Das Brasilienbild in der Sportberichterstattung. Die Darstellung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in der Süddeutschen Zeitung


Masterarbeit, 2016

125 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I Einleitung

II Theoretischer Teil
1 Theoretische Grundlagen und Forschungsgegenstand
1.1 Brasilien – Das WM-Austragungsland 2014
1.1.1 Geographischer Überblick
1.1.2 Historische Übersicht, Brasiliens Bevölkerung und Kultur
1.1.3 Politische und wirtschaftliche Lage
1.1.4 Soziale Probleme
1.2 Die Fifa Fußball-Weltmeisterschaft
1.2.1 Fédéracion Internationale de Football Association (Fifa)
1.2.2 Entwicklung der Fußball-Weltmeisterschaft
1.2.1 Die Vergabe der WM 2014 an Brasilien
1.3 Medien und ihre Nutzung
1.3.1 Sport und Medien und deren wechselseitige Beziehung
1.3.2 Die Sportberichterstattung
1.3.3 Die Printmedien

III Empirischer Teil
2 Methodik
2.1 Methodisches Vorgehen
2.2 Der Untersuchungsgegenstand (Korpus)
2.3 Die Analysekriterien
3 Darstellung der Ergebnisse
3.1 Berichterstattung zur WM unter sportlichen Gesichtspunkten
3.2. Artikel, die ein Bild über Brasilien darstellen
3.2.1 Anzahl und Erscheinungsdaten der Artikel
3.2.2 Größe und Position der Artikel
3.2.3 Überschriften
3.2.4 Illustrative Darstellungen
3.2.5 Rubrik und Darstellungsform
3.2.6 Inhalt
3.2.7 Tendenz in Bezug auf Brasilien
4 Interpretation der Ergebnisse
4.1 Berichterstattung zur WM unter sportlichen Gesichtspunkten
4.2 Artikel, die ein Bild über Brasilien darstellen
4.2.1 Anzahl und Erscheinungsdaten der Artikel
4.2.2 Überschriften
4.2.3 Illustrative Darstellungen
4.2.4 Rubrik und Darstellungsform
4.2.5 Tendenz in Bezug auf Brasilien

IV Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Politische Gliederung und geographische Lage Brasiliens in Südamerika

Abbildung 2: Physische Karte Brasiliens

Abbildung 3: Ökosysteme Brasiliens

Abbildung 4: Bevölkerungsgruppen

Abbildung 5: Lebensbedingungen und Wanderungsströme der Bevölkerung Brasiliens

Abbildung 6: Bevölkerungszahlen in Brasilien

Abbildung 7: Bruttoinlandsprodukt 2005 - 2015

Abbildung 8: Inflationsrate von 2004 - 2015

Abbildung 9: Anteile der Sektoren am BIP

Abbildung 10: Industrieansiedlung

Abbildung 11: Arbeitslosenquote der Frauen und Männer

Abbildung 12: Standorte der zwölf WM-Stadien

Abbildung 13: Proteste in Brasilien

Abbildung 14: Unmut gegenüber der Fifa

Abbildung 15: Das Interesse an der Sportberichterstattung in Deutschland

Abbildung 16: Mediales Sportarteninteresse

Abbildung 17: Sportinformationsmedien

Abbildung 18: Internet- und Tageszeitungennutzung als Sportinformationsmedium

Abbildung 19: Entwicklung der verkauften Auflagen der Tageszeitungen in Deutschland (1991 bis 2014)

Abbildung 20: Zuwachs der ePaper-Auflagen

Abbildung 21: Verkaufte Auflagen der Tageszeitungen im 2. Quartal 2015

Abbildung 22: Anzahl der Artikel über die WM, aufgeteilt in Verweise, Statistik und Artikel

Abbildung 23: Erscheinungsdaten der Artikel

Abbildung 24: Darstellung des Brasilienbildes

Abbildung 25: Erscheinungsdaten der Artikel, die über das Brasilienbild berichten

Abbildung 26: Mittelgroß, sichtbar (Artikel 6)

Abbildung 27: Klein, nicht gut sichtbar (Artikel 1)

Abbildung 28: Groß, sehr gut sichtbar (Artikel 14)

Abbildung 29: Position der Artikel

Abbildung 30: Beispiele für kleine, mittlere und große Überschriften

Abbildung 31: Größe der Überschriften

Abbildung 32: Inhalt der Überschriften

Abbildung 33: Tenor der Überschriften

Abbildung 34: Bilder im Artikel

Abbildung 35: Verhältnis Bild- zu Textanteil bei den 97 Artikeln, die Bilder enthalten

Abbildung 36: Inhalt der Bilder

Abbildung 37: Rubriken, in denen die Artikel veröffentlicht wurden

Abbildung 38: Inhaltliche Themengebiete der Artikel

Abbildung 39: Darstellung des Brasilienbildes: negativ, positiv, neutral

Abbildung 40: Tendenzen vor, während und nach der WM

Abbildung 41: Größe der Artikel mit den jeweiligen Tendenzen

Abbildung 42: Themenbereiche geordnet nach negativer, positiver und neutraler Tendenz

Abbildung 43: Bilder aus Artikel 5

Abbildung 44: Polizist patrouilliert in der Favela (Artikel 82)

Abbildung 45: Bilder zum Artikel 14

Abbildung 46: Bild zu Artikel 11

Abbildung 47: Bilder zu Artikel 134, rechte Zeitungsseite

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gini-Indizes verschiedener Nationen

Tabelle 2: Übersicht der bisherigen Austragungsländer und Daten

Tabelle 3: Nutzungsdauer der Medien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I Einleitung

„Die Schattenseiten der Fußballparty“ (Ahrens, 2014). Dieser Titel aus der Zeitschrift Der Spiegel könnte eine gute Beschreibung der kontroversen Zustände im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien im Jahr 2014 sein.

Ob dieses Zitat mit seiner Verallgemeinerung tatsächlich auf das Turnier in Brasilien zutrifft und wie die Süddeutschen Zeitung das Land mit allen seinen Facetten darstellt, wird in der vorliegenden Masterarbeit untersucht.

Die Fifa Fußball-Weltmeisterschaft ist weltweit eines der populärsten Großereignisse, welches die Aufmerksamkeit großer Teile der Bevölkerung vieler Nationen auf sich zieht. Während des Turniers fiebern die Menschen mit ihrer Nationalmannschaft im Kampf um den Weltmeisterpokal mit. Die Sportart Fußball erfreut sich weltweit großer Beliebtheit, da sie eine kostengünstige und leicht zu praktizierende Freizeitbeschäftigung ist. Sie wird von allen Bevölkerungsschichten interessiert verfolgt. Für viele Arme ist sie ein Hoffnungsträger, weil sie durch die Sportart Freude erfahren und ihrem Alltag entfliehen können. Einige Fußballspieler stammen aus bescheidenen Verhältnissen, sodass vor allem Kinder und Jugendliche eine Chance im Fußball sehen, dem Kreislauf der Armut entfliehen zu können.

Seit dem Jahr 1930 wird die WM – mit Unterbrechungen durch den 2. Weltkrieg – alle vier Jahre in unterschiedlichen Ländern ausgetragen. 2014 war für die 20. Auflage des Turniers das generell fußballbegeisterte Brasilien das Gastgeberland. Nicht nur sportlich fokussierte sich die Welt auf Brasilien, sondern auch das Land mit seinen positiven und negativen Seiten rückt in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Das Austragungsland stand vor enormen Herausforderungen: Die Stadien mussten den Anforderungen der Fifa gerecht werden, eine angemessene Infrastruktur musste vorhanden sein bzw. erst geschaffen werden und die Sicherheit der Besucher und Turnierteilnehmer musste gewährleistet sein. Brasilien wies im Vorfeld der WM jedoch einige Problempunkte auf, sodass eine zufriedenstellende Durchführung des Großevents oft infrage gestellt wurde. Nicht nur die wirtschaftliche Rezession, sondern auch soziale Probleme, mit denen Brasilien zu kämpfen hat, waren Hürden, die das Land überwinden musste. Extreme soziale Disparitäten, Korruptionen, das marode Gesundheits- und Bildungssystem sind hier vorrangig zu nennen. Die Regierung investierte nur halbherzig in die Prävention und Behebung dieser Probleme, konzentrierte sich vielmehr auf die WM. Über Jahre hinweg befand sich das Land mitten in den Vorbereitungen für das Turnier. Eine Verbesserung der Infrastruktur im Interesse der Gesamtbevölkerung wäre zu begrüßen gewesen. Auffällig ist jedoch, dass lediglich Bauprojekte, orientiert an den Bedürfnissen der WM, in Angriff genommen wurden. Darüber waren Großteile der Bevölkerung aufgebracht, sodass folglich Demonstrationen und zum Teil gewaltsame Proteste die Vorbereitungen der WM prägten.

Bei Sportereignissen kommt den Medien eine bedeutende Rolle zu. Als Informationsquelle sind sie unabdingbar. Sie präsentieren den Rezipientinnen und Rezipienten[1] die jüngsten Ereignisse. Erst durch die Medien kann die Fußball-WM bekannt werden. Das Turnier erfährt somit ein enormes Aufsehen und gewinnt global an Popularität. Erst durch die Berichterstattung wird das Fieber der Leserinnen und Leser[2] geschürt, und das Interesse sowie die Nachfrage nach diesem Event werden immer größer.

Daraus resultiert eine Symbiose und wechselseitige Beziehung zwischen dem Sport und den Medien, die voneinander abhängig sind.

