Ansätze zur individuellen Förderung und ihre Effekte


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

18 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definitorische Orientierung und Zielsetzung Individueller Förderung

3. Ausgewählte Ansätze zur individuellen Förderung
3.1 Zugänge zur Individuellen Förderung
3.2 Didaktische Differenzierung

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Zugänge zur individuellen Förderung nach Kremer/ Zoyke

Abbildung 2 Elemente individueller Förderung nach Lippegaus

Abbildung 3 Äußere Differenzierung nach Riedl

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Dimensionen und Aspekte der Vielfalt der Heterogenität

Tabelle 2 Pädagogische Prinzipien der individuellen Förderung nach Lippegaus

Tabelle 3 Anlässe für innere Differenzierung im Unterricht nach Riedl

1. Einleitung

Seit dem von Picht und Dahrendorf geprägte Begriff der Bildungskatastrophe1 in den 1960er Jahren nimmt die Diskussion um umfassende Reformen im deutschen Schulwesen zu und nicht zuletzt seit den Veröffentlichungen der PISA Studie aus dem Jahr 2000 wird sowohl national und international Lösungsansätze zur Verbesserung der Bildung debattiert. Der Deutsche Bildungsrat reagierte immerhin im Jahre 1970 auf die von Picht und Dahrendorf konstatierten Begriff der Bildungskatastrophe mit seinem Strukturplan für das Bildungswesen. Der Strukturplan beinhaltete Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates unter anderem wie entdeckendem und problemlösendem Lernen, das kooperative Arbeiten sowie Individualisierung2 und didaktische Differenzierung3 im Unterricht. Die Reformeuphorie ließ ab 1973 wieder nach und das ver- meintlich als hervorragend eingeschätztes deutsches Bildungssystem schaffte bei der ersten länderübergreifenden Schulleistungsstudie nur ins Mittelfeld der beteiligten 43 OECD-Staaten (Vgl. Pitsch o.D., S. 4, Tenberg 2013, S. 2). Recherchen haben erge- ben, dass bei der Ursachenforschung der PISA Studie hauptsächlich nach den Spitzenreitern Asien und Skandinavien geblickt wurde, insbesondere nach Finnland, aber auch nach Schweden. Primär hat sich Skandinavien im Vergleich zu Deutschland mit dem Schwerpunkt der individuellen Förderung herauskristallisiert. Folglich wurde im Februar 2005 Artikel I des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes um den Aspekt der individuellen Förderung erweitert: § 1 "Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung. Dieses Recht wird nach Maßgabe dieses Gesetzes gewährleistet." (MSW.NRW 2005, S. 2) Laut Wiebke ist mit dieser Schul- gesetzerweiterung eine Output-Steigerung des deutschen Schulsystems notwendig geworden und um diese Qualitätssteigerung zu erreichen wurde das Konzept der in- dividuellen Förderung in vielen deutschen Bundesländern etabliert, welches die „Un- terschiede und Individualitäten aller Schülerinnen und Schüler […] berücksichtig[t], ihre Stärken […] förder[t] sowie Schwächen abbau[t] und damit grundsätzlich die Qualität des Unterrichts […] verbesser[t].“ (Vgl. Wiebke 2011, S. 3-10) Die Schulgesetzerweiterung deckt theoretisch nicht nur Leistungsstarke und -schwache Schüler/ innen ab, sondern fordert die individuelle Förderung der ganzen Schüler/-innen.

Dies wirft jedoch die Frage nach einer konkreten Umsetzung der individuellen Förde- rung auf, da besonders in den Schulgesetzgebungen der Länder keine Vorgaben zur Umsetzung spezifiziert werden- zudem gibt es bis heute keine verständliche Begriffsbestimmung zur individuellen Förderung, Wiebke spricht gar von einer „babylonischen Begriffsverwirrung“ (ebd., S. 11). Eine andere Problematik stellt die eigentliche Wirksamkeit Individueller Förderung dar- zwar wurden viele Varianten und Konzepte zur Individuellen Förderung entwickelt, wie z.B. „Individuelle Förderung und adaptive Lerngelegenheiten im Grundschulunterricht“ von Eckhard und Warwas aus dem Jahr 2011, doch weder dieses Konzept, noch andere Varianten zur individuellen Förderung aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen können genuin wissenschaftlich belegt werden.

