Die Behandlung von Traumafolgestörungen in Kriegsgebieten. Kindersoldaten in Mosambik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

26 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Trauma
2.1. Definition
2.2. Posttraumatische Belastungsstörungen und weitere Traumafolgestörungen
2.3. Symptomatik der Traumafolgestörungen
2.4. Epidemiologie
2.5. Komorbidität
2.6. Verlauf

3.Therapie
3.1. Psychodynamisch Imaginative Therapieverfahren
3.2. Trauma-Fokussierte kognitive Verhaltenstherapie
3.3. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)

4.Traumabehandlung in Kriegsgebieten
4.1. Kindersoldaten in Mosambik
4.1.1. Folgestörungen bei ehemaligen Kindersoldaten
4.1.2. Traditionelle Behandlung ehemaliger Kindersoldaten
4.1.3. Ziele der Reinigungszeremonien
4.2. Über die Organisation „Reconstruindo a Esperanza“

5.Interkulturelle Herausforderungen und ihre Bewältigung
5.1.Wie kann die Intervention bei Kindersoldaten verbessert werden?

6.Fazit

Zitierte Literatur

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit für das Seminar „Einführung in die Medizinethnologie“ möchte ich der Fragestellung nachgehen, wie Traumafolgestörungen in Kriegsgebieten behandelt werden können. Dazu werde ich meinen Fokus auf ehemalige Kindersoldaten in Mosambik legen.

Da die Zahl traumatisierter Menschen nach Kriegseinsätzen besonders hoch ist, ist es meiner Meinung nach wichtig, nach möglichen Behandlungswegen zu suchen. Folgestörungen von Gewalttaten sind in der ganzen Welt verbreitet, doch Kindern in Kriegsgebieten zu helfen ist meinem Empfinden nach besonders bedeutsam, da ihnen ihr ganzes Leben gerade erst bevorsteht.

Um eine Einführung in das psychotherapeutische Thema Trauma zu geben, werde ich die Definition, den Verlauf und Komorbiditäten beschreiben. Besonders werde ich die posttraumatische Belastungsstörung erläutern, da diese eine häufige Folge von schweren Traumata ist. Anschließend möchte ich drei westlich geprägte Therapiemodelle beschreiben, die besonders in Europa angewendet werden, um einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten der Behandlung zu bekommen.

Die weitere Arbeit befasst sich mit Kindersoldaten aus Mosambik und wie diese durch traditionelle Heiler behandelt werden.

Abschließend werde ich interkulturelle Herausforderungen beschreiben, um die Differenzen zwischen westlichen Therapiemethoden und traditionellem Heilverfahren heraus zu arbeiten und anhand eines mosambikanischen Traumahilfsprojektes beschreiben, wie die Umsetzung interkultureller Therapie aussieht und wie man sie verbessern könnte.

Ein persönliches Fazit wird am Ende meiner Arbeit wieder auf die ausgehende Fragestellung eingehen.

2. Trauma

2.1. Definition

Ein Trauma (griech.: „Wunde“) kann durch verschiedene Erlebnisse entstehen, beispielsweise durch das Miterleben von Krieg und Naturkatastrophen, durch schwere Unfälle, Krankheiten und nicht zuletzt durch erhebliche psychische oder physische Gewalterfahrungen (Deutsche Gesellschaft für Psychotraumatologie, o. J.). Im Gegensatz zu weniger gewöhnlicheren Erlebnissen, die mit Angst und Trauer verbunden sind, wie der Verlust eines Familienmitgliedes oder das Ende einer Ehe, reichen im Falle eines Traumas die natürlichen Schutzmechanismen des Menschen nicht aus, um die Erfahrung zu verarbeiten. Wenn das übliche Verarbeitungsvermögen scheitert, wird durch die Angst und Hilflosigkeit eine unbewusste Überlebensstrategie des Körpers angewandt, die körperliche Prozesse auf das Nötigste reduziert, woraus auf Dauer oft langfristige Störungen resultieren (Friedrich & Scherwath 2012: 18).

