Dante als Dichter der irdischen Welt. Zum Thema Adel in "Vita nova"


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einordnung der dritten Kanzon in das Gesamtwerk

3. Autorität zur Adelsdefinition
3.1. Die Autorität des Kaisers
3.2. Die Autorität des Philosophen

4. Widerlegung der Annahme
4.1. Schöne Sitten und Reichtum
4.2. Vererbung des Adels

5. Die Definition des wahren Adels
5.1. Deutung von Adel
5.2. Tugenden als Früchte des Adels
5.3. Verwirklichung des Adels in der Glückseligkeit
5.4. Herkunft und Träger des Adels

6. Kennzeichen des Adels in den vier Lebensabschnitten

7. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Das Gastmahl, so lässt Dante im ersten Traktat verlauten, richtet sich an Menschen, in deren Herzen wahrer Adel ausgesät ist. Die Frage, worin wahrer Adel besteht, ist Dante so wichtig, dass er diese zum Thema des vierten Traktates macht, dessen Kapitelzahl er von 15 auf 30 verdoppelt und somit zum längsten unter allen Traktaten des unvollendeten Werkes werden lässt. „Adel ist im ständebewussten Mittelalter ein häufig diskutiertes Thema“, welches er, von Aristoteles Nikomachischer Ethik inspiriert, intellektuell-philosophisch behandelt (Wittschier 2009: 74). Der Ausgangspunkt seiner Definition des Adels ist die Behauptung Kaiser Friedrich II, Adel sei auf genetische Abstammung und Reichtum zurückzuführen . Worin liegt nun Dantes Ansicht nach der wahre Adel? In der vorliegenden Arbeit soll zunächst die dritte Kanzone unter Berücksichtigung ihrer herausragenden Bedeutung in das Gesamtwerk eingeordnet werden, bevor näher untersucht werden soll, in wessen Autoritätsbereich die Definition des Adels fällt, wie Dante die Behauptung Friedrich II widerlegt und schließlich auf Grundlage der Nikomachischen Ethik einen ethischen Adelsbegriff entwickelt.

2. Einordnung der dritten Kanzon in das Gesamtwerk

Nachdem das Lyrische ich die ersten beiden Kanzonen der Huldigung der donna gentile, der Philosophie, widmet, wendet es sich in der dritten Kanzone des Cv, die zugleich die Schlusskanzone des unvollendeten Werkes darstellt, der Erörterung über das wahre Wesen des Adels zu (vgl. Sauter 1965: 276). Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die Aussage Friedrich II, der auf die Frage, was Adel sei, antwortete, sie bestehe in antica ricchezza e belli costumi (Cv IV, iii, 6). Die dritte Kanzone ist mit 146 Versen die längste unter den drei Kanzonen, womit bereits äußerlich auf die thematische Wichtigkeit dieses Gedichts hingedeutet wird (vgl. Wittschier 2009: 28). Sie ist inhaltlich streng, logisch und konsequent aufgebaut und verzichtet auf einen allegorischen Wortsinn, um etwas Bestimmtes eindeutig zu beweisen (vgl. ebd.: 68). „Die ersten Stanzen behnadeln [...] die Annahme, dass die Nobilität angeblich auf altem Reichtum basiere [und vererbbar sei, Anm. d. Verf.]“, woraufhin die folgenden Stanzen jene Annahme antithetisch mit einem Gegenmodell widerlegen, wodurch die Kanzone die innere Form eines strikten akademischen Beweisverfahrens annimmt (ebd.: 68). Zwar sind sich die Literaturwissenschaftler darüber einig, dass die dritte Kanzone nach der ersten und zweiten Kanzone entstanden sein muss, jedoch ist nicht eindeutig festzustellen, ob sie noch vor Dantes Exil oder erst danach entstanden ist. So geht Hollander davon aus, dass sie zwischen 1295 und 1300 verfasst wurde (vgl. 2001: 81) , wohingegen Wittschier eine möglicherweise spätere Entstehung erwägt (vgl. 2009: 29).

3. Autorität zur Adelsdefinition

Die öffentliche Meinung, so Dante, vertritt die Ansicht, dass der Adel seine Wurzeln in altem Reichtum und guten Sitte habe aus zweierlei Gründen: Zum einen folgt sie Aristoteles, der behauptet, „was allen richtig erscheint, kann unmöglich ganz falsch sein“ und zum anderen beugt sie sich der Autörität des Kaisers (vgl. Cv IV, iii, 9). Mit dem Ausspruch, der Adel bestünde in altem Reichtum und guten Sitten, will der Kaiser der Philosophie jedoch Gesetze vorschreiben (vgl. Gilson 1953: 184). Dies veranlasst Dante zur Untersuchung über die Art, die Ausdehnung und den Ursprungs der kaiserlichen Autörität, um die Frage zu klären, ob die Autorität des Kaisers auch der Philosophie gilt (vgl. Grießer 2008, 39).

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3.1. Die Autorität des Kaisers

In Dantes Ausführungen ist die kaiserliche Autorität an umana volontade und ragione scritta geknüpft, da sich die Autorität des Kaisers „auf die gesamte Ordnung unserer freien Willenshandlungen [erstreckt]“ und er diese durch geschriebenes Recht regelt, dem die Bürger und Bürgerinnen unterstehen (Gilson 1953: 172; vgl. Cv IV, ix, 8). Zwar ist es nach Dantes Auffassung die Aufgabe des Kaisers Recht niederzuschreiben und es anzubefehlen, sofern es Vernunftshandlungen betrifft, jedoch sind der kaiserlichen Autorität Schranken gesetzt (vgl. Cv IV, ix, 10). „Da [...] die kaiserliche Autorität mit der ragione scritta zusammenfällt und sich nur über die umana volontade erstreckt“ besitzt der Kaiser keine philosophische Autorität und somit fällt die Definition des Adels auch nicht unter den Beruf des Kaisers (Grießer 2008: 39; vgl. Cv IV, ix, 16).

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3.2. Die Autorität des Philosophen

Nachdem Dante im neunten Kapitel des vierten Traktates erläutert hat, warum der Kaiser lediglich Autorität im Bereich der Rechtssetzung hat, gilt es nun zu erörtern, wer Autorität in der Philosophie besitzt, worauf dessen Autorität beruht und wie weit dessen Autorität reicht.

Zunächst geht Dante im sechsten Kapitel des vierten Traktates auf die Ethymologie des Wortes auctor ein, um so auf die Autorität des Philosophen zu schließen. Dante führt den Begriff Autor auf das griechische Wort autentin zurück, „was soviel bedeutet wie etwas, das Glauben und Gehorsam verdient“ (Sauter 1965: 182). Aus dieser Definition von Autorität schließt Dante auf Aristoteles: „ Che Aristotile sia dignissimo di fede e d´obedienza così provare si può” (Cv IV, vi, 6). Gilson äußert zu dieser Formulierung, dass es im Mittelalter zwar nicht ungewöhnlich gewesen sei, in Aristoteles den glaubwürdigsten unter den Philosophen zu sehen, jedoch sei die Forderung Aristoteles Gehorsam zu schulden sehr selten geäußert worden (vgl. 1953: 169). Dante behauptet, dass Aristoteles der „ maestro e duca de la ragione umana “ (Cv IV, vi, 8) sei und als solcher im Gegensatz zum Kaiser, den er als „ cavalcatore de la umana volontade “ (Cv IV, ix, 10) bezeichnet, die Autorität besitzt den moralischen Begriff des Adels zu definieren, da eine solche Definition in den Bereich der ragione fällt (vgl. Cv IV, ix, 4). Somit ist klar, dass sich Dante bei seiner Richtigstellung, worin der wahre Adel bestünde, vorallem auf Aristoteles beruft.

Es ist also festzuhalten, dass Aristoteles, dem die Ethik unterstellt ist, keinen Anspruch auf die politische Autorität hat und der Kaiser, dem die Reichsregierung unterstellt ist, keine philosophische Autorität besitzt (vgl. Gilson 1953: 172). Dennoch appeliert Dante für eine Zusammenarbeit der beiden Autoritäten, „um eine gute und vollkommene Regierug zu bilden“ (Sauter 1965: 185). Um jedoch nicht vom Ausgangspunkt, der Definition des Adels abzuschweifen, soll nicht näher auf die von Dante in Kapitel sechs des vierten Traktates beschriebener Staatstheorie eingegangen werden.

4. Widerlegung der Annahme

In den Kapiteln 10 bis 15 des vierten Traktates geht Dante auf die Annahme des Kaisers und der Masse ein und widerlegt jene, ohne jedoch konkret zu benennen, worin der wahre Adel besteht. Im Folgenden soll nun untersucht werden, warum gute Sitten, Reichtum und die genetische Abstammung nach Dantes Auffassung nichts mit dem wahren Adel zu tun haben.

4.1. Schöne Sitten und Reichtum

Dantes Kritik richtet sich zwar nicht gegen die schönen Sitten, die seiner Meinung nach zur Definition des Adels beitragen, jedoch sei mit den schönen Sitten nur einer kleiner Teil jener Tugenden ausgedrückt, die zum Adel beitragen (vgl. Cv IV, x, 2 und 3). Hier deutet Dante bereits an, dass sich der Adel in den Tugenden ausdrückt. Nun widmet sich Dante der Annahme, dass Reichtümer zum Adel beitrügen. Er behauptet, dass Reichtum aus dreierlei Gründen unvollkommen und somit niedrig seien, nämlich wegen seiner unbesonnenen Entstehung, seines gefahrbringenden Wachstums und seinem schädlichen Besitz (vgl. Cv IV, x, 4). In der Entstehung von Reichtümern, die er auf Zufall, Erbe oder gar auf unerlaubten Gewinn zurück führt, sagt Dante, zeige sich Ungerechtigkeit, da in den meisten Fällen die Schlechten zu jenen Reichtümern kämen (vgl. Cv IV, xi, 8). Die Gefährlichkeit des Anwachsens von reichtümern begründet Dante mit dem stetigen Durst nach mehr und die damit verbundene Unruhe (vgl. Cv IV, xii, 1). Dante schließt das Thema Reichtum ab, indem er darlegt, dass Reichtümer für den Besitzer schädlich seien, da diese Angst vor Verlust hervorriefen und somit Unheil brächten und zum anderen, dass Besitzer nicht die Tugend der Freigiebigkeit besäßen (Vgl. Cv IV, xiii, 10 und 14). Dante hat in den Kapiteln 10 bis 13 des vierten Traktates also dargelegt, dass Reichtum unvollkommen ist und somit keinesfalls als edel zu betrachten ist, denn „ la nobilitade de la perfezione onde tanto quanto la cosa è perfetta, tanto è in sua natura nobile “ (Cv IV, xi, 2)

4.2. Vererbung des Adels

In Kapitel 14 und 15 des vierten Traktates widerspricht Dante der Annahme, dass die Zeit Ursache des Adels sei. Die Meinung des Kaisers und der Masse lautet, dass ein Mensch niedriger Abstammung niemals Adeliger werden könne (vgl. Cv IV, xiv, 3). Jedoch weist Dante auf den Widerspruch hin, dass zum Adel angeblich Zeit gehöre und somit jemand erst im Lauf der Zeit adelig werden würde (vgl. Cv IV, xiv, 3). Daraus schließt der Autor, dass es einen fadenscheinigen Entstehungszeitpunkt des Adels geben müsse, der im Vergessen der einst niedrigen Abstammung der Ahnen gründet (vgl. Cv IV, xiv, 5). Dante beurteilt die Annahme, dass der Entstehungsgrund des Adels die Vergesslichkeit sei mit der ironisch anmutenden Feststellung, dass alle anderen Dinge ihren Adel aus ihrer inneren Güte herleiten (vgl. Cv IV, xiv, 11). Desweiteren widerlegt er die Möglichkeit zur Vererbung des Adels mit der Begründung, dass alle Menschen, sofern man von Adam als alleinigen Stmmvater ausgehe, entweder adelig oder unadelig seien, je nachdem, ob Adam ein Adeliger war oder nicht. Zum anderen widerlegt er die Vererbung des Adels mit der Schlussfolgerung, dass das Menschengeschlecht von zwei abstammen müsse, was der christlichen Vorstellung jedoch gänzlich widerspreche (vgl. Cv IV, xv, 3 und 6)

Dante hat also ausführlich dargestellt, dass weder Reichtum noch die genetische Abstammung jemanden adelig macht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Dante als Dichter der irdischen Welt. Zum Thema Adel in "Vita nova"
Hochschule
Universität Passau  (Romanische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Dante: Vita Nuova
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V319095
ISBN (eBook)
9783668182523
ISBN (Buch)
9783668182530
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dante, Aristoteles, Nikomachische Ethik, Friedrich Barbarossa, Convivio, Gastmahl
Arbeit zitieren
Daniel Nagelstutz (Autor:in), 2012, Dante als Dichter der irdischen Welt. Zum Thema Adel in "Vita nova", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319095

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