Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung – Beschreibung der Vorgehensweise ... 2
2. Interpretation Neuer Frühling – Thematik und Stilistik ... 2
3. Schlussbetrachtung ... 12
3.1 Die Antithetik in Bezug auf das Thema Liebe ... 12
3.2 Die Antithetik in Bezug auf die angewandte Stilistik ... 12
Literaturverzeichnis ... 14
1. Einleitung – Beschreibung der Vorgehensweise
Wie wird die Antithetik in Bezug auf das Thema Liebe im Gedichtzyklus Neuer Frühling von Heinrich Heine dargestellt? Der Gedichtzyklus ist reichlich versehen mit 'Antithesen'. Diese gilt es herauszufiltern und In folgender Arbeit soll aufgezeigt werden, wie die Verwendung von miteinander ver-flochtenen Gegensätzen den Gedichtzyklus thematisch und stilistisch bereichert. Im Anschluss der Definition des Begriffes 'Antithese' und der Ausarbeitung einer Interpretation ausgewählter, für das hier gewählte Thema bedeutsamer Gedichte aus Neuer Frühling, werden zwei Lesarten in Bezug auf die antithetische Darstellung beschrieben.
Definition Antithese
Das Wort 'Antithese' leitet sich von dem griechischen Wort 'antithesis' ab und heißt übersetzt 'Gegensatz'. Die Antithese beschreibt die Gegenüberstellung zweier sich wider-sprechender Ausdrücke. Sie ist den rhetorischen Figuren zuzuordnen und fällt unter die Klassifizierung 'Gedankenfigur'.
Die Antithese […] dient der stilistischen Hervorhebung eines gedanklichen Gegensatzes zwischen Wörtern und Sätzen. […] Explizit antithetisch strukturiert sind Oxymoron und Paradox. Während die Antithese den Antagonismus ihrer Gegenstände durch dialektische Trennung scharf herausstellt und bewußt [sic!] macht, bringen Oxymoron und Paradox auf pointierte, nicht selten ironische Weise das Widersprüchliche, rational scheinbar Unauflösbare eines Phänomens zum Ausdruck. Die Antithese gehört als rhetorische Wort- und Sinnfigur in die Stiltheorie (Elocutio). […] In ihrer ornamental-rhetorischen und dialektisch-gedanklichen Funktion wird die Antithese zu einem energischen, ontologisch legitimierten Strukturprinzip der Literatur und Philosophie.1
2. Interpretation Neuer Frühling – Thematik und Stilistik
Nachdem der für diese Arbeit sehr bedeutende Begriff 'Antithese' definiert ist, gilt es text-nah zu arbeiten und den Gedichtzyklus in Hinblick auf die antithetische Gestaltung der Liebe und der, der Stilistik zu analysieren.
Im Gedichtzyklus Neuer Frühling wird die schmerzhaft-unerfüllte Liebe und das schöne Gefühl des Verliebtseins thematisiert. Wie man bereits am Titel Neuer Frühling erahnen kann, handelt es sich um die Naturbeschreibung des Frühlings. Mensch und Gefühl sind beschrieben durch Naturobjekte und Naturphänomene. Insbesondere der Romantik zuzu-ordnenden Motive 'Rose' (VI, V. 7), 'Nachtigall' (II, V. 5), 'Liebe' (II, V. 8) und 'Herz' (I, V. 8) sind häufige Begleiter des Gedichtzyklus Neuer Frühling.
Beginnend mit dem Frühling und endend mit dem Winter, wird unter anderem durch Ver-wendung der petrarkistischen Stilfigur, die antithetische Gestaltung einer schmerzhaft-unerfüllten Liebe, aufgezeigt.
Das Wort 'Petrarkismus' ist vom Eigennamen Petrarcas abgeleitet und beschreibt die Übernahme von sprachlichen oder motivischen Elementen aus Francesco Petrarcas ,Canzoniere'. […] Besonders charakteristisch sind die antithetische Gestaltung der schmerzhaftunerfüllten [sic!] Liebe […] in einem Spannungsfeld von Affekt und Norm […].2
Der Zyklus Neuer Frühling wird nicht nur beschrieben durch den Schmerz der Liebe, auch das Glücksgefühl des Verliebtseins wird aufgezeigt und bildet somit eine antithetische Darstellungsweise.
Auch das Phänomen des harmonischen Textkorpus, aber unruhiger Stilistik in Neuer Frühling kann man als antithetisch bezeichnen. Prolog und Gedichte reimen sich zwar kreuzweise, aber nicht immer streng. Trochäen und Jamben beziehungsweise Daktylen wechseln sich kontinuierlich ab. Die trochäischen Gedichte sind fallende Viertakter und werden auch als 'Spanische Trochäen' bezeichnet. Gedicht VI bildet die Ausnahme. Hier sind die Verse alternierend voll vierhebig und dreihebig mit klingender Kadenz.
Unter die Stilistik der antithetischen Gestaltung fallen insbesondere die Oxymora. Nicht weniger als fünfzehn Oxymora sind im GedichtzyklusNeuer Frühling verarbeitet, fünf allein in den zwei Strophen des Gedichtes XII: „Liebestränen, schmerzenmild,“.3 „Ach, der Liebe süßes Elend, / Und der Liebe bittre Lust / Schleicht sich wieder, himmlisch quälend, / In die kaum genesne Brust.“ (XII, V. 5f.). Liebe und Liebesleid werden stark gegen-einander und miteinander in Bezug gesetzt. Die völlige Verwirrung von positiven wie negativen Gefühlen und Gedanken aus vorheriger Erfahrung der Sprechinstanz lässt sich ableiten.