Das Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) beschreibt Traumata als „kurz- oder langanhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (ICD-10; Weltgesundheitsorganisation 1994: 124, zit. n. Maercker 2013: 14).

Das DSM-IV System (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, US-amerikanisches Pendant zum ICD-10) beschreibt ein Trauma als „ein Ereignis oder Ereignisse, die eine Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung oder Gefahr für eigene oder fremde körperliche Unversehrtheit beinhalten“ (A1-Kriterium nach DSM-IVTR: American Psychiatric Association 2000: 491, zit. n. Maercker 2013: 14). Das DSM unterscheidet zusätzlich verschiedene Formen von Traumata in folgende Unterkategorien: interpersonelles, sprich vom Menschen verursachtes, und akzidentelles also zufälliges Trauma sowie kurzfristiges oder einmaliges (Typ 1) und mehrfach oder langfristiges (Typ 2) Trauma (Maercker 2013: 16). Typ 1 ist oftmals durch Überraschung und akute Lebensgefahr gekennzeichnet, Typ 2 hingegen beinhaltet oft eine ganze Serie verschiedener Ereignisse (Maercker 2013: 15).

Immer aber wird ein Trauma durch extreme Gefahrensituationen gebildet, die durch direkte Erfahrung, persönliche Zeugenschaft oder durch Erlebnisse innerhalb der Familie oder des Freundeskreises entstehen können und weisen immer ähnliche psychische Symptome auf.

Beide Diagnoseklassifikationssysteme beschreiben die Symptome der Traumafolge als eigenständige Störungsbilder: die posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS).

2.2. Posttraumatische Belastungsstörungen und weitere Traumafolgestörungen

Wenn Menschen ihre Erinnerungen an die traumatische Erfahrung nicht ordnen können, bilden sich Muster, die zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen können, da das Trauma und die damit verbundene Verwirrung zum Lebensmittelpunkt des Betroffenen wird. Die persönliche Einschätzung bezüglich der Hilflosigkeit innerhalb des Erlebnisses bestimmt den Grad der Traumatisierung entscheidend. Die vom Traumatisierten selbst zugeschriebene Bedeutung ist folglich genauso bedeutend wie das Trauma an sich. Die Folgestörungen sind der treibende Faktor der Krankheit, nicht das Trauma selbst (Van der Kolk 2000: 30).

Es gibt fünf Hauptkriterien, bei deren Erfüllung man auf eine mögliche PTBS zurückschließen kann:

1.das Erlebnis eines Traumas

2.Intrusionen (unwillkürliche, belastende Erinnerungen an das Trauma)

3.Vermeidungsverhalten und ein allgemeiner emotionaler Taubheitszustand

4.anhaltendes, physiologisches Hyperarousal (Übererregung, z.B. Aufschrecken bei lauten Geräuschen)

5.die Symptome dauern länger als einen Monat (ansonsten eher Verdacht auf akute Belastungsstörung, die meist unmittelbar nach dem Ereignis auf tritt)

(Maercker 2013: 14)

Das Erscheinungsbild der posttraumatischen Belastungsstörung lässt folglich auf drei Hauptsymptome schließen (es ist zu bedenken, dass die Symptome variieren können):

Die Intrusionen, ein unwillkürliches Wiedererleben des Traumas, kennzeichnen die Gebundenheit des Betroffenen an das traumatische Erlebnis, da ständig lebhafte Erinnerungen in ihm aufkommen. Oftmals wird dies als „Überflutungszustand“ erlebt, der ein großes Belastungsgefühl birgt und sich nicht selten in Albträumen widerspiegelt. Intrusionen werden als zentrales Leitsymptom verstanden (Flatten et al. 2004: 19).

Durch Vermeidung versuchen die Betroffenen ihre Gedanken an das Erlebnis zu unterdrücken, indem sie Orte oder Aktivitäten meiden, die an ihr Trauma erinnern was nur in seltenen Fällen gelingt. Ist es doch möglich, so lässt sich ein dissoziativer Zustand als Folge der Vermeidung nicht ausschließen, es kann sogar zu Teilamnesien führen. Damit geht oft das sogenannte numbing einher, ein Gefühl der Vereinheitlichung der eigenen Emotionen, eine Entfremdung von Mitmenschen und allgemeiner sozialer Rückzug.

