Differenzielles Lernen im Sport. Ein Trainingskonzept zur Verbesserung der Passtechnik im Fußball?


Masterarbeit, 2016

77 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Problemabgrenzung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle
2.1.1 Das systemdynamische Modell
2.1.2 Weitere Modelle der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle
2.2. Modelle des Bewegungslernens
2.2.1. Der systemdynamische Lernansatz
2.2.2. Weitere Modelle des motorischen Lernens.
2.3. Formen des Lehren und Lernens
2.3.1. Traditionelle Formen
2.3.2. Differenzielles Lernen
2.4. Empirische Ergebnisse zum differenziellen Lernen
2.4.1. Forschungsergebnisse aus dem Leistungs- und Breitensport
2.4.2. Differenzielles Lernen im Sportunterricht
2.5. Kritik

3. Praktische Untersuchung
3.1. Untersuchungsmethodik
3.2. Testanalyse
3.2.1. Ergebnisse
3.2.2. Auswertung

4. Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anlage 1: Originale Testwerte des Pre-, Post- und Retention-Tests

1. Einleitung und Problemabgrenzung

Mehr als jeder vierte Deutsche ist während seiner individuellen Freizeit in einer gemeinnützigen Organisation aktiv (Braun, 2011). In keinem anderen Bereich sind mehr Menschen ehrenamtlich und freiwillig engagiert als im Sport. Somit ist dieser Sektor der wichtigste und bedeutendste Träger bürgerlichen Engagements (Breuer, 2007). Der Mittelwert bezüglich des Alters dieser Ehrenamtlichen liegt je nach Funktion zwischen 35 und 53,7 Jahren (Breuer & Feiler 2015).

Allein im Fußballsport sind über eine Million Bürger[1] ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzende, Physiotherapeuten oder Übungsleiter tätig. Sowohl der Deutsche Fußball Bund (DFB) im Allgemeinen als auch seine Landesverbände im Speziellen haben sich verpflichtet, das Ehrenamt aktiv und stetig zu fördern (DFB, 2014; Berliner Fußball Verband, 2014).

Anzunehmen ist, ohne das verlässliche Zahlen diesbezüglich vorliegen, dass ein stark überwiegender Teil der Übungsleiter in ihrer wöchentlichen Tätigkeit im Trainings- und Spielbetrieb die ihnen aus ihrer aktiven Zeit bekannten und als wirksam angesehenen Trainingsmethoden anwendet, um individuelle Verbesserungen ihrer Spieler zu erzielen.

Haben sich in der Historie auf der einen Seite vereinzelte Aspekte des Fußballs, wie zum Beispiel die Spielsysteme, stets verändert und angepasst (Peter, 2007), so unterziehen sich auf der anderen Seite die traditionellen Trainingsansätze bzw. Trainingsprinzipien zunehmend einem umfangreichen, wissenschaftlichen Diskurs (Schöllhorn, 2009; Sechelmann & Schöllhorn, 2003; Schöllhorn, W., Beckmann, H., Janssen, D. & Michelbrink, M., 2009). Dieser Kritik werden auch die Standardwerke der Trainingslehre unterzogen (Verchoschanskij, 1998). Bezogen auf den Fußballsport sehen Bisanz und Vieth (2000) das Festhalten an diesen vermeintlich patriarchalischen Lehren einen Grund für die technische Unterlegenheit deutscher Sportler in diesem Bereich.

Abweichend von der traditionellen Trainingslehre rückt das „Differenzielle Lehren und Lernen im Sport“ (Schöllhorn et al., 2009, S.36) von Schöllhorn (1999) als alternativer Lernansatz in den Fokus. Im Rahmen einer Primäranalyse dies zu thematisieren, durch eine Sekundäranalyse den theoretischen Rahmen vorzustellen sowie bisherige Forschungsergebnisse zu präsentieren, die diesen Ansatz gegebenenfalls verifizieren oder entkräften, sind die Ziele dieser Arbeit.

Basierend auf dem ersten Werk Schöllhorns (1999), welcher erstmals das differenzielle Lernen und Lehren als theoretische Konsequenz erwähnt, diese auf seine empirische Forschung stützt und in der Praxis unabdingbar sieht, erfolgt zu Beginn und dieser Einführung anschließend eine Darstellung der theoretischen Grundlagen. Zu dieser Publikation findet weitere vielfältigste Literatur Verwendung, um einen empirischen Diskurs zu ermöglichen.

Zu den Modellen der Bewegungssteuerung und des Bewegungslernens werden unterschiedliche Formen des Lehren und Lernens aufgezeigt, welche im aktiven Sport in Vereinen und Freizeitgruppen Anwendung finden. Im Zuge der Vorstellung des differenziellen Lernens (DL) werden bisherige Forschungsergebnisse aufgezeigt, die abseits des Fußballs auch in anderen Sportarten Erkenntnisse brachten.

Zuseiten dieser zu erörternden Themen sollen weitere Fragestellungen behandelt werden, um einen Einblick in dieses alternative sportliche Lernkonzept zu erhalten:

- Inwiefern lässt sich das Konzept des differenziellen Lernens im Sportunterricht anwenden?
- In welchem Umfang wird dieser Lernansatz wissenschaftlich kritisiert?
- Lassen bisherige und die erfolgte Feldforschung Verallgemeinerungen auf die Wirksamkeit des Trainingsansatzes zu?

