Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zeit vor dem Edikt von Potsdam - Situation in Frankreich
3. Das Edikt von Potsdam
4. Integration
5. Das religiöse Leben in Berlin
6. Der Einfluss der Hugenotten auf das Berliner Leben
6.1. Das Schulwesen
6.2. Die französische Sprache
6.3. Die wirtschaftliche Entwicklung mit den Hugenotten
6.3.1. Die Textilindustrie
6.3.2. Feinmechanik und Schmuckgewerbe
6.3.3. Die Berliner Küche
6.3.4. Ärzte und Apotheker
7. Zusammenfassung
8. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Hausarbeit werde ich mich der Frage widmen, in wie weit die Hugenotten das Leben der Berliner Bevölkerung beeinflusst und geprägt haben. Die Komplexität des Themas ist mir durchaus bewusst und deshalb werde ich meinen Hauptaugenmerk auf ausgewählte Bereiche der Beeinflussung legen. Wichtig ist für mich anfangs die Schilderung der Ausgangssituation in Frankreich, sowie der in Brandenburg und Berlin, um den Leser Vorkenntnisse zu schaffen. Als Quelle soll mir dabei das Edikt von Potsdam dienen, da es der entscheidende Ausgangspunkt der Flucht in Richtung Berlin war. Andernfalls wäre nur zu vermuten, ob die Hugenotten trotzdem nach Berlin gekommen wären. Dabei werde ich die Wichtigkeit der Religion und die Integration in Berlin herausstellen. Des Weiteren werde ich mich meiner Ausgangsfrage zuwenden, indem ich ausgewählte Aspekte des Berliner Lebens beleuchte und die Veränderungen durch die Hugenotten herausarbeite. Auf Grundlage dessen werde ich ein kurzes, aber komplexes Fazit ziehen und die von mir gewählte Fragestellung gänzlich begründet beantworten.
Trotz der facettenreichen Themengebiete, die mich durch das Seminar geboten wurden, haben mich die Hugenotten am meisten interessiert, da dieses Thema aus meiner Sicht doch nur recht spärlich betrachtet wurde. Daher möchte ich diesen Themenkomplex weiter ausleuchten.
Zur Quellenlage lässt sich sagen, dass es zu dem Hauptthema 'Hugenotten in Berlin' zahlreiche Publikationen gibt. Auch Fachtexte, welche genauer auf verschiedene Teilaspekte eingehen, sind ausreichend zu finden. Letztlich ergänzen sich die Werke mehr oder weniger gegenseitig. In meiner ausgewählten Literatur hatte ich stets den Eindruck, dass der Forschungsstand eindeutig ist und es keine größeren Kontroversen gibt.
Mir haben vor allem die Werke von Gottfried Bregulla und Conrad Grau sehr weitergeholfen, da sie die wichtigsten Aspekte auf den Punkt gebracht haben. Die restlichen Werke, einzusehen in meinem Literaturverzeichnis, haben trotzdem immer wieder ergänzende Informationen bereitgestellt.
2. Zeit vor dem Edikt von Potsdam - Situation in Frankreich
Die französischen Protestanten zu Zeiten des vorrevolutionären Frankreichs, auch Hugenotten oder Réfugiés genannt, wurden im 15. Jahrhundert vor allem durch Johannes Calvin (1509-1564) geprägt. Sie hatten die unterschiedlichsten sozialen Stände und Herkünfte. Der Calvinismus nahm auch in der Folgezeit immer größeren Einfluss auf das Protestantentum in Frankreich. Es kam in der Folge zur einer katholischen Gegenbewegung, da die Amtsträger der katholischen Kirche Gefahr für ihre Macht sahen. In der Folge kam es immer wieder zu Religionskriegen zwischen Hugenotten und Katholiken. Dem ganzen sollte das Edikt von Nantes, unterzeichnet von Heinrich IV. am 13. April 1598 ein Ende setzen. Es versprach konfessionelle Gleichberechtigung unter Einhaltung bestimmter Regeln sowie alle Bürgerrechte.