Anhand der sichtbar gewordenen Problematiken möchte die vorliegende Arbeit einen Überblick über ausgewählte Ansätze Individueller Förderung aufführen. Dabei wird zu- nächst in Kapitel zwei eine begriffliche Orientierung Individueller Förderung, sowie de- ren Zielsetzung aufgezeigt. Aufgrund der unterschiedlichen Fachdisziplinen im Bil- dungsbereich, kann in der vorliegenden Arbeit nicht auf alle vorhandenen Ansätze der individuellen Förderung eingegangen werden. Daher werden ausgewählte Ansätze, u.a. von Lippegaus, Kremer/ Zoyke, Kunze und Riedl zur individuellen Förderung im Vordergrund stehen. Diese Hausarbeit geht eine theoretische Sichtweise der individu- ellen Förderung an- daher wird ein detaillierter Überblick über die Forschungslage zur individuellen Förderung verzichtet. Zusammenfassend wird in der Schlussbetrachtung die Effekte der individuellen Förderung aufgezeigt und inwieweit und ob die Aussagen darüber haltbar sind. Dementsprechend können für die vorliegende Arbeit folgende Fragestellungen zusammengefasst werden:

i. Was meint der Begriff „Individuelle Förderung“?
ii. Welche Ansätze der individuellen Förderungen gibt es und wie effektiv sind diese?
iii. Inwieweit sind Aussagen, bzw. Ansätze zur individuellen Förderung haltbar?

2. Definitorische Orientierung und Zielsetzung Individueller Förderung

Eine genuine Debatte um den Terminus „Individuelle Förderung“ hat sich in der Gesellschaft primär durch Picht und Dahrendorf und nicht zuletzt durch die Ergebnisse der PISA Studie im Jahre 2000 etabliert. Nichtsdestotrotz ist die individuelle Förderung keine Erfindung des 20.- und 21. Jahrhunderts, sondern stellte vor vielen Jahrhunder- ten einen wichtigen Aspekt der Geschichte der Pädagogik, Bildungs-/ Erziehungswissenschaften und der Politik dar. Sokrates hat schon ca. 400 vor Christus die Mäeutik4 gelehrt, in der die individuelle Schülerfrage als Gegenposition zur Lehrer- Rede im Zentrum stand (Vgl. Fischer 2004, S.63- 4). Johann Amos Comenius akzentuierte im 17. Jh. in seiner „Didactica Magna“, auch „große Didaktik“ genannt, nach einer „ […] Unterrichtsweise, in welcher die Lehrer weniger lehren müssen, indem die Schüler mehr lernen“ (Vgl. Tenberg 2013, S. 3). Im Zentrum beabsichtigte Comenius in seiner „großen Didaktik“ individualisierte Lernumgebungen, in der Freude und Selbstständig- keit dominierten und Lehrer/ -innen hauptsächlich als Lernbegleiter agierten- summa summarum verlangte Comenius ein „Lernen mit Tat und Beispiel“ (Vgl. Prange 2007, S. 113; Tenberg 2013, S. 3-4). Johann Heinrich Pestalozzi ging im 18. Jh. mit seiner „Hilfe zur Selbsthilfe5 “ einen Schritt weiter, indem er diese in der Elementarbildung als sichere Basis forderte (Vgl. Natorp 2012, S. 75). Im 20. Jh. erstrebte die Reformpäda- gogik einen handlungsorientierten, selbsttätigen Unterricht, der weitgehend den didak- tischen Grundgedanken Pestalozzi’s vertrat (Vgl. Ehrenhard 2009, S. 103). Durch die erstmaligen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen in den Sechzigern über umfassende Reformen im deutschen Schulwesen, deren Debattenursprung durch Picht’s und Dahrendorf’s konstatierten Begriff der Bildungskatastrophe entstand, ent- wickelte der Deutsche Bildungsrat 1970 einen Strukturplan für das Bildungswesen. Seid der Reformpädagogik wurde erstmalig der Grundgedanke der individuellen För- derung politisch festgehalten: Der Deutsche Bildungsrat griff in seinem Strukturplan didaktische Konzepte auf, die das einzelne Kind wieder ins Zentrum stellten (Vgl Führ/ Furck 1998, S. 279 f.).