Der bisherigen Empirie anknüpfend folgt ein weiterer zentraler Teil dieser Arbeit. Untersuchungsgegenstand ist die Verbesserung der Passspieltechnik im Fußball. Hierzu wird in einem mehrwöchigen Feldversuch eine Gruppe von 16 Probanden differenziert nach traditionellen Lern- und Lehrformen und den Charakteristika des differenziellen Lernens trainiert. Mit Hilfe eines Post- und Pretest werden die Ergebnisse vor und nach diesem Trainingszyklus verglichen und erläutert. Diese Erläuterung der Untersuchungsmethodik und Auswertung der Ergebnisse stellen neben dem Aufzeigen des empirischen Diskurses einen Kern dieser Arbeit dar.

Abschließend folgen eine Zusammenfassung der Arbeit und eine Auswertung der Hypothesen, welche wie folgt lauten:

Hypothesen:

These 1:

Das differenzielle Lernen stellt als Trainingsansatz eine effektive Alternative zu den bisherigen klassischen Trainingsmethoden im Techniktraining dar, da es innerhalb eines festgelegten Zeitraums bei den Probanden zu einer substantiellen Verbesserung der Passtechnik führt.

These 2:

Probanden, welche differenziell trainiert werden, erlangen im Untersuchungszeitraum einen höheren Leistungsanstieg als die Probanden, welche mittels klassischer Trainingsmethoden trainieren.

Bezieht sich die erste These noch auf die zentrale Forschungsfrage, geht These 2 tiefer in ein einzelnes Detail und behandelt Aspekte, die mit dem Arbeitsthema in Verbindung gebracht werden müssen.

Die Relevanz dieser Forschungsfrage ergibt sich aus der Tatsache, dass im wissenschaftlichen Diskurs alternative und somit qualitativ hochwertige Trainingsmethoden gesucht und gefragt sind, die immer mehr die Individualität eines Sportlers berücksichtigen sollen (Emrich & Pitsch, 1998; Schöllhorn, 1999). Diese Arbeit kann, mit Berücksichtigung ihres Umfangs an sich und dem der Probandengruppe einen Beitrag dazu leisten und bestehende Studienergebnisse partiell erweitern.

2. Theoretische Grundlagen

Die theoretischen Grundlagen bestehen im Vornherein aus der Darstellung der wichtigsten Auszüge bezüglich der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle sowie des Bewegungslernens, um das Prinzip des DL zu verstehen. Birklbauer (2006) betont, dass beide Teilbereiche unabdingbar miteinander verknüpft behandelt werden müssen, da sie sich gegenseitig bedingen.

Hierbei wird der Fokus jeweils auf die systemdynamischen Modelle und Theorien gelegt, da sich das DL aus den entsprechenden Annahmen ableitet.

Größtenteils findet hier das Werk Birklbauers (ebd.) aufgrund der thematischen Dichte und des detailliert-strukturierten Inhalts Anwendung und wird durch unterschiedliche Publikationen ergänzt.

Alternierend werden die darauf aufbauenden traditionellen Lehr-Lernformen betrachtet. Diesen Erläuterungen folgend wird im Detail auf den wissenschaftlichen Hauptgegenstand der Arbeit, das DL, eingegangen und die Wirksamkeit auf Basis von Studien aufgezeigt, die sich auch auf den Einsatz im Sportunterricht beziehen. Des Weiteren werden Vorteile bei der Anwendung im Schulsport, aber auch Kritik am Modell des DL aufgezeigt.

2.1 Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle

Neben dem systemdynamischen Modell, welches beginnend erläutert wird, behandelt dieser Abschnitt die weiteren wichtigsten theoretischen Modelle der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle vor, die zusammenfassend in ihren Grundzügen angesprochen werden.

2.1.1 Das systemdynamische Modell

Das systemdynamische Modell wird auch als ökologische Theorie oder Aktionstheorie benannt und beschreibt „einen integrativen Ansatz, der menschliche Bewegungsrealisationen ganzheitlich als aktive, zielgerichtete Auseinandersetzung mit den unmittelbaren Umweltanforderungen und den zahlreichen, auf das Individuum einwirkenden emotionalen, individuellen sowie sozialen Faktoren betrachtet“ (Birklbauer, 2006, S. 116).

Loosch (1999, S. 98) sieht in der menschlichen Bewegung ein komplexes zu untersuchendes System, „welches sich weitab von Gleichgewichtszuständen bewegt“. Für die Steuerung und Kontrolle einer Bewegung in solch einem System wird nach dem systemdynamischen Modell angenommen, dass sie durch die vom entsprechenden Körperelement und der Umwelt eingegangene Wechselbeziehung entstehen. Im Vergleich zum Informationsverarbeitungsansatz liegt hierbei ein selbstorganisiertes System mit heterarchischer Struktur vor, in welchem Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten nicht in einem Über- oder Unterordnungsverhältnis, sondern gleichberechtigt wirken (Birklbauer, 2006.). Es liegt das Prinzip der Generalität vor, welches „Phänomene aus ganz unterschiedlichen Bereichen

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Abb. 1: Übersichtsschema der Mutterwissenschaften (-disziplinen) systemdynamischer Motorikmodelle (Quelle: Birklbauer, 2006, S. 122)

beschreiben und erklären zu können“ (ebd., S. 117).

