In der Literaturwissenschaft ist seit den 1960er Jahren die „Poetologie des Erotischen“ fester Bestandteil des literaturwissenschaftlichen Diskurses. Die Forschung griff die Emanzipation des Sexuellen, vor allem die bis dahin unterdrückte Artikulation weiblicher und gleichgeschlechtlicher Sexualität in der Gesellschaft auf und begann, Literatur auch unter diesem Aspekt zu analysieren. Dies gilt nicht nur für die Werke, die Sexualität explizit thematisieren, sondern bezieht auch den jeweiligen biographischen Hintergrund mit ein. Die Veröffentlichung von Thomas Manns Tagebüchern und deren Einbeziehung in die literaturwissenschaftliche Erforschung ermöglichten diesen Ansatz auch in Bezug auf das Oeuvre des Literaturnobelpreisträgers. Der Zusammenhang zwischen dem Werk Thomas Manns und seinen homoerotischen Grunderlebnissen ist beispielsweise von Karl Werner Böhm und Hermann Kurzke detailliert herausgearbeitet worden.
„Der Tod in Venedig“ ist Thomas Manns erste offene Darstellung von Homosexualität. Die Novelle markiert die Grenze, an der die homoerotische Camouflage endet. Manns Hauptfigur, Gustav von Aschenbach, begibt sich nach Venedig, die Stadt der ambivalenten Schönheit. Er begegnet dort dem polnischen Knaben Tadzio, einem Kind von rätselhafter Schönheit, dem er vollständig verfällt. Aschenbach beobachtet und verfolgt den Knaben. Die beiden begegnen sich, ohne, dass es zum Gespräch kommt. Der Künstler erliegt letztendlich der Cholera, der nicht erwiderten Zuneigung des Knaben sowie an der Erkenntnis der Ausweglosigkeit seines Lebens.
Ziel meiner Arbeit wird es sein, die Verbindung von Gustav Aschenbachs „Haltungs“-Moral mit den seelischgeistigen Lebensbedingungen des wilhelminischen, des imperialistisch verpreußten Deutschland zu der damaligen Zeit zu schildern und zu zeigen wie es durch Aschenbachs Hingabe an die homoerotische Neigung zu dem polnischen Knaben, zum Zusammenbruch dieser „Haltungs“-Ethik kam. Des Weiteren werde ich der Frage nachgehen, inwiefern man Thomas Mann und seine eigene Homosexualität in Zusammenhang mit der Rezeptionsgeschichte der Novelle bringen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zeitumstände und Biographisches
- Homosexualität zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
- Zur sexuellen Identität des Autors
- Homosexualität in Der Tod in Venedig.
- Der Ort: Flucht nach Italien.
- Gustav von Aschenbach....
- Aschenbach und Mann....
- Homoerotik und Künstlertum.
- Homosexualität als Krankheitssynonym....
- Eros und Thanatos..
- Schlussbetrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Darstellung von Homosexualität in Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig". Ziel ist es, die Verbindung von Gustav Aschenbachs „Haltungs“-Moral mit den seelischgeistigen Lebensbedingungen des wilhelminischen, des imperialistisch verpreußten Deutschlands zu der damaligen Zeit zu schildern und zu zeigen, wie es durch Aschenbachs Hingabe an die homoerotische Neigung zu dem polnischen Knaben, zum Zusammenbruch dieser „Haltungs“-Ethik kam.
- Darstellung der Homosexualität in der Novelle "Der Tod in Venedig"
- Analyse des Verhältnisses von Aschenbachs Moral zur gesellschaftlichen Situation
- Bedeutung der homoerotischen Neigung für den Zusammenbruch von Aschenbachs Ethik
- Verbindung von Thomas Manns eigenem Leben und Werk
- Bedeutung der Novelle für die Rezeptionsgeschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz des Themas Homosexualität in der Literatur, insbesondere im Werk Thomas Manns, dar. Sie führt in die historische und gesellschaftliche Situation zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein, in der Homosexualität unter Strafe gestellt wurde und Tabuthema war.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Zeitumstände und die biographischen Hintergründe der Novelle. Es thematisiert die gesellschaftliche Wahrnehmung von Homosexualität zu Beginn des 20. Jahrhunderts und beleuchtet anhand von Beispielen die weit verbreitete Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Darstellung von Homosexualität in "Der Tod in Venedig". Es analysiert die Rolle des Ortes Venedig, die Figur Gustav von Aschenbach und seine Beziehung zu dem polnischen Knaben Tadzio.
Das vierte Kapitel, die Schlussbetrachtung, wird nicht in der Zusammenfassung behandelt, um Spoiler zu vermeiden.
Schlüsselwörter
Homosexualität, Thomas Mann, "Der Tod in Venedig", Gustav von Aschenbach, Tadzio, wilhelminisches Deutschland, Moral, Ethik, Homoerotik, Rezeptionsgeschichte, Literaturwissenschaft.
- Quote paper
- Sabrina Cornelii (Author), 2008, Homosexualität in Thomas Mann "Der Tod in Venedig", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319223