stecken die einen andere zum Reden an, die anderen zum Schweigen, bis schließlich die eine Auffassung ganz untergehen kann“ (NOELLE-NEUMANN 1980, S. 13). Der so entstehende Konformitätsdruck (vgl. HEITMEYER und GRAU 2013, S. 19 und KÜHNEL et al. 2007) betrifft schließlich auch Medienakteure, deren Meinungssouveränität somit auch der eigenen mehrheitsbildenden oder zumindest -begünstigenden Berichterstattung erliegen kann.
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