Vielerlei Forschungsansätze in der Systemdynamik versuchen grundsätzlich summierend Selbstorganisationsprozesse bei einer menschlichen Bewegung als komplexes System zu beobachten und zu erklären. Doch diese lassen sich perspektivisch und inhaltlich oftmals kaum und wenn dann in Bezug auf ihre Methodik trennen (ebd.).

Eine Zuordnung zu den „Mutterwissenschaften“ (ebd., S. 119) zeigt Abbildung 1. Die Popularität hinsichtlich der Berücksichtigung des systemdynamischen Ansatzes in der sportmotorischen Forschung hat seinen Ursprung in den wissenschaftlichen Arbeiten zur Selbstorganisation und Selbststabilisierung zyklischer Bewegungen aus den 1980er Jahren, in denen die ständigen Abweichungen und die allgemeine Variabilität einer Bewegungsausführung als essentielle Voraussetzung für ein anpassungs- und lernfähiges System angesehen werden. Diese Relevanz verstärkte sich mit dem Beginn der 1990er Jahre (Schöllhorn, 1999; 2004). Begrifflich jedoch findet sich der Ausdruck „system dynamics“ (Schöllhorn, Eekhoff & Hegen, 2015, S. 127) als Weiterentwicklung der Kybernetik und Systemtheorie nach Bertalanffy (1969) bereits in den 1950er Jahren wieder. Diese beziehen sich bei weitem auf die allgemeine Systemdynamik (Schöllhorn et al., 2015).

Neben dem von Birklbauer (2006) genannten bewegungsphysiologischen Ansatz Bernsteins (1975), der das Problem der Freiheitsgrade auffasst, dem „Ecological Approach“ (Birklbauer, 2006, S. 164) und der Chaostheorie, steht exemplarisch für die Systemdynamik in der Bewegungswissenschaft im deutschsprachigen Raum das Experiment von Haken, Kelso und Bunz (1985) sowie weiterführend Schöner und Kelso (1988) für das Beispiel zyklischer Bewegungen im Vordergrund. Es wird in den Bereich der Synergetik eingruppiert, welche die „umfassendste Theorie der Selbstorganisation“ (Birklbauer, 2006, S. 237) darstellt. In diesem Forschungsbeitrag wurde eine rhythmische Fingerbewegung sukzessive beschleunigt, wobei ab einer bestimmten Frequenz ein Wechsel des Bewegungsmusters eintrat (Schöllhorn, 1999). Bei welcher Höhe der Frequenz ein Wechsel des Bewegungsmusters eintritt, ist von Person zu Person unterschiedlich. Darüber hinaus ist erst durch eine Verringerung der Frequenz eine Rückkehr in das erste Bewegungsmuster möglich (ebd.).

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Abb. 2: Fingerbewegungen (oben) gemittelte relative Phase (Mitte) und exakt bestimmte relative Phase der Fingerbewegungen (unten). (Quelle: Schöllhorn, 1999, S.7 zit. nach Haken, Kelso & Bunz, 1985)

Betrachtet man anhand der Abbildung 2 die aus-geführten Fingerbewegungen detaillierter, sind Abweichungen bei der Bewegungsausführung sicht-bar (ebd.). Deutlich wird anhand der Erkenntnisse, dass Zustände durch die unterschiedlichen Umfänge der Schwankungen hierarchisch geordnet sind und der ablaufende Prozess zudem eine Irreversibilität aufweist (Schöllhorn et al., 2015). Diese auch als „Intermittenzen“ (Schöllhorn, 2004, S. 128) oder in den Studien der Bewegungswissenschaft als „Rauschen“ (Schöllhorn, 2010, S. 13) bezeichneten, von der Ideal-Bewegung zu beobachtenden Differenzen, nehmen zu und konstruieren einen Bereich der Instabilität, sofern ein System von einem stabilen Zustand in einen anderen übergeht. Diesem Teil eines zeitlichen Systemverlaufs schließt sich ein weiterer an, in dem Schwankungen existieren, die wenn überhaupt nur minderer Kontrolle bedürfen. Beim Auftreten dieser Abweichungen in einem biologischen System „können diese „Fehler“ als eine Notwendigkeit für natürliche Adaptionsprozesse angesehen werden“ (Schöllhorn, 1999, S. 7 nach Ashby, 1956). Hierbei wird die eindeutige Abgrenzung zum statischen Systemansatz deutlich, da der systemdynamische Ansatz nicht allein die Zustände an sich, die sich in einem System mit Gleichgewicht anfinden, sondern unter zeitlichen Gesichtspunkten die Reorganisation des Systems und die Übergangsphase dieser untersucht (Schöllhorn, 1999; Birklbauer, 2006).