Jedoch währte dies nicht lange, da es am 18.Oktober 1685 durch das Edikt von Fontainebleau aufgehoben wurde. Es kam zur Zerstörung und Plünderung von Kirchen und Klöstern der Protestanten. Die Verfolgung durch Ludwig XIV. war so groß, dass die französischen Protestanten ihrem Glauben nur noch heimlich und illegal nachgehen konnten bzw. durch das Edikt von Potsdam tausende Hugenotten flüchteten.1
Dabei suchte der Großteil das Kurfürstentum Brandenburg und besonders Berlin auf, was neue Sprache, Kultur, Bräuche und Sitten mit sich brachte.2
Im Folgenden möchte ich den Einfluss der Hugenotten auf das Berliner Leben herausstellen. Doch zunächst ist es wichtig zu klären, durch welchen Anreiz sie nach Berlin kamen.
3. Das Edikt von Potsdam
Meine Quelle ist mit dem 29.10.1685 datiert. Beachten sollte man, dass in Preußen bis 1700 nach dem julianischen Kalender gegangen wurde. Demnach liegen etwa 3 Wochen zwischen dem Erlass des Ediktes von Potsdam und dem Edikt von Fontainebleau, welches bereits nach unserem Kalender, dem gregorianischen, datiert wurde.3
Der eigentliche Name des Edikts war:
„ Chur-Brandenburgisches Edict, Betreffend Diejenige Rechte, Privilegia und andere Wohltaten, welche Se. Churf. Duchl. Zu Brandenburg denen Evangelisch-Reformirten Franz ö sischer Nation, so sich in Ihren Landen niederlassen werden daselbst zu verstatten gn ä digst entschlossen seyn “ 4 und wurde durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Hohenzollern erlassen. Es umfasst 14 Artikel, welche den Hugenotten Schutz, Hilfe und auch Freundschaft garantierten, aber auch darauf hinweisen, dass das Edikt ergänzt werden muss, was in den Folgejahren durch weitere Anordnungen passierte.5
Verbreitet wurde es durch Flugblätter auf Deutsch, Französisch, aber auch Holländisch. Diese fanden ihren Weg in die calvinistische Schweiz, die Niederlande, aber auch heimlich nach Frankreich.6
Dies führte zu einer für damalige Verhältnisse riesigen Immigrationswelle von rund 20.000 flüchtenden Hugenotten. Sie nahmen mit der Flucht Ungewissheit und Gefahren auf sich. Jedoch verursachte die hohe Flüchtlingsrate zunächst nur hohe Kosten und Probleme.7 Die Gründe für den Erlass durch den Kurfürsten waren vor allem wirtschaftlicher, als auch politischer Natur. Da das Kurfürstentum Brandenburg vom 30-jährigen Krieg besonders hart getroffen wurde, war das Land dementsprechend verwüstet, sodass teilweise ganze Landstriche verödeten. Des Weiteren kamen mit dem Krieg Seuchen und damit einhergehende Hungersnöte, weshalb die Zahl der Bevölkerung beträchtlich sank.8
Somit strebte der Kurfürst durch das Edikt von Potsdam sowohl eine wirtschaftliche, als auch machtpolitische Verbesserung an, um einen Wiederaufbau seines Landes zu garantieren. Daher kam ihm die Situation der Hugenotten sehr gelegen, da die französische Kultur zu dieser Zeit hoch angesehen war. Sie verfügten über sehr hohe Fachkenntnisse in handwerklicher und wirtschaftlicher Hinsicht, weswegen der Kurfürst ihre Rettung als die beste Lösung für seine Ziele sah.9 So entstanden 14 Artikel, welche zum einen die Rahmenpläne für die Reise in das Kurfürstentum, aber auch die Garantie der Arbeitsmöglichkeiten, sowie des Verdienstes und Wohnens enthielten. Weiterhin versprach es Vergünstigungen, aber vor allem das Recht auf Religionsfreiheit und dessen Ausübung.
Der erste Artikel wies Gesandte des Kurfürsten an, die französischen Réfugiés über den Seeweg nach Hamburg und von dort aus nach Brandenburg zu bringen.
Im zweiten wurde Frankfurt am Main als weitere Anlaufstelle genannt, um sie dann über den Rhein nach Kleve zu bringen, was ebenfalls preußisches Gebiet war.