Doch wie berichten die Medien über die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien? Wie weit geht die Sportberichterstattung über den Sport hinaus und in welchem Fokus steht somit das Gastgeberland? Ziel dieser Arbeit ist es zu analysieren, wie die Berichterstattung dieses Event und demzufolge auch das Land Brasilien darstellt. Speziell wird hier lediglich auf die Süddeutsche Zeitung als Untersuchungsgegenstand eingegangen. Wird über Missstände und Probleme sachlich informiert? Wird die Stimmung während der WM durch die Berichterstattung aufgeheizt? Und werden die Leser womöglich manipuliert?

Die Arbeit gliedert sich im Hauptteil in sechs inhaltliche Kapitel. Das erste Kapitel enthält Informationen zum WM-Austragungslandes Brasilien (Kap. 1.1). Geographische Aspekte, die Geschichte, die Bevölkerung und die Kultur Brasiliens sind Themen dieses Abschnittes. Zudem wird auf die politische und wirtschaftliche Lage sowie die sozialen Probleme des Landes eingegangen.

In Kapitel 1.2 wird zuerst eine Beschreibung der Entwicklung der Sportart Fußball dargelegt. Die Fédération Internationale de Football Association (Fifa), die Entwicklung der Fußball-Weltmeisterschaft und die Umstände der Vergabe der WM an Brasilien sind Unterpunkte dieses Kapitels.

Eine dritte Säule, auf die sich diese Arbeit stützt, stellen die Medien dar. Für den Sport, vor allem für die Fußball-WM, sind sie ein wichtiger Bestandteil. Sie verschaffen den Ereignissen globale Aufmerksamkeit und Rezeption. Der Enthusiasmus und die Begeisterung für dieses Event resultieren aus einer detaillierten Berichterstattung. Weltweit fiebern die Menschen für das Großereignis. Kapitel 1.3 zeigt diesen Zusammenhang zwischen Sport und Medien auf. Im Speziellen wird hier auf die wechselseitige Beziehung der beiden Subsysteme eingegangen. Näher betrachtet wird die Sportberichterstattung in den Printmedien. Untersuchungsgegenstand bzw. Korpus ist im Zusammenhang dieser Arbeit die Sportberichterstattung in der Süddeutschen Zeitung.

Kapitel 2 befasst sich mit der Methodik der Studie. Hier wird näher auf das methodische Vorgehen, den Untersuchungsgegenstand (Korpus) und auf die Analysekriterien eingegangen. Das Erhebungsinstrument, der Analysebogen, wird erläutert.

Im darauffolgenden Kapitel 3 werden die Ergebnisse aus der empirischen Studie dargestellt und analysiert. Zuerst werden die Analyseergebnisse zu den Artikeln, die von der WM im Allgemeinen berichten, aufgezeigt (Kap. 3.1). Die Ergebnisse zu den Artikeln, die ein Brasilienbild vermitteln, stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Kapitel 3.2 wird in die folgenden Kriterien gegliedert: Als Analysekriterien werden die Häufigkeit der Artikel, die Größe und Position und die Überschriften der Beiträge beleuchtet. Die Ergebnisse zu den illustrativen Darstellungen, die Rubriken und die inhaltlichen Schwerpunkte werden aufgezeigt. Nachfolgend werden die Tendenzen, die in Bezug auf Brasilien in der Berichterstattung vermittelt werden, dargestellt.

In der Diskussion, Kapitel 4, werden diese Ergebnisse interpretiert und kritisch hinterfragt. Die Analysekriterien der Untersuchung werden zu begründen versucht und mögliche Faktoren für deren Auswertung werden aufgezeigt.

Die gewonnenen Ergebnisse und ein Ausblick dieser Studie werden im Fazit zusammengefasst und erläutert.

II Theoretischer Teil

1 Theoretische Grundlagen und Forschungsgegenstand

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Fußball-WM Austragungsland Brasilien, welches in Kapitel 1 in detaillierten Facetten vorgestellt wird. Ferner wird die Fifa-Fußball WM im Allgemeinen erläutert. Ein weiteres Thema des theoretischen Teils ist die Rolle der Medien, speziell deren wechselseitige Beziehung zum Sport.

1.1 Brasilien – Das WM-Austragungsland 2014

Das südamerikanische Land Brasilien war das WM-Austragungsland des Jahres 2014. Das Land hat zur Zeit eine Bevölkerungszahl von ca. 201,5 Millionen Einwohnern. Die Landessprache ist Portugiesisch in brasilianischer Variante.

Aufgrund der Studie ist eine Auseinandersetzung mit den landesspezifischen Hintergrundinformationen unabdingbar, da die jeweiligen Themengebiete Teil des Untersuchungsgegenstandes sind. Somit wird Brasilien im folgenden Kapitel in wesentlichen Facetten detailliert vorgestellt. Geographische Aspekte, die Geschichte des Landes, die Bevölkerung und deren Kultur werden beschrieben. Des Weiteren werden in diesem Kapitel die politische und wirtschaftliche Lage sowie die sozialen Probleme, die im Land herrschen, erläutert.

1.1.1 Geographischer Überblick

Die geographische Lage des Landes innerhalb Südamerikas wird aus der politischen Gliederung in Abb. 1 ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Politische Gliederung und geographische Lage Brasiliens in Südamerika

(Scheiber, 2013)

Das Land Brasilien liegt im Osten des Kontinents Südamerikas. Im Norden und im Nordosten weist Brasilien eine lange Küstenlinie am Atlantischen Ozean auf.

Die angrenzenden Länder lauten, von der nördlichen Atlantikküste gegen den Uhrzeigersinn geordnet:

Französisch-Guayana, Suriname, Guyana, Venezuela, Kolumbien, Peru, Bolivien, Paraguay, Argentinien und Uruguay. Die Hauptstadt des Landes ist Brasília. Die Metropole liegt im südöstlichen Teil des Landes (vgl. Bellos, Blore, Jenkins, Marshall, Pickard, Robinson, Silva, 2014, S. 12 f.).

Brasilien ist mit über 8,5 Millionen Quadratkilometern das fünfgrößte Land der Erde. Vergleicht man die Fläche mit der Fläche des Südamerikanischen Kontinents, so bedeckt Brasilien fast die Hälfte dieses Erdteils (vgl. Diercke, 2008, S. 397).

Die Hoch- und Tiefebenen lassen sich aus Abb. 2 erkennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Physische Karte Brasiliens

(Brennemann, 2014)

Die farblichen Kennzeichnungen lassen auf das Relief des Landes schließen. Die dunkelgrüne Farbe steht für die Tiefebenen, hellgrüne Markierungen zeigen minimale Landhöhen. Die hellbraune Kennzeichnung deutet auf erhobene Landhöhen hin, wohingegen die dunkelbraune Farbe Hochebenen kennzeichnet. Der Norden des Landes fällt durch die große dunkelgrüne Fläche in Abb. 2 auf. Diese Tiefebene weist kaum Relief auf und besteht aus dem Flussbett des Amazonas. Dieser ist der wasserreichste Fluss der Erde. Das Gebiet Amazoniens bedeckt mit 49,92 % der Fläche knapp die Hälfte des Landes. In der physischen Karte fällt der Nordosten bis hin zum Süden mit der hellbraunen Fläche auf. Hier liegt küstennah das Bergland. Der höchste Berg liegt jedoch an der Grenze zu Venezuela und Kolumbien. Der Pica da Neblina ist 2993 m hoch (vgl. Lang, 2012). Bevölkerungsstark sind vor allem die Bundesstaaten Parana, Rio de Janeiro, São Paulo und Minas Gerais, deren Städte sich inzwischen zu Millionenmetropolen entwickelt haben (vgl. Diercke, 2008, S. 397).

Ausgezeichnet wird Brasilien besonders durch seine natürliche Vielfalt. Unterschiedliche Landschaften und die Ökosysteme kennzeichnen das Land (Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Ökosysteme Brasiliens

(Taubald & Stockmann, 2011)

Brasilien lässt sich in sechs unterschiedliche Ökosysteme einteilen. Im Nordosten, angrenzend an den Atlantischen Ozean, liegen die Caatinga-Halbwüsten, die eine Savannenvegetation aufweisen. Der Großteil der Flora und Fauna hat sich an die Dürreperioden angepasst und charakterisiert die Region. An der Küste entlang liegt der atlantische Regenwald und im Süden die Hochebene der Pampa, deren Landschaft und Klima eher der mitteleuropäischen gemäßigten Zone entsprechen. Westlich grenzen die Feuchtsavannen des Cerrado an und an der Grenze zu Paraguay und Bolivien liegt das Sumpfgebiet Pantanal (vgl. Taubald & Stockmann, 2011, S. 16-19). Im Süden herrscht eine eher gemäßigte Klimazone (vgl. Klöckner, 2015). Der Norden zeichnet sich durch das riesige artenreiche Amazonasgebiet aus, durch welches der längste Fluss der Erde, der Amazonas, fließt. Amazonien erstreckt sich zudem auf die Nachbarländer Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru, wohingegen Brasilien die größte Fläche einnimmt. In Amazonien, dem größten Regenwald der Welt, sind die Flora und Fauna besonders stark diversifiziert und haben eine herausragende Bedeutung für das Ökosystem Erde und für das Weltklima. Doch der Regenwald fällt den zunehmenden unkontrollierten Waldrodungen zum Opfer. Gründe dafür sind landwirtschaftliche Nutzung, Holzwirtschaft und die Exploitation von Bodenschätzen. So wurde die Landschaft verändert und umgestaltet und viele Waldflächen mussten wegen des Landhungers weichen (vgl. Diercke, 2015a).

In dieser Klimazone, rund um den Äquator, sind feuchtwarme Temperaturen, die regelmäßigen Temperaturen und das Ausbleiben der Jahreszeiten charakteristisch (vgl. Klöckner, 2015).