Wiederum Schöllhorn (1999) leitet aus diesen Erkenntnissen für das Techniktraining ab, dass zum einen unterhalb der kritischen Bewegungsgeschwindigkeit trainiert werden muss, wenn das Erlernen einer grundlegend neuen Bewegung angestrebt wird. Soll zum anderen eine neue stabile Bewegungstechnik erlernt werden, muss hierzu die Instabilität der alten Bewegung ausgelöst werden, in dem die Schwankungen unmittelbar hochgradig erhöht. Ein Trainingsprozess unter systemdynamischen Prinzipien bedeutet demnach ein „randomisiertes Trainieren neuronaler Netze“ […] d.h. „ein konfrontieren mit verrauschten Signalen“ (Schöllhorn, 2010, S. 8f).

Sind diese vorhergehenden Erläuterungen auf zyklische Bewegungen zu beziehen, so betont Schöllhorn (1994; 1999), dass durch Forschungen, „von dem speziellen Beschreibungsparameter der relativen Phase für zyklische Bewegungen auf den allgemeineren Parameter der Verlaufsähnlichkeit für ballistische Bewegungen übergegangen“ (Schöllhorn, 1999, S. 7f)

werden kann. Mit Hilfe dieses Parameters lassen sich komplexe Bewegungsabläufe in unterschiedlichen Bewegungsklassen näher betrachten und können in ihrer quantitativ erfasst werden. Diesbezüglich durchgeführte Forschungen in mehreren Disziplinen der Leichtathletik ergaben, dass immerwährende Variationen in der Bewegungsausführung, auch bei sehr erfahrenen und leistungsorientierten Athleten vorkommen (ebd.). Auf trainingsbezogene Konsequenzen wird im Abschnitt zum DL näher eingegangen.

2.1.2 Weitere Modelle der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle

Neben dem systemdynamischen Modell der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle ist das Prinzip des informationstheoretischen Ansatzes bekannt und im wissenschaftlichen Diskurs stark verbreitet.

Nach Wastl (o.J.a) ist es für diesen Ansatz der Bewegungssteuerung nötig, zunächst die Wahrnehmung von Informationen zu erklären, die auf den optischen, akustischen, vestibulären, kinästhetischen und bzw. oder taktilen Sinnessystemen beruht. Die Sinneseindrücke können sich zudem in ihrer Komplexität unterscheiden.

Die sensorische Anpassung des Individuums erfolgt auf unterschiedlichen Grundvorgängen. Wastl (ebd., S.1) führt diese wie folgt aus:

- „Veränderung der absoluten Wahrnehmungsschwellen in den verschiedenen Sinnessystemen
- Verbesserung der Reizdifferenzierung
- Umschaltprozesse vom „äußeren“ auf den „inneren“ Regelkreis
- Veränderungen komplexer Wahrnehmungsmodalitäten, des komplexen Bewegungsgefühls“

Die Bewegungskontrolle unterstützend können Servomechanismen wirken „die das Erreichen des mit dem motorischen Programm angestrebten Bewegungsresultats sicherstellen (Birklbauer, 2006, S. 35). Diese sind bspw. die Feedforwardkontrolle und die Efferenzkopie (Birklbauer, 2006).

Im Informationsverarbeitungsansatz wird in kybernetisch orientierte Modelle, d.h. der „closed-loop“-Steuerung (ebd., S. 40) von Bewegungen und in programmorientierte Modelle, der „open-loop“-Theorie (ebd., S. 45) differenziert (Birklbauer, 2006; Wastl, o.J.a). Das Closed-loop-Modell folgt dem peripheralistischen Ansatz, welcher dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kontrolle des Systems durch Feedback-Mechanismen gesichert ist (Wastl, o.J.a). Die Fehlererkennung erfolgt durch den Vergleich der gemessenen sensorischen Information im Moment des Bewegungsablaufs mit dem gespeicherten Sollwert (Bund, 2002). Sollte bei der immerwährenden Kontrolle des Bewegungsablaufes ein Missverhältnis zwischen dem Soll- und Ist-Wert vorliegen, so wird der Bewegungsablauf in Kongruenz gebracht (Wastl, o.J.a).

Die Open-loop-Theorie unterliegt dagegen dem zentralistischen Ansatz, bei dem motorische Programme „ein zentralnerval gespeichertes Endgramm (Erinnerungsbild)“ (ebd., S. 2) darstellen, die ein feedbackloses Steuern der Bewegung garantieren.

Weiterführend bildet sich aus dem Open-Loop-Modell die motorische Programmtheorie, welche Erklärungsansätze für die Steuerung und Kontrolle komplexer Bewegungen bietet (Birklbauer, 2006). „Die Auswirkung der Bewegung auf die Umwelt bleibt unberücksichtigt“ (ebd., S. 45). Es wird hierbei ermöglicht, unveränderliche Anweisungen zur Bewegung jederzeit an die entsprechende Handlungsebene zu senden. „Die theoretische Annahme impliziert, dass beobachtbares Verhalten in Form eines prozeduralen Kodes wie in einem Computerprogramm abgelegt und jederzeit abrufbar ist“ (ebd., S. 46). Motorische Programme werden vor allem bei der Ausführung kurzer und schneller Bewegungen beansprucht (Loosch, 1999). In Abbildung 3 werden beide Ansätze vergleichend

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Das Open- und Closed-loop-Modell als Möglichkeiten der Informationsverarbeitung (Quelle: Wastl, o.J.a, S. 1, in Anlehnung an Oliver & Rockmann, 2003, S. 124)

dargestellt.