Beim Hyperarousal handelt es sich um Übererregungssymptome (wie Schlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit) als Folge traumatischer Erfahrungen, die sich dadurch kennzeichnen, dass der Betroffene stets wachsam gegenüber äußeren Reizen ist. Dadurch, dass sich die Erregungsschwelle im autonomen Nervensystem senkt, wirken Belastungen früher und nachhaltiger (Maercker 2013: 17).

2.3. Symptomatik der Traumafolgestörungen

Traumafolgestörungen können nicht nur zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen, sondern ebenso zu einer akuten Belastungsstörung, zu einer komplexen PTBS, oder auch zu somatoformen Traumafolgestörungen, bzw. Dissoziationen.

Die akute Belastungsstörung ist bereits nach zwei Tagen bis maximal vier Wochen nach dem traumatischen Erlebnis diagnostizierbar. Sie zeichnet sich durch die vier Kriterien der PTBS aus (ohne das fünfte Kriterium der Zeitspanne) und mindestens drei dissoziativen Symptomen, wie zum Beispiel die dissoziative Amnesie. Der Schwerpunkt der akuten Belastungsstörung liegt im Gegensatz zur PTBS auf dieser dissoziativen Symptomatik und ist kein Vorbote für eine spätere PTBS, da sie unmittelbar nach dem Erlebnis auftritt und i.d.R und im Vergleich zur PTBS relativ schnell überwunden wird (Maercker 2013: 21).

Über die Symptomgruppen der PTBS hinaus geht die komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Sie ist eine „andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung“ (Maercker 2013: 22). Sie zeichnet sich durch eine tiefgreifende Störung der eigenen Affektregulation aus, was zu Verwechselungen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung führen kann. Beide Störungen sind im Kern durch Verlustängste, Identitätswechsel (bei PTBS immer zum Negativen) und suizidales Verhalten geprägt, doch erfordert die Borderline-Persönlichkeitsstörung weder eine traumatische Belastung noch die Kernsymptome der PTBS.

In somatoformen Traumafolgestörungen (bzw. somatoformen Dissoziation) reagieren die Betroffenen mit körperlichen Beschwerden auf das Erlebnis, das sie nicht akzeptieren können (Van der Kolk 2000: 32). Selbst empfundene Vermeidung und Intrusionen finden nicht statt, viel mehr kommt es zu sensorischen Ausfällen und körperlichen Schmerzen (Maercker 2013: 26).

2.4. Epidemiologie

Die Verbreitung von Traumata ist abhängig von der Häufigkeit traumatischer Ereignisse. In Regionen, die oftmals von Naturkatastrophen belastet sind, in denen Krieg herrscht oder politische Gewalt ausgeübt wird, sind traumatische Störungsbilder eine offensichtliche Folge. Deshalb ist bei epidemiologischen Angaben auf der Herkunft der Prävalenzraten zu achten. Diese Raten können allerdings ebenso auf ein gewisses Lebensalter hinweisen. Menschen im höheren Alter weisen höhere Prävalenzraten auf, was vermutlich durch längeren Aufenthalt in Kriegsgebieten entsteht (Maercker 2013: 29). Die pathogensten Traumata, also die, die am häufigsten Folgestörungen auslösen, sind laut Maercker Vergewaltigungen, Misshandlungen und sexueller Missbrauch in der Kindheit sowie die Teilnahme an Kriegsgeschehnissen. Doch epidemiologische Angaben sind immer nur wahrscheinliche Angaben, weniger pathogene Traumata können gleichermaßen zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen.

2.5. Komorbidität

Posttraumatische Belastungsstörungen weisen eine hohe Wahrscheinlichkeit von Begleiterkrankungen auf. Häufige zusätzliche Diagnosen sind Angststörungen, Depressionen, Somatisierungsstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Oft wird auch eine Medikamentensucht erkannt, weil Betroffene einer chronischen PTBS häufig medikamentös behandelt werden, da Psychopharmaka eine positive Wirkung auf spezifische Symptome oder Syndrome bewirken kann (Zobel 2006: 135). Eine weitere, sehr häufige komorbide Folge ist die Suizidalität. Des Weiteren können sich Sozialphobien oder spezifische Phobien bilden, die durch traumatische Erlebnisse hervorgerufen wurden.

