Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Was ist Sprachmittlung?
2.1 Warum sollte Sprachmittlung im Gymnasialunterricht verwendet werden?
3. Anforderungen an die Schüler/Innen mit Blick auf die sprachlich-kommunikative und interkulturelle Kompetenz
4. Sprachmittlungsaufgaben und ihre Qualität
5. Fazit:
6. Literaturverzeichnis:
1. Einleitung
Seit geraumer Zeit sehen sich vor allem Kultus- und Bildungsministerien in der Pflicht die schulische Ausbildung um praxisnahe Aspekte zu erweitern, nicht zuletzt um dem Gelerntem mehr Bezug zum realen Leben geben zu können. Im Zuge dieser Entwicklung gewinnt die interkulturelle Komponente des Sprachunterrichtes, welche ich insbesondere in meiner wissenschaftlichen Arbeit beleuchten möchte, wesentlich an Bedeutung, denn die Schüler/innen sollen die Kompetenz erlangen sich sicher und frei zwischen Kulturen bewegen können. Dies erfordert sowohl ein gewisses Maß an allgemeinem Wissen über die jeweilige Kultur als auch die Fähigkeit, Sachverhalte sprachlich, aber auch inhaltlich korrekt vermitteln zu können, es impliziert somit den Grundgedanken der Sprachmittlung und ist zu einem wichtigen Plan des Bildungsplans geworden.
Jene signifikante Aufwertung hat die Sprachmittlung bereits 2001 durch die Aufnahme in den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR), den Einheitlichen Prüfungsanforderungen im Abitur für die modernen Fremdsprachen (EPA) und somit auch in den aktuellen curricularen Vorgaben für den modernen Fremdsprachenunterricht aller Bundesländer erfahren. Diese Vorgaben verdeutlichen, dass die inhaltliche Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts in zunehmendem Maße durch die Sprachmittlung, die neue „Fertigkeit“, beeinflusst wird. Auf diese Veränderungen mussten sich nicht nur die Schüler/Innen und Lehrer/Innen einstellen, sondern auch viele Fremdsprachendidaktiker/Innen betraten im Bereich der Theorie und Praxis oftmals Neuland, weshalb die wissenschaftliche Erforschung dieser „neuen“ Kompetenz teilweise noch aussteht.
In meiner wissenschaftlichen Arbeit soll zunächst geklärt werden, was Sprachmittlung überhaupt ist, besagtes werde ich anhand von Definitionen und Erläuterungen einiger Fremdsprachendidaktiker/Innen versuchen darzulegen. Im Folgenden möchte ich der Fragestellung nachgehen, warum Sprachmittlung im Fremdsprachenunterricht verwendet werden sollte bzw. welche Bedeutung ihr zukommt. Ebenso gilt es für mich herauszufinden welche konkreten Anforderungen, auch in Abgrenzung zur Thematik der „Übersetzung“ bzw. des „Dolmetschens“ an die Schüler/Innen gestellt werden. Insbesondere die sprachlich-kommunikative und interkulturelle Kompetenz sollen hierbei besonders beleuchtet werden. Daraufhin möchte ich darlegen, welche Kriterien gelungene Sprachmittlungsaufgaben berücksichtigen müssen. Abschließend möchte ich gebündelt in einem Fazit Stellung beziehen in Bezug auf die Quintessenz meiner wissenschaftlichen Arbeit und der wesentlichen Erkenntnisse.
2. Was ist Sprachmittlung?
Nachdem ich im Abschnitt zuvor versucht habe die bildungspolitische Verankerung der Sprachmittlung darzulegen, will ich nun aufzeigen was der Terminus der Sprachmittlung impliziert.
Ursprünglich stammt der Begriff der Sprachmittlung aus dem Bereich der Sprachwissenschaft, der analog zur Translation verwendet wird und „Prozesse des Übersetzens und des Dolmetschens“[1] bezeichnet. Im schulischen Kontext jedoch ist Sprachmittlung als Abgrenzung zum traditionellen Übersetzen zu sehen, sowohl in Bezug auf den Grad der Genauigkeit (genaue, möglichst wortgetreue Textabbildung vs. Sinngetreue Übertragung wesentlicher Inhalte und Mitteilungsabsichten) als auch auf die Orientierung, denn während sich das Dolmetschen/Übersetzung ausschließlich am Text orientiert, ist die Sprachmittlung am Kommunikationszweck orientiert, d.h. der Sprachmittler muss seine Inhalte an die Bedürfnisse der Adressaten und deren Kommunikationsabsichten anpassen[2].
Für den Fremdsprachenunterricht sind das Übersetzen und Dolmetschen unerreichbare Zielkompetenzen, deren Effekt auf das Sprachenlernen zweifelhaft ist.[3] Zumal der Marburger Sprachwissenschaftler Wilhelm Viëtor 1882, nachdem der Fremdsprachenunterricht bis dato nahezu ausschließlich aus Übersetzungen bestand, einst urteilte: „Das Übersetzen in fremde Sprachen ist eine Kunst, welche die Schule nichts angeht." Im Gegensatz zur sinngemäßen Übertragung bedingt die Übersetzung keine eigene sprachliche Verarbeitung und Textproduktion und kommt in alltagssprachlichen Situationen nicht vor.[4] Mittlerweile hat man für den schulischen Bereich erkannt, dass es für das Erlangen kommunikativer (fremdsprachlicher) Fertigkeiten wenig zuträglich ist, bei Schülerinnen und Schülern eine Kompetenz anbahnen zu wollen, für deren Erlangen eine intensive und über mehrere Jahre angelegte professionelle Ausbildung nötig ist.[5]
Mittlerweile ist die Sprachmittlung bzw. „Mediation“, wie oben bereits angedeutet, fester Bestandteil des Fremdsprachencurricula, der Lehrpläne an deutschen Schulen.