In seinen Gedichten finden sich viele Oxymora, schlagen Atmosphäre und Stimmung notorisch um: auf [sic!] Gefühlsseligkeit folgt beißender Spott - und sein Sarkasmus nimmt nicht selten eine versöhnliche oder tragische Wendung. Heines Verse wirken überwiegend durch ihren Kontrast, seine Pointen sind dialektisch gesetzt, er hatte ja auch bei Hegel studiert.4
Da das rhetorische Stilmittel 'Oxymoron' in Heinrich Heines Neuer Frühling eine wichtige Stellung einnimmt, folgt nun eine Übersicht in tabellarischer Form.
Tabelle 1: Überblick der Oxymora im Gedichtzyklus Neuer Frühling von H. Heine. (eigener Entwurf)
[Dies ist eine Leseprobe. Abbildungen und Tabellen werden nicht dargestellt.]
Stilistisch sehr gegensätzlich ist es auch, dass die beiden aufeinanderfolgenden Gedichte XII und XIII durch die Verwendung sehr vieler und keiner Oxymora auffallen. Diese Anti-thetik der Stilistik ist bereits im Prolog zu finden. Es lassen sich zwei unterschiedliche Prolog-Typen feststellen. „In Gemäldegalerien / Siehst Du oft das Bild des Manns, / Der zum Kampfe wollte ziehen, / Wohlbewehrt mit Schild und Lanz.“ (Prolog, V. 1f.) ist dem Typus 'prologus praeter rem' zuzuordnen. Er hat inhaltlich keinen festen Bezug zum folgenden Gedicht und nimmt dem Thema Liebe und Naturdarstellung nichts vorweg. In der zweiten Strophe erfolgt eine Wandlung des Inhalts der ersten Prologstrophe, in der es mehr um den Kampf als um die Liebe geht. „Doch ihn necken Amoretten, / Rauben Lanze ihm und Schwert, / Binden ihn in Blumenketten, / Wie er auch sich mürrisch wehrt.“ (Prolog, V. 5f.). So kann man in der zweiten Strophe vom Typus 'prologus ante rem' sprechen. Auch hier findet man einen starken Gegensatz. Er wird durch die Verwendung von Liebesboten und Naturdarstellung aufgezeigt und gleichzeitig wieder aufgehoben. Denn der Mann, der zum Kampfe ziehen wollte, wurde nun von Blumenketten und Amoretten besiegt (vgl. Prolog, V. 2f.). Er kann sich nicht wehren, denn die Liebe scheint um ein Mehrfaches stärker zu sein. Nachdem in den ersten zwei Strophen die Sprechinstanz den Adressaten direkt mit dem 'Du' anspricht, erscheint in der dritten Strophe das artikulierte Ich. Die Gefühlslage des artikulierten Ich wird mit der Verwendung von Oxymora beschrieben. „So, in holden Hindernissen, / Wind ich mich mit Lust und Leid,“ (Prolog, V. 9f.). Auch der Wechsel von einem Adressaten zu dem artikulierten Ich deutet einen Zwiespalt an. Das artikulierte Ich beschreibt die Parallelität zum Mann auf dem Gemälde, dieser genau wie das 'Ich' auch, von der Liebe gefangen scheint. „Während andre kämpfen müssen / in dem großen Kampf der Zeit.“ (Prolog, V. 11f.). Auch hier wird eine auf die Stilistik angewandte Antithese produziert, indem die eigentliche Stilistik der Anakreontik umgekehrt wird.
Das Motiv des Sichabwendens von ernsten öffentlichen zu weniger wichtigen Privatangelegenheiten ist ein Topos der Anakreontik, hier wird das übliche Muster aber epigrammatisch invertiert, indem das Gedicht nicht mit der Bejahung der Genusssucht, sondern mit einem ernsthaften Hinweis auf Zeitprobleme endet.5
Umgekehrt wird auch die Jahreszeit am Anfang des Gedichtzyklus. Es wird der Übergang von Winter zu Frühling beschrieben. Die Sprechinstanz nutzt hier die direkte Ansprache zum Adressaten. Dennoch ist eine zweite Interpretationsebene möglich, in der das Text-subjekt die Sprechinstanz selbst anspricht.
[...]
[1] Fidel Rädle: „Antithese“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. v. Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt, Klaus Weimar. 3. Bde. 3. Aufl. [=Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte]. Berlin/New York 2007. S. 102-104, hier S. 102.
[2] Thomas Borgstedt: „Petrarkismus“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. v. Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt, Klaus Weimar. 3. Bde. 3. Aufl. [=Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte]. Berlin/New York 2007. S. 59-62, hier S. 59.
[3] Heinrich Heine: „Neuer Frühling“. In: Ders.: Neue Gedichte. Hg. v. Bernd Kortländer. Stuttgart 1996. S. 7-29, hier S. 13, XII V. 2.
[4] Hans Albrecht Hartmann: „... und ich lache mit - und sterbe. Eine lyrische Hommage à Harry Heine“. Augsburg 1998. S. 28.
[5] Stuart Atkins, Oliver Boeck: „Kommentar zu Neuer Frühling“. In: Stuart Atkins, Oliver Boeck (Hg.): Werke II. München 1977. Bd. 2. S. 1108-1116, hier S. 1111.