Heuer und Konczak (2003) nennen in Zusammenhang mit der Bewegungssteuerung das Problem der motorischen Transformationsinvertierung, welches gerade im Bereich des Sports zu klären gilt. Ferner werden weitere Probleme bei den kybernetischen und programmorientierten Modellen festgestellt. So schildert Wastl (o.J.a), dass die Closed-loop-Theorie ein mögliches Ablaufen von Bewegungssequenzen ohne Unterstützung von Feedbackmechanismen und die Variabilität einer Reaktion, die bei einer veränderten Situation eintritt, nicht berücksichtigt werden. Bei den motorischen Programmen bestünde dagegen ein Speicher- und Neuigkeitsproblem. Demnach erscheint fragwürdig, ob die Speicherkapazität im Langzeitgedächtnis ausreiche, wenn für jede einzelne Bewegung ein entsprechendes Programm abspeichert werden muss. Zudem weisen motorische Programme nicht nach, wie neue Bewegungen entstehen (Birklbauer, 2006).

Aus dieser Kritik entstehen zweierlei Folgen (Wastl, o.J.a), die als „Hybride Modelle der Bewegungskontrolle“ (ebd., S. 3) bezeichnet werden. Zum einen ist dies die Theorie der generalisierten motorischen Programme (GMP-Theorie) nach Schmidt (1975; 1988). Birklbauer (2006, S. 62) separiert sie auf „Grund der Weiterentwicklung anfänglicher Open-Loop-Systeme und der alternativen Vorstellung motorischer Programminhalte“ von den programmorientierten Modellen, obwohl sie inhaltliche Parallelen aufweisen. Die GMP-Theorie charakterisiert sich durch die Annahme, dass motorische Bewegung und motorisches Lernen eines Individuums durch die Verarbeitung, Speicherung und den Abruf von generalisierten motorischen Programmen (GMP) entstehen (Humpert & Schöllhorn, 2006). Dies gilt an dieser Stelle jedoch für eine Klasse von Bewegungen (Birklbauer, 2006). Parameter, die für eine Bewegungsausführung nötig sind, werden vor der Ausführung selbiger exakt berechnet (Schöllhorn, 1998). Das Eingeben der Parameter kann den Bewegungsoutput verändern, was dazu führt, dass nicht für jede einzelne Bewegung ein Programm konstruiert und abgespeichert werden muss. Diese Charakteristika lösen sowohl das angesprochene Speicher- als auch das Neuigkeitsproblem (Birklbauer, 2006).

Die zweite Folgerung der Kritik ist das Entstehen des „Motorischen Regelkreismodells“ (Wastl, o.J.a, S. 3) nach Meinel und Schnabel (1998), welches in Abbildung 4 auf der folgenden Seite visualisiert wird.

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Abb. 4: Modell der Bewegungssteuerung nach Meinel & Schnabel (Quelle: Wastl, o.J.a, S. 3 nach Meinel & Schnabel, 1998, S.42 bzw. Schnabel, 1987, S. 59)

Dieses Modell gilt für die Bewegungshandlung und Bewegungskoordination, wobei die Handlung die oberste Kontrollinstanz und die Bewegungsausführung die zu regelnde Größe darstellen. Der im Zentrum des Modells befindliche Soll-Ist-Wert-Vergleich reguliert alle weiterfolgenden Systemaktivitäten sowie die Anpassung der jeweiligen Handlungsziele. Der innere und äußere Regelkreis umfassen die Telerezeptoren und die am bzw. im Körper liegenden Sinnesorgane, die Einfluss auf die Bewegung haben (Loosch, 1999).

Zu den weiteren Modellen der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle gehören die Optimierungsmodelle und Effektivitätsprinzipien sowie die Frequenzkodierungsmodelle (Birklbauer, 2006).

Im erstgenannten Ansatz „stehen […] Engineering Approach Kenntnisse und Anwendung physikalischer Prinzipien im Vordergrund“ (ebd., S. 102). Er basiert auf der Annahme Bernsteins (1975), dass die Körperbewegung durch die Minimierung der Freiheitsgrade und Nutzung der ausschließlich relevanten Muskeln realisiert, koordiniert und optimiert wird (ebd.). Birklbauer (ebd.) fügt an, dass bei den Optimierungsmodellen die Minimierung des Aufwandes zu der Auswahl einer Trajektorie führt, die eine Bewegung von der Ausgangs- hinzu einer Endposition auslöst. Hierzu beschreibt Latash (1993) Aufwandsfunktionen wie bspw. Bewegungszeit, Energie oder Ruck.

