Informationssysteme im Hotel- und Gastronomiebereich. Aktuelle Entwicklungen und Evaluation von Nutzenpotentialen


Bachelorarbeit, 2015

54 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Motivation

2 Grundlagen zu ICT im Untersuchungsbereich und zum Bewertungsrahmen
2.1 Grundlagen zu ICT im Untersuchungsbereich
2.1.1 Distributionskanäle für Hotelzimmer
2.1.2 Informations- und Kommunikationssysteme im Hotelzimmer
2.1.3 Kundenbeziehungsmanagement
2.2 Grundlegender Bewertungsrahmen für die Potentialanalyse

3 Ergebnisse der Literaturstudie
3.1 Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Informationssysteme für den
Hotel- und Gastronomiebereich
3.1.1 Veränderung der Distributionswege
3.1.2 Informations- und Kommunikationssysteme im Hotelzimmer: RFID, biometrische Verfahren und sonstige Technologien
3.1.3 Einsatz von Big Data Analyseverfahren im Kundenbeziehungsmanagement
3.2 Ergebnisse zur Bewertung der ICT-Potentiale

4 Diskussion der Ergebnisse

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Untersuchungsbereiche

Abbildung 2.2: Gap-Modell mit SERVQUAL Dimensionen Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Zeithaml et al, 1999

Abbildung 3.1: Thematische Verteilung

Abbildung 3.2: Thematische Verteilung nach Veröffentlichungsjahr

Abbildung 3.3: Customer Journey Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Horster 2015, S. 104

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Property Management System

Tabelle 2.2: Beurteilungsdimensionen und Merkmale

Tabelle 3.1: ICT-Strategien

Tabelle 4.3: ICT-Strategien und Beurteilungsdimensionen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung und Motivation

Im traditionellen Verständnis sind das Hotel- und Gastronomiegewerbe nicht notwendigerweise IT-affin (Law, Leung, Au, & Lee, 2012). Da hier die personengebundene Dienstleistung im Vordergrund steht, gab und gibt es z.B. Befürchtungen, diese könne durch eine zu technologieorientierte Ausrichtung geschmälert werden (Singh & Munjal, 2012, S. 175). Auch wenn solche Überlegungen wohl vor allem in der gehobenen Gastronomie vorherrschen, hat die zugrundeliegende Einstellung dazu beigetragen, dass Informationssysteme in der gesamten Branche bisher eher als Hilfsmittel betrachtet wurden und die entsprechenden Investitionen gegenüber anderen Branchen geringer ausfielen (Agel, 2004; Law et al., 2012; Nyheim & Connolly, 2012; Singh & Munjal, 2012).

Ungeachtet dieser Skepsis hat sich aber in den letzten Jahrzehnten ein tiefgreifender Wandel der Arbeitsabläufe ergeben. Die Property-Management-Systeme (PMS), die heute auch in kleineren und mittleren Hotels verwendet werden, sind nicht mehr nur Ersatz für die Arbeit mit Reservierungsbuch und Telefon. Sie haben seit ihrer Einführung vor der Jahrtausendwende stetig an Funktionsumfang zugenommen und bieten heute Funktionen für so gut wie alle relevanten Bereiche des Unternehmens (Goecke, 2015, Nyheim & Connolly, 2012, S. 108). Die so gewonnenen Spielräume zur Effizienzsteigerung und zur Befriedigung von Gästewünschen einerseits sowie die gleichzeitig gestiegenen Anforderungen interessierter Gästekreise andererseits haben die Bedeutung von Informationssystemen (IS) in der Branche bis heute zusätzlich gefördert (Law, Buhalis, & Cobanoglu, 2014, S. 727 f.). IS werden also in der Branche akzeptiert, nachdem die ersten Unternehmen sie erfolgreich eingesetzt haben (Law et al., 2014, S. 11). Das heißt aber, dass der strategische Wert von IS[1] noch nicht überall erkannt und genutzt wird (Nyheim & Connolly, 2012). Aktuell hat z.B. die METRO AG als einer der großen Zulieferer der Gastronomie in Deutschland hier mehr technologische Innovation gefordert und will entsprechende Betriebskonzepte fördern (Basdorf, 2015). Aber welche Innovationen bieten sich hier an?

Ziel dieser Arbeit ist es, aktuelle Entwicklungen im Bereich der Informationssysteme zu identifizieren, die Arbeitsprozesse innerhalb der Hotel- und Gastronomiebranche grundlegend verändern können, und ihre mögliche Bedeutung zu beurteilen.