1.1.2 Historische Übersicht, Brasiliens Bevölkerung und Kultur

Die derzeitige Situation Brasiliens kann oftmals auf die Geschichte des Landes zurückgeführt werden. Ein besonderes Augenmerk wird in diesem Kapitel auf die Kolonialisierung gelegt. Die Folgen der Vergangenheit sind noch heute in den jeweiligen Facetten des Landes zu erkennen. Auswirkungen werden im folgenden Kapitel, bezogen auf die Bevölkerung und deren ethnische Zusammensetzung sowie auf die brasilianische Kultur und Identität, ersichtlich.

Offiziell war es der Portugiese Pedro Álvares Cabral, der am 22.04.1500 auf das heutige Brasilien traf (vgl. Taubald & Stockmann, 2011, S. 15). Knipp (2013, S. 17) deklariert diesen Tag sinnbildlich sogar als Zusammentreffen der Alten und der Neuen Welt: Zu Beginn der Neuzeit brachen europäische Seefahrer auf, um neue Seewege und Territorien zu erkunden. Bedeutsam war dabei die Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 durch Christoph Kolumbus. Dadurch wurde der Horizont der europäischen Menschen erweitert und das geographische Verständnis stieg (vgl. ebd., S. 17 f.).

Sechs Jahre vor der Entdeckung Brasiliens wurde der Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal aufgesetzt. Hier wurden die genauen Anteile der entdeckten Länder aufgeteilt. Alle Gebiete jenseits der Demarkationslinie von 46°37‘ West besaß Spanien. Alle Länder, die östlich dieser Linie lagen, wurden Portugal zugewiesen. Aus diesem Grund gehörte Brasilien Portugal an (vgl. Bellos et al., 2014, S. 47 ff.). Im Jahr 1501 entstand eine Siedlung am Atlantik in der Guanabara-Bucht. 1530 wurden zudem erste Kolonialstädte gegründet: São Vicente und São Paulo. König João III. gliederte das Land schließlich in 15 Gebiete auf, um es besser regieren zu können. Vor allem entlang der Küsten bildeten sich Siedlungen, wo sich portugiesische Landarbeiter und Adlige niederließen (vgl. ebd.).

Brasilien wies kostbare Ressourcen auf: das Holz des Brasilbaumes, Mineralien, Edelsteine und landwirtschaftliche Rohstoffe wie Zucker, Kakao und Kautschuk (vgl. Knipp, 2013, S. 9). Dem Land fehlten Arbeiter um diese Rohstoffe zu nutzen, obwohl eine große Anzahl indigener Ureinwohner dort lebten, die sich jedoch meist als ungeeignet herausstellten. Aus diesem Grund gingen die Kolonisatoren ab Mitte des 16. Jahrhunderts auf „Sklavenjagd“ nach Afrika (vgl. Glüsing, 2013, S. 18). Im Jahr 1538, als die erste Schiffsladung mit afrikanischen Sklaven kam, begann die Ära des Menschenhandels. Glüsing (2013, S. 18) berichtet von über 3 Millionen Sklaven aus Afrika bis zur offiziellen Abschaffung der Sklaverei 1888. Ende des 16. Jahrhunderts war der Rohstoff Brasilholz weitgehend erschöpft und die Nachfrage in Europa nach dem dort begehrten Zucker stieg (vgl. Winkelmann, 2014, S. 15). Die portugiesischen Großgrundbesitzer gaben im Nordosten des Landes die Abholzung des Küstenurwalds und die Bepflanzung der Fläche mit Zuckerrohr in Auftrag. Sklaven übernahmen die schwere Arbeit auf den Plantagen.

Aufgrund des Rohstoffreichtums versuchten auch andere europäische Mächte, den Portugiesen Brasilien zu entreißen. Vor allem Frankreich kämpfte um das Land. Dementsprechend lagen im Jahr 1555 zwei Schiffe mit 600 Soldaten an der Guanabara-Bucht an und errichteten ihre eigene Kolonie. Erst zwölf Jahre später war es den Portugiesen gelungen, diese Kolonie zu erobern und die Franzosen zu vertreiben. An dieser Bucht wurde die Stadt Rio de Janeiro gegründet. Im Jahr 1624 gelang es den Niederländern Salvador zu erobern, bis zur gemeinsamen Vertreibung durch Spanier und Portugiesen. Allerdings kontrollierte die Niederlande noch Jahre später weite Teile der Zuckerrohrplantagen. In den Jahren 1648/1649 wurden die Niederländer schließlich durch die Portugiesen in zwei Schlachten besiegt, sodass sie sich im Jahr 1661 offiziell zurückzogen.

Mit der Entdeckung von Gold in Minas Gerais und in Mato Grosso folgte die Erschließung des Landesinneren. Infolgedessen verlagerte sich das Machtzentrum von Nordosten in den Südosten, und Rio de Janeiro löste Salvador de Bahia als Hauptstadt Brasiliens ab (1763).

Während der Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel flüchtete der portugiesische König João VI. nach Brasilien. Nach seiner Rückkehr nach Portugal war es sein Sohn, der Prinzregent Dom Pedro I., der am 7. September 1822 die Unabhängigkeit der Kolonie erklärte. Nach großen Herausforderungen und Unruhen in den Provinzen dankte Dom Pedro I. zugunsten seines fünfjährigen Sohnes Dom Pedro II. ab. Brasilien wurde im Jahr 1834 eine Föderation autonomer Regionalmächte. Durch die Entstehung der Kaffeeindustrie Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Brasilien wirtschaftlich weiter. Die Nordostküste und das Landesinnere verbanden sich zunehmend. Der Sklavenhandel hatte Hochkonjunktur. Im Jahr 1828 ging man von 44.000 Sklaven in Brasilien aus. Nach vermehrten Sklavenaufständen und dem Druck Europas, das den Sklavenhandel schon unterbunden hatte, kam es im Jahr 1850 zur Auflösung des Sklavenhandels. Zur endgültigen Abschaffung kam es im Jahr 1888. Brasilien war das Land, das am atlantischen Sklavenhandel beteiligt war und den Sklavenhandel als letztes aufgab. Der Arbeitsmarkt wurde im 19. Jahrhundert durch europäische Einwanderer gefestigt (vgl. Bellos et al., 2014, S. 47-55).

Diese geschichtlichen Aspekte prägen das Land und die Gesellschaft noch heute. Folgen des Sklavenhandels sind Rassismus, Gewalt, Elend und soziale Diskriminierung. Die Situation in der Landwirtschaft hat sich zudem kaum verändert. Großfarmen prägen die Landwirtschaft und es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen aufgrund der ungleichen Verteilung des Landbesitzes, der sozialen Ungleichheit und des Elitebewusstseins vieler Großgrundbesitzer. Die Zustände auf den Farmen ähneln denen aus der Vergangenheit: Unter sklavenähnlichen Zuständen schuften Landarbeiter für wenig Geld und leben auf den Farmen unter menschenunwürdigen Zuständen (vgl. Glüsing, 2013, S. 19). Auch die Entstehung der Favelas führt, wie später näher erläutert wird, auf die Historie des Landes zurück (vgl. Kap. 1.1.4).

Es kam zur Ansiedlung verschiedener ethnischer Gruppen im Land. Da sich unter den portugiesischen Eroberern wenig Frauen befanden, haben sich die Portugiesen mit den indianischen Kaziken vermehrt, um ihre Herrschaft abzusichern. So ist die Rassenmischung in Brasilien entstanden. Die unterschiedlichen Herkünfte der heutigen Bevölkerung lassen sich zum Teil mit der Kolonialisierung und dem Sklavenhandel begründen. Nicht nur die Landessprache Portugiesisch deutet auf eine damalige europäische Kolonie hin, sondern auch die Bevölkerungszusammensetzung, die als „Regenbogengesellschaft“ betitelt wird (vgl. ebd., S. 18).

Die heutige Bevölkerungszusammensetzung lässt sich aus Abb. 4 erkennen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Bevölkerungsgruppen

(Diercke, 2015b)

Auf der obigen Karte werden die Staaten in Mittel- und Südamerika dargestellt. Anhand eines Kreisdiagramms sind die Bevölkerungsgruppen und die Herkunft der Menschen sowie die Gesamtbevölkerung der jeweiligen Staaten zu erkennen. In Mexiko, El Salvador und Honduras beispielsweise dominieren die indigenen Bevölkerungsgruppen. Entgegen dieser ethnischen Herkunft überwiegt in den Staaten der Karibik, wie Haiti oder Jamaika, die afrikanische Abstammung.

Die Bevölkerungsgruppen Brasiliens zeigen hingegen eine Zusammensetzung verschiedener Herkünfte auf. Die Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung stammt aus Europa (54 %), überwiegend aus Portugal. Brasilien, Uruguay und Argentinien sind die einzigen lateinamerikanischen Länder mit europäischstämmiger Bevölkerungsmehrheit. Über 1/3 der Brasilianer stammt aus Afrika und die indigene Bevölkerung stellt nur noch gut 6 % der Bevölkerung. Mit 201,5 Millionen Einwohnern gilt Brasilien als das bevölkerungsreichste Land Süd- und Mittelamerikas (vgl. Diercke, 2015b).