Auf der Grundlage von Bernsteins Erkenntnissen bezüglich der Annahme von Bewegungsabläufen „als Summen harmonischer Oszillationen“ (Birklbauer, 2006, S. 108) beschreiben Frequenzkodierungsmodelle eine ganzheitliche und nicht-elementgebundene Auffassung. Inhaltich weiterführend sei an dieser Stelle auf Voigt (1991) sowie Müller (1991) verwiesen, die den Ansatz inhaltlich genauer aufarbeiten und bewerten. Eine wissenschaftliche Bestätigung des Modellansatzes wird als schwierig eingeschätzt (Stadler, Vogt & Kruse, 1996), zumal nach Müller (1991) die Empirie keine überdurchschnittliche Beachtung des Ansatzes begründet.

2.2. Modelle des Bewegungslernens

Analog zum vorherigen Abschnitt werden zunächst die für die Arbeit erkenntnisbringende systemdynamische Lerntheorie und anschließend weitere Theorien des motorischen Lernens vorgestellt.

Die Speicherung von Informationen, wobei der menschliche Organismus die von der Umwelt ausgehenden Reize selektiert bzw. selektiv verarbeitet, ist die Voraussetzung für eine bewusste und planmäßige Bewegungsausführung (Birklbauer, 2006). Hierbei wird mit dem Einprägen, Behalten und Abrufen in dreierlei Hauptfunktionen des Gedächtnisses unterschieden (Loosch, 1999). Schmidt (1988) beschreibt das Gedächtnis als Fähigkeit der Bewegungsausführung und nicht als lokalen Ort. „In Abhängigkeit von der Orientierung motorischen Lernens kann dies ein motorisches Programm, ein Korrekturreferenzsystem oder ein während des Übens erworbenes Schema sein“ (Birklbauer, 2006, S. 490f).

Loosch (1999) differenziert in mehrere Gedächtnisarten, wobei Birklbauer (2006) dem prozeduralen Gedächtnis für den Sportbereich eine übergeordnete und vermehrte Bedeutung zuweist, da es u.a. für motorische Abläufe und Handlungsstrategien zuständig ist. Im Rahmen der Mehrspeichertheorien lässt sich das Gedächtnis in mehrere Instanzen unterscheiden, welche verschiedene Merkmale aufweisen. Auch hier sind die Gedächtnisinstanzen für die Motorik von hierarchischer Wichtigkeit. So besitzt das Kurzzeitgedächtnis „eine Schlüsselstellung für Prozesse der Bewegungssteuerung“ (ebd., S. 137). Das Langzeitgedächtnis speichert dagegen automatisierte Fertigkeiten und Fähigkeiten (Birklbauer, 2006).

Eine weitere Voraussetzung für motorisches Lernen ist Feedback (Schmidt, 1988). Hierzu wird zwischen dem Knowledge of Result (KR) und Knowledge of Performance (KP) aufgegliedert. Die Rückmeldung des Lehrenden „über das Ergebnis der Bewegung im Verhältnis zum Ziel in der Umwelt, das nach der Bewegung zur Verfügung steht“ (Birklbauer, 2006, S. 487) definiert sich als KR. Untersuchungen zeigten, dass der Einsatz hinzu eines relativen KR zu einem steigenden Lernerfolg führt, da vergangene Lernerfahrungen in der Erwerbsphase rekapituliert werden. Das KR sollte im Lern- und Übungsprozess sukzessive abnehmen (Schmidt, 1988). KP ist das Feedback über den erreichten Bewegungsverlauf. Neben der Aufführung verschiedener Formen des KP empfiehlt Schmidt (ebd.) beim oftmals bevorzugten Videofeedback nur vereinzelte Szenen stückweise auszuwerten, da der bei längeren Passagen entstehende Informations- und Reizüberfluss einen nur minimalen Lerneffekt auslöst.

Das motorische Lernen bezeichnet Rieder (1991, S. 31) als „die Aneignung – die Entwicklung, Anpassung und Vervollkommnung – von Verhaltensweisen und –formen, speziell von Handlungen und Fertigkeiten, deren Hauptinhalt die motorische Leistung ist“

und knüpft hier bezogen auf dem in den Fokus gesetzten Prozess des Fertigkeitserwerbs von Kelso (1997) an (Birklbauer, 2006). Dagegen stellt Schmidt (1988) den Faktor Zeit in den Vordergrund, womit das motorische Lernen eine andauernde Veränderung umfasst. In den Mittelpunkt der Ausführungen kann auch das Individuum gesetzt werden, das Kenntnisse über das Ideal besitzt. Hierbei unterscheidet Schöllhorn (2003) in fremdgesteuertes und selbstorganisierendes motorisches Lernen. Das fremdgesteuerte Lernen zeichnet sich dadurch aus, dass ein externer Lehrender Know-how besitzt und die Handlungen des Lernenden zum Ideal mittels Feedback führt, wogegen beim selbstorganisierenden Lernen der Lernende aus seinen eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten Ordnungszustände und Strukturen in seinen Bewegungsabläufen schafft (Schöllhorn, 2003; Birklbauer, 2006). Auch eine Aufteilung des motorischen Lernprozess nach physiologischen und psychomotorischen Kriterien, wie ihn Loosch (1999) vornimmt, ist möglich. Differenziert wird an dieser Stelle in das Lernen im Bereich der Sensorik, das Lernen im Bereich zentralnervaler Informationsverarbeitung und das Lernen im Bereich der Koordination (Loosch, 1999; Birklbauer, 2006).