Dazu sollen zwei Fragen beantwortet werden:

1. Welche wichtigen aktuellen Entwicklungen gibt es im Bereich der ICT im Hotel- und Gastronomiegewerbe?
2. Wie ist die Bedeutung dieser Entwicklungen, z.B. im Hinblick auf Erschließung neuer Geschäftsfelder, -modelle und Dienstleistungen oder die effizientere Gestaltung bestehender Arbeitsabläufe einzuschätzen?

Drei thematische Bereiche sollen im Rahmen der Arbeit betrachtet werden:

- Die Veränderung der Distributionswege für Hotels durch alternative Distributionssysteme wie Online-Reisebüros, Suchmaschinen, sozialen Medien u.ä. (Goecke, 2015, S. 394) unter Berücksichtigung von suchmaschinenbasiertem Marketing (Search Engine Marketing) und nutzergeneriertem Inhalt (User Generated Content) in Bewertungsportalen (Chaves, Gomes, & Pedron, 2012; Law et al., 2014, S. 736; Melián-González, Bulchand-Gidumal, & González López-Valcárcel, 2013; Pantelidis, 2010; Paraskevas, Katsogridakis, Law, & Buhalis, 2011; Verma, Stock, & McCarthy, 2012; Wilson, 2011).

- Die Gestaltung des Kundenbeziehungsmanagements (Customer Relationship Managements) angesichts der sich verändernden Möglichkeiten der Datenspeicherung und Datenanalyse (Berchtenbreiter, 2015; Lau, 2005; Vogt, 2011; Xiang, Schwartz, Gerdes, & Uysal, 2015).

- Der Einsatz innovativer Technologien wie biometrischer Verfahren oder Radio-Frequency Identification (RFID) in Hotelzimmern (In-Room-Technologies) (Gökalp & Eren, 2014; Kim & Bernhard, 2014; Ozturk & Hancer, 2015; Singh & Munjal, 2012; Wendy Zhu & Morosan, 2014).

Daran anschließend soll die Bedeutung dieser Technologien im Hinblick auf ihr Potential für den Einsatz in Hotel- und Gastronomieunternehmen bewertet werden. Dazu sollen im Laufe der Untersuchung Bewertungskriterien gewonnen und für eine Entscheidungsmatrix verwendet werden, um das Potential der gefundenen Technologien zu bestimmen.

Zur Beantwortung der oben genannten Fragestellung soll eine Literaturstudie durchgeführt werden, die die letzten zehn Jahre umfasst.

Folgende Datenbanken sollen dabei genutzt werden (Law et al., 2014, S. 728–729):

- DB: Science Direct, Sage Journals, Emerald Management eJournals, EBSCOhost’s Hospitality and Tourism Complete, AIS electronic Library, WISO Wirtschaftswissenschaften
- Außerdem werden die folgenden wichtigen Zeitschriften nochmals separat durchsucht: Cornell Hospitality Quarterly, Worldwide Hospitality and Tourism Themes, Journal of Hospitality and Tourism Technology.
- Folgenden Suchbegriffe werden als Schlagwortsuche und ggf. Freitextsuche kombiniert: Hospitality, ICT (Informations- und Kommunikationssystem), Hotel, Tourismus
- Um trotz dieser Einschränkungen keine wesentliche Literatur auszulassen, sollen darüber hinaus neben der systematischen Suche mittels Rückwärtssuche die Literaturverzeichnisse der gefundenen Quellen ausgewertet werden. Werden hier Beiträge besonders häufig zitiert oder wird auf ihre herausragende Bedeutung im Text hingewiesen, werden sie ebenfalls mit einbezogen.