In vielen Fällen werden mehr als nur eine komorbide Störung diagnostiziert (Maercker 2013: 31).

2.6. Verlauf

Das Auftreten der PTBS-Symptome ist prinzipiell in jedem Alter möglich; üblicherweise treten erste Symptome aber innerhalb der ersten Monate nach der Traumabildung auf. Unmittelbar nach dem Erlebnis machen sich meist Schock- oder akute Belastungszustände bemerkbar, die sich allerdings häufig durch spontane Heilung innerhalb der nächsten Tage oder Wochen zurückbilden. Eine Studie von Kessler et al. (zit. n. Maercker 2013: 32) belegt, das ein Drittel der Menschen, die von einem Trauma betroffen wurden, innerhalb von 12 Monaten wieder beschwerde- und symptomfrei ist. Insgesamt ist die Hälfte der Betroffenen nach vier Jahren wieder gesund, ein Drittel ist oft noch nach 10 Jahren folgestörungsbelastet.

3.Therapie

Die Komplexität der PTBS-Symptomatik bestimmt die Behandlungsverfahren: sie sind ein kultur- und störungsspezifisches Vorgehen, das besonders vielschichtig und individuell ist. Therapeutische Verfahren werden oft für bestimmte Traumagruppen, z.B. Kriegsveteranen, Katastrophen- oder Vergewaltigungsopfer, kombiniert. Im Folgenden möchte ich drei Therapieverfahren darstellen, die vorwiegend und mit Erfolg angewendet werden.

3.1. Psychodynamisch Imaginative Therapieverfahren

Psychodynamische Therapieverfahren sind von tiefenpsychologischen Strategien geprägt (Flatten et al. 2004: 105) und nutzen die Fähigkeit der Vorstellungskraft in allen Therapiephasen (Lampe et al. 2008: 190). Im Fokus stehen chronische Verunsicherungen und Bedrohungen bei Klienten, die an komplexen kindlichen Traumatisierungen leiden (Lampe et al. 2008: 190). Therapeuten, die sich auf Psychodynamik spezialisieren, sehen in der Symptombildung einen reaktiven Anpassungsprozess an das traumatische Erlebnis. Voraussetzung der Behandlung ist das Verständnis der Reaktionsmuster (Flatten et al. 2004: 105). Das Ziel der Behandlung ist „die traumatische Erfahrung aufzuarbeiten, indem er/sie sich Schritt für Schritt dem Wiedererleben des traumatischen Ereignisses und seiner Auswirkungen auf beherrschbarem Niveau aussetzt“ (Horowitz 1974, zit.n. Flatten et al. 2004: 105). Durch die therapeutengestützte Wiedererinnerung soll die Erfahrung in die Persönlichkeitsentwicklung des Betroffenen integriert werden. Mit Hilfe von Beobachterpositionen tastet man sich schonend an die Konfrontation mit dem Trauma an, um Affektüberflutungen zu vermeiden und innere Sicherheit zu gewähren. Imaginative Techniken werden in der Phase der Integration, der Trauer und des Neubeginns genutzt, um durch Vorstellungskraft neues Verhalten erst innerlich vorzubereiten, bevor es im Alltag integriert werden soll (Lampe et al. 2008: 191).

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Behandlung von Traumafolgestörungen in Kriegsgebieten. Kindersoldaten in Mosambik
Hochschule
Universität zu Köln
Autor
Jahr
2015
Seiten
26
Katalognummer
V319959
ISBN (eBook)
9783668191969
ISBN (Buch)
9783668191976
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
behandlung, traumafolgestörungen, kriegsgebieten, kindersoldaten, mosambik
Arbeit zitieren
Lisa Förster (Autor:in), 2015, Die Behandlung von Traumafolgestörungen in Kriegsgebieten. Kindersoldaten in Mosambik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319959

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