Rössler beschreibt sie folgendermaßen: „Sprachmittlung ist eine komplexe, unter Umständen auch interaktive Aktivität in einer mindestens zweisprachigen Sprechhandlungssituation, zu deren Realisierung sowohl rezeptive als auch produktive kommunikative Fertigkeiten beherrscht und angewandt werden müssen. Die dafür nötige Kompetenz beinhaltet die adressaten- sinn- und situationsgerechte Übermittlung von Inhalten geschriebener und gesprochener Texte von einer Sprache in die andere, nicht aber eine textadäquate Übersetzung bzw. ein ebensolches Dolmetschen.“[6]
Infolge dieser Definition können Sprachmittlungsaufgaben also nur gelöst werden, wenn verschiedene rezeptive und produktive Fertigkeiten verwendet werden. Unterschieden werden kann zwischen mündlicher Übertragung, dem Dolmetschen, und schriftlicher Übertragung, dem Übersetzen.
Im Zuge der Entwicklung an deutschen Schulen ersetzt die kommunikative Adäquatheit, die es verlangt Inhalte in einer bestimmten Kommunikationssituation adressatengerecht zu transferieren, (Sprachmittlung) die translatorische Adäquatheit (Übersetzung).
Dies impliziert nicht nur die Rückkehr der Muttersprache in den Fremdsprachenunterricht, sondern macht sie zum zentralen Gegenstand des kommunikativen Handelns. Schließlich war es über Jahrzehnte möglichst zu vermeiden, im Fremdsprachenunterricht die Muttersprache außerhalb von Vokabelerklärungen, Grammatik oder Aufgabenerläuterungen zu verwenden. Die Einsprachigkeit galt als Richtschnur für Fremdsprachenlehrer und auch für die Lerner.[7]
Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen unterscheidet folgende Formen der Sprachmittlung[8]:
schriftlich
genaue Übersetzung
literarische Übersetzung
Zusammenfassung der wesentlichsten Punkte
in der L2 oder zwischen L1 und L2
Paraphrasieren
mündlich
Simultan-Dolmetschen
Konsekutiv-Dolmetschen
informelles Dolmetschen
Die unterschiedlichen Formen der Sprachmittlung unterscheiden sich dabei erheblich[9], besonders in Bezug auf „professionelle Formen der Sprachmittlung“[10] (Dolmetschen, Übersetzen) und Formen des Sprachmittelns in Schule und Alltag.
Wie zuvor bereits angedeutet, divergieren sowohl der Grad der Genauigkeit als auch die Anwendungssituationen (berufliche oder politische Texte – kommunikative Alltagssituationen). Ebenso gibt es Unterschiede im Bereich der Orientierung, denn während sich die professionelle Form des Sprachmittelns am Text orientiert, richtet sich das „schulische“ Sprachmitteln nach dem Adressaten, somit sind möglicherweise Paraphrasierungen, Ergänzungen oder Zusätze notwendig.[11]
2.1 Warum sollte Sprachmittlung im Gymnasialunterricht verwendet werden?
Bevor ich mich tiefergehend mit der Fragestellung beschäftige, möchte ich zunächst die allgemeine Bedeutung der Sprachmittlung darlegen. Es gilt festzuhalten, dass die Sprachmittlung in der alltäglichen und beruflichen Kommunikation von großer Bedeutung ist, denn nicht zuletzt das Zeitalter der Globalisierung bzw. einer ansteigenden globalen Vernetzung von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur bedingt mehr berufliche Flexibilität bzw. Freiheit und die Bürger/Innen befinden sich häufiger in interkulturelle Begegnungssituationen[12], was wiederum das Übertragen von Informationen und Hinweisen von einer in die andere Sprache erfordert.
Führt man sich vor Augen, dass in den derzeit 27 EU-Ländern 23 Amtssprachen gesprochen werden, so wird deutlich, dass dem GeR bzw. der EU die Mehrsprachigkeit seiner Bürger/Innen am Herzen liegt.
Darüber hinaus kann der weltweite Zugriff auf Informationen im Internet nur für diejenigen realisiert werden, die die Kompetenz besitzen fremdsprachliche Informationen in ihre Muttersprache übertragen zu können, deswegen ist es nötig, dass Schüler/Innen als Sprachmittler fungieren können.[13]
[...]
[1] Bausch. 1980. S. 797.
[2] vgl. Caspari 2008. S. 60.
[3] vgl. Caspari 2008: S. 60.
[4] vgl. Bischoff 2008: S. 14.
[5] Vgl. Caspari. 2008. S.60.
[6] Rössler, Andrea (2008). „Die 6. Fertigkeit? Zum didaktischen Potenzial von Sprachmittlungsaufgaben im Französischunterricht“. In: Zeitschrift für romanische Sprachen und ihre Didaktik 2.1. S. 52-77.
[7] Rössler 2009. S. 158
[8] Vgl. Europarat. 2001. S. 89.
[9] Hallet, Wolfgang. 2008. S. 5.
[10] Caspari, Daniela. 2008a. S. 60.
[11] Vgl. Caspari, Daniela. 2008b. S. 60.
[12] Vgl. Handreichungen zur Sprachmittlung in modernen Fremdsprachen.Berlin-Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport. S. 3.
[13] Vgl. Handreichungen zur Sprachmittlung in modernen Fremdsprachen.Berlin-Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport. S. 3.