2 Grundlagen zu ICT im Untersuchungsbereich und zum Bewertungsrahmen

2.1 Grundlagen zu ICT im Untersuchungsbereich

Im Folgenden werden zunächst die drei untersuchten Bereiche grundlegend betrachtet. Die dargestellte Verwendung von ICT kann dabei im Einzelfall abweichen, da gerade in Europa, wo die Privathotellerie gegenüber der Kettenhotellerie einen großen Marktanteil besitzt, die Ausstattung mit Informationssystemen individuell sehr unterschiedlich sein kann (Maurer, 2015, S. 58). Auf der Darstellung der Untersuchungsbereiche baut die systematische Literaturanalyse im folgenden Kapitel auf. Diese Zuordnung basiert dabei auch auf der Einordnung der Systeme in die traditionellen Abteilungen Rezeption/Frontoffice und Verwaltung/Backoffice sowie Hotelzimmer (Bilgihan, Okumus, Nusair, & Joon‐Wuk Kwun, 2011). Die genannten und weitere Abteilungen und Systeme können durch das PMS verbunden werden, das daher zunächst kurz vorgestellt wird. Es hat sich als zentrales System des Hotelbetriebes durchgesetzt und entspricht dem Enterprise-Ressource-Planing-System in anderen Branchen (Nyheim & Connolly, 2012, S. 108). Es bietet, je nach Funktionsumfang, Möglichkeiten der Anbindung für Daten aus allen anderen wesentlichen Systemen des Hotels. Die Tabelle 1 listet diese zentralen Funktionen, Erweiterungsmöglichkeiten und Schnittstellen an andere Systeme auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1: Property Management System

2.1.1 Distributionskanäle für Hotelzimmer

Hotelbetriebe können ihre Zimmerkontingente grundsätzlich über direkte und indirekte Distributionskanäle vermarkten.

Die für das Hotel günstigste Möglichkeit ist der Direktvertrieb, z.B. über Laufkundschaft, Telefon oder die eigene Webseite mit Buchungsfunktion. Hier entfallen die Kommissionen, die sonst bis zu einem Drittel der Zimmerpreise ausmachen können (Nyheim & Connolly, 2012, S. 137; Toh, Raven, & DeKay, 2011). Da aber nicht alle Zimmer im Direktvertrieb zu vermieten sind, ist der Hotelier in der Regel gezwungen, einen Teil indirekt zu vertreiben. Dabei steht er vor der Entscheidung, durch welche Kanäle er seinen Direktvertrieb ergänzen soll und wie viele Zimmer er dort anbieten will.

Zur Verfügung stehen ihm vielfältige indirekte Distributionskanäle wie Reisebüros, Onlinereisebüros, Internethotelreservierungsdienste und regionale Verbünde (Destinationen) Außerdem werden zentrale Reservierungssysteme von Hotelketten oder die ursprünglich von Fluggesellschaften für Reisebüros entwickelten globalen Reservierungssysteme (Global Destination Systems - GDS) verwendet. (Goecke, 2015, S. 391ff.). Die letzteren müssen z.T. über einen sogenannten Switch konvertiert werden, da sie aufgrund ihrer ursprünglichen Nutzung nicht kompatible Daten verwenden. Alle diese indirekten Dienste sind in der Regel für den Hotelier kostenpflichtig (Maurer, 2015; Nyheim & Connolly, 2012). Für sie ist typisch, dass sie mehrere Hotels gleichzeitig und damit vergleichbar anbieten. Sie werden daher auch als aggregierende computergestützte Distributionssysteme bezeichnet (Goecke, 2015, S. 391).

Bei der Verwaltung dieser Distributionskanäle kann von Hotelketten oder –kooperationen ein zentrales Reservierungssystem (CRS) genutzt werden. Das CRS kann Bestandteil des PMS sein oder ein eigenständiges System. Es kann auch von eigenständigen Anbietern betrieben werden (Goecke, 2015, S. 392). Seine wichtigste Funktion ist es zunächst, die von den angeschlossenen Häusern gemeldeten Vakanzen zu melden und Anfragen entgegenzunehmen. Traditionell ist es für diese Hotels der Zugang zum GDS. Darüber hinaus bieten heutige Systeme die Möglichkeit, die verschiedenen Distributionswege des Hotels zu koordinieren (Multi-Channel-Management).

Privathotels oder Ketten ohne eigenes zentrales Reservierungssystem können entsprechend ein eigenes Multi-Channel-Management-System nutzen (Goecke, 2015, S. 399).

Für beide Möglichkeiten spielt die Datenübertragung eine wichtige Rolle: Diese kann manuell über E-Mail oder periodisch automatisiert geschehen (Goecke, 2015, S. 399). Je kürzer hier die Aktualisierungszeiten sind, umso besser können Preistaktiken wie Yield- oder Revenue Management umgesetzt werden. Da hier differenzierte Preise für Zimmerkontingente mit Hilfe von statistischen Prognoseverfahren bestimmt werden, ist es notwendig, die verfügbaren Zimmer möglichst aktuell zu kennen. (Goecke, 2015, S. 398).

Aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich gehören zum Untersuchungsgegenstand der Literaturanalyse in Kapitel 3.

2.1.2 Informations- und Kommunikationssysteme im Hotelzimmer

In diesen Bereich fallen alle Systeme, die für den Gast im Hotelzimmer zugänglich sind: Schließsysteme, Systeme zur Steuerung von Raumfunktionen (z.B. Licht und Temperatur), Internetzugang, Minibarverwaltungssysteme, TV-Systeme o.Ä. Sie haben neben ihrem Standort gemeinsam, dass sie häufig dem Gast zur Selbstbedienung (Self Service Technologies: SST) zur Verfügung stehen (Beldona & Cobanoglu, 2007; Jung, Kim, & Farrish, 2014; Singh & Munjal, 2012). TV-Systeme für den Hotelbereich (Smart TV) können viele Zusatzfunktionen wie personalisierte Begrüßungsseiten, Umgebungs- und Hotelinformationen, Kontaktmöglichkeiten zur Rezeption oder Pay-TV-Angebote enthalten, durch Anbindung an das PMS können sie, ebenso wie die anderen Hotelzimmersysteme, direkt mit der Zimmerrechnung abgerechnet werden (Goecke, 2015, S. 385).

Aus technischer Sicht kommen, neben den anderen genannten Systemen, häufig Magnet- oder Chipkarten zum Einsatz, die für Schließsysteme und die Steuerung von Raumfunktionen verwendet werden. Sie können auch ein Guthaben verwalten, so dass die Abrechnung über das PMS entfällt (Goecke, 2015, S. 385–386).

Alle diese Systeme sind, ebenso wie die Front Office Funktionen, für den Gast direkt sichtbar und daher für das Dienstleistungserlebnis wichtig.

Neue ergänzende Entwicklungen in diesen Bereichen und Entscheidungshilfen für die Auswahl der Systeme, bilden den Untersuchungsgegenstand der folgenden Kapitel.

2.1.3 Kundenbeziehungsmanagement

Das Wissen um die Gäste des Hauses und die Pflege der Beziehungen zu diesen gehören zu den traditionellen Aufgaben des Hotel- und Gastronomiebetriebes. Ihr Ziel ist es, den Gästen ein personalisiertes Dienstleistungsangebot zu ermöglichen und diese dadurch möglichst zu Stammgästen zu machen.

Mit der Einführung von Systemen zum Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management – CRM) haben sich hier das verfügbare und zu verarbeitende Datenvolumen vergrößert und die Möglichkeiten bei der Unterstützung von kundenorientierten Geschäftsprozessen erweitert. Potentielle Gäste können gezielt für das Hotel interessiert, individuelle Angebote unterbreitet und das Servicemanagement (ggf. Beschwerdemanagement) während des Aufenthaltes und nach der Reise koordiniert werden. Außerdem können Stammgäste gemäß ihrer individuellen Vorlieben behandelt und ihnen gezielt Angebote unterbreitet werden (Berchtenbreiter, 2015; Nyheim & Connolly, 2012, S. 160).

Grundlage für dieses operative CRM ist die Kundendatenbank und ihre Analyse (analytisches CRM). Ohne ein möglichst umfangreiches Wissen über die Gäste ist ein erfolgreiches CRM nicht möglich. Daten können in allen Bereichen mit Kundenkontakt gesammelt werden, im Rahmen der jeweiligen technischen Voraussetzungen und rechtlichen Bestimmungen (Berchtenbreiter, 2015). Für die Analyse stehen in der Regel die Instrumente eines relationalen Datenbankmanagementsystems zur Verfügung (Berchtenbreiter, 2015, S. 553; Nyheim & Connolly, 2012, S.160).

Das CRM-System kann eigenständig und mit dem PMS und anderen Systemen über Schnittstellen verbunden sein, oder einen Bestandteil des PMS bilden.

Insgesamt ergeben sich die in der Abbildung 2.1 dargestellten Untersuchungsbereiche für die Literaturanalyse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Untersuchungsbereiche

Abbildung 2.1: Untersuchungsbereiche

2.2 Grundlegender Bewertungsrahmen für die Potentialanalyse

Auch wenn neue Technologien für die Hotel- und Gastronomiebranche vorhanden sind, stellt sich die Frage wie intensiv ein Beherbergungsbetrieb in sie investieren sollte: Entscheidet man sich gegen Investitionen, können Möglichkeiten oder Notwendigkeiten für die zukünftige Entwicklung verschenkt werden, werden Innovationen ohne vorherige Bewertung eingesetzt, droht die Verschwendung finanzieller Ressourcen (Piccoli, 2008). Eine Beurteilung des Potentials neuer Technologien ist also notwendig und wird als Teil eines strategischen Technologiemanagements in anderen Branchen bereits erfolgreich eingesetzt (Schuh et al., 2014).

Einer der wichtigsten Aspekte der Bewertung ist natürlich der finanzielle Vorteil, der sich durch den Einsatz neuer Technologien realisieren lässt (Nyheim & Connolly, 2012, S. 228; Piccoli, 2008). Dennoch soll dieser hier aus mehreren Gründen nicht berücksichtigt werden: Zum einen greift eine ausschließlich finanzielle Bewertung zu kurz. Ein Hotelunternehmen kann z.B. durchaus zu der Entscheidung kommen, dass ein Check-In-Prozess am Automaten finanzielle Vorteile durch Personalersparnis haben kann. Wenn aber nach der Einführung deutlich wird, dass die Gäste des Hotels einen solchen Automaten nicht nutzen, sondern lieber persönlich empfangen werden wollen, kann dies zu Verlusten führen, welche die erwarteten Einsparungen übertreffen. Zum anderen sind die dazugehörigen Return-on-Investment-Berechnungen aufwändig und mittel- und langfristige Effekte schwer zuzuordnen (Bilgihan et al., 2011; Karadag, Cobanoglu, & Dickinson, 2009). Darüber hinaus ist das Ziel der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Bewertung nicht eine konkrete Kaufentscheidung für einen Betrieb, sondern das mehrdimensionale Abschätzen von Potentialen. Aus diesen Gründen soll hier nur der Hinweis auf mögliche Berechnungsverfahren und die weiterführende Literatur erfolgen (Karadag et al., 2009).

Branchenübergreifende Bewertungsdimensionen

Aus anderen IS-Bereichen können für die Potentialevaluation Bewertungskriterien und kritische Erfolgsfaktoren gewonnen werden. Die Erfolgsfaktoren werden einbezogen, da das Ausmaß, in dem sie benötigt werden, gleichzeitig ein Bewertungskriterium für das Nutzenpotential ist. Untersuchungen zu ERP-Systemen (Ahmadi, Martin, Yeh, & Papageorgiou, 2014), Big Data Technologien (Ebner, Urbach, & Bühnen, 2014; Watson, 2014), Social-Media CRM (Friedrich, Overhage, Schlauderer, & Eggs, 2015; Küpper, Lehmkuhl, Wienecke, & Jung, 2015), Wissensmanagementsystemen (Mas-Macuca & Martinez Costa, 2012) und Self Service Technologien (SST) (Pezoldt & Schliewe, 2012) verwenden sowohl systemtypische als auch systemübergreifende Bewertungskriterien. Häufig genannte systemübergreifende Bewertungskriterien in diesen Untersuchungen sind das Vorhandensein geeigneter technischer Infrastruktur, Fähigkeiten des Personals, Unterstützung durch das Top-Management und Übereinstimmung von IT- und Geschäftsstrategie.

Systemübergreifende Merkmale bilden den nicht kurzfristig änderbaren Kontext, innerhalb dessen der Wert eines ICT für das Unternehmen bewertet wird. Sie bilden im Bewertungsrahmen für die Potentialanalyse die Dimension Kontextbedingungen mit den Merkmalen technische Infrastruktur und Absorptionsfähigkeit. Statt des Merkmals Fähigkeiten der Mitarbeiter wird das Merkmal Absorptionskapazität verwendet, da dieses auch erfasst, ob die Mitarbeiter erkennbar motiviert sind, sich mit Neuerungen auseinanderzusetzen und diese in betriebliche Abläufe zu integrieren (Ebner et al., 2014). Die Absorptionsfähigkeit kann im Zweifelsfall fehlende technische Kompetenzen schneller ausgleichen als umgekehrt. Die Unterstützung durch das Topmanagement bildet eine weitere Bewertungsdimension. Ihre Bedeutung ist vor allem für Hotels oder Ketten mit eigener IT-Abteilung hoch. Unterstützung durch das Management kann z.B. dazu führen, dass längerfristig andere Bewertungsdimensionen verändert werden können, aber auch dazu, dass die Einführung nur halbherzig unterstützt wird und letztlich scheitert

Dienstleistungsspezifische Bewertungsdimensionen

Die genannten systemübergreifenden Kriterien sollen durch geeignete branchenspezifische ergänzt werden. Da Dienstleistungen sich durch die Immaterialität und Integrativität (Mitwirkung des Kunden) des Produktes von anderen Gütern unterscheiden (Fliess, 2009, S. 9), kommt der Bestimmung der Dienstleistungsqualität hier eine besondere Bedeutung zu. Dahinter steht die Annahme, dass sich ein positiver Einfluss auf die Dienstleistungsqualität nachhaltig auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auswirkt und damit als Maß für das Potential eines ICT dienen kann (Gökalp & Eren, 2014). Für die Beschreibung von Dienstleistungsqualität ist das SERVQUAL-Modell von Zeithaml et al. mit den Dimensionen Annehmlichkeit des tangiblen Umfelds, Zuverlässigkeit, Reaktionsfähigkeit auf Kundenwünsche, Leistungskompetenz und Einfühlungsvermögen ein etablierter Standard (Mauri, Minazzi, & Muccio, 2013; Zeithaml, Berry, & Parasuraman, 1999). Um diese Dimensionen der Dienstleistungsqualität zu verbessern, müssen nach Ansicht von Zeithaml et al. fünf typische Fehler vermieden werden. Die folgende Zusammenfassung des Gap-Modells bezieht sich auf die beiden oben genannten Quellen.

- Gap 1: Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Kunden und deren Wahrnehmung durch das Management.
- Gap 2: Diskrepanz zwischen Kundenerwartungen und deren Spezifikation.
- Gap 3: Diskrepanz zwischen der Spezifikation der Dienstleistungsqualität und der tatsächlichen Dienstleistung.
- Gap 4: Diskrepanz zwischen erbrachter Dienstleistung und der Kommunikation mit dem Kunden darüber.

Die Fehlerquellen (Gaps) eins bis vier bedingen die Entstehung des entscheidenden Gap fünf (Diskrepanz von erwarteter und wahrgenommener Leistung), wobei die Kundenerwartungen von bisherigen Erfahrungen, individuellen Bedürfnissen und Mundpropaganda abhängen, wie in der Abbildung 2.2 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Gap-Modell mit SERVQUAL Dimensionen Quelle: eigene Darstellung
in Anlehnung an Zeithaml et al, 1999

Jedes neue ICT- System kann dazu beitragen, die Fehlerquellen eins bis vier zu verringern. Dieser mögliche Beitrag soll als Merkmal einer Dimension Verbesserung der Dienstleistungsqualität in den Bewertungsrahmen aufgenommen werden.

Gerade da sich die Dienstleistungsqualität erst in der Interaktivität mit dem Kunden ergibt, ist es wichtig, die eigene Zielgruppe zu kennen. Im Hotelbereich kann man grundsätzlich zwischen Geschäftsreisenden und Urlaubsreisenden unterscheiden. Innerhalb dieser Gruppen gibt es Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsstand, für die eine unterschiedliche Neigung zur Nutzung von ICT festgestellt wurde (Aluri & Palakurthi, 2011; Verma et al., 2012). Entsprechend soll eine Bewertungsdimension Einfluss der Zielgruppe auf ICT-Potential mit den Merkmalen Gästegruppe und individuelle persönliche Merkmale aufgenommen werden. Das Merkmal Gästegruppe umfasst dabei den Einfluss, den die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe wie Geschäftsreisende oder Urlaubsreisende auf das Nutzungspotential eines ICT hat. Die persönlichen Merkmale sind abhängig von den persönlichen Werten und Einstellungen des Gastes und können mit den genannten demographischen Angaben korrelieren. Hierher gehören z.B. die individuellen Bedürfnisse, die eine bestimmte SERVQUAL-Dimension für einen Gast besonders wichtigmachen oder die Einstellung zur ICT-Nutzung. Diese beiden Einstellungen können sich natürlich gegenseitig beeinflussen.