Die Verteilung der Bevölkerung in Brasilien ist sehr unterschiedlich. Aufgrund regionaler Entwicklungsunterschiede im Land kam es zu extremen Bevölkerungsbewegungen. Faktoren dieser Bewegungen sind vor allem die Lebensbedingungen, die sich von Region zu Region signifikant unterscheiden. Im Westen und im Nordosten werden diese überwiegend als schlecht eingestuft, im Zentralwesten, im Süden und im Südosten liegen die Lebensbedingungen andererseits über dem Durchschnitt. Nichtdestotrotz ist die Armut das größte Problem des Landes. Über die Grenzen der Städte hinaus siedeln sich Menschen in Elendsvierteln, den sogenannten Favelas, an. Felsch (2008, S. 397) bezieht sich auf die Kriterien der WHO und berichtet von rund 40 Millionen Brasilianern, die in absoluter Armut leben (Siehe Kap. 1.1.4). Gründe für die Bevölkerungswanderungen stellen auch die wirtschaftliche Divergenz und die Anziehungskraft der Großstädte dar. Infrastrukturelle Probleme und ein unzureichendes Arbeitsplatzangebot bzw. die hohe Arbeitslosigkeit geben der Bevölkerung Grund, sich nach besseren Bedingungen hin zu orientieren (vgl. ebd.).

Vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts florierte der Nordosten um Salvador de Bahia. Dies war bis zum Jahr 1752 die Hauptstadt Brasiliens mit einer hohen Einwohnerzahl. Der Schwerpunkt der Bevölkerung verschob sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts in den Südosten. Rio de Janeiro, die Hauptstadt bis 1960, und ihre Region lockten viele Menschen an. Auch São Paulo gewann an Zuwanderungen. Die heute größte Stadt Brasiliens zählt zu einer der am schnellsten wachsenden Metropolen Lateinamerikas.

Die Wanderungsströme und die regionalen Entwicklungsunterschiede werden aus Abb. 5 ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Lebensbedingungen und Wanderungsströme der Bevölkerung Brasiliens

(Michael, 2015, S. 236)

Wie Abb. 5 zeigt, waren die Lebensbedingungen im Jahr 1991 in allen Regionen des Landes unzureichend. Dies verbesserte sich zunehmend. Es lässt sich erkennen, dass die Lebensbedingungen im Jahr 2010 im Norden und Nordosten als am schlechtesten einzustufen sind. Der Zentralwesten, der Südosten und der Süden liegen knapp bei „gut“, wohingegen im Süden die besten Voraussetzungen vorliegen.

Zu beträchtlichen Wanderungsströmen innerhalb des Landes kam es in dem Zeitraum zwischen 1995 und 2000. So verzeichnete der wirtschaftlich schwache Nordosten starke Bevölkerungsverluste. Ausnahme stellt im Norden der Bundesstaat Rio Grand do Norte dar, der durch einen industrialisierten Ballungsraum um die Hauptstadt Natal an Attraktivität gewonnen hat und eine positive Wanderungsbilanz aufweist. Zuströme konnten in der Amazonasregion und in den Zentralwesten, vor allem aber in den Südosten zwischen Brasília, Goiás und São Paulo verzeichnet werden (vgl. Felsch, 2008, S. 397). Wie aus Abb. 5 hervorgeht, verbuchen der Südwesten und der Binnenraum um die aktuelle Hauptstadt Brasília seit den letzten Jahrzehnten enorme Zuwanderungen.

Aufgrund der regionalen Entwicklungsunterschieden und Bevölkerungswanderungen entstanden große Unterschiede in der Bevölkerungsdichte. Brasilien misst eine Bevölkerungsdichte von nur 19,7 Einwohnern pro Quadratkilometer und erweckt den Eindruck eines dünn besiedelten Landes. Doch die absoluten Zahlen innerhalb des Landes weichen teilweise extrem von dem Durchschnittswert ab: Roraima weist 1,4 Einwohner pro Quadratkilometer auf, wohingegen Rio de Janeiro und Brasília Kennzahlen von 327,3 bzw. 352,3 Einwohner pro Quadratkilometer aufweisen (vgl. ebd.).

Die dichtbesiedelte Küstenregion und das bevölkerungsarme Binnenland sind in Abb. 6 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Bevölkerungszahlen in Brasilien

(Coy & Théry, 2010, S. 9)

Der Nordwesten ist kaum besiedelt, wohingegen entlang der Küste die meisten Menschen leben. Der Prozess der Landflucht ist weit verbreitet. Auch wenn die Regierung soziale Umsiedlungs- und Entwicklungsprogramme für eine Migration nach Amazonien fördert (vgl. Kohlhepp, 2003, S. 20), sind die hohen Bevölkerungszuwächse besonders in den Metropolen und großen Städten São Paulo, Rio de Janeiro, Salvador und Brasília zu verzeichnen. Der Prozess einer Urbanisierung und Metropolisierung ist sehr stark ausgeprägt (vgl. Coy & Théry, 2010, S. 9). Im Jahr 1940 lebten 13 Millionen Menschen in brasilianischen Städten, also 31 % der Gesamtbevölkerung (vgl. Kohlhepp, 2003, S. 21). Bis zum Jahr 2010 stieg die Rate auf rund 83 % der Gesamtbevölkerung. In Deutschland lag der Urbanisierungsgrad 9 % unter dem Brasiliens (vgl. Tiesbohnenkamp, 2015).

São Paulo misst über elf Millionen Einwohner, der Großraum um die Stadt sogar fast 20 Millionen und ist somit eine der größten Metropolregionen der Welt (vgl. Bellos et al., 2014, S. 136). Nach Tokio und Mexiko Stadt ist São Paulo sogar die drittgrößte Metropole weltweit (vgl. Kohlhepp, 2003, S. 29). Rio de Janeiro ist mit mehr als sechs Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Brasiliens. Viele Brasilianer ziehen dort hin, da die Lebensbedingungen als gut zu bewerten sind und die Stadt mit Arbeitsplätzen lockt. Nicht nur Brasilianer werden durch Rios Attraktivität angelockt. Auch bei Touristen ist die Metropole sehr beliebt. Die Reize dieser Stadt sind u.a. die schönen Strände, z.B. die Copacabana. Aber auch die weltberühmte Christusstatue, die auf den Zuckerberg hinabblickt, ist ein Anziehungspunkt für Touristen (vgl. Bellos et al., 2014, S. 66 ff.) Besonders während der Sportereignisse der Fußball-WM 2014 und den Olympischen Spielen im Jahr 2016 stellt(e) die Metropole ein Magnet für Einheimische und Touristen dar.

Im Hinblick auf die kulturelle Identität der Brasilianer sind die historischen Ereignisse und die diverse Bevölkerungszusammensetzung ausschlaggebend und beeinflussen das ganze Land.

Aufgrund der Kolonialisierung ist Brasilien multikulturell geprägt, vor allem durch die Zuwanderer aus Europa und Afrika. Die Afrikaner brachten beispielweise Traditionen, Musik, die afrikanische Küche, die Kampfkunst aber auch die Religionen nach Brasilien. Der Mystizismus und Aberglaube der Afrikaner mischte sich mit der europäischen Gedankenwelt, sodass eine Mischung aus Katholizismus und europäischen Ansichten, aber auch eine Mischung des Animismus der Ureinwohner mit der afrikanischen Magie sowie des Candomblé[3], entstand (vgl. Winkelmann, 2014, S. 59; Stoppa, 2014, S. 232). Der Katholizismus war unter der Herrschaft der Portugiesen Staatsreligion. Dies änderte sich, seit die Republik gegründet und die Kirche vom Staat getrennt wurde. Die Religionsfreiheit entstand (vgl. Prutsch & Rodrigues Moura, 2013, S 75).

Heutzutage dominiert noch der Katholizismus in dem südamerikanischen Land und ist „die vorherrschende Religion Brasiliens, hier ist die größte katholische Gemeinde der Welt beheimatet“ (Stoppa, 2014, S. 232). Symbol hierfür ist beispielsweise die Christusstatue, die über Rio de Janeiro hinaus ragt. Andererseits besteht in Brasilien der Synkretismus mit unterschiedlichen religiösen Kulturen und Glaubensrichtungen.

Doch viele Menschen wechselten in den vergangenen Jahren die Religionszugehörigkeit, und inzwischen ist eine hohe religiöse Mobilität zu verzeichnen. Im Jahr 1980 wurde der römisch-katholische Glaube noch von 89 % der Bevölkerung praktiziert und gelebt. Im Jahr 2010 wurde nur noch ein Prozentanteil von 64,6 % verbucht. Dahingegen nahm der Anteil der Protestanten und der Pfingstgemeinden von 6,6 % (1980) auf 22,2 % (2010) zu. Die Zahl der „Religionslosen“ ist außerdem in diesen 30 Jahren um das 5-fache auf 8 % gestiegen. Ein geringer Anteil der Bevölkerung bekennt sich dem Spiritualismus bzw. anderen christlichen Konfessionen (vgl. Sinner, 2013, S. 217-233).

Charakteristisch für Brasiliens Kultur ist die Kampfsportart Capoeira. Importiert wurde diese aus Afrika und wurde von den Sklaven als Training für eine mögliche Flucht sowie zur Selbstverteidigung genutzt. Obwohl der Sklavenhandel abgeschafft wurde, wird Capoeira auch heute noch ausgeübt. Gegenwärtig wird auf Musik getanzt, und der Sport der Sklaven wurde zur brasilianischen Tradition.

Der Karneval, eines der wichtigsten Ereignisse in Brasilien, wird ebenso auf die Kolonialisierung zurückgeführt und stammt somit aus Portugal. Im 19. Jahrhundert war es Tradition, sich u.a. mit Mehlwasser und Schlamm zu beschmutzen. Dies wurde jedoch verboten und Umzüge etablierten sich zunehmend. Besonders der Karneval der Afrobrasilianer gewann an Bedeutung. „Glanz und Glamour statt Alltag und Elend“ (Sander, 2002, S. 72) charakterisieren die „Fünfte Jahreszeit“. Heute wird das Fest im ganzen Land gefeiert. Besonders in Rio ist dieses Event ein Schauplatz für Straßenfeste und farbenreiche Kostüme und ist weltweit bekannt für die Parade der Sambaschulen (vgl. Bellos et al., 2014, S. 62 f.).