Im nächsten Punkt bat der Kurfürst diverse Ortschaften wie beispielsweise Stendal, Königsberg oder auch Rathenow als Wohnsitz an, wo sie auch ihren erlernten Beruf ausüben konnten. Der vierte Punkt versprach, dass die Hugenotten alle Werte und Waren steuer- und abgabenfrei einführen konnten, sprich Zollfreiheit.
Im fünften Artikel wurde gesagt, dass den Hugenotten verfallene und unbewohnte Häuser zur Verfügung gestellt wurden, welche sie selbst wieder aufbauen mussten. Das nötige Material wurde gestellt.
Jedoch sollten nach Artikel 6 auch Einwanderer welche neue Häuser bauten, ebenfalls unentgeltliche Baumaterialien erhalten. Dabei wurde ihnen das Grundstück als Eigentum zugesprochen, sowie Steuervergünstigungen für 10 Jahre.
Der siebte Artikel brachte das Bürgerrecht, sowie die bedingungslose Aufnahme in Zünfte.
Im 8. Punkt wurde die Errichtung von Manufakturen durch Steuerfreiheit, sowie finanziellen Hilfen unterstützt.
Zudem erhielten Bauern, welche sich auf dem Lande niederließen Unterstützung.
Durch den zehnten Artikel sollten Streitigkeiten zwischen Franzosen durch eine von ihnen gewählte Person der Rechtsprechung geschlichtet werden.
Artikel 11 versprach ihnen das Recht in extra eingerichteten Predigtstellen, den Gottesdienst in ihrer Heimatsprache und ihren üblichen Zeremonien abzuhalten.
Durch den nächsten Artikel wurde der französische Adel dem deutschen gleichgestellt.
Der 13. Artikel machte das Edikt auch für jene geltend, welche vor der Veröffentlichung nach Brandenburg kamen, ausgenommen französische Katholiken.
Der letzte Artikel gab vor, dass eingesetzte Kommissare und Behörden angehalten waren, die Bestimmungen des Potsdamer Edikts und deren ergänzende Verordnungen durchzusetzen. Des Weiteren sollten sie den Hugenotten helfen und sie unterstützten.10
Auffallend ist, dass Berlin als Anlaufpunkt keine Erwähnung im Edikt von Potsdam findet. Dennoch spielt die Stadt die zentrale Rolle für die brandenburgischen Hugenotten. Dies hatte zwei Gründe. Zum einen die Nähe zur kurfürstlichen Residenz der Hohenzollern und die damit verbundene Hoffnung auf ein gutes Leben. Und zum anderen eine kleine französische Gemeinde, welche seit 1672 in Berlin existierte und unter besonderem Schutz des Kurfürsten stand.11
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1 Walter Kasper: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd.5, Herder; S.302; Freiburg in Breisgau 2006
2 Gerhard Fischer: Die Hugenotten in Berlin, Zum 300. Jahrestag des Ediktes von Potsdam; S.9; Berlin 1985
3 Horsta Krum: Preußens Adoptivkinder, Die Hugenotten - 300 Jahre Edikt von Potsdam; S.47 f. Berlin 1985
4 Jürgen Wilke: Berlin zur Zeit des Edikts von Potsdam. Das Edikt und seine Bedeutung, in: Gottfried Bregulla: Hugenotten in Berlin; S.13; Berlin 1988
5 Horsta Krum: Preußens Adoptivkinder, Die Hugenotten - 300 Jahre Edikt von Potsdam; S.48 Berlin 1985
6 Siehe 3
7 Conrad Grau: Berlin, Französische Straße, Auf den Spuren der Hugenotten; S.22; Berlin 1987
8 Conrad Grau: Berlin, Französische Straße, Auf den Spuren der Hugenotten; S.20 ff.; Berlin 1987
9 Susanne Lachenicht: Migration, Migrationspolitik und Integration, Hugenotten in Dandenburg-Preußen, Irland und Großbritannien, in: Manuela Böhm: Hugenotten zwischen Migration und Integration; S.40; Berlin 2005
10 Horsta Krum: Preußens Adoptivkinder, Die Hugenotten - 300 Jahre Edikt von Potsdam; S.61 f. Berlin 1985
11 Jürgen Wilke: Berlin zur Zeit des Edikts von Potsdam. Das Edikt und seine Bedeutung, in: Gottfried Bregulla: Hugenotten in Berlin; S.33; Berlin 1988