Eine weitere Besonderheit für den Beitrag eines ICT zur Dienstleistungsqualität ist, dass sie in verschiedene Anforderungsniveaus differenziert werden kann. Kano unterscheidet dazu in seinem weit verbreiteten Modell Basismerkmale, die keinen Beitrag zur Kundenzufriedenheit leisten und nur auffallen, wenn sie nicht erfüllt werden, Leistungsmerkmale, bei denen die Kundenzufriedenheit linear zunimmt und Begeisterungsmerkmale, bei deren Erfüllung die Kundenzufriedenheit überproportional steigt (Kano, 1984; Shahin, Pourhamidi, Antony, & Hyun Park, 2013). Die in der zweiten Untersuchungsfrage genannten Funktionen von neuen ICTs (Entwicklung neuer Dienstleistungen und effizientere Gestaltung bestehender Arbeitsabläufe) lassen sich diesen Anforderungen zuordnen. So ergibt sich die Dimension Wirkung des ICT auf Kundenzufriedenheit. Insgesamt folgt daraus der grundlegende Bewertungsrahmen in Tabelle 2.2, bei dem die branchenspezifischen Dimensionen durch branchenübergreifende ergänzt werden. Diese bilden vor allem den äußeren Rahmen ab, innerhalb dessen ein ICT erfolgreich eingesetzt werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.2: Beurteilungsdimensionen und Merkmale

3 Ergebnisse der Literaturstudie

Es wurden 132 Literaturquellen in einem ersten Suchschritt gefunden.

Diese wurden in einem anschließenden Lesedurchgang auf Relevanz untersucht. Nach dieser Analyse verblieben 117 Quellen, die sich thematisch auf die im folgenden Diagramm dargestellten Bereiche verteilen. Die erste Zahl gibt dabei an, wie oft ein Thema in den Quellen diskutiert wurde, dabei sind natürlich Mehrfachnennungen möglich, da viele Quellen sich mit mehr als einer Technologie auseinandersetzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1: Thematische Verteilung

Im Themenbereich RFID sind noch vier Beiträge enthalten, die sich mit dem Einsatz von RFID außerhalb des Hotelzimmers befassen. Im Bereich Distributionskanäle sind zwei Quellen mitgezählt, die sich mit benutzergeneriertem Inhalt im Restaurantbereich auseinandersetzen. Auch wenn diese Quellen für diese Arbeit nicht weiter berücksichtigt werden, werden die ausgewählten Untersuchungsbereiche in den Quellen am häufigsten diskutiert: Distributionskanäle (75 Nennungen), Zimmertechnologien (32) und Kundenbeziehungsmanagement im Kontext von Big Data (14).

Innerhalb des Themenbereiches Distributionskanäle finden sich Untergruppen wie benutzergenerierter Inhalt (37 Nennungen), Gestaltung von Hotelwebseiten (15 Nennungen) und Suchmaschinenmarketing (8 Nennungen).

Im Bereich sonstige ICT sind Beiträge erfasst, die sich z.B. mit Systemen zur Warenverwaltung in der Küche, Restaurantmanagementsystemen, Systemen zum Supply-Chain-Management oder Einkaufsplattformen befassen. Am häufigsten werden hier Systeme zum Wissensmanagement im Hotel und Restaurant diskutiert (4 Nennungen).

Betrachtet man die Verteilungen der Themenbereiche in Beziehung zum Veröffentlichungsjahr in Diagramm 2, so fällt auf, dass die Bereiche Distribution und Zimmertechnologie in den letzten fünf Jahren intensiver diskutiert wurden, während sich die Beiträge zum Kundenbeziehungsmanagement nicht auffällig verändert haben.

Diagramm 2: Thematische Verteilung nach Veröffentlichungsjahr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.2: Thematische Verteilung nach Veröffentlichungsjahr

[...]


[1] Im Folgenden wird statt IS ICT (Information und Communication Technologies) verwendet, um auch Hotelzimmertechnologien vollständiger mit einzubeziehen.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Informationssysteme im Hotel- und Gastronomiebereich. Aktuelle Entwicklungen und Evaluation von Nutzenpotentialen
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
54
Katalognummer
V318069
ISBN (eBook)
9783668171688
ISBN (Buch)
9783668171695
Dateigröße
796 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Informationssysteme, Hotel, Gastronomie
Arbeit zitieren
Heiko Hemjeoltmanns (Autor:in), 2015, Informationssysteme im Hotel- und Gastronomiebereich. Aktuelle Entwicklungen und Evaluation von Nutzenpotentialen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318069

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