Durch den Karneval wurde der Sambatanz populär und aus den Armenvierteln hinaus in die Städte gebracht. Wie Capoeira zählt auch der Samba zu einem afrobrasilianischen Kulturgut. Die Texte handelten von Szenen aus den Armenvierteln in Rio, São Paulo und Salvador (vgl. Prutsch & Rodrigues-Moura, 2013, S. 136-140).

Im Jahr 1894 brachte Charles Miller das wichtigste Element brasilianischer kollektiver Identität in das Land: den Fußball. Der schottische Einwanderer wurde in São Paulo geboren, studierte in England und schloss sich dem britischen St. Marys Football Club an. Dort übte er erfolgreich diese Sportart aus. Als er nach Brasilien zurückkehrte, importierte er diese Sportart mit den entsprechenden Regeln. Ein Jahr später kam es zum ersten öffentlichen Fußballmatch in Brasilien. Die beiden Mannschaften bestanden jedoch lediglich aus Briten: „São Paulo Railway“ gegen „Companhia de Gás“. Die Beliebtheit des Fußballs wuchs stetig, denn aufgrund der kostengünstigen und unkomplizierten Möglichkeit zur Durchführung stellte der Fußball eine attraktive Freizeitbeschäftigung für Migranten dar. Außerdem konnten Einwanderer ihren Heimatsport weiter praktizieren. Viele Vereine wurden gegründet, vor allem von Einwanderern, was sich von deren Namen ableiten lassen kann. „Palestra Itália“, „Scottish Wanderers“, „Vasco da Gama“, „Fussball Mannschaft Frisch Auf“ waren Vereine, die die Herkunft der Gründer verrieten. Als sich die Einwanderer in ihren Stadtvierteln heimisch fühlten, wurden die Clubnamen geändert. In Rio de Janeiro wurden die Namen nach Stadtvierteln oder Rudervereinen benannt: z.B. Fluminense FC, Flamengo, Botagogo und Vasco da Gama (vgl. ebd., S. 111 ff.).

Rassismus war noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts Thema brasilianischer Fußballclubs. Prutsch und Rodrigues-Moura (2013, S. 112) schildern, dass die Clubs keine farbigen Spieler aufnahmen. Erst 1918 wurden Dunkelhäutige in die Selecão aufgenommen. Die Demokratisierung zog sich jedoch über eine lange Zeit hin. Ein Foul an Dunkelhäutigen wurde beispielsweise nicht als Regelverstoß gewertet, dunkelhäutige Spieler durften nicht nominiert werden und einige Mulatten weißten sich mit Reismehl, um auf dem Spielfeld akzeptiert zu werden. Heutzutage besteht die brasilianische Nationalmannschaft aus mehreren ethnischen Gruppen, sodass zumindest hier der Rassismus nicht mehr vorhanden zu sein scheint (vgl. ebd., S. 111 ff.).

Heute kann sich die „Regenbogengesellschaft“ im Fußball verwirklichen und zusammen als Gemeinschaft agieren. Das Miteinander wird gestärkt. In der Freizeit stellt der Fußball eine wichtige Komponente dar, sodass die Kinder eine sinnvolle Beschäftigung haben. Der Fußball ist zudem ein Hoffnungsträger für die Bevölkerung Brasiliens. Da viele Profi-Fußballer aus Favelas stammen, stellen sie ein Aufstiegsvorbild für arme Kinder dar. Sie sehen im Fußball eine Chance und Möglichkeit der Armut zu entkommen. Diese Sportart erwirkt Freude und ein Gefühl der Freiheit bei den Brasilianern. Aus diesem Grund ist eine WM in diesem Land ein außerordentlich wichtiges Ereignis für die Brasilianer, auch wenn sich die arme, fußballbegeisterte Bevölkerung den Besuch von teuren Spielen nicht leisten kann.

1.1.3 Politische und wirtschaftliche Lage

Die Republica Federativo do Brasil wurde im Jahr 1889 gegründet. Die föderative Republik teilt sich in 26 Bundestaaten und einen Bundesdistrikt mit der Hauptstadt Brasília auf (vgl. Bellos et al., 2014, S. 12). In Brasília ist der Hauptsitz aller Ministerien angeordnet, von dort werden alle nachgeordneten Ministerialbehörden koordiniert. An der politischen Spitze Brasiliens steht das Präsidentenamt. Der brasilianische Präsident verfügt über eine Machtbefugnis, die im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern oder zu Deutschland nicht sehr ausgeprägt ist. Der Präsident wird für vier Jahre gewählt und ist gleichzeitig Staats- und Regierungschef. Er trägt die Verantwortung über die Verwaltung auf Bundesebene und ist dazu befugt, sein Kabinett selbst zu ernennen und es beliebig umzubilden. Die Grundelemente des brasilianischen Gefüges sind eine autonome Judikative, eine Exekutive, die auf dem Präsidentialismus basiert, und eine Legislative, zu der die Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) und der Senat (Senados) gehören. Die Bundesstaaten haben Kompetenzen in der Steuer- und Einwanderungspolitik. Der Ursprung des föderalistisch-regierten Landes liegt somit im 19. Jahrhundert (vgl. Prutsch & Rodrigues, 2013, S 88 ff.).

Der Präsident kämpft um die parlamentarische Mehrheit. Die Exekutive kooperiert mit der Legislative eng zusammen, damit sie die notwendige parlamentarische Mehrheit zum Regierungshandeln gewinnen. Daraus folgt, dass der Präsident auf breite Koalitionen setzten muss, egal welcher Partei er angehört. In den beiden Amtszeiten von Luiz Inácio „Lula“ da Silva waren es bis zu zehn Parteien, die die Regierung unterstützten. Infolgedessen entsteht eine „politische Tauschbörse“, wobei sich die Regierungspartei die Unterstützung der Parlamentarier mit Posten in Ministerien und in der Verwaltung erkauft. Äußerst attraktiv ist dabei das Erkaufen illegaler „Geldüberweisungen“, sodass die Korruption Teil des Regierungsgeschäfts ist (vgl. Costa, 2013, S. 65). „Viele Politiker [verdanken] ihr politisches Überleben eben den Geschäften, die sie in den ´Grauzonen´ des politischen Systems abwickeln“ (ebd., S. 80).

Der sozialistische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva („Lula“) war bis 2011 brasilianisches Staatsoberhaupt und erfreute sich enormer Beliebtheit bei der Bevölkerung. Er half mit dem Programm „Bolsa Familia“ Millionen von Menschen aus der Armut. Brasilien entwickelte sich während der Wahlperiode unter „Lula“ wirtschaftlich und sozial positiv (vgl. Caulyt, 2013).

Nach zwei Amtszeiten in Folge ist eine erneute Kandidatur nicht mehr möglich. Seine Nachfolgerin wurde die erste weibliche brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, die seit dem 1. Januar 2011 das Land regiert und im Oktober 2014 wiedergewählt wurde. Sie gehört der Arbeiterpartei PT an (vgl. Auswärtiges Amt, 2015).

Präsidentin Dilma erlangte, ähnlich wie ihr Vorgänger, die Zustimmung der Bevölkerung. Die Sympathie für die Präsidentin ließ jedoch zunehmend nach. Im März 2013 betrug die Zustimmung 79 %, von Juni auf Juli sank dieser Wert jedoch auf 31 % ab. Dies äußerte sich durch zahlreiche Proteste und Demonstrationen. Die Einwohner kritisierten u.a. die Korruption, die Abwesenheit der sozialen Politik, die Missachtung von Menschenrechten, Frauenrechte und die Rechte der Homosexuellen und Indigenen (vgl. Glass, 2014).

Wie auf den folgenden Seiten erläutert, wuchs die Wirtschaft seit dem Amtsantritt von Dilma Rousseff um nur 2 % jährlich. Die Inflation zeigte Werte über 6 % auf und das auch nur, weil die Preise für Benzin, Strom und Transport staatlich kontrolliert werden (vgl. Busch, 2014). Im Jahr 2015 ist die Inflation sogar auf fast 10 % innerhalb eines Jahres gestiegen (vgl. Bos, AFP & dpa, 2015). Momentan sinken die Exporteinnahmen, da die Rohstoffe Brasiliens global eine geringere Nachfrage erfahren. Der Export von Industrieprodukten lässt aufgrund hoher Produktionskosten nach. Bei der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD, bei der 60 Nationen auf Wettbewerbsfähigkeit hin gewertet werden, liegt Brasilien auf Platz 54. Vor vier Jahren erreichte Brasilien noch den 38. Platz (vgl. Busch, 2014).

Die Fußball-WM sollte mit dazu beitragen, die Wirtschaft zu stärken und das Prestige Brasiliens zu erhöhen. Stattdessen kam es vor allem wegen des Confederation Cups[4] und der Fußball-WM zu enormen Protesten. „Brasilien braucht eigentlich Krankenhäuser und Schulen statt zwölf neue Arenen“ (ebd.). Es wurde Kritik geübt an der allgegenwärtigen Korruption, am Bildungs- und unzureichendem Gesundheitssystem, an den gestiegenen Fahrpreisen der öffentlichen Verkehrsmittel und an der fehlenden Sicherheit. Die heftigen Proteste wurden von der Polizei oftmals gewaltsam unterdrückt (vgl. ebd.). Doch trotz der Unzufriedenheit der brasilianischen Bevölkerung erlangte Dilma Rousseff bei den Wahlen im Oktober 2014 noch eine knappe Mehrheit von 51,6 %. Laut Bos et al. (2015) ging die Zustimmung für ihre Politik jedoch stark zurück und liegt z.Zt. nur noch bei 8 % (Stand 16.08.2015). Gründe hierfür können die Korruptionsaffäre um den halbstaatlichen Ölkonzern „Petrobras“ und die weiter andauernde Rezession sein.

„Brasilien – Entwicklungsland oder tropische Großmacht des 21. Jahrhunderts?“ Mit dem Titel dieses Buches legt Kohlhepp (2003, S. 7) nahe, dass es schwierig ist, Brasilien sozioökonomisch zuzuordnen. Brasilien stellt einen global player, eine Dienstleistungsgesellschaft und eine bedeutende Volkswirtschaft dar. Die sozial- und wirtschaftsräumlichen Disparitäten, die unzureichenden Lebensqualitäten und die Korruption verlangen jedoch eine dringende Veränderung der Politik.

Die Wirtschaft Brasiliens erfuhr in den 1980er-Jahren über eine lange Zeit hin eine Rezession. Währungsreformen und sechs unterschiedliche Währungen zwischen 1986 und 1995 behinderten zudem die Entwicklung des Landes (vgl. Frech & Gnabendorff, 2013, S. 11). Doch die wirtschaftliche Lage schreitet allmählich voran. Brasilien ist weltweit der größter Kaffee-, Zuckerrohr- und Orangenproduzent und ist ein wichtiger Rindfleisch- und Sojaerzeuger. Bedeutende Rohstoffvorkommen wie Eisenerz und Aluminium werden gefördert und das Land weist große Vorkommen an Erdöl auf. Diese Rohstoffe geben der Nation eine gute Voraussetzung zur ökonomischen Expansion und rechtfertigen die Bezeichnung „Führungsmacht des Südens“ (vgl. Coy & Théry, 2010, S. 4-11). Diese Betitelung ist dem sozialen und wirtschaftlichen Aufschwung, der vor fünf Jahren begann, zu verdanken.

Brasilien gehört zu den sogenannten BRICS-Staaten. Die Abkürzung entsteht durch die Namen der fünf Schwellenländer. Hierzu zählen, neben Brasilien, die Nationen Russland, Indien, China und seit 2010 auch Südafrika. Diese Schwellenländer streben ökonomisch und politisch auf und zeichnen sich durch ein gesteigertes Wachstum in globalen Märkten aus (vgl. Große Hüttmann, 2013).

Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP)[5] von 2.353 Mrd. USD (Stand 2014) stellt Brasilien die siebtgrößte Volkswirtschaft weltweit dar. Ca. 11.604,5 USD misst dabei das Pro-Kopf-Einkommen (vgl. Auswärtiges Amt, 2015). Im Jahr 2009 lag dieser Wert noch bei 8.040 US-Dollar und wuchs zwischen 1970 und 2009 um mehr als das 7-fache (vgl. Sangmeister, 2012, S. 196-201). Sangmeister verglich die Werte aus dem Jahr 2009 und äußert, dass die Länder Venezuela, Chile und Uruguay als einzige südamerikanische Länder mit über 9.000 bzw. 10.000 US Dollar den Wert Brasiliens übertreffen.

Die Entwicklung des BIP in Brasilien von 2005 bis 2015 zeigt Abb. 7.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Bruttoinlandsprodukt 2005 - 2015

(Statista GmbH, 2015b)

Zwischen den Jahren 2004 und 2011 lag das Wirtschaftswachstum durchschnittlich bei 4,9 %. Diese Jahre waren von hohen Wachstumsraten und einem Beschäftigungszuwachs geprägt. Grund hierfür waren die weltweite Explosion der Rohstoffpreise, die gestiegenen Löhne und ein optimierter Zugang zu Verbraucherkrediten, was das BIP expandieren ließ. Seit dem Jahr 2012 verbucht die brasilianische Wirtschaft eine Abschwächung. 2013 wurde ein Wachstum von 2,3 % erzielt, im nachfolgenden Jahr wurde fast ein „Null-Wachstum (+0,1%)“ (Auswärtiges Amt, 2015) gemessen. Für die Jahre 2015 bzw. 2016 wird eine Rezession erwartet mit -3 % bzw. -1 % Wachstum (vgl. ebd.).

Die Abhängigkeit von Rohstoffen und das Risiko von unbeständigen Preisen sind Gründe für die negative Bilanz. Die Preise gingen zurück und die Nachfrage aus China reduzierte sich. Zudem sind Industrieprodukte wegen der hohen Produktionskosten und des starken Real[6] im Ausland kaum noch wettbewerbsfähig. Ein Mangel an Infrastruktur und qualifizierten Arbeitskräften sowie die Steuerlast bekräftigen diese Entwicklung nur noch (vgl. Frankfurter Allgemeine, 2013).

Die Wirtschaft Brasiliens ist von Inflationen geprägt. Der in der Zeit von 1995-2002 amtierende Präsident Fernando Henrique Cardoso schaffte es noch, die Wirtschaft Brasiliens durch Reformen in einem gewissen Grad zu stabilisieren. Es kam zu jährlichen Zuwächsen von z.T. 7 % des BIP´s (vgl. Sangmeister, 2013, S. 21-25). Doch die Wirtschaft schwächelte in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2013 betrug die Inflationsrate noch 14,72 % gegenüber dem Vorjahr. Die Entwicklung der Jahre 2004 - 2015 ist aus Abb. 8 ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Inflationsrate von 2004 - 2015

(Statista GmbH, 2015c)

Im Jahr 2004 und 2005 betrug die Inflation über 6 % gegenüber dem Vorjahr, wohingegen sich die Rate in den nachfolgenden Jahren reduzierte. Im Jahr 2007 wurde ein Minimalwert von 3,64 % im Vergleich zum Vorjahr erreicht. Im Jahr 2011, seit dem Beginn der Amtszeit von Dilma Rousseff, stieg der Wert hingegen auf 6,64 % und misst im Jahr 2015 sogar einen Wert von 7,84 % gegenüber dem Vorjahr (vgl. Statista GmbH, 2015c).

Betrachtet man das Jahr 2015 detailliert, so ist zu erkennen, dass die Inflation fast stetig im Jahresgang stieg. Im Dezember 2015 lag die Rate bei über 10 % gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresmonat (vgl. Global rates, 2016).

Vergleicht man die Produktionsstrukturen Brasiliens und die Entwicklung der Anteile des primären, sekundären und tertiären Sektors am BIP, so lässt sich erkennen, dass der Anteil der Landwirtschaft von 1980 von 11,0 % auf 6,1 % im Jahr 2009 gefallen ist. Andererseits stieg der Anteil des tertiären Sektors am BIP von 45,2 % auf 68,5 % an. Auch die Anteile der Industrie haben sich in dem Zeitraum fast halbiert (von 43,8 % auf 25,4 %). Ein Großteil macht hier das verarbeitende Gewerbe aus. Verglichen mit den Produktionsstrukturen anderer südamerikanischer Nationen weist Brasilien nach Ecuador den höchsten Anteil am Dienstleistungssektor auf. Sangmeister (2012, S. 196 f.) kommt zu dem Ergebnis, dass Brasilien zunehmend auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft ist.

Im Jahr 2014 wurde folgende Verteilung der Sektoren, ersichtlich aus Abb. 9, erwirtschaftet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Anteile der Sektoren am BIP

(nach Statista GmbH, 2015a)

Der tertiäre Sektor dominiert mit über 70 % den Anteil in der Wirtschaft. Der sekundäre Sektor ist lediglich mit weniger als 1/4 des BIP´s vertreten (23 %), wobei die Landwirtschaft nur ca. 6 % vom BIP ausmacht (vgl. Statista GmbH, 2015a).

Neben einem bedeutenden Dienstleistungsstandort stellt das Land weltweit einen wichtigen Ort für mehrere Industriebranchen dar. Einige brasilianische Unternehmen haben global eine herausragende Position im Unternehmensranking eingenommen.

Ähnlich wie die Bevölkerungsverteilung konzentrieren sich die Industrieunternehmen auch in Küsten- und Stadtnähe (Abb. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Industrieansiedlung

(Coy & Théry, 2010, S. 8)

Die Industriestandorte korrelieren mit den Bevölkerungsansiedelungen. Coy und Théry (2010, S. 8) verweisen sogar darauf, dass 55 % aller Industrierunternehmen und somit 61 % des industriellen BIP sich auf den Südosten konzentrieren. Besonders São Paulo gilt als Industriehochburg. Als Dienstleistungs- und Bankenzentrum und als Motor wirtschaftlicher Entwicklungen im Land gehört die Metropole zu den global cities. In- und ausländische Industrie- und Handelsunternehmen konzentrieren sich dort (vgl. Sachsen 1997; zit. n. Kohlhepp, 2003, S. 31). Gründe hierfür sind die gute Infrastruktur, vorhandene Rohstoffe, die große Anzahl an Verbrauchern mit höherem Einkommen sowie qualifizierte Arbeitskräfte.

Das Auswärtige Amt (2015) berichtet seit dem Jahr 2014 von einer sinkenden Industrieproduktion, sodass Brasilien einen industriellen Rückgang verzeichnet. Vor allem die hohen Logistikkosten, die weltweite Wirtschaftskrise, aber auch der Mangel an Innovation und die fehlende interne sowie externe Konkurrenzkraft sind für den Rückwärtstrend verantwortlich (vgl. Kreutzmann, 2013, S. 4-9). Die Handelsposition des Landes hat sich auch in den letzten Jahren verschlechtert: Die Exporte sanken um rund 7 %, die Importe um 4,4 %. Doch die Brasilianer sehen in dem Erdölvorkommen eine große Marktchance, mit dem die Wirtschaft wieder Antrieb erhalten soll (vgl. ebd.).

Impulse für Brasilien sollten auch die sportlichen Großereignisse geben, die Fußball-WM und die Olympischen Spiele. „Brasilien will sie nutzen, um sich als gastfreundliche und moderne Gesellschaft zu präsentieren“ (ebd., S. 9). Fortschritte werden in der Sicherheit, im Veranstaltungsservice und beim Aufbau moderner TV-Übertragungskapazitäten ersichtlich. Zwar sind Arbeitsplätze im Bau- und Dienstleistungsgewerbe entstanden, sie können jedoch nicht auf Dauer bestehen bleiben. Der Tourismus profitiert vorübergehend von den Großereignissen: rund 80 % mehr Touristen werden im Austragungsland erwartet (vgl. ebd.). Politik und Wirtschaft scheinen jedoch über dem Fußball zu dominieren. Der Autor äußert, „dass Fußball in Brasilien keine ernsthafte Sache [sei], sondern Politikgeschachere [...]“ (Milz, 2013, S. 61). Der Autor kommt zu der Auffassung, dass der ehemalige Präsident und die jetzig amtierende Präsidentin weltweites Prestige erlangen und potenzielle Wähler beeindrucken wollten.

1.1.4 Soziale Probleme

Brasilien steht seit jeher vor sozialen Herausforderungen: zur Zeit der Kolonialisierung (1500-1882), des Kaiserreiches (1822-1889) und ab 1889 als Republik. Calcagnotto (2013, S. 87) zählte Brasilien sogar zu den „sozial ungleichsten Gesellschaften der Welt“. Soziale Disparitäten prägten das Land und stellten hohe Anforderungen an den Staat. Diese Schwierigkeiten scheinen dem Land bei seiner Entwicklung im Weg zu stehen. Dennoch ist ein Abbau der sozialen Ungleichheiten seit Mitte der 1990er Jahre erkennbar.

Rückschlüsse darauf gibt der Gini-Index. Dies ist eine statistische Messzahl, die Ungleichverteilungen in Bezug auf Faktoren wie Einkommen, Grundbesitz und Vermögen etc. ermittelt. Ist der Gini-Index hoch, so ist sind die Disparitäten innerhalb der Bevölkerung sehr unterschiedlich.

In Tab. 1 sind die Gini-Indizes und deren Entwicklung von verschiedenen Ländern aufgelistet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Gini-Indizes verschiedener Nationen

(nach Calcagnotto, 2013, S. 86)

In Brasilien lässt sich ein Rückgang von 60,7 auf 51,9 vom Jahr 1998 zu 2012 verzeichnen. Die Zahlen belegen, dass die sozialen Disparitäten reduziert wurden. Calcagnotto bestätigt dies und berichtet, dass diese Abnahme auch die Bereiche Bildung, Gesundheit und Geschlechtergerechtigkeit betrifft. Somit wurde der durchschnittliche Schulbesuch von 2,6 auf 7,2 Jahre (zwischen 1990 und 2011) gesteigert. Die Lebenserwartung im Land stieg um 7,2 Jahre und die Kindersterblichkeit ging zurück. Die Armut wurde spürbar bekämpft: Im Jahr 1999 lebten 44 Millionen Menschen in Armut und extremer Armut, wohingegen sich die Zahl im Jahr 2009 auf 29,6 Millionen reduzierte.

Vergleicht man die Gini-Koeffizienten mit den anderen Nationen, die in Tab. 1 aufgelistet sind, so wird deutlich, dass Brasilien auf dem richtigen Weg ist, soziale Disparitäten zu reduzieren, dem Ziel jedoch noch weit entfernt ist. Deutschland weist einen Gini-Index von 27,0 (2006) und die USA von 45,0 (2010) auf. Die Kluft zwischen Arm und Reich in Brasilien ist also deutlich höher. Nachbarländer wie Argentinien (2009: 45,8) oder Peru (2010: 46,0) zeigen einen geringeren Messwert als Brasilien und weisen somit niedrigere Disparitäten auf.

Wie in Kapitel 1.1.3 beschrieben, wurde die Wirtschaft von jahrelangen Inflationen geschwächt, von denen meist die unteren Einkommensschichten betroffen waren. Sie stabilisierte sich in einem gewissen Grad, die Inflationsrate reduzierte sich teilweise, das BIP wuchs und mit Ausnahmen steigerte sich das Einkommen.

Tab. 2 zeigt das durchschnittliche Einkommen in Real aller beschäftigten Arbeitnehmer und die Einkommensentwicklung zwischen den Jahren 1992 und 2009.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Einkommensentwicklung in Real zwischen 1992 und 2009

(nach Calcagnotto, 2013, S. 85-114)

Im Jahr 1992 lag das Durchschnittseinkommen noch bei 485,66 Reais. Durch die steigende Wirtschaft ist das Einkommen zwischen 1993 und 1995 um 19,9 % gewachsen. Im Jahr 2009 wurde ein durchschnittliches Einkommen von 621,22 Reais verzeichnet. Inflationen und Deflationen sind jedoch nicht mit einkalkuliert, sodass diese Zahl nur als Richtwert angesehen werden kann (vgl. ebd., S. 85-114).

Seit dem Beginn der Amtszeit von „Lula“ im Jahr 2003, wurde der staatlich festgelegte Mindestlohn fast verdreifacht (vgl. Kreutzmann, 2013, S. 4-9). Ab dem Jahr 2015 wurde der Mindestlohn auf 788 Reais erhöht und damit um 8,8 % im Vergleich zum Vorjahr gesteigert (vgl. TeleSUR-AFP & LP, 2014).

Brasilien weist einen verhältnismäßig geringen Bevölkerungsanteil sehr reicher Menschen auf, doch vielmehr jene, die der Armut ausgesetzt sind. Die Armut ist ein großes Problem Brasiliens. Ab Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich Armenviertel, sogenannte Favelas, zu der Zeit, als der Sklavenhandel unterbunden wurde. Es kam zu einer enormen Landflucht, das Städtewachstum nahm enorm zu. Die Armenviertel entstanden bevorzugt an den Rändern der Städte (vgl. Tempel, 2013, S. 22).

Durch die großen Wanderungsströme, vor allem aus dem desertifizierten Nordosten in den Süden, wurde diese Situation verstärkt. In der Hoffnung auf ein gutes Leben zog die arme Bevölkerung in die städtischen Agglomerationen im Süden Brasiliens. Diese Menschen können die hohen Mietpreise oftmals nicht tragen. Zudem sind die Städte überlastet. Der Prozess der Urbanisierung überfordert die Städte und die Knappheit von bewohnbarem Raum in den Metropolen wird zunehmend extremer. Laut Sander (2002, S. 38-47) kann eine Großstadt wie São Paulo sich selbst nicht mehr überblicken, geschweige denn steuern. Folglich lässt sich die arme Bevölkerung in illegalen, informellen Siedlungen am Stadtrand nieder (vgl. ebd.).

Die Folge der Urbanisierung ist eine wachsende Armut und Ausgrenzung. Es kommt zu einer Differenzierung von Stadtvierteln und einer sozialräumlichen Segregation (vgl. Kohlhepp, 2003, S. 30). Die Bevölkerung spaltet sich sozial: Die reichen Bewohner und z.T. auch der Mittelstand ziehen sich in separate und stark bewachte Wohngebiete, sogenannte gated communities, zurück, wohingegen sich die armen Menschen in Favelas am Rande der Stadt niederlassen (vgl. Kurtenbach, 2012, S. 147-171). Kohlhepp (2003, S. 31) deklariert die Favelas sogar als „no-go-areas“ aufgrund des Gewaltaufkommens, Morde und Bandenkriege in Zonen, die von der Polizei gemieden werden. Die Drogenmafia herrscht in den Armenvierteln und übt Autorität aus.

Rio de Janeiro, wo die Entwicklung dieser Elendsviertel begann, beherbergt beispielsweise etwa 40 % der Bevölkerung in Favelas. Die Stadt weist 700 solcher Slums auf, in denen eine grundlegende Infrastruktur kaum vorhanden ist (vgl. Felsch, 2008, S. 399). Einnahmequellen der in den Favelas lebenden Menschen sind der Drogenhandel und günstige Dienstleistungen, die für die Mittelschicht erbracht werden: als Köchin, Putzfrau, Wachmann, Gärtner oder als Handwerker (vgl. Tempel, 2013, S. 22 f.).

Charakteristisch für das typische Schwellenland Brasilien sind die starken sozialen Disparitäten. Die klassische Mittelschicht, die beispielsweise in Deutschland besteht, existiert in dem südamerikanischen Land kaum: „Die Mittelschicht ist dünn, dafür gibt es Millionen Menschen, die in den kontinuierlich anwachsenden Elendsvierteln der großen Städte leben und Hunger leiden“ (Felsch, 2008, S. 397). Die Programme „Favela Bairro“ und „Bolsa Familia“ wurden von der Stadt Rio de Janeiro bzw. vom Präsidenten Lula da Silva ins Leben gerufen, um die Favelas in normale Stadtviertel zu verwandeln und die Familien aus der Armut zu befreien (vgl. Tempel, 2013, S. 22). Von dem Programm Bolsa Familia profitieren rund 26 % der Bevölkerung. „Brasilien hat seit der Jahrtausendwende rund 40 Millionen Menschen aus der Armut geholt und bekommt dafür weltweite Anerkennung“ (Maicher, 2013, S. 18).

Kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft verschärfte sich die Situation in Brasilien. Der taz [7] -Artikel „Favela in Rio plattgewalzt“ beschreibt, wie mit polizeilicher Gewalt gegen die Bewohner der Armenviertel vorgegangen wurde. Ziel war es, die Stadt aufzuwerten, um ein gutes Image und Prestige für die Fußball-WM zu erreichen. Die Bauflächen sind kostbar und der Ausblick über die ganze Stadt von Rio de Janeiro ist unbezahlbar (vgl. Behn, 2014). Viele Bewohner konnten sich auch die Miete nicht mehr leisten, da die Kosten gestiegen waren. Ein weiterer Punkt ist aber auch, dass dadurch die Herrschaft über die Drogengangs, die die Macht in den Favelas ausüben, gestoppt werden sollte.

Als ein weiteres Problem erweist sich die Gewalts- und Kriminalitätsrate in Brasilien. Laut Glüsing sterben jedes Jahr über 50.000 Menschen aufgrund von Gewaltdelikten. Viele Verbrechen stehen mit dem Drogenhandel in Zusammenhang und ziehen meist auch Jugendliche in ihren Bann. 12-Jährige, die mit Kalaschnikows Wache stehen und Kokain, Crack oder Marihuana verkaufen, sind keine Seltenheit (vgl. ebd., S. 135-143). Brasilien gehört mit Venezuela zu den „wichtigsten Transitländern“ für Drogen, die nach Nordamerika oder Europa verschickt werden. Argentinien und Brasilien sind zudem die größten südamerikanischen Märkte für den Konsum von Kokain (vgl. Kurtenbach, 2012, S. 147-171). Die Drogenkartelle beherrschen fast die Hälfte der Favelas in Rio und üben folglich eine enorme Macht aus. Dies ist vor allem aus dem Grund möglich, weil der Staat in den Armenvierteln meist nicht präsent ist. Die korrupte Polizei profitiert sogar von den Drogenhändlern, da diese den Polizisten Geld geben, damit sie sich aus ihren Tätigkeiten heraus halten.

Der Staat versuchte diesen Zustand zu ändern, indem er eine polizeiliche Befriedigungseinheit, die UPP, im Jahr 2008 gründete. Die Militärpolizei wurde in Brasiliens Armenviertel eingesetzt. Mit deren Hilfe versucht der Staat, die Favelas zurück zu erobern und für Sicherheit zu sorgen (vgl. Stahlberg, 2014). Dieses Konzept sollte durch Sozial- und Ausbildungsprogramme begleitet werden, was jedoch ausblieb und nur oberflächlich implementiert wurde. Somit steht lediglich die militärische Veränderung im Vordergrund. Die UPP gilt als sehr gewalttätig und hat bei vielen Brasilianern einen schlechten Ruf (vgl. Behn, 2013). Auch wenn das Drogengeschäft sich womöglich nicht reduzieren lässt, so minimiert sich aber die Kriminalität.

Nach jahrzehntelangem Ignorieren der Verhältnisse in den Favelas ist die Legitimation dieser Befriedigungseinheit ein paar Jahre vor den Sportereignissen umso zweifelhafter. Die Tatsache, dass die UPP lediglich in Favelas in Rios reichem Süden und in der Nähe des künftigen Olympiageländes eingesetzt wurde, bekräftigt die Annahme, dass dies womöglich nur aufgrund eines ersehnten guten Images und einer Steigerung des Immobilienwerts geschah (vgl. Lichterbeck, 2014).

Fraglich bleibt, ob diese kostspielige Sicherheitsstrategie auch nach der WM und den Olympischen Spielen Bestand haben wird (vgl. Bartelt, 2015). Neben dem militärischen Aspekt, der für Sicherheit in den Favelas sorgen soll, wäre es viel bedeutender, diese Stadtviertel durch Freizeit- und Bildungsangebote sowie infrastrukturelle Maßnahmen aufzubessern, um den Kreislauf der Armut und der Drogenproblematik dauerhaft aufzubrechen (vgl. Behn, 2013).

Auch Umweltprobleme plagen die Bevölkerung. So werden ungeklärte Abwässer in die Flüsse und in die küstennahen Gewässer geleitet. Dies hat Folgen für die Trinkwasserversorgung. Ferner sind eine hohe Luftverschmutzung und das große Verkehrsproblem Herausforderungen, denen sich das Land stellen sollte (vgl. Tempel, 2013, S. 20-41).

Doch auch die Bildung lässt in Brasilien zu wünschen übrig. Auch wenn die Ausgaben in das Bildungssystem gestiegen sind und auch mittlerweile 98 % der 6-14-jährigen Kinder zur Schule gehen, so ist die Ausstattung oftmals unvertretbar. 15.000 Schulen müssen ohne Strom auskommen, viele Klassenzimmer sind überfüllt, Unterrichtsmaterialien sind kaum vorhanden und ein immenser Lehrermangel liegt vor. Dies spiegelt sich auch bei dem PISA-Test (2009) wider: „bei der Lesekompetenz und in den Naturwissenschaften [lag Brasilien] auf Platz 53, in Mathematik auf 57 (von 65)“ (ebd., S. 20 f.). Privatschulen weisen erheblich bessere Ausstattungen vor. Diese kosten jedoch monatlich zwischen 200 und 500 Euro, was bei einem monatlichen Durchschnittslohn von umgerechnet 591 Euro (im Jahr 2011) finanziell kaum zu bewältigen ist. Somit ist eine gute Bildung meist ein Privileg für die Oberschicht und es ist schwierig, aus diesem Kreislauf auszutreten.

Die staatliche Universität ist kostenlos, die Aufnahme schaffen jedoch meist lediglich Absolventen von Privatschulen. Bei Privatuniversitäten ist oftmals das Bildungsangebot begrenzt. Somit stellt das Ausland (USA, Japan oder Europa) eine attraktive Option für junge Brasilianer dar, um sich dort zu verwirklichen und weiter auszubilden (vlg. ebd., S. 20 ff.).

Die Stellung von Mann und Frau ist in Brasilien sehr ungleich. Die arbeitsmarktpolitischen Unterschiede und die Voraussetzungen für Bildung und Einkommen sind zwischen den Geschlechtern signifikant.

Mit vergleichbarer Ausbildung verdienen Frauen „rund 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen“ (ebd., S. 24). Das geschätzte Jahreseinkommen der Frauen liegt bei 8.883 Dollar, wohingegen das der Männer bei durchschnittlich 14.648 Dollar liegt. Grund hierfür ist, dass die Frauen meist in Sektoren mit niedrigerem bis mittlerem Einkommen beschäftigt sind. Hinzu kommt die Doppelbelastung durch Haushalt, Kinder und das Pflegen älterer Familienangehöriger, wofür meist die Frauen verantwortlich sind. Vor allem Dilma Rousseff bemühte sich darum „Frauen in die Politik zu holen“ und mithilfe des Parlamentes die Unterschiede zu reduzieren. Die Arbeitslosenquote der Frauen und Männer werden aus Abb. 11 ersichtlich.

Abbildung 11: Arbeitslosenquote der Frauen und Männer

( Tempel, 2013, S. 25)

Die rote Linie stellt die Arbeitslosenquote der brasilianischen Frauen dar, wohingegen die blaue den Anteil der männlichen Arbeitslosen zeigt. Es ist ersichtlich, dass die Arbeitslosenquote der Frauen in Brasilien prinzipiell höher ist als die der Männer. Beide Quoten sind jedoch in den Jahren 2003 bis 2012 geschrumpft. Knapp über 12 % der Frauen waren im Jahr 2003 arbeitslos, 2008 sank die Zahl um ca. 2,5 %. Im Jahr 2012 wurden ca. 10 % weibliche Arbeitslose vermerkt. Die Männer wiesen im Jahr 2003 ca. 8 % und 2012 6 % Arbeitslose auf (vgl. ebd., S. 25). Im Jahr 2015 wurde eine durchschnittliche Quote von 5,91 % festgestellt (vgl. Statista GmbH, 2015d).

[...]


[1] Aufgrund der Übersichtlichkeit wird im Folgenden für Rezipientinnen und Rezipienten die maskuline Form Rezipient benutzt.

[2] Aufgrund der Übersichtlichkeit wird im Folgenden für Leserinnen und Leser die maskuline Form Leser benutzt.

[3] Das Candomble hat seinen Ursprung im zentralafrikanischen Königreich Kongo. Darunter wird der gesamte „Komplex der Kultgruppen, also Mythen Glaubenssystem, Weltanschauung, Kosmologie, Werte, Rituale und Ethik [verstanden]“ (vgl. Loth, 2012, S. 3).

[4] Der Confederations Cup (Konföderationen Pokal) findet ein Jahr vor der Fußball-WM im selbigen Austragungsland statt und dient als Generalprobe.

[5] „Das Bruttoinlandsprodukt bezeichnet den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die im betreffenden Jahr innerhalb der Landesgrenzen hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen. Es gilt als wichtiger Indikator für die Wirtschaftskraft eines Landes“ (vgl. Statista GmbH, 2015a).

[6] Die momentane brasilianische Währung ist der Real (Plural: Reais)

[7] taz: Die Tageszeitung

Ende der Leseprobe aus 125 Seiten

Details

Titel
Das Brasilienbild in der Sportberichterstattung. Die Darstellung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in der Süddeutschen Zeitung
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Sportwisschenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
125
Katalognummer
V320213
ISBN (eBook)
9783668207271
ISBN (Buch)
9783668207288
Dateigröße
40296 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brasilien, Medien, Süddeutsche Zeitung, WM, Fußball, Weltmeisterschaft, 2014, Sportberichterstattung
Arbeit zitieren
Lisa Kuhn (Autor:in), 2016, Das Brasilienbild in der Sportberichterstattung. Die Darstellung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in der Süddeutschen Zeitung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320213

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Brasilienbild in der Sportberichterstattung. Die Darstellung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in der Süddeutschen Zeitung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden