Was unsere Väter in der Erhebung der Befreiungskämpfe vergeblich ersehnt haben, wofür die deutsche Jugend in edler Begeisterung geschwärmt, was die Sänger jener Tage in immer neuen Weisen umsonst gesungen, was die Lieder und Sagen unseres Volkes nur als einen fernen Traum verkündet haben: wir sehen es heute zur Wirklichkeit geworden, – schrieb der Berliner Hofbuchhändler, Hofdrucker und Augenzeuge der Kaiserproklamation des Hohenzollernkönigs Wilhelm I., Theodor Toeche-Mittler, rückblickend über jenes epochale Versailler Ereignis vom 18. Januar 1871, an welchem er das Deutsche Reich wieder auferstanden wähnte in alter Herrlichkeit, ja in einer Macht und Größe, die es vielleicht nie zuvor besessen hatte, diesem auch seinen Kaiser wiedergegeben sah und sich darüber freute, als solchen einen König [zu] begrüßen, durch dessen Taten er die ruhmvollen Zeiten der deutschen Vergangenheit erneut, ja übertroffen glaubte.1 Doch was verbanden die Zeitgenossen der kleindeutschen Nationalstaatsgründung von 1871 eigentlich mit solch geschichtsträchtigen Begriffen wie „Kaiser“ und „Reich“? Wurden beide etwa noch im Sinne einer Wiederauflage des 1806 verblichenen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation interpretiert? Oder fungierten sie in den Augen vieler bereits damals lediglich als historisch unterfütterte Legitimationsspender eines gänzlich neuen Staatswesens? Und schließlich: In welcher Weise versuchten die politischen Weichenstellungen der Entscheidungsträger von 1870/71, den dominierenden Reichsvorstellungen und Kaisergedanken jener Zeit Rechnung zu tragen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Alte Reichstradition und liberaler Nationalismus bis 1866
- Reichsvorstellungen in Preußen-Deutschland 1866-71
- Universalstaatliche Föderalisten
- Konservative Partikularisten
- Liberalnationale Unitarier
- Kaiserideen in Preußen-Deutschland 1866-71
- Föderalistischer Kaisergedanke
- Preußisch-konservative Kaiseridee
- Nationalstaatliches Kaisertum
- Die Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1870/71
- Bismarck und die Kaiserfrage
- Die Haltung der deutschen Fürsten
- Kaiser und Kronprinz
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht die Reichsvorstellungen und Kaiserideen in der Zeit der Reichsgründung (1866-1871) und beleuchtet deren Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Zeit. Dabei werden die wichtigsten Reichskonzeptionen und Kaisergedanken analysiert, um zu verstehen, wie sich diese Vorstellungen in der deutschen Gesellschaft verbreiteten und wie sie die politische Landschaft prägten.
- Die Transformation des traditionellen Reichsideals unter dem Einfluss des liberalen Nationalismus.
- Die verschiedenen Reichskonzeptionen in Preußen-Deutschland: Universalstaatliche Föderalisten, konservative Partikularisten und liberalnationale Unitarier.
- Die unterschiedlichen Kaiserideen, die mit den jeweiligen Reichsvorstellungen verbunden waren.
- Der Einfluss von Reichsvorstellungen und Kaisergedanken auf Bismarcks deutschlandpolitische Entscheidungen.
- Die Rolle der deutschen Fürstenhäuser, insbesondere der preußischen Hohenzollernfamilie, bei der Reichsgründung.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor und skizziert die wichtigsten Forschungsfragen. Zudem wird die Methodik der Arbeit erläutert und die wichtigsten Quellen genannt.
- Alte Reichstradition und liberaler Nationalismus bis 1866: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung des traditionellen Reichsideals im 17. und 18. Jahrhundert und seine Transformation unter dem Einfluss des liberalen Nationalismus. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem Einfluss von Johann Joseph von Görres und der Ideen des Vormärz gelegt.
- Reichsvorstellungen in Preußen-Deutschland 1866-71: Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen Reichsvorstellungen, die in der Zeit der Reichsgründung in Preußen-Deutschland vertreten wurden. Dabei werden die universalstaatlichen Föderalisten, die konservativen Partikularisten und die liberalnationalen Unitarier vorgestellt und deren unterschiedliche Konzeptionen beleuchtet.
- Kaiserideen in Preußen-Deutschland 1866-71: Dieses Kapitel widmet sich den verschiedenen Kaiserideen, die in der Zeit der Reichsgründung auftauchten. Dabei werden der föderalistische Kaisergedanke, die preußisch-konservative Kaiseridee und das nationalstaatliche Kaisertum vorgestellt und deren jeweilige Begründungen diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit behandelt wichtige Schlüsselwörter und zentrale Konzepte wie Reichsideal, Nationalismus, Liberalismus, Föderalismus, Kaisertum, Preußen, Bismarck und Reichsgründung. Zudem werden historische Persönlichkeiten wie Johann Joseph von Görres, Ernst von Lasaulx, Johann Gustav Droysen und Friedrich Wilhelm IV. in Bezug auf ihre Reichsvorstellungen und Kaiserideen analysiert.
- Quote paper
- Arndt Schreiber (Author), 2004, Reichsvorstellungen und Kaiserideen in der Reichsgründungszeit 1866-1871, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31869