Birklbauer (2006, S. 326) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „das Gesamtfeld motorischen Lernens […] in seiner Diversifikation an vorliegenden Modellen und Theorien kaum mehr überschaubar“ ist. Derweil ist der Umfang mit unterschiedlichsten wissenschaftlichen Ausgangspositionen zu begründen (Daugs & Blischke, 1984), die erneut vielfältigste einzelne Theorien und Ansätze bildeten, was wiederum für eine einheitlichen empirischen Diskurs kontraproduktiv ist.

An der Differenzierung nach Loosch (1999) orientierten sich die folgenden Ausführungen bezüglich der vorgestellten Modellansätze und Theorien, denen auch Birklbauer (2006) folgt.

2.2.1. Der systemdynamische Lernansatz

Der systemdynamische Ansatz baut nicht nur begrifflich, sondern auch inhaltlich auf dem systemdynamischen Modell der Bewegungssteuerung und Bewegungskontrolle auf (Birklbauer, 2006). Im Sinne der Lerntheorie verlaufen Lernprozesse selbstorganisierend, wobei eine intrinsische Systemdynamik das Bewegungslernen und die Kontrolle der Bewegung determiniert (Wiemeyer, 2003). Intrinsisches Verhalten eines Systems, in diesem Zusammenhang als „Intrinsic Dynamics“ (Birklbauer, 2003, S. 383) tituliert, liegt vor, wenn keine Parameter wie Umwelt oder die Aufgabenstellung auf ein ständig wiederhol- und beobachtbares Verhaltensmuster einwirken (Birklbauer, 2003). Entsprechend äußern sich Zanone und Kelso (1992, S. 566) wie folgt: „Intrinsic dynamics define the stable behaviors that the system adopts spontaneously independent of specific environmental constraints“.

Wird der Lernende vor eine Bewegungsaufgabe gestellt, so sind nach Ansicht der Vertreter dieses Lernansatzes jene Anweisungen förderlich, die den Such- und Entdeckungsprozess hinzu einer Bewegungslösung unterstützen. Selbiges gilt für Lernhilfen die die sensorische Informationsaufnahme begünstigen. Dagegen sind Unterweisungen für eine Vorgabe der Bewegungslösung kontraproduktiv und nicht zielführend (Wiemeyer, 2003; Schöllhorn, Hegen & Eekhoff, 2014). Weiterhin ist ein ganzheitliches Vorgehen und variables Üben

„z.B. durch Variation von Aufgaben- oder Situationsbedingungen, um […] Erfahrungen in möglichst großen Bereichen des Wahrnehmungs-Bewegungs-Raums zu machen und […] alte Koordinationsmuster zu destabilisieren“ (Wiemeyer, S. 418).

Das DL von Schöllhorn (1999) stellt eine „erste methodisch-didaktische Konsequenz“ (Birklbauer, 2006, S. 383) dieses Lernansatzes dar und wird in einem späteren Kapitel näher beschrieben (Vgl. Kap. 2.3.2).

2.2.2. Weitere Modelle des motorischen Lernens.

Weiterhin finden sich unterschiedliche theoretische Ansätze, die den motorischen Lernprozess zu beschreiben versuchen.

Die Stufentheorien gehen von einem phasenförmigen Lernverlauf aus, indem der Lernende einen Zustand „vom Anfangslernen bis zum meisterhaften Können“ (Rieder, 1991, S. 21) erreicht. Aus dieser Annahme bilden sich trainingsmethodische und didaktische Entscheidungen (Birklbauer, 2006). Pöhlmann (1986) unterscheidet mit der Erwärmungs- und Aneignungsphase, der Plateaubildung und der Perfektionierungsphase in mehrere Lernabschnittsphasen. Unterteilt wird bei den Stufentheorien in Zwei-Stufen- sowie Drei-Stufen und Mehrstufenmodelle (Birklbauer, 2006). Diesbezüglich stammt das wohl bekannteste und meist verbreitete Modell, bezogen auf die Bewegungslehre, von Meinel und Schnabel (1998; Loosch, 1999).

Meinel und Schnabel (1998) differenzieren in ihren Ausführungen den Aufbau des motorischen Lernprozesses in die:

- erste Lernphase (Entwicklung der Grobkoordination),
- zweite Lernphase (Entwicklung der Feinkoordination) sowie die
- dritte Lernphase (Stabilisierung der Feinkoordination und Entwicklung der variablen Verfügbarkeit (Birklbauer, 2006).

Zu betonen ist, dass diese Grundstruktur sportartenübergreifend Gültigkeit besitzt und den Grundbaustein für eine methodische Gestaltung des Bewegungslernens bietet. Darüber hinaus besitzen die Phasen fließende Übergänge und sind nicht konsequent voneinander abzugrenzen (ebd.). An dieser Stelle findet sich auch ein Kritikpunkt, da die Phasenübergänge oftmals zu unklar seien, zumal sich die Übungen als methodische Konsequenz schwer zuordnen lassen (Loosch, 1999).

Weitere derartig ähnlich aufgebaute Modelle sind bspw. das Zwei-Stufen-Modell von Pöhlmann (1986) bzw. Lehnertz (1991) oder auch das fünfstufige Lernmodell nach Letzelter (1979), welches beispielhaft für ein Mehrstufenmodell genannt sei.

Generelle Kritik an den Stufentheorien wird ferner dahingehend geäußert, dass eine zu geringe empirische Basis vorliegt und die einzelnen Stufen häufig willkürlich und frei gesetzt werden (Birklbauer, 2006).

Die Veränderlichkeit der Bewegung nach ihrem Auslösen beim Lernenden beschreibt Adams (1976) in seiner Theorie des motorischen Lernens, welches sich inhaltlich nah an der Closed-Loop-Theorie orientiert. In Folge dieser Annahme sind der Umfang und die Richtung der Bewegung mit Hilfe zweier Gedächtnisinstanzen, welche die Kontrolle und Steuerung der einzelnen Bereiche übernehmen, veränderbar. Verantwortlich hierfür sind die Wahrnehmungsspur (Perceptual Trace) und die Gedächtnisspur (Memory Trace) (Adams, 1976; Birklbauer 2006). In Folge ersterem wird ein Referenzsystem erworben, welches Voraussetzung für das Bewegungslernen ist und am Lernbeginn die Bewegungssteuerung unterstützt. Weiterführend werden Informationen zurückliegender Bewegungsausführungen gespeichert.

Die Gedächtnisspur sorgt dafür, dass die Bewegung grundsätzlich gestartet wird (Hossner & Künzell, 2003).

„Die unmittelbare motorische Kontrolle soll jedoch stets auf dem Vergleich der aktuell rückgemeldeten Istwerte mit dem Sollwerten der im Laufe des Lernprozesses an Stärke zunehmenden perzeptiven Spur basieren“ (ebd., S. 136).

Kritik findet sich auf der Grundlage von Experimenten, die nachwiesen, dass eine Bewegungsausführung auch ohne Mithilfe von sensorischen Feedbacks möglich ist. Zusätzlich umfasst die Theorie Adams keine Alltagsbewegungen, sondern lediglich „langsame, lineare Positionierungsaufgaben“ (Birklbauer, 2006, S. 351).

In einem vorherigen Abschnitt wurde die GMP-Theorie in ihren Grundzügen als Folgerung der Kritik an den Closed- und Open-Loop-Modellen vorgestellt (Vgl. Kap. 2.1.2). Die Schematheorie von Schmidt (1975) ist dieser Theorie zuzuordnen, erweitert das motorische Lernmodell von Adams (Hossner & Künzell, 2003; Birklbauer, 2006) und definiert sich anhand der Feststellung, „dass das motorische Programm in Form eines Schemas im ZNS vorliegt“ (Loosch, 1999, S. 294).

Hierbei liegt eine abstrakte, schematische Form von Einzelerfahrungen als Speicherung vor. Mit Hilfe der nach der Bewegungsausführung gesammelten Informationen werden ein Recall- und ein Recognitionschema entwickelt. Ist ersteres für die Bildung der Bewegung zuständig, so ist das Recognitionschema für die Bewegungsauswertung verantwortlich. An dieser Stelle finden sich Parallelen zu der Theorie von Adams (Birklbauer, 2006).

Aus den Charakteristika des Modells empfiehlt es sich im Trainings- bzw. Lernprozess variable Übungsbedingungen herzustellen (Loosch, 1999). Damit solle der Einfluss auf die Selbstorganisation der Koordination vergrößert werden (Meine & Schnabel, 2007). Bezieht man das dreistufige Modell von Meinel und Schnabel hinzu, sollte dies nach der ersten Lernphase erfolgen (Hossner & Künzell, 2003).

Wie schon die anderen Modellansätze zum Bewegungslernen unterzieht sich auch die Schematheorie von Schmidt ausführlicher Kritik, wobei Schmidt selbst auf die begrenzte Erklärbarkeit seiner Theorie aufmerksam macht (Birklbauer, 2006). Der eklatanteste Kritikpunkt ist die fehlende Erklärung, wie ein Programm entwickelt wird. Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass die Schematheorie weder das Speicher- und Neuigkeitsproblem löst, noch konnte der Nachweis erbracht werden, dass „Mechanismen der Bewegungsproduktion und bewusste Fehlereinschätzung“ (ebd., S. 365) autark voneinander verlaufen (ebd.).

[...]


[1] Anmerkung: Zur Vereinfachung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit weitestgehend auf feminine Substantive verzichtet, sofern beide Geschlechter angesprochen werden.

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Differenzielles Lernen im Sport. Ein Trainingskonzept zur Verbesserung der Passtechnik im Fußball?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sportwissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
77
Katalognummer
V318720
ISBN (eBook)
9783668180680
ISBN (Buch)
9783946458524
Dateigröße
2093 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Education (M.Ed.)
Schlagworte
Differenzielles Lernen, Systemdynamik, Fussball, Techniktraining, Passtechnik Fussball, Trainingsmethoden Fussball
Arbeit zitieren
Max Köhler (Autor:in), 2016, Differenzielles Lernen im Sport. Ein Trainingskonzept zur Verbesserung der Passtechnik im Fußball?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318720

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