Bevor in dieser Arbeit konkret auf die didaktischen Konzepte eingegangen werden kann, ist eine begriffliche Eingrenzung der individuellen Förderung anhand unterschiedlicher Definitionsversuche notwendig. Prinzipiell definieren Tenorth/ Tippelt den Begriff „Förderung“ als einen „Sammelbegriff für alle erzieherischen, beratenden oder therapeutischen Maßnahmen zur Ausbildung und Verbesserung ausgewählter Fähigkeiten.“ (Tenorth/Tippelt 2007, S. 252) Meyer gibt in seinem Handbuch „Was ist guter Unterricht“ eine umfassende Definition über den Terminus „individuelle Förderung“: Demnach soll jeder/m Schüler/ -in die Chance gegeben werden, ihr/ sein intellektuelles, affektives, motorisches und soziales Potential umfassend zu entwickeln und die Schüler/- innen dabei durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen (Vgl. Meyer 2004, S.19 f.). Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) definiert in seiner „Forum Bildung“ die individuelle Förderung folgendermaßen: „Individuelle Förderung entscheidet darüber, ob Menschen sich nach ihren Fähigkeiten und Interessen entwickeln können. Individuelle Förderung ist gleichermaßen Voraus- setzung für das Vermeiden und den rechtzeitigen Abbau von Benachteiligungen wie für das Finden und Fördern von Begabungen. […]“ (BLK 2001, S.7). Lippegaus, ergänzt hierzu, die den Fokus auf benachteiligte Jugendliche legt, „dass innerhalb einer Maßnahme der oder die einzelne Jugendliche den Ausgangspunkt der pädagogischen Denk- und Handlungsweisen bildet.“ (Vgl. Lippegaus 2000, S.3) Über diesen Versuch der Begriffsabgrenzung von den dargestellten Autoren und des BLK’s hinaus gibt es verschiedene Definitionen, die das Konzept der individuellen Förderung an sich mani- festieren. Es wurde ersichtlich, dass der Terminus „Individuelle Förderung“ ein umfas- sendes Konzept didaktisch- pädagogischen Handelns aufweist. Recherchen haben je- doch ergeben, dass Individuelle Förderung häufig im Kontext mit schulischen Individu- alisierungsideen, Heterogenität und Differenzierung stehen. Im Folgenden wird kurzfassend näher über die Begriffe Individualisierung und Heterogenität zum Verständnis eingegangen- der Terminus „Differenzierung“ wird im Abschnitt 3.2 näher erläutert.

Individualisierung

Mit Individualisierungsideen, bzw. Individualisierung ist nach Tenorth/ Tippelt die di- daktische Leitlinie an der Leistungs- und Lernfähigkeit der einzelnen Schüler/ -innen gemeint (Vgl. Tenorth/ Tippelt 2007, S. 334).

[...]


1 Der Terminus „Bildungskatastrophe“ beschreibt den damaligen Bildungsrückstand in „inhaltlicher, gesellschaftlicher, struktureller und bildungspolitischer“ Hinsicht in Deutschland (Vgl. Tenorth/ Tippelt 2007, S.101).

2 Unter „Individualisierung“ meinen Tenorth/ Tippelt die individuelle und subjektive Entfaltung des Einzelnen (vgl. Tenorth/Tippelt 2007, S. 317). Die detaillierte Erläuterung hierzu folgt in Kapitel 2.

3 Die Erläuterung der „didaktischen Differenzierung“ folgt in Kapitel 3.2

4 Mäeutik, auch Hebammenkunst genannt, ist eine von Sokrates geübte Methode, durch Fragen den Schüler zur Erkenntnis zu führen (Vgl. Fischer 2004, S.63- 4).

5 Natorp und Tenberg erläutern Pestalozzi’s „Hilfe zur Selbsthilfe“ als eine individuelle Befähigung der Menschen, sich selbst zu helfen, d.h., dass die Wissensvermittlung nur indirekt erfolgen kann, indem die ursprünglichen Kräfte der Schüler frei gesetzt werden (Vgl. Natorp 2012, S. 75, Tenberg 2013, S. 3-4).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Ansätze zur individuellen Förderung und ihre Effekte
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
1,7
Jahr
2015
Seiten
18
Katalognummer
V319705
ISBN (eBook)
9783668184176
ISBN (Buch)
9783668184183
Dateigröße
818 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
individuelle Förderung
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Ansätze zur individuellen Förderung und ihre